Protocol of the Session on November 13, 2015

stehenden strukturellen Rassismus schlicht negiert. Es waren Antifaschisten und Antirassisten, die sich in den letzten Monaten immer wieder schützend vor Unterkünfte gestellt haben. Sie haben damit Demokratie und Menschenrechte verteidigt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Ich will auch diejenigen herausheben, die als Polizisten und professionelle Helfer in den vergangenen Wochen und Monaten weit über die eigene Pflicht hinaus tätig waren, die ruhig und besonnen zum Beispiel in Kretzschau oder in Merseburg die Einsätze zur Sicherung von Flüchtlingsunterkünften bestritten haben. Sie machen sich um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verdient.

Ebenso zu erwähnen sind die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die auf Bürger- und Stadtteilversammlungen für Demokratie und Menschenrechte einstehen, die sich dafür beschimpfen lassen, dass sie Grundrechte verteidigen und eine menschenwürdige Unterbringung organisieren wollen. Ich bin froh, dass Landräte wie Götz Ulrich aus dem Burgenlandkreis sich so etwas immer wieder antun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Als Politikerinnen und Politiker sind wir in diesen Tagen aufgerufen, die universalen Grund- und Menschenrechte unbedingt zu verteidigen. Wir können das nur glaubwürdig tun, wenn wir ohne moralischen Eifer, aber mit klarer Sprache jeden Angriff auf diese Werte zurückweisen. Es ist unsere Aufgabe zu analysieren und zu erklären.

Wo Menschen entindividualisiert werden und zu „Strömen“, „Wellen“ oder gar „Lawinen“ erklärt werden, braucht es unseren Widerspruch. Wo von Politikerinnen und Politikern nicht konkret benannte Probleme beschrieben, sondern Gerüchte und unkonkrete Verdächtigungen von Geflüchteten in Umlauf gebracht werden, braucht es unsere Nachfrage. Und wo im beginnenden Landtagswahlkampf die Versuchung groß ist, sich an der Stimmungsmache auf dem Rücken von Menschen zu beteiligen, braucht es eine klare Haltung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Es kann, muss und darf in der Flüchtlingsfrage unterschiedlichste Haltungen der demokratischen politischen Parteien geben. Aber die Würde des Menschen ist unantastbar. Wo sie infrage gestellt, durch Rassismus oder Gewalt angegriffen wird, sind wir alle aufgerufen, sie zu verteidigen.

Ich bin heute Morgen über ein Zitat von Klaus Vater - er war einmal Regierungssprecher für die SPD - in der „Neuen Zürcher Zeitung“ gestolpert,

das treffender nicht sein kann. So will ich mit ihm schließen:

„Nötig sind simpler bürgerlicher Anstand, Pflichtbewusstsein, Respekt vor Leistung und eben ‚Compassion‘.“

- Letzteres meint das tatsächliche Mitfühlen -

„Die in Deutschland geltende Verfassung ist eine Reaktion auf die Menschheitskatastrophe des Zweiten Weltkriegs. Der Schutz der Menschenrechte, so wie er dort steht, ist also für einen Ernstfall gedacht. Ein Ernstfall ist jetzt da. Und nun gilt es, dem geforderten Verfassungspatriotismus gerecht zu werden.“

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Herr Kollege Striegel, wollen Sie eine Frage des Kollegen Hövelmann beantworten.

Herr Kollege Hövelmann.

Vielen Dank für die Gelegenheit, die Frage stellen zu dürfen. - Herr Kollege Striegel, ich habe sehr aufmerksam zugehört. Sie haben zwei Dinge gesagt, die mir markant aufgefallen sind. Zum einen sagten Sie, wir dürfen oder wir müssen ohne moralischen Eifer mit klarer Sprache agieren. Darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Wenige Minuten vorher haben Sie gesagt: Die, die sich ehrenamtlich engagieren, sind die, die die Laterne der Demokratie in dunklen Zeiten hochhalten.

(Herr Borgwardt, CDU: In finsteren Zeiten!)

- Oder in finsteren Zeiten. - Glauben Sie, dass diese Art der Zuspitzung, von der ich glaube, dass sie in politischen Debatten in solchen Zeiten immer auch möglich sein muss, nicht auch dazu beiträgt, dass wir ein Klima in unserem Land haben, in dem wir nicht mehr normal miteinander reden können, sondern nur noch übereinander?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Kollege Hövelmann, ich glaube, zur Aufgabe der Politik, zur Aufgabe von Politikerinnen und Politikern gehört es auch, die Bedrohungen, die es

für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt, zu beschreiben. Ich nehme in der Tat diese Zeiten als bedrohlich - -

(Herr Daldrup, CDU: Sie zündeln!)

- Herr Kollege, zündeln tun in diesem Land gerade ganz andere.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das sind diejenigen, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden und die Hetze im Netz betreiben.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Ich bin nicht bereit, mir das hier vorwerfen zu lassen, überhaupt nicht.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Weigelt, CDU - Weitere Zurufe von der CDU)

Ihr Minister auf Bundesebene, der von Lawinen spricht, der Menschen entindividualisiert, der seine eigene Kanzlerin

(Unruhe bei der CDU)

angreift und vorführt,

(Oh! und Unruhe bei der CDU)

der ist doch derjenige, der hier zündelt. Was soll das? Unglaublich!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Herr Kollege Striegel, jetzt würde Ihnen der Abgeordnete Herr Lienau gern noch eine Frage stellen.

Bitte, auch das gern.

Herr Striegel, vielleicht können Sie sich wieder etwas beruhigen.

Das müssten Sie einmal Ihren Fraktionskolleginnen und -kollegen erzählen.

(Lachen bei der CDU)

Herr Striegel, ich schicke voraus: Ich habe mit den Begriffen rechte und linke Gewalt persönlich ein Problem. Für mich ist Gewalt Gewalt.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Herrn Zim- mer, CDU)

Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, die vielleicht - das ist mir bewusst - nicht unmittelbar zu diesem Thema passt, zu dem wir heute hier debattieren. Trotzdem möchte ich sie stellen. Wie Sie sicherlich wissen, haben 100 Greenpeace-Aktivisten am 3. November 2015 das Kraftwerksgelände Deuben der Mibrag erstürmt - so muss man es sagen - oder besetzt, am Boden und in der Höhe.

Sie haben dabei nachweislich Menschen, Mitarbeiter des Kraftwerkes und auch sich selbst sowie die Kraftwerksanlage gefährdet. Ich frage Sie: Teilen Sie meine Meinung, dass diese Art des Vorgehens, dass diese Aktion genauso gewalttätig ist und gleichzeitig die Hemmschwelle senkt, was wir alle nicht wollen? Ich möchte Sie bitten, das einmal zuzuordnen.

(Zustimmung bei der CDU)

In der Tat ist der Weg von den Schornsteinen im Burgenlandkreis zur heutigen Debatte sehr weit.

(Zurufe von der CDU - Unruhe)

- Wollen Sie es selbst beantworten, Herr Kollege Kolze?