Ich finde es schon erstaunlich, was Gerichte und auch Kommunalaufsichtsbehörden so alles aus einem Gesetz lesen können. Noch erstaunlicher finde ich es, wie intensiv man sich auf den Willen des Gesetzgebers beruft. Meistens kommt dann noch die nächste Stufe in unserem Land hinzu: Man sagt: Wir kennen den Willen des Gesetzgebers aber besser als der Gesetzgeber selbst. Auch das konnten wir das eine oder andere Mal in Urteilen, aber auch in Verlautbarungen von Aufsichtsbehörden lesen. Es ist zutreffenderweise darauf hingewiesen worden, dass man suchen kann, soviel man will: Den Herstellungsbeitrag II als solchen findet man im Gesetz nicht.
Die Betroffenen wollen nun wissen, wie es weitergeht. Ich halte es für erforderlich, dass sie schnell wissen, wie es weitergeht. Was ist jetzt zu tun? - Das Bundesverfassungsgericht hat zum Brandenburger KAG entschieden. Es ist richtig, das Urteil ist nicht unmittelbar auf unser Land übertragbar, zumindest was die Konstruktion in den Beschlüssen betrifft.
Wer sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anschaut - Herr Minister hat eben zutreffenderweise darauf hingewiesen -, der sieht, welcher Geist in der Begründung steckt. Dabei geht es schon um ein neues Austarieren zwischen dem Vertrauensschutz der Bürger einerseits und den
fiskalischen Interessen andererseits. Wir müssen prüfen, ob das Auswirkungen auf die Regelung der Übergangsfrist des § 18 Abs. 2 KAG hat. Eine Auswirkung auf § 13b sehe ich nicht; denn unter eine Frist von zehn Jahren wird sicherlich kaum jemand gehen wollen.
Ich halte es für das Beste, wenn das ein externer Gutachter macht, der nicht schon seit Jahrzehnten mit uns im selben Teich herumschwimmt und seine alte Meinung bestätigt haben möchte.
Ich sage auch: Wir hätten diese Übergangsfrist damals - - Als Sozialdemokraten haben wir sie ja nicht gerade eingefordert, schon gar nicht das, was dann später daraus gemacht worden ist.
Eine letzte Bemerkung zum Agieren der Zweckverbände. Ich finde es von den Zweckverbänden schon etwas unredlich, wenn sie im Vorfeld der letzten KAG-Änderung massiv eine sehr lange Übergangsfrist verlangt haben, nämlich durch ihre Interessenvertreter Wasserverbandstag und Städte- und Gemeindebund, und sich jetzt vor die Menschen draußen hinstellen und sagen: Wenn das Gesetz dann nicht geändert worden wäre, dann hätten wir von euch das Geld gar nicht einsammeln wollen.
Darauf kann ich nur erwidern: Wenn es nach ihrem Willen gegangen wäre, dann hätten sie es wahrscheinlich erst nach 30 Jahren eingesammelt
Wir brauchen kluges und überlegtes Handeln. Dazu brauchen wir vor allem Ergebnisse zur Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 2 KAG. Unser Ziel ist, dass endlich Rechtsfrieden an der Abwasserfront in Sachsen-Anhalt hergestellt werden kann. - Herzlichen Dank.
Über die Motivlage im Jahr 2014 oder später kann man jetzt viel reden. Das ist wirklich verschüttete Milch. Zu dem, was ich als Einschätzung gehört habe, wie wir mit diesem Thema umgehen sollten, haben Sie im Grunde genommen das gesagt, was wir in den Antrag geschrieben haben, nur in andere Worte gekleidet.
Das ist im Grunde genommen das, was wir machen wollen. Meine Frage: Können wir dazu heute mit Ihrer Zustimmung rechnen, Herr Erben?
Wir haben einen Alternativantrag vorgelegt. Sie werden, wenn Sie ihn gelesen haben, festgestellt haben, dass er sich in der Zielrichtung gar nicht von Ihrem unterscheidet und im Hinblick auf den Inhalt nur in Nuancen.
Eine wunderbare Feststellung. - Wir kommen zum zweiten Debattenbeitrag. Es spricht Herr Meister für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt Vorgänge im politischen Geschehen, die man auch mit viel gutem Willen nicht mehr als durchdachte Vorgehensweise bezeichnen kann. Es geht um Vorgänge, die geradezu als Beispielfälle für diejenigen herhalten müssen, die pauschal und polemisch über die Demokratie und den demokratischen Willensbildungsprozess schimpfen, der ja nun einmal von Widersprüchen lebt und vorangetrieben wird.
Das, was uns die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen hier zumuten, läuft aber nicht mehr unter „Schwierigkeiten der demokratischen Willensbildung“, sondern das ist schlichtweg peinlich.
Wir hatten im Jahr 2014 hier mehrmals die Diskussion, wie wir mit den Altbeiträgen umgehen. Anlass war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013. Ein wesentlicher Punkt in der Debatte war dabei die Frage: Wann ziehen wir den Schlussstrich?
Meine Fraktion hat sich damals auf den Standpunkt gestellt: Lasst es uns Ende 2014 tun. Das hätte klare Verhältnisse geschaffen. Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen sahen es anders. Sie wollten noch ein Jährchen dranhängen. Begründet wurde dies insbesondere mit der Gerechtigkeit und mit der dafür erforderlichen gleichmäßigen Heranziehung aller Beitragsschuldner. Diesen Standpunkt kann man einnehmen.
Wir Bündnisgrünen hatten aber die Sorge, dass es in dem bewussten letzten Jahr einen Run seitens der Verbände darauf geben würde - der Minister war merkwürdigerweise genau dieser Meinung, allerdings erst jetzt -, die Altbeiträge nun noch festzusetzen, und dass dabei die Frage, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, eine eher untergeordnete Rolle spielt - dies vor dem Hintergrund der Rechtsprechung und der in jedem Einzelfall zu stellenden Frage, ob die lange Zeitdauer zwischen Vorteilsentstehung und Abrechnung nun noch rechtmäßig ist.
Diesen Bedenken ist man nicht gefolgt. Es wurde sogar eine Taskforce eingesetzt - dazu habe ich heute noch nichts gehört -, deren Aufgabe die Ermöglichung einer möglichst umfangreichen Erhebung der Altbeiträge war.
Als ich nun den Antrag der LINKEN gelesen habe, dachte ich mir: Ja, das ist die konsequente Weiterführung der Position der Opposition; da sind wir dabei. Natürlich hat der Antrag, bedingt durch die jetzige Situation, diverse Tücken; auf diese komme ich gleich noch zu sprechen. Aber die Regierungsfraktionen haben über Jahre hinweg ihre Position dargelegt, daher dachte ich: Da geht nichts mehr, das ziehen die jetzt durch, das ist entschieden, da ändert sich nichts.
Dann teilte die SPD-Fraktion mit, dass sie das jetzt dufte findet. Ob dieses Richtungswechsels bei voller Fahrt war ich dann doch geplättet.
- Aber erfreut, natürlich, ja. - Die Landesregierung verkündete dann ganz aktuell per Erlass, dass der Antrag der Opposition, also der LINKEN, sofort umzusetzen sei.
Gesagt wird das in dem Erlass anders, aber im Kern ist das natürlich der Regelungsgehalt. Bei so etwas steht man dann nur noch staunend daneben. Dass man erst springt und sich dann entscheidet, die Richtung zu wechseln, ist nicht eben die Hohe Schule. Die Krönung ist jetzt die Aussage
von Minister Stahlknecht: Es gibt keinen Richtungswechsel. Er nimmt offenbar an einer ganz anderen Debatte teil.
Es ist völlig legitim, seine Position zu ändern. In diesem Fall wird aber so getan, als ob eine völlig andere Situation vorläge, die diese Pirouette erfordere. Das ist Unsinn! Die Rechtsprechung gilt seit dem Jahr 2013. Das aktuellere Urteil aus dem Jahr 2015 wurde noch vor knapp zwei Wochen - vielleicht waren es auch zweieinhalb Wochen - vom Staatssekretär sinngemäß wie folgt kommentiert: Das betreffe nur Brandenburger Spezifika und habe keine Auswirkungen auf das Land SachsenAnhalt.
Im Alternativantrag wird sogar noch das für das Land günstige Urteil des Oberverwaltungsgerichts angeführt, wobei ich nicht verstehe, warum wir das jetzt feststellen. Es ist eine ungewöhnliche Situation, dass sich der Landtag mit der Kenntnisnahme von Urteilen befasst. Wie das juristisch letztlich ausgeht, war und ist offen. Es gibt eine Änderung der Situation, die tatsächlich ursächlich für die veränderte Positionierung ist, es aber nicht sein sollte; denn es ist Landtagswahl.
Sie haben angesichts der breiten Diskussion Angst bekommen und rudern nun zurück - zumindest bis zum Zeitpunkt der Landtagswahl. Man sollte aber seine Position zu inhaltlichen Themen nicht von Wahlterminen abhängig machen.
Nun kann man sagen: Es kann uns doch egal sein, aus welchem Grund die Regierung jetzt auf den Kurs der Opposition einschwenkt. Da ist etwas dran. Nur, zwischen einer geordneten Entscheidung im Dezember 2014 und den Chaostagen im Januar 2016 liegen Welten. Durch Ihre Entscheidung ist im Jahr 2015 eine Vielzahl rechtlich fragwürdiger - das sagen Sie jetzt selbst - Bescheide ergangen. Diese wurden zum großen Teil rechtskräftig und wurden auch von einem großen Teil der Betroffenen bezahlt. Zu den Details habe ich schon vor einer Weile eine Kleine Anfrage gestellt. Wir warten einmal ab.
Was passiert nun mit denen, die gezahlt haben? Sollen die Verbände die Beiträge zurückerstatten? Sind diejenigen, die darauf vertraut haben, dass die Gesetzeslage ernst zu nehmen ist, jetzt die Dummen? Was tun die Verbände mit den eingenommenen Beträgen? Völlig in der Luft hängen die noch offenen Verfahren.
Statt einer sauberen Lösung bescheren Sie, liebe Koalitionäre, uns völlig unklare Verhältnisse, motiviert durch wahltaktische Erwägungen. So kann, so sollte man Politik nicht machen.
Meine Befürchtung ist - wenn ich mir den Alternativantrag ansehe, die Prüfung und was man so vorhat -, dass das nur eine Krücke ist, um über den 13. März 2016 zu kommen,