Es sind mehr Mädchen als Jungen im gymnasialen Bildungsgang. 98 % sind im Gymnasium. Insofern werde ich mich in Anbetracht der Zeit auf die Gymnasien beschränken.
Kommen wir als ersten Punkt zu dem vermeintlich so offenen Schulsystem, in dem man flexibel zwischen den Schulformen wechseln kann. Dazu kann man zwei Anmerkungen machen.
Erstens. Nach der sechsten Klasse ist der Zeitpunkt, zu dem es eine größere Aufwärtsmobilität als Abwärtsmobilität gibt, zu dem mehr Schüler und Schülerinnen von der Sekundarschule ans Gymnasium wechseln als umgekehrt vom Gymnasium an die Sekundarschulen abgeschult werden.
Ich finde, das spricht eine klare Sprache für längeres gemeinsames Lernen, wenn man nach der sechsten Klasse signifikant Schüler und Schülerinnen hat, von denen man sagt, sie seien besser auf dem Gymnasium aufgehoben, sie könnten das Abitur ablegen.
die Gemeinschaftsschulen stärken müssen, die eben nicht so früh eine Festlegung vornehmen. Ich sage hier auch, wir schlagen auch die Schaffung von Schulverbünden zwischen Grundschulen und Gemeinschaftsschulen vor, sodass man diesen Übergang ganz besonders gut organisieren kann.
Was dann passiert, ist auch klar. In den Schuljahrgängen danach werden fünf- bis zehnmal so viele Schüler vom Gymnasium an die Sekundarschule geschickt, als Schüler und Schülerinnen von der Sekundarschule an das Gymnasium gehen.
Das zeigt, dass von den Zahlen her im Durchschnitt eher ein Klima des Abgebens herrscht, wenn Probleme auftreten, als ein Klima des Förderns und des Lückenschließens. Ich denke, hier ist ein Umsteuern dringend notwendig. Deshalb müssen wir uns die Ausbildung und die Fortbildung der angehenden Lehrer und Lehrerinnen sehr genau anschauen.
Der zweite Punkt ist das Sitzenbleiben. Das Sitzenbleiben hat man sich im Rahmen der ersten Pisa-Studie sehr genau angeschaut und damals festgestellt, dass ein Drittel, also jeder dritte 15-Jährige in allen Schulen bereits ein Jahr seines Leben verloren hat, und davon wiederum zwei Drittel durch Sitzenbleiben.
Die Forschung zeigt sehr klar, wer sitzen bleibt, dem hilft es in aller Regel nicht. Es hilft nur, wenn der Schüler schlechte Noten hat, weil er faul war und sich mit anderen Dingen beschäftigt hat. Aber für einen Schüler, der Dinge nicht verstanden hat, ist Fördern und Erklären besser als Sitzenbleiben.
Im übrigen sind Kinder auch nicht in allen Fächern schlecht, sondern meistens nur in einem oder zwei Fächern. Durch das Sitzenbleiben sinkt dann auch die Motivation in den Fächern, in denen der Betreffende gut ist.
Wenn man sich die Gesamtstatistik anschaut, ist festzustellen, dass Sachsen-Anhalt hinsichtlich der Sitzenbleiberquote inzwischen im Durchschnitt liegt. Wenn man aber genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass ein Hauptjahrgang des Sitzenbleibens die elfte Klasse ist. In keiner anderen Klassenstufe bleiben so viele Schüler und Schülerinnen an unseren Gymnasien sitzen wie nach der elften Klasse, nämlich mehr als 5 % aller Schüler und Schülerinnen. Auch am Ende der zwölften Klasse erreichen 2 % das Abitur nicht und müssen diese Klassenstufe wiederholen.
sen-Anhalt hinweisen. Wir haben dazu im September 2013 einen Antrag vorgelegt. Die Oberstufenverordnung benachteiligt unsere Abiturienten im Vergleich zu anderen Bundesländern. Ich möchte auch heute und hier wieder anmahnen, Gerechtigkeit herzustellen, damit unsere Gymnasiasten nicht benachteiligt, nicht schlechter behandelt werden als Gymnasiastin in anderen Bundesländern.
Dann, vermute ich einmal, werden auch diese sehr hohen Zahlen des Sitzenbleibens in der elften und zwölften Klasse zurückgehen.
Also, es läuft etwas grundsätzlich schief. Ich denke, wir müssen hier Maßnahmen ergreifen, um die Unterstützungskultur in den Gymnasien zu stärken. Warum läuft etwas schief? - Aus den Gründen, die ich genannt habe.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass wir ja zu wenige Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung haben. Das Problem ist nicht, dass wir zu viele haben, sondern zu wenige. Beispielsweise haben im Schuljahr 2012/13 in Sachsen-Anhalt 28,6 %, also knapp 29 %, der jungen Menschen eine Hochschulzugangsberechtigung erworben. Gleichzeitig lag ihr Anteil im Bundesdurchschnitt bei 40 %.
Wenn wir uns die Steigerungsraten anschauen, die deutlich machen, wie es dem Land gelingt, die Quote von Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung zu steigern, dann können wir für den Zehnjahreszeitraum von 2002 bis 2012 beobachten, dass Sachsen-Anhalt hier eine Steigerung von 2,1 % erreicht hat. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 11 %.
Insofern sage ich hier noch einmal sehr deutlich, unser Schulsystem ist nicht so durchlässig, wie es immer gesagt wird. Wir haben ein Problem mit der Oberstufenverordnung. Und wir müssen es mehr jungen Menschen in Sachsen-Anhalt durch gute Maßnahmen ermöglichen, das Abitur abzulegen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kommen wir dann zum Wahlkampfschlager der CDU, zur Schullaufbahnempfehlung. Auch hier erinnere ich noch einmal an Pisa. Es gibt sehr deutliche Forschungsergebnisse dazu, dass Kinder bei erwiesenermaßen gleicher Kompetenz aus einem Akademikerhaushalt fünfmal so häufig eine gymnasiale Empfehlung bekommen wie Kinder aus einem Arbeiterhaushalt. Das ist ungerecht. Das war für uns der Anlass zu sagen, das wollen wir nicht mehr.
legen von der CDU, eine verbindliche Prüfung haben wollen, dann ist nach der neunten Klasse der richtige Zeitpunkt. Machen Sie das nach der neunten Klasse - dazu können wir schnell Einigkeit herstellen -, aber nicht nach vierten Klasse; das ist viel zu früh.
Schauen wir uns einmal an, was dann passiert ist. Wir hatten in dem Zeitraum, der im Rahmen der Großen Anfrage betrachtet wurde, zwei Schuljahrgänge, für die die Schullaufbahnempfehlung noch verbindlich gewesen ist. Dann hatten wir drei Schuljahrgänge, für die die Schullaufbahnempfehlung nicht mehr verbindlich gewesen ist. Da sind ja - das liest man immer - angeblich Katastrophen eingetreten.
Was sagen uns denn die Zahlen? - Die Zahlen sagen, dass in der Tat nach der vierten Klasse die Übergangswahrscheinlichkeit an die Gymnasien um 3,7 % gestiegen ist. Das ist richtig. Wenn Sie sagen, dass es durch die Abschaffung der Verbindlichkeit eine Steigerung gegeben hat, haben Sie Recht. Diese Steigerung ist übrigens zu Gunsten der Jungen ausgefallen. Das heißt, Jungen gehen nun häufiger an ein Gymnasium als in der Zeit davor.
In Bezug auf das Sitzenbleiben haben wir nur drei Jahrgänge, die wir vergleichen können. Dazu würde ich als Statistikerin sagen, das ist eine zu geringe Zahl. Aber wenn man sich die Zahlen anschauen will, dann kann man feststellen, dass sie gleich geblieben sind. Hier sagte die Landesregierung, in diesem Zeitraum sei die Verordnung geändert worden und deshalb könne man die Zahlen nicht vergleichen. - Nun gut. Ich denke, man kann die Daten ohnehin nicht vergleichen, weil die Zahl zu gering ist.
Was die Abiturquote betrifft, also die Katastrophenmeldung vom Anfang, das alles ganz furchtbar sei und dass viele Probleme aufträten, dazu kann man frühestens ab dem Schuljahrgang 2019/2020 Aussagen treffen. Darüber wissen wir noch nichts.
Nun sind mit der Unverbindlichkeit der Schullaufbahnempfehlung zwei Sorgen verbunden. Die Sorge der CDU ist ganz offensichtlich, dass zu viele Kinder auf das Gymnasium kommen. Die Sorge der emanzipatorischen Pädagogik ist eine ganz andere. Diese Richtung argumentiert damit, dass eine Schullaufbahnempfehlung auch Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern dazu ermuntert, auf das Gymnasium zu gehen. Also, wenn die Lehrerin verbindlich sagt, der betreffende Schüler solle auf das Gymnasium gehen, werde dieser Empfehlung eher gefolgt.
Schullaufbahnempfehlung - die die gibt es ja immer noch, aber sie ist nicht verbindlich - weiß. - Darüber weiß die Landesregierung nichts. Es gibt also keine Erkenntnisse darüber, ob in irgendeiner Richtung davon abgewichen wird, ob Eltern sich trotz der Schullaufbahnempfehlung anders entscheiden.
Wenn Sie es so problematisch finden, dass hier das Elternrecht gestärkt wird, dann wäre es doch einmal interessant, das zu wissen. Deswegen sage ich hier noch einmal ganz klar auch in Richtung der CDU: Ich will keine ideologisch begründete Einschränkung des Elternrechts. Denn Zahlen haben Sie dafür nicht. Ich habe Vertrauen in die Beratungskompetenz unserer Lehrer und Lehrerinnen. Ich vertraue auf das Gespräch zwischen dem Klassenlehrer oder der Klassenlehrerin und den Eltern.
Wenn man versucht, ein Fazit zu ziehen, fällt erstens auf, dass die Datenbasis schwierig ist. Es gibt in den Tabellen Rechenfehler. Damit will ich sie nicht im Einzelnen langweilen.
Zweitens fällt auf, dass die Landes- und die Bundesstatistik an vielen Stellen nicht übereinstimmen, auch dort nicht, wo angeblich dasselbe hingeschrieben wird. Manchmal gibt es Unterschiede, weil anders gerechnet wird. Aber auch dort, wo angeblich gleich gerechnet wird, stimmen die Zahlen nicht. Das finde ich im Bildungsbereich besonders frustrierend.
Wir haben explizit nach den freien Trägern gefragt. Denn die freien Träger ersetzen ja den Unterricht in den Regelschulen, in den staatlichen Schulen. Zu den freien Trägern bekommen wir gar keine Auskunft. Das finde ich skandalös, weil es mir um alle Kinder im Land und deren Karrieren geht.
Bemerkenswert ist in Zeiten, in denen wir viel über Integration sprechen, dass in den betrachteten fünf Jahren der Anteil ausländischer Schüler und Schülerinnen von 1,9 % auf 1,2 % abgesunken ist. Das finde ich problematisch, weil der beste Weg zu guter Integration gute Bildung ist. Insofern sollten wir uns auch das noch einmal genauer anschauen.
Was aber für mich ganz klar als Forderung aus der Große Anfrage herauskommt, ist die Erkenntnis, dass wir endlich gute Forschung zu den Bildungsverläufen, zu den Karriereverläufen in den Gymnasien brauchen. Wenn man überhaupt an der Schullaufbahnempfehlung festhält - wir wollen ein Elterngespräch ohne Schullaufbahnempfehlung -, dann muss man auch dazu Forschung betreiben, damit man überhaupt weiß, wie die Eltern damit umgehen.
brauchen Förderung statt Abschulen und Sitzenbleiben. Und wir brauchen mehr längeres gemeinsames Lernen anstelle des Auf und Ab im Schulsystem. Also müssen wir genau hinschauen und verstehen, was in den Schulen passiert, statt ideologischer Debatten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herzlichen Dank, Frau Professor Dalbert. Herr Schröder möchte Ihnen eine Frage stellen. Sie wollen Sie mit Sicherheit beantworten, vermute ich einmal.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dalbert. - Erstmal kann ich aus dem, was Sie vorgetragen haben, eine große Deckungsgleichheit zur Position meiner Fraktion feststellen, was die Frage der Verläufe angeht, hinsichtlich der Forschung und der Forderung, eine Unterstützungskultur zu etablieren. Auch die von uns schon geäußerte Idee eines Grundschulverbandes wird von Ihnen unterstützt sowie die Durchlässigkeit des Systems in höheren Klassen, die wir auch als wichtig ansehen und unterstützen.
Jetzt sprachen Sie das Thema Schullaufbahnempfehlung sehr explizit an. Ich denke, sie reagieren damit auf die zugespitzten Beiträge, die es dazu in der Zeitung gegeben hat.