Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Heute sprechen wir wie alle Jahre wieder über die Kommunalfinanzierung. Und alle Jahre wieder sage ich Ihnen, dass diese nicht auskömmlich ist. Aber in diesem Jahr sprechen wir darüber im Zusammenhang mit dem Aufnahmegesetz. Damit haben die Landesregierung und die Koalition einen großen Schritt auf uns zu getan.
möchte ich daran erinnern, dass wir schon immer gesagt haben, dass insbesondere im Bereich der Finanzierung der Flüchtlingshilfen eine Kostendynamik zu verzeichnen ist, die sich im Finanzausgleichsgesetz nur unzureichend abbilden lässt.
Wir hatten damals vorgeschlagen, diese Finanzierungen in das Aufnahmegesetz zu überführen. Sie hatten dem damals aus den Gründen, an die der Herr Finanzminister gerade erinnert hat, widersprochen. Ja, es gab einmal eine pauschale Kostenerstattung für Hilfen für Asylbewerber, die damals aus guten Gründen herausgenommen wurde. Der gute Grund hieß, dass in einige Kommunen die Kosten anfielen; die anderen Kommunen aber Erstattungen erhalten haben.
Aber diesen Fehler, Herr Minister, führen wir jetzt fort, indem wir nach wie vor Pauschalen formulieren, die über alles gebrochen werden. Es wird eine Pauschale von 8 600 € angesetzt, möglicherweise mit einer Revisionsklausel versehen, die sich aber nur auf den Gesamtdurchschnitt und nicht auf individuelle Abweichungen beziehen kann.
Ein erster Ansatz für Standardisierungen ist im Aufnahmegesetz enthalten; das ist richtig. Das Innenministerium soll definieren, welche Kosten erstattungsfähig sind. Wir als Fraktion hätten uns aber gewünscht, dass Standards und Kostenerstattungen miteinander im Gesetz verankert wer
den. Wir wollten auch gern, dass die Unterbringungsstandards, vor allem der Standard der Unterbringung in Wohnungen, gesetzlich geregelt wird.
Wir wollten für die Unterkunftskosten, für die direkt erstattungsfähigen Kosten und für die Gesundheitskosten die entsprechende Einzelerstattung bzw. auch Einzelpauschalen, die sich nach der Art der Unterbringung differenzieren. Denn mit der Globalpauschale, die Sie auszahlen, setzen Sie möglicherweise auch falsche Anreize.
Die Pauschale von 8 600 € hat sich bereits bei der Einbringung des Gesetzes als nicht valide erwiesen. Die Landkreise hatten damals eine Kostenermittlung vorgelegt, die sich einem Betrag von 11 000 € annäherte. Man muss einmal schauen, wie sich diese 11 000 € zusammensetzen.
Es stellt sich die Frage, welche Kosten für die erstmalige Schaffung von Unterbringungseinrichtungen entstehen und welche nicht. Die Pauschale von 8 600 € ist auf jeden Fall bereits bei der Einbringung des Gesetzes im Jahr 2015 falsch gewesen. Beruhigend läuft der Ministerpräsident durch das Land und sagt, dass dies auch korrigiert werden soll.
Das Innenministerium meldete in dieser Woche, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes 2000 freie Plätze vorhanden seien. Das halten wir für problematisch. Denn die Verteilung der Flüchtlinge auf die Landkreise erfolgte zu schematisch. Sie erfolgte dem Schlüssel folgend relativ zügig und ohne tatsächlich zu schauen, welche Kapazitäten in den einzelnen Landkreisen vorhanden sind.
Wir hatten das Innenministerium aufgefordert, stärker zu prüfen, in welchem Landkreis was möglich ist, damit die Landkreise entsprechend ihren Möglichkeiten Flüchtlinge unterbringen können. Das Problem ist ein Stück weit auf die Landkreise verschoben worden. Insoweit begrüßen wir, dass zunächst die Zuweisungen unterbleiben, damit die Landkreise die Möglichkeit haben, ihre Aufnahmekapazitäten zu verbessern.
Insgesamt bleiben die Angaben des Innenministeriums für uns allerdings ein großes Rätsel. Sie werden wöchentlich veröffentlich. Für meine Heimatstadt Halle fiel mir Folgendes auf: Das Innenministerium meldete 1 600 Asylbewerber in der Stadt Halle; ausweislich der Statistik der Stadt Halle waren aber 2 600 Flüchtlinge vor Ort. In dieser Woche ist immerhin eine Korrektur seitens des Innenministeriums erfolgt. Danach leben nun 2 482 Flüchtlinge in Halle.
Dabei sollen laut MI erstmals in dieser Woche die Flüchtlinge erfasst worden sein, die eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende abgegeben haben. Mir stellt sich die Frage, warum nur
die Angaben für Halle korrigiert wurden. War das für die anderen Landkreisen schon berücksichtigt? Waren die Zahlen des Innenministeriums überhaupt belastbar?
An dieser Stelle muss im Innenministerium nachgearbeitet werden; denn genau diese Daten sollen als Grundlage für die Kostenerstattung an die Landkreise dienen. Das ist schwierig, wenn sich die Landkreise und das Innenministerium nicht einmal auf korrekte Angaben einigen können.
Die Kostentypisierungen, die über alles vorgenommen werden, sehen wir kritisch. Wir begrüßen es, dass eine Anrechnung der Flüchtlinge stattfindet, die in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes leben. Wir erwarten, dass bei den Standards des Innenministeriums die Unterbringung in Wohnungen der Regelfall wird.
Es hängt sehr viel vom Innenministerium ab, wie dieses Gesetz ausgestaltet wird. Die Erwartungen der Kommunen sind hoch, die Praxis im Innenministerium eher problematisch.
Zum FAG. Auch hierbei erfolgt alle Jahre wieder eine Revision, eine Kürzung. Im Jahr 2010 wurden noch 1,6 Milliarden € an die Kommunen ausgereicht. Heute sind es 1,4 Milliarden €. Auch die 25 Millionen € helfen an dieser Stelle nicht; es bleibt eine Kürzung. Das einzig Gute, das wir dem FAG abgewinnen können, ist, dass eine erste Abschlagszahlung bereits im Januar erfolgt. Nicht nachvollziehbar ist aus unserer Sicht die Absenkung im Bereich der Kosten für die Hilfen zur Erziehung bei den Ergänzungszuweisungen. Hierzu ist in jedem Jahr eine Kostensteigerung in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu verzeichnen; die Zuweisungen des Landes sollten daher steigen. Das System des FAG läuft leer.
Die Deubelsche Annahme, dass die kommunalen Einnahmen stärken steigen als die Landeseinnahmen, hat sich als falsch erwiesen. Wir hatten eine Steigerung der Steuern im Zeitraum von 2011 bis 2015 im kommunalen Bereich von 119 Millionen € bei einer gleichzeitigen Absenkung der FAGMasse um 145 Millionen € zu verzeichnen. Das ist das Problem dieses FAG.
Darüber hinaus wurden Kommunalfinanzierungen in Stark-Programme verschoben, was dazu führt, dass die Kommunen nicht mehr Herr ihrer eigenen Finanzen sind und die kommunale Selbstverwaltung ad absurdum geführt wird.
Keine Antwort findet der Gesetzentwurf auf die spezifischen Probleme der Verteilung der Finanzausgleichsmasse. Über uns schwebt nach wie vor das Urteil des Landesverfassungsgerichtes bezüglich der Einwohnerveredelung in den kreisfreien Städten und der Frage, inwieweit das in dem kreisangehörigen Bereich Berücksichtigung findet. Hierauf will das Finanzministerium nicht antworten.
Offen ist auch die Differenz zwischen den Steuerschätzungen Mai 2015 und November 2015 von immerhin 20 Millionen € im kommunalen Bereich zuungunsten der Kommunen. Wie soll das im nächsten Jahr gelöst werden?
Die Kritik am FAG bezieht sich vor allem auf das System des FAG. Es muss hierbei zu grundsätzlichen Änderungen kommen. Zumindest ist die Feststellung, dass mit dem FAG kommunale Probleme nicht gelöst werden können, sogar im Finanzministerium angekommen.
Wir werden uns bei der Abstimmung zur Änderung des Aufnahmegesetzes aufgrund der zahlreichen Fortschritte des Gesetzentwurfes der Stimme enthalten. Wir werden trotz aller Probleme, die wir mit der Zuweisung der 25 Millionen € haben, weil damit nur ein Einmaleffekt erzielt wird und dies quasi als Wahlgeschenk zu deuten ist, da sie aber den kommunalen Bereich entlastet, dieser Zuweisung zustimmen. Die Änderung des FAG werden wir ablehnen. Bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf insgesamt werden wie uns der Stimme enthalten. - Vielen Dank, meine Damen, meine Herren.
Danke, Kollege Knöchel. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Feußner. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der starken Erhöhung der Flüchtlingsströme und der damit verbundenen Kostenentwicklung im Asylbewerberleistungsbereich hat sich das bis 2014 bzw. 2015 bewährte System der Finanzierung dieser Kosten gemäß § 4a FAG überholt. Das hat der Minister bereits begründet. Es war auch ein Wunsch der kommunalen Spitzenverbände, dass diese Kosten über das Aufnahmegesetz geregelt werden.
Daher legte die Landesregierung einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, dieses zukünftig im Aufnahmegesetz zu regeln, was wir als Fraktion begrüßt haben.
In diesem Zusammenhang gab und gibt es sehr intensive Diskussionen - das ist bereits deutlich geworden - über die Angemessenheit der Finanzierung der Hilfen für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge. Zu der Festlegung der Landesregierung, eine Pauschale in Höhe von 8 600 € pro Asylbewerber an die Kommunen zu zahlen, was
im Haushaltsbegleitgesetz 2015/2016 festgehalten wurde, gab es massive Kritik seitens der kommunalen Spitzenverbände in Bezug auf die Höhe dieser Pauschale wegen mangelnder Auskömmlichkeit und der ständig anstehenden Preissteigerungen. Das ist uns allen bekannt; die Diskussion dazu haben wir auch im Ausschuss geführt.
Die Landesregierung hat wiederum den Kommunen zugesagt, das Land werde die Kosten, sofern eine wirtschaftliche Notwendigkeit nachgewiesen wird, übernehmen. Für die Anpassungsmodalitäten der Pauschale war im Gesetz zunächst eine Verordnung vorgesehen. Dort sollte eine Anpassung an wirtschaftlich notwendige Kosten erfolgen. Das führte erneut zu Diskussionen; denn das war aus der Sicht einiger Fraktionen und aus der Sicht der Spitzenverbände keine wirklich verlässliche Aussage.
Die kommunalen Spitzenverbände und das Innenministerium haben sich dazu zusammengesetzt und sind nun auf einem guten Weg dahin - so habe ich gehört -, einheitliche Kriterien für die Pauschale festzulegen. Da wir uns als Parlamentarier aber aufgrund der Diskussionslage, die ich eben beschrieben habe, in der Pflicht sahen, klare Grundlagen zu schaffen, haben wir nun eine Änderung in § 2 Abs. 6 vorgenommen, die die Anpassung dieser Pauschale vorsieht. Es ist eine Art Floating-Modell. Der Minister hat es eben erläutert.
Jeweils zum 31. März des Folgejahres wird die tatsächliche Kostenentwicklung des Vorjahres ermittelt und entsprechend angepasst. Diese Mehr- bzw. Minderkosten werden erstattet. Das haben wir so diskutiert, und das soll auch so beibehalten werden, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass die Pauschale überhöht ist bzw. dass die Kommunen aus den 8 600 € noch einen Gewinn erzielen. Das kann sich niemand in diesem Hause vorstellen. - Aber gut; sei es drum.
Uns freut es, dass wir mit der Regelung der sogenannten Revisionsklausel ein Instrument gefunden haben, das die finanzielle Stabilität für unsere Kommunen zur Bewältigung des Flüchtlingsstromes sicherstellt. Das haben die Spitzenverbände auch ausdrücklich begrüßt.
Eine weitere Entlastung wird es durch investive Zuschüsse geben, nämlich die Entflechtungsmittel. Diese betragen im Jahr 2015 1 Million € und im Jahr 2016 10 Millionen €.
Die jüngsten Ankündigungen, zunächst bis Januar 2016 die Landeserstaufnahmeeinrichtungen, die derzeit freie Kapazitäten haben, intensiv zu nutzen und in diesem Zeitraum keine Verteilung auf die Landkreise vorzunehmen, sind ebenfalls zu begrüßen. Das wird den Kommunen etwas Freiraum geben und etwas Entlastung von der derzeitigen Dauerbelastung schaffen.
Auf alle weiteren Detailfragen, die das Aufnahmegesetz betreffen, möchte ich nicht mehr eingehen. Dazu haben wir im Ausschuss intensiv diskutiert; dazu hat der Minister eben vorgetragen und dazu hat Herr Knöchel vorgetragen. Ich denke, darüber brauchen wir im Plenum nicht noch einmal zu diskutieren.
Aber, sehr geehrte Abgeordnete, eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, die in Artikel 2 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist, möchte ich noch erwähnen. § 2 FAG regelt die Finanzausgleichsmasse. Hier waren für das Haushaltsjahr 2016 Mittel in Höhe von 1,469 Milliarden € für die Kommunen vorgesehen. Im Jahr 2015 waren es immerhin noch Mittel in Höhe von 1,491 Milliarden €. Das bedeutet, es gibt erhebliche Kürzungen. Das könnte man weiter nach vorn fortführen. Herr Knöchel hat das in ähnlicher Form für unsere kommunalen Haushalte vorgetragen, insbesondere im Jahr 2016 im Vergleich zum Jahr 2015, und zum Jahr 2014 sowieso. Hierfür steht in erster Linie die Umsetzung der Revisionsklausel, mit der die für das Jahr 2016 prognostizierten kommunalen Steuereinnahmen sowie der Verbraucherpreisindex aktualisiert werden.
Ob diese Regelung im Nachhinein praktikabel war, muss hinterfragt werden, zumindest vonseiten der CDU-Fraktion. Eine verlässliche und planbare Finanzierung unserer Kommunen ist damit absolut nicht gewährleistet. Die Koalitionsfraktionen haben deshalb versucht, eine Minderung der Kürzungen vorzunehmen, indem wir den Kommunen zusätzlich Mittel in Höhe von 50 Millionen € über die allgemeinen Schlüsselzuweisungen zukommen lassen werden. Es bleibt aber die generelle Kritik an der Auskömmlichkeit der FAG-Masse bestehen.
Ich verweise an dieser Stelle auf die beschlossene Evaluation, die im Jahr 2016 erfolgen wird und erfolgen muss. Um den nächsten Doppelhaushalt für die Jahre 2017 und 2018 in Angriff nehmen zu können, müssen wir vorher eine Anpassung des FAG vornehmen.
Die derzeit geltende Regelung, nach der zusätzliche Steuereinnahmen anhand der Mai-Steuerschätzung 2015 bzw. immer des Vorjahres bedarfsmindernd gegengerechnet werden, nimmt den Kommunen jegliche Möglichkeit, eigene Konsolidierungsbemühungen zu realisieren. Wir schöpfen das sozusagen immer wieder ab.
(Zustimmung von Frau Wicke-Scheil, GRÜ- NE, von Herrn Meister, GRÜNE, und von Herrn Knöchel, DIE LINKE)
Das sogenannte Benchmark ist zu hinterfragen, ebenso die Kürzung der Tilgungspauschale. Es sind schon heute Überlegungen dazu anzustellen, wie eine Evaluierung des FAG vorzunehmen ist. Es muss immer möglich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Kommunen finanziell so aus
zustatten, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können und aus eigener Kraft Haushaltskonsolidierung betreiben können. Das ist unser allgemeiner Wunsch und unser politisches Ziel. Wir werden sehen, wie wir gemeinsam daran arbeiten können. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Kollegin Feußner. - Wir dürfen jetzt auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Pestalozzi-Schule in Haldensleben begrüßen. Herzlich willkommen!