(Lachen bei der CDU - Herr Miesterfeldt, SPD: Aber nicht unbedingt eine Stunde lang! - Zurufe von der CDU)
Liebe Frau Frederking, wir haben eine Geschäftsordnung. Sie wissen, dass alle, die hier vorn die Sitzung leiten, sehr großzügig sind. Aber wir haben einmal vereinbart: zwei Fragen, die kurz und knapp zu stellen sind. Jetzt stellen Sie bitte Ihre Frage.
Wie bewerten Sie den jüngsten Fall aus dem November 2015, dass die Staatsanwaltschaft Magdeburg die Ermittlungsverfahren gegen die Schweinezucht van Gennip eingestellt hatte, nachdem ARIWA Anzeige erstattet hatte?
Frau Frederking, wenn ich jede Einstellung einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung, die mir persönlich nicht passt, in der Form beurteilen würde, wie Sie das tun, dann hätte ich ein tiefes Misstrauen in Bezug auf unsere Staatsanwaltschaften. Das habe ich aber nicht. Die Staatsanwaltschaft wird ihre Gründe dafür gehabt haben, dass sie das getan hat. An dieser Stelle muss man der Staatsanwaltschaft vertrauen.
Herzlichen Dank für die Beantwortung. Abgeordneter Herr Krause möchte noch eine Frage stellen. Sie haben zugesagt, auch diese zu beantworten. - Bitte, Herr Krause.
Herr Daldrup, ist es nicht etwas kurios? Wir als Sprecher beraten über die beabsichtigte erneute Absetzung der Erarbeitung der Beschlussempfehlung; in diesem Gespräch wird von den Vertretern der Koalition deutlich gemacht, dass sie den Gesetzentwurf andernfalls der Diskontinuität anheimfallen lassen würden. Ich bemerkte dann: Was soll ich zu Ihrem Ansinnen noch sagen; Sie machen mit Ihrer Mehrheit doch sowieso, was Sie wollen. - Und dann sagt die Vorsitzende hier vorn, die Sprecher hätten sich über die Absetzung und die weitere Nichtbehandlung geeinigt.
Kurios finde ich das überhaupt nicht. Dass es unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Koalition gibt, ist offensichtlich geworden, auch heute. Dass es bestimmte Verfahren gibt, wie sich Koalitionäre verhalten, ist auch offensichtlich.
Dass wir uns aber in dieser besagten Beratung als Sprecher mit Ihnen gemeinsam darauf geeinigt haben, dass wir es nicht weiter behandeln, ist auch klar. Insofern verstehe ich die Frage nicht wirklich.
Vielen Dank für die Beantwortung, Herr Daldrup. - Weitere Fragen sehe ich nicht. Die Fraktion DIE LINKE hätte noch einmal das Wort. - Herr Krause verzichtet. Meine Damen und Herren, gibt es weitere Fragen zu dem Thema? - Das sehe ich nicht. Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass die Landesregierung auf einen Redebeitrag verzichtet hat. Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes angelangt. Wir können diesen Tagesordnungspunkt verlassen; Beschlüsse in der Sache werden hierzu nicht gefasst. - Ich übergebe die Sitzungsleitung an meinen Kollegen Miesterfeldt.
Der Landtagspräsident hat zu Tagesordnungspunkt 23 bereits erklärt, welche Bestimmung unserer Geschäftsordnung diesem Bericht zugrunde liegt: Es ist § 14 Abs. 2 GO.LT. In diesem Fall hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von dieser Regelung Gebrauch gemacht. Sie verlangt vom federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales einen Bericht über den Stand der Beratungen.
Ich erteile zunächst der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort für die Begründung ihres Verlangens. Anschließend findet eine Fünfminutendebatte statt. Berichterstatter des Ausschusses ist Herr Schwenke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 24. April 2015 haben wir in dieses Hohe Haus den Antrag mit dem Titel „Einwanderung als Chance nutzen“ einbracht. Seitdem ist über den Antrag im federführenden Ausschuss für Soziales sechsmal beraten worden.
Am 9. September 2015 wurde ein Fachgespräch durchgeführt, welches im Ergebnis die Intentionen unseres Antrages bekräftigt hat. Leider mussten wir feststellen, dass sich die Koalitionsfraktionen einer ernsthaften Auseinandersetzung mit diesem so wichtigen Thema nicht stellen wollen. Anders ist es nicht zu erklären, dass im Sozialausschuss stets nur Sachstandsberichte gefordert wurden. Dabei ist doch gerade bei diesem wichtigen Thema nicht Abwarten geboten; es besteht aktueller Handlungsbedarf.
Die offizielle Begründung für Ihr Verhalten war immer, Sie hätten Abstimmungsbedarf innerhalb der Koalition, Abstimmungsbedarf zu einem entscheidenden gesellschaftspolitischen Thema. Dabei wurde im Sozialausschuss zuletzt nur noch mit Geschäftsordnungstricks versucht, eine Abstimmung über diesen Antrag zu verhindern. Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen wurde der Antrag von der Tagesordnung genommen. Es wurde darüber abgestimmt, nicht darüber abstimmen zu müssen.
Meine Damen und Herren, sagen Sie doch lieber frei heraus, dass Sie kein Einwanderungsgesetz für Deutschland wollen. Das wäre ehrlicher, als mit solchen Verzögerungstricks zu arbeiten.
Bis zum heutigen Tag - das ist der Grund dafür, dass wir das Thema heute noch einmal auf die Tagesordnung haben setzen lassen - warten wir auf eine Beschlussempfehlung aus dem Sozialausschuss. Das, meine Damen und Herren, können und wollen wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Hierbei geht es schließlich nicht um irgendetwas; es geht um das entscheidende Thema für die Zukunft Deutschlands und insbesondere auch unseres Bundeslandes.
Im Moment verzeichnen wir eine beunruhigende Entwicklung. In den letzten Tagen ist vermehrt darüber geschrieben worden: Ein Drittel aller Asylsuchenden verlässt unser Bundesland schnell wieder in Richtung Westen. Das ist ein Problem für unser Land. Wir müssen das ändern. Wir müssen dafür sorgen, dass wir von einem Transitland zu einem Bleibeland werden. Andernfalls werden die Chancen der Einwanderung in anderen Bundesländern wahrgenommen, aber nicht bei uns in Sachsen-Anhalt.
Dann würden wir nur die Kosten der Integration tragen bzw. die Kosten der Unterbringung und der sozialen Betreuung. Wir ernten dann aber nicht die Früchte von erfolgreicher Integration. Wir wollen diese Früchte aber ernten, meine Damen und Herren, zusammen mit den Menschen, die zu uns kommen.
Ich sage es ganz deutlich: Das darf nicht passieren. Wir alle wissen nach fünf Jahren, was Abstimmungsbedarf bei Ihnen heißt. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Abstimmungsbedarf in Ihrer Koalition dazu führt, dass Sachsen-Anhalt diese wichtige Chance letztlich nicht nutzt.
Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns klar zu den Chancen der Einwanderung. Sie sind vielschichtig und sie werden für die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts irgendwann konkret erfahrbar sein.
Aber der Titel unseres Antrages gibt auch einen Hinweis darauf, dass das nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wir sprechen darin von Chancen der Einwanderung. Und Chancen kann man auch vergeigen, man kann sie verpassen. Solange Sie noch Abstimmungsbedarf haben und sich nicht klar zu Sachsen-Anhalt als Einwanderungsland bekennen, so lange werden weiter jeden Tag Menschen unser Bundesland verlassen, die uns als Neubürgerinnen und Neubürger für unser Land verloren gehen.
Welche Chancen bieten sich durch die Einwanderung konkret für unser Bundesland? - Erstens. Einwanderung beeinflusst die demografische Entwicklung bei uns positiv. Seit der friedlichen Revolution haben wir 750 000 Menschen verloren. Keine Landesregierung in diesem Land hat es je geschafft, diesen Trend aufzuhalten oder gar umzukehren.
Jetzt erlebt Sachsen-Anhalt zum ersten Mal überhaupt eine Einwanderung in einem nennenswerten Umfang. Angesichts dessen frage ich Sie: Schaffen wir es denn nicht, diese Menge an Leuten, ein Zwanzigstel derer, die seit der Wende abgewandert sind, hier erfolgreich anzusiedeln und zu Bürgerinnen unseres Landes zu machen? Es wäre doch gelacht, wenn wir an dieser Aufgabe scheitern würden, meine Damen und Herren. Dies wäre eine Bankrotterklärung der Politik.
Wir werden durch diese Einwanderung den demografischen Wandel nicht aufhalten. Aber wir werden hiermit eine Steuerungsgröße zur Verfügung haben - wir haben sie bereits zur Verfügung -, die wir nutzen müssen.
Zweitens. Die Einwanderung nach Sachsen-Anhalt wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Zwischen 2011 und 2015 hat die Anzahl offener Stellen in
Sachsen-Anhalt um 43 % zugenommen. Während im Jahr 2012 durchschnittlich 50 Tage vergingen, bis eine offene Stelle besetzt werden konnte, waren es im Jahr 2015 bereits 70 Tage. Die Besetzung offener Stellen wird also immer schwieriger.
Es geht dabei nicht nur um Ärzte und IT-Spezialisten. Fachkräfte werden in vielen Bereichen dringend benötigt. Sie werden das aus Ihren Wahlkreisen kennen. Wenn wir hierbei nur auf die Zuwanderung aus Drittstaaten und auf unzureichende Zugangswege wie die Blaue Karte EU setzen, dann vergeben wir massiv Chancen. Die Herausforderung besteht darin, auch Geflüchtete zügig auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten und einzugliedern, damit sie ihren Lebensunterhalt in sozialversicherungspflichtigen Jobs selbst verdienen können, meine Damen und Herren.
Drittens. Durch Einwanderung wirken wir dem Leerstand in unserem Land entgegen. Der Anteil leer stehender Wohnungen ist mit 10 % noch immer sehr hoch. In einigen Städten, unter anderem in der Landeshauptstadt, reißen wir nach wie vor Wohnblocks ab. Gleichwohl gibt es kein richtiges Konzept dafür, wie dieser hohe Leerstand strategisch für die dauerhafte Unterbringung Geflüchteter erschlossen werden kann. Das hat das letzte Asylgespräch beim Ministerpräsidenten gezeigt. Ich war, gelinde gesagt, überrascht davon, dass die Wohnungswirtschaft in unserem Bundesland kein Konzept hat, wie sie diesem Leerstand angesichts dieser großen Chance strategisch begegnen will, und das nach mehr als einem Jahr verstärkter Zuwanderung in unser Land.
Viertens. Integration durch Bildung schafft Perspektiven für uns alle im Land. Die nach SachsenAnhalt einwandernden Geflüchteten, die über Bildungsabschlüsse verfügen - viele davon verfügen auch über Universitäts- und Hochschulabschlüsse -, können eine Arbeit aufnehmen, sobald diese Abschlüsse anerkannt sind und der Spracherwerb als Grundvoraussetzung ermöglicht wurde. Einige Institute, etwa die Hochschule Magdeburg-Stendal, gehen hierbei auf einem guten Weg voran.
Es ist lobend zu erwähnen, dass die Landesregierung im Oktober 2015 mit der Erhebung der Qualifikationen der Geflüchteten in der ZASt Halberstadt begonnen hat, zumindest bei einigen der Geflüchteten. Dies muss schnellstens auch auf alle Außenstellen ausgedehnt werden. Nur wenn wir die entsprechenden Qualifikationen erfassen, ist eine schnelle Beratung und Weitervermittlung in Jobs möglich. Wenn entsprechende Abschlüsse
fehlen, dann gilt es, den Menschen schnell Zugang zu Bildung und Ausbildung zu verschaffen und abgebrochene Ausbildungswege abzuschließen.
Kitas, Schulen, Betriebe und Universitäten bringen Geflüchteten nicht nur einen neuen Alltag, sondern sie geben ihnen auch Halt und Sicherheit im Leben.
Der fünfte, sehr wichtige Grund: Einwanderung schafft Arbeit und volle Auftragsbücher. Das viel zitierte Vorurteil, dass Einwanderer Deutschen Jobs wegnehmen würden, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Einwanderung kann Innovationen befördern, die wiederum die Beschäftigung stärken und zu neuer Beschäftigung führen.