Protocol of the Session on February 4, 2011

Zweimal - in der vierten und in der fünften Legislaturperiode - haben Sie mir das Vertrauen ausgesprochen und mich mit der Aufgabe der Wahrnehmung der Funktion eines Ministerpräsidenten betraut. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. Ich hoffe, Sie nicht allzu sehr enttäuscht zu haben.

Wir haben einiges zusammen geschafft. Ich denke, wir können durchaus - ohne uns theatralisch auf die Schulter zu klopfen - sagen: Wir haben das Land ein bisschen weiterentwickelt und vorwärtsgebracht.

(Beifall im ganzen Hause)

Wenn Sie durch das Land fahren und mit den Menschen sprechen, dann hören Sie - auch außerhalb von Sachsen-Anhalt habe ich das schon gehört -, dass wir in den

letzten Jahren einen anderen Eindruck gemacht hätten, als das früher der Fall war. Ich möchte das jetzt nicht alles aufzählen. Das könnte tendenziös ausgelegt werden. Das ist aber nicht meine Absicht.

Wir haben gemeinsam daran gearbeitet. Auch dann, wenn wir nicht einer Meinung waren, bin ich immer davon ausgegangen, dass jeder für dieses Land das Beste wollte, auch wenn wir einander gelegentlich nicht von den Gedanken des jeweils anderen überzeugen konnten.

Es war nie mein Stil - ich hoffe, dass Sie mir nicht das Gegenteil nachweisen können -, eine Meinung, die ich nicht geteilt habe, dadurch zu übertönen, dass ich sie diffamiert hätte. Ich habe hingegen immer versucht, andere Meinungen zu widerlegen und für den eigenen Standpunkt zu werben. Aber ich habe nie versucht, einen anderen Standpunkt zu diffamieren oder zu skandalisieren, wie das neuerdings in der Politik Mode geworden ist. Ich fände es gut und für das Ansehen der Abgeordneten und der Politiker zuträglich, wenn sich dieser Stil durchsetzen würde.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie werden in der nächsten Zeit hier in Sachsen-Anhalt Wahlkampf machen müssen. Das gilt aber nicht nur für Sie, sondern für uns alle. Dazu gehört es, dass jeder seine Sicht der Dinge darstellt und für seine Ansichten wirbt. Das sollte aber meiner Ansicht nach so geschehen, dass er den anderen, den politischen Gegner, wie es so schön heißt, dabei nicht verletzt, sondern versucht, ihn zu widerlegen.

(Beifall im ganzen Hause)

Zumindest den Medien, die davon leben und glauben, sich dadurch bekannt zu machen, dass sie möglichst eine parlamentarische Diskussion wie einen Boxwettkampf kommentieren, mag mein Vorschlag nicht unmittelbar gefallen. Die sprechen in solchen Fällen von „Kuschelwahlkampf“ und ähnlichen Dingen. Ich glaube, niemand hat vor, mehr zu kuscheln als nötig. Ich sage aber auch: Gelegentlich tut auch das der Seele gut.

(Heiterkeit und Zustimmung im ganzen Hause)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, möchte ich mich bei Ihnen allen bedanken - auch bei der Opposition. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Sie in dieser Legislaturperiode einmal meinen Rücktritt gefordert hätten. Insofern haben Sie mir die Arbeit leicht gemacht.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Zuruf von der FDP: Sollen wir das noch tun?)

Aber auch die eigene Fraktion hat mir die Arbeit leicht gemacht; denn dort ist mein Rücktritt gefordert worden - das hat aber keine Mehrheit gefunden.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Insofern bleibt mir nur übrig, Ihnen persönlich alles Gute zu wünschen. Denen, die in der nächsten Legislaturperiode wieder für das Land Sachsen-Anhalt Verantwortung übernehmen, wünsche ich spannende Diskussionen, aber möglichst richtige und für unser gemeinsames Land Sachsen-Anhalt zukunftsweisende Entscheidungen. In diesem Sinne: Ihnen, aber auch uns in Sachsen-Anhalt alles Gute. - Vielen Dank.

(Die Abgeordneten erheben sich von den Plätzen - Starker, lang anhaltender Beifall im ganzen Hau- se)

Herr Ministerpräsident, ich danke Ihnen. Sie haben sicherlich am Beifall des ganzen Hauses gemerkt, dass auch wir Ihnen danken. Wir wünschen Ihnen persönlich alles Gute, vor allem Gesundheit. Es war angenehm, mit Ihnen zu arbeiten.

Nunmehr hat Herr Dr. Fikentscher, der ebenfalls nicht mehr kandidiert, um das Wort gebeten. Herr Dr. Fikentscher, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Blick richtet sich nicht zurück, sondern nach vorn, und zwar insbesondere auf die weitere Entwicklung und Festigung der Demokratie in unserem Lande. Weil ich aber im Unterschied zu den meisten von Ihnen dem nächsten Landtag nicht mehr angehören werde, gebe ich Ihnen fünf Wünsche mit auf den Weg, die mir noch unerfüllt erscheinen - verbunden mit der Hoffnung, dass Sie sich künftig weiter dafür einsetzen. Sie betreffen alle das Ansehen und die Bedeutung des Landtages.

Erstens hoffe ich, dass allmählich nicht nur in diesem Hause, sondern im ganzen Lande klar ist: Hier und nicht irgendwo sonst konzentriert sich der für die Demokratie so entscheidende Meinungsbildungsprozess, an dessen Ende Entscheidungen für das ganze Land getroffen werden.

Den Bürgerinnen und Bürgern sollte deswegen immer wieder erklärt werden, wie sich dieser Vorgang abspielt. Denn im Landtag gibt es nicht nur das Plenum und die öffentlichen Debatten, hier gibt es auch die Sitzungen der Ausschüsse, der Unterausschüsse, der Fraktionen sowie der Arbeitskreise und der Arbeitsgruppen. Darüber hinaus gibt es die Diskussionen innerhalb und außerhalb von Fraktionen sowie zwischen einzelnen Abgeordneten. Es gibt Anhörungen und Gespräche mit Betroffenen. Es werden Meinungen eingeholt und Argumente ausgetauscht sowie Kompromisse ausgelotet und geschlossen. Erst nach diesem mühsamen Prozess wird entschieden.

Sie alle, meine Damen und Herren, wissen das. Wenn es aber den Menschen im ganzen Land nicht immer wieder klargemacht wird, dann brauchen wir uns über die häufige Geringschätzung des Landtages nicht zu wundern. Falls sich Schulen - dort müssen wir beginnen - nicht für diese Wissensvermittlung öffnen, dann sollten die Abgeordneten dafür sorgen.

(Beifall im ganzen Hause)

Zweitens wünsche ich mir, dass der immer wiederkehrende Vorwurf, wir Abgeordneten wüssten nicht über die Verhältnisse im Lande und über die Lage der Menschen Bescheid, mehr und mehr zurückgedrängt wird. Ich behaupte, dass es keine Gruppe gibt, die dieses Land in seiner Vielgestaltigkeit so gut kennt wie die Landtagsabgeordneten.

Sie kommen aus allen Regionen. Jeder spricht bei seiner Wahlkreisarbeit in seinem Bürgerbüro mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen und ist vor Ort gut unterrichtet. Jeder hat ein persönliches Umfeld und eine Partei mit all ihren Gliederungen, Kontakten und Austauschmöglichkeiten. Jeder hat ein besonderes Arbeitsgebiet, das sich meistens über das gesamte Land erstreckt. Und durch die vielen kommunalen Mandate sowie Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden, Kirchen,

Gewerkschaften, Freundeskreisen, Gesprächsrunden, Sprechstunden usw. sind die Abgeordneten tausendfach im Land verankert. Zudem stehen sie über Fraktionsgrenzen hinweg in einem ständigen Austausch untereinander. Das, meine Damen und Herren, kann keine andere Personengruppe im Lande von sich sagen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Drittens wünsche ich mir einen Landtag mit Abgeordneten, von denen sich jeder Einzelne für das gesamte Land interessiert und einsetzt. Es gehört zu den fatalen Missverständnissen der Demokratie, dass sich einzelne Abgeordnete fast ausschließlich ihrem Wahlkreis oder einer bestimmten Interessengruppe verpflichtet fühlen.

(Beifall im ganzen Hause)

Deren Anliegen sind in den Händen der kommunalen Volksvertreter sowie der Vertreter anderer Organisationen oder Initiativen gut aufgehoben. Landtagsabgeordnete sind dafür gewählt, die Interessen des Landes in ihrer Gesamtheit zu vertreten, gelegentlich auch gegen manche lokalen oder auf Gruppen beschränkte Wünsche und Forderungen.

(Beifall bei der SPD)

Viertens hoffe ich, dass der Landtag nicht mehr Kompetenzen aus der Hand gibt, als es durch Europa- und Bundespolitik unvermeidbar ist;

(Beifall im ganzen Hause)

denn der auch durch unser eigenes Handeln beförderte Prozess, als dessen Ergebnis mehr und mehr Entscheidungsbefugnisse in andere Hände gegeben worden sind, ist besorgniserregend.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Er führt zwar weniger - wie gelegentlich gesagt wird - zu einer Entpolitisierung; denn politisch ist alles, was öffentliche Angelegenheiten betrifft, wohl aber zu einer Entparlamentarisierung. Ohne Parlamentshoheit hat dann auch das Volk nicht einmal mehr den indirekten Zugriff auf die vielen Entscheidungen, durch die es sich besonders betroffen fühlt und an denen es zumindest gelegentlich und in Teilbereichen mitwirken möchte und wohl auch könnte. So entsteht Entfremdung, Distanz zur Politik und Verdruss, ausgedrückt in dem Satz: Wir können nichts tun, die da im Landtag offenbar auch nicht - warum also wählen gehen?

Schließlich wünsche ich mir, dass jedem Mitglied des Landtages und damit dem Landtag insgesamt seine grundsätzliche Bedeutung immer wieder gegenwärtig ist. Der Landtag ist das unverzichtbare Bindeglied zwischen dem Volk auf der einen Seite und der Regierung bzw. Verwaltung auf der anderen. Diese würde sich ohne Kontrolle trotz bester Absichten schrittweise verselbständigen.

Um seine Position voll auszufüllen, muss der Landtag nicht nur selbstbewusst, sondern auch kompetent sein. Falls es an Letzterem fehlt, sollte dieser Mangel durch zusätzliche Leistungen oder auch Personal ausgeglichen werden, selbst wenn das Geld kostet. Wendet er dann seine Rechte voll an und schöpft seine Möglichkeiten voll aus, so hätten wir einen Landtag, der nicht immer wieder unterschätzt oder gar missachtet wird.

Meine Damen und Herren! Sie hören, ich wünsche mir das Einfache, das schwer zu machen ist. Aber das könnten dauerhaft anzustrebende Ziele bleiben; denn es ist

unverzichtbar, an unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, der wir so viel verdanken, unablässig weiterzuarbeiten. In dieser Grundordnung gilt der Satz: Das Herzstück der Demokratie ist das Parlament. - Ich danke Ihnen.

(Die Abgeordneten erheben sich von den Plätzen - Starker, lang anhaltender Beifall im ganzen Hau- se)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Präsident das letzte Wort - so viel Zeit muss sein. Meine Damen und Herren! Als Sie mich am 24. Juni 2006 zum Präsidenten des Landtages gewählt haben, sprach mir der damalige Alterspräsident Herr Dr. Fikentscher nicht nur Glückwünsche aus, sondern er verband damit auch den Wunsch und die Aufforderung - ich darf ihn zitieren -:

„Mögen Sie ein gerechter und auch fürsorglicher Präsident sein, der mit glücklicher Hand die Geschicke dieses Hauses leitet und sein Amt gerecht und zum Wohle des Landes SachsenAnhalt wahrnimmt.“

Ob das gelungen ist, meine Damen und Herren, können nur Sie beurteilen. Ich kann Ihnen nur versichern, dass das Bemühen auf jeden Fall vorhanden war.

Sie haben - das möchte ich hier ausdrücklich betonen - meinen Kollegen, dem Präsidium und den Schriftführern, stets Unterstützung gewährt und uns die Sitzungsleitung nie schwer gemacht. Ich darf Ihnen für die Fairness und für Ihre engagierte Arbeit auch im Namen der Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke und des Vizepräsidenten Herrn Dr. Fikentscher herzlich Dank sagen.

Ich danke aber auch den Damen und Herren der Landtagsverwaltung. Sie haben dafür gesorgt, dass stets ein reibungsloser und effizienter Ablauf des Parlamentsbetriebs gewährleistet war. Auch dafür meinen Dank, auch im Namen des Hohen Hauses.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Wir Mitglieder des Landtages der fünften Wahlperiode werden so bis zum 20. März 2011 sicherlich nicht noch einmal zusammenkommen. In Momenten wie diesen spürt man, was es heißt, ein politisches Mandat auf Zeit zu haben. Man kann sagen, eine arbeitsreiche und politisch spannende Wahlperiode liegt hinter uns. Natürlich werden alle das Recht für sich in Anspruch nehmen, ihre eigene Bilanz zu ziehen. Ich meine, die Bilanz unserer Arbeit kann sich durchaus sehen lassen.

Meine Damen und Herren! Unsere Aufgaben in den vergangenen fünf Jahren bestimmte natürlich die Landesverfassung. Dieses Haus ist den Aufgaben nicht zuletzt im Zusammenspiel von Landtagsmehrheit und Regierung auf der einen und der parlamentarische Opposition auf der anderen Seite in bemerkenswert stabiler Weise gerecht geworden. Unser Parlament ist professionell. Diese Professionalität konnten wir auch beweisen. Wir brauchen uns in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu verstecken.