Protocol of the Session on November 13, 2015

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Jetzt hat der Fraktionsvorsitzende Herr Schröder um das Wort gebeten. Er hat es damit.

In gebotener Kürze muss ich doch darauf reagieren, weil ich Herrn Gallert schätze und weiß, dass er die Fehlinterpretation meiner Rede bewusst und nicht etwa unbewusst oder unbeabsichtigt vorgenommen hat.

Ich habe die Flüchtlinge, die sich hier aufhalten, in keiner Form als Legitimationsgrundlage für etwaige polarisierte Debatten oder auch gewalttätige Auseinandersetzungen herangezogen. Im Gegenteil! Ich habe aber deutlich gemacht - darauf will ich nochmals hinweisen -, dass es nicht reicht, nur moralische Appelle abzugeben; vielmehr braucht die Gesellschaft einen funktionierenden Staat.

(Beifall bei der CDU)

Ein funktionierender Staat zeichnet sich dadurch aus, dass er Kontrolle ausübt. Er muss auch begrenzen und steuern dürfen. Er muss Regeln einhalten. Wenn er dies nicht mehr macht, oder es wird nur der Eindruck vermittelt, dass er den Entwicklungen hinterherläuft, ohne diese Wesensmerkmale der Staatlichkeit noch erfüllen zu können, dann nährt das Protest.

Das war die Aussage der Rede und nicht die bewusst falsche Unterstellung, die Flüchtlinge böten die Legitimation für Protest. Das wäre eine Fehlinterpretation. Das wollte ich noch einmal richtigstellen.

(Beifall bei der CDU)

Die Aktuelle Debatte ist damit beendet. Das Thema wird auch in Zukunft eine Herausforderung bleiben.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Gesetzes über die Einführung eines Jugendarrestvollzugsgesetzes und zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1885

Entschließungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1886

Beschlussempfehlung Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung - Drs. 6/4524

Die erste Beratung fand in der 41. Sitzung des Landtages am 21. März 2013 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Wunschinski. Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Kolleginnen und Kollegen! In der Regel fasse ich mich bei solchen Berichterstattungen kurz, aber ich bin ausdrücklich darum gebeten worden, bei diesem und auch beim nächsten Tagesordnungspunkt umfangreich auch auf die Anhörung einzugehen. Daher wird es heute etwas länger dauern.

Den Entwurf eines Gesetzes über die Einführung eines Jugendarrestvollzugsgesetzes und zur Änderung des Schulgesetzes des Landes SachsenAnhalt in der Drs. 6/1885 sowie den Entschließungsantrag dazu in der Drs. 6/1886 brachte die Fraktion DIE LINKE in der 41. Sitzung des Landtages am 21. März 2013 ein. Beide Drucksachen wurden im Plenum zur federführenden Beratung und zur Beschlussfassung an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen. Mitberatend wurde der Ausschuss für Bildung und Kultur beteiligt.

Infolge der grundsätzlichen Ablehnung dieser Sanktionsform durch die einbringende Fraktion sollte die Landesregierung mit dem Entschließungsantrag aufgefordert werden, sich auf der Bundesebene für eine Abschaffung des Jugendarrests einzusetzen. Der vorgelegte Gesetzentwurf sollte insofern eine Übergangslösung bis zum vollständigen Verzicht auf den Jugendarrest darstellen.

Dabei verfolgte die einbringende Fraktion das Ziel, neue Wege beim Vollzug des Jugendarrests zu eröffnen. Anstelle des reinen Sanktionscharakters des Arrestes sollte konzeptionell auf die Förderung und Erziehung der Jugendlichen hingearbeitet werden. Insbesondere sollten neue offene Vollzugsformen unter strikter Trennung von den übrigen Einrichtungen des Strafvollzugs geschaffen werden sowie eine stärkere Implementierung sozialpädagogisch-therapeutischer Kompetenz in den

Vollzug des Jugendarrests erfolgen. Nicht zuletzt sollte durch die Änderung des Schulgesetzes das Schulschwänzen nicht mehr als zu ahndende Ordnungswidrigkeit zum Jugendarrest führen können.

Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung befasste sich erstmals in der 25. Sitzung am 24. Mai 2013 mit diesen beiden Drucksachen und stellte für das Frühjahr 2014 die Durchführung einer Anhörung mit dem mitberatenden Ausschuss für Bildung und Kultur sowie zusätzlich mit dem Ausschuss für Arbeit und Soziales in Aussicht.

Auf der Tagesordnung der 32. Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung am 17. Januar 2014 fanden sich zwar nicht die hier in Rede stehenden Beratungsgegenstände wieder, jedoch der Antrag in der Drs. 6/918 mit dem Titel „Jugendarrest modern und zukunftsfähig gestalten“. Gegenstände dieser umfangreichen Beratung, an der sich auch das Kultusministerium beteiligte, waren insbesondere die Aussetzung des Jugendarrests für Schulverweigerer und Maßnahmen, die Schulpflicht auch ohne diese Ultima Ratio durchzusetzen.

Ebenfalls unter der zuvor genannten Drucksache ließ sich der Ausschuss in der 33. Sitzung am 14. Februar 2014 zur aktuellen Situation in der Jugendarrestanstalt berichten.

In der 36. Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung am 30. April 2014 beantragte die einbringende Fraktion, eine Anhörung durchzuführen. Die Koalitionsfraktionen wollten jedoch zunächst den Musterentwurf der länderübergreifenden Arbeitsgruppe bzw. den Entwurf der Landesregierung abwarten, um dann die Entwürfe gemeinsam zu behandeln.

Außerdem wollte man sich zunächst der Behandlung des von der Landesregierung in Aussicht gestellten Entwurfs eins Strafvollzugsgesetzbuchs widmen. Abschließend kam der Ausschuss überein, nach der finalen Beratung zum Justizvollzugsgesetzbuch eine Anhörung zu dem hier vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE durchführen zu wollen.

Im Ergebnis der ersten Beratung in der 50. Sitzung am 10. April 2015 zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs in SachsenAnhalt in der Drs. 6/3799, den wir gleich als nächsten Tagesordnungspunkt behandeln werden, verständigte sich der Ausschuss darauf, zu diesem sowie zu dem hier in Rede stehenden Gesetzentwurf und zum Zweijahresbericht zur Lage des Jugendstrafvollzuges eine gemeinsame Anhörung durchzuführen.

An dieser Stelle möchte ich - dem Wunsch des Ausschusses folgend - näher auf die Anhörung in der 52. Sitzung am 19. Juni 2015 eingehen. Dabei beschränke ich mich auf die Aspekte zum Gesetz

entwurf bzw. zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Die Positionen zum Justizvollzugsgesetz folgen in der Berichterstattung zum nächsten Tagesordnungspunkt.

Der Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung sprach sich grundsätzlich gegen die Sanktionsform des Jugendarrests aus und zog Maßnahmen in Jugendhilfereinrichtungen vor, welche im Übrigen auch bei der auf den Arrest folgenden Betreuung fehlen würden. Wenn am Jugendarrest festgehalten werde, so sollte dieser dahin gehend gestaltet werden, dass kurzfristige Kriseninterventionen optimiert werden.

Als Problem für das Erreichen der mit dem vorgelegten Gesetzentwurf verfolgten Ziele wurde die kurze Verweildauer im Jugendarrest genannt. Eine Verlängerung des Aufenthalts bzw. die Erhöhung des Strafmaßes wurde jedoch ausdrücklich missbilligt. Der Jugendarrest für Schulschwänzer wurde ebenfalls abgelehnt.

Der Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt forderte die Abschaffung des Jugendarrests und die Streichung der Bußgeldbewehrung für Schulschwänzer. Nach der vertretenen Ansicht spreche die hohe Rückfallquote dafür, dass der Jugendarrest keinen Erfolg erziele. Die kurze Schocktherapie helfe nicht und solle vielmehr durch einen Ausbau der Betreuungs- und Begleitangebote für langfristige Betreuungszeiträume ersetzt werden.

Der vorgelegte Gesetzentwurf wurde wie auch von der Einbringerin als Übergangslösung bis zur Abschaffung des Arrests betrachtet. Die Ablehnung des Jungendarrests speziell für Schulverweigerer wurde damit begründet, dass dies lediglich das Offensichtliche, nicht jedoch der Kern des Problems des betroffenen Jugendlichen sei.

Das Oberlandesgericht, vertreten durch seinen Präsidenten, verwies auf den in Erarbeitung befindlichen länderübergreifenden Musterentwurf eines Jugendarrestvollzugsgesetzes, welcher von der Praxis für gut befunden würde. Grundsätzlich merkte er an, dass die Wirkung des Arrests auf Jugendliche nicht unterschätzt werden sollte.

Der Generalstaatsanwalt sah das Erfordernis, den Jugendarrest möglichst bald zu modernisieren, verwies aber ebenfalls auf den eben genannten Mustergesetzentwurf. Seiner Ansicht nach sollte am Jugendarrest aus dem Erziehungsgedanken heraus festgehalten werden, da sonst die Schere zwischen Zuchtmitteln und Jugendstrafe noch größer werde. Dem Jugendarrest für Schulschwänzer stand er kritisch gegenüber, da diese so mit straffällig gewordenen Jugendlichen zusammengeführt würden. Abschließend verwies der Generalstaatsanwalt noch auf seine schriftliche Stellungnahme, in der er zu einigen Detailregelungen Stellung bezogen hat, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte.

Nach der Auffassung des Bundes der Strafvollzugsbediensteten sei eine gesetzliche Regelung erforderlich, sofern man am Jugendarrest festhalten wolle. Diese sei insbesondere notwendig, um den Bediensteten Handlungssicherheit zu geben. In diesem Zusammenhang wurde auch auf den für diesen Bereich spezifischen Personalbedarf hingewiesen.

Seitens der Anstaltsleitung wurde dargelegt, dass der vorgelegte Gesetzentwurf unter den aktuellen Rahmenbedingungen in Bezug auf den baulichen Körper, das aktuelle pädagogische und andere personelle Know-how nicht umsetzbar sei. Als Schwierigkeit wurde gesehen, dass der Warnschussarrest nicht in das pädagogische Konzept passe und gegebenenfalls getrennt werden sollte. Speziell als Problem des Jugendarrests für Schulverweigerer wurden die häufig langen Zeiträume zwischen dem Fernbleiben von der Schule und dem Vollzug des Arrests wahrgenommen.

Der Vorsitzende des Schulleitungsverbandes

Sachsen-Anhalt stellte den Arrest bei Schulverweigerern für die Schule als sehr wichtig dar, um ihn als Warnschuss nutzen zu können. Daher sprach er sich ebenfalls für einen zeitnahen Vollzug des Arrests aus. Zu dem vorgelegten Gesetzentwurf empfahl er in Bezug auf die Arrestordnung die Aufnahme von Unterrichtszeit als festzulegenden Bereich für die Tagesgestaltung.

Im Gegensatz dazu lehnte die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft in ihrer schriftlichen Stellungnahme den Arrest bei Schulverweigerung als unverhältnismäßig und in der Sache ungeeignet ab. Wie auch vom Kinder- und Jugendring wird die Schulverweigerung als Begleiterscheinung und nicht als ursächliches Problem gesehen. Dieses sei vielmehr im persönlichen und familiären Umfeld zu suchen.

Der Vertreter der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe missbilligte den Arrest wegen der unerfüllbaren Erwartung an die abschreckende Wirkung. Die Ziele des Jugendarrests seien schon deshalb nicht zu erreichen, weil sehr unterschiedliche Problemklientel auf engstem Raum zusammengesperrt würde.

In seiner schriftlichen Stellungnahme sprach sich der Beauftragte der Evangelischen Kirche für die Beibehaltung des Jugendarrests bei Schulverweigerung aus, insbesondere im Verhältnis zu den übrigen Ordnungswidrigkeitstatbeständen in § 84 des Schulgesetzes.

Der Bund der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt begrüßte in seiner schriftlichen Stellungnahme die Bestrebungen, den Jugendarrest modern, pädagogisch zeitgemäß und zeitnah zum Urteil umsetzen zu wollen.

Zuletzt sprach sich der Vertreter des Landesschülerrats in seinem Redebeitrag mangels Alternati

ven gegen eine Abschaffung des Jugendarrests für Schulverweigerer aus. In der vorhergehenden schriftlichen Stellungnahme wurden eine Ausweitung der Schulsozialarbeit und die Erwägung von gemeinnütziger Arbeit anstatt des Arrests präferiert.

Wenn ich das an dieser Stelle einmal kurz zusammenfassen darf, so wird die Wirkung und Notwendigkeit des Jugendarrests allgemein sowie im Speziellen bei Schulverweigerung kontrovers diskutiert. Selbst aus der Praxis der Lehrer hört man wie auch hier im Hohen Hause unterschiedliche Auffassungen dazu, ob man den Jugendarrest beibehalten soll oder nicht. Aus diesem Grund, so denke ich, werden wir uns heute nicht das letzte Mal mit dieser Problematik befassen.

In der 53. Sitzung am 10. Juli 2015 verabschiedete der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung eine vorläufige Beschlussempfehlung an den mitberatenden Ausschuss für Bildung und Kultur. Er empfahl mit 7 : 5 : 0 Stimmen, den Gesetzentwurf, und mit 7 : 4 : 1 Stimmen, den Entschließungsantrag abzulehnen.

Die Koalitionsfraktionen lehnten den Gesetzentwurf zwar nicht grundsätzlich ab, sahen sich aber derzeit nicht in der Lage, diesen aufgrund der äußeren Rahmenbedingungen umzusetzen.

Der Ausschuss für Bildung und Kultur befasste sich in der 61. Sitzung am 30. September 2015 mit dem Gesetzentwurf und dem Entschließungsantrag. Dabei schloss er sich mit 7 : 5 : 0 Stimmen der vorläufigen Beschlussempfehlung an und empfahl ebenfalls, beide Drucksachen abzulehnen.

Bei der abschließenden Behandlung in der 56. Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung am 30. Oktober 2015 wurde, der vorläufigen Beschlussempfehlung sowie der Empfehlung des mitberatenden Ausschusses folgend, mit 8 : 3 : 0 Stimmen dem Landtag die Ablehnung der beiden Drucksachen empfohlen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Ergebnis der Beratungen zu dem Gesetzentwurf und dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE in den Ausschüssen für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Bildung und Kultur wurde die Ihnen in der Drs. 6/4524 vorliegende Beschlussempfehlung erarbeitet. Im Namen des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.