Protocol of the Session on November 14, 2002

(Herr Dr. Heyer, SPD: Das ist kein Wunder!)

Dort wurden Sie so zitiert: Am Sparen führt kein Weg vorbei. Das Land könne nur wieder finanziell handlungsfähig werden, indem in den nächsten Jahren die Nettoneuverschuldung weiter heruntergefahren und es erreicht wird, dass sie bis zum Jahre 2006 auf null gefahren wird.

Dass Sie dabei die konkreten vorliegenden Sparvorschläge der Koalition konterkarieren, halte ich eher für ein oppositionelles Klischee. Das sind Sie Ihrer Oppositionsrolle einfach schuldig. Das ist mir vollkommen klar. Sie werden uns die anstehenden Haushaltsverhandlungen sehr schwer machen. Auch das ist mir klar.

Sehr gespannt bin ich allerdings auf Ihre Vorschläge - übrigens auch auf die von der PDS - dazu, wie Sie dieses Ziel, an dem vor allen Dingen Sie, Herr Püchel, offensichtlich festhalten und von dem Sie zutiefst überzeugt sind, erreichen wollen.

(Zurufe von der SPD)

Ich möchte nicht nach hinten treten. Herr Bullerjahn hat in den letzten Wochen sehr mannhaft auch zu Fehlern der alten Landesregierung in der Finanzpolitik gestanden, zumindest habe ich das so verstanden. Aber ich möchte doch noch einmal auf einige Versäumnisse hinweisen, weil wir nach vorn nicht vernünftig agieren können, wenn wir nach hinten nicht klar gesehen haben, welche Fehler eigentlich gemacht worden sind.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Als Erstes möchte die Verschleppung des Personalabbaus nennen. Das fing mit dem Lehrertarifvertrag an. Was ich insbesondere für einen riesigen Fehler der alten Landesregierung halte, ist, dass sie, sicherlich auf Drängen der PDS, die 1994 noch ausgebrachten 3 000 kw-Vermerke gestrichen hat.

3 000 kw-Vermerke, 3 000 Stellen, die wir heute nicht mehr im Landeshaushalt hätten, entsprechen Einsparungen bei den Personalkosten von rund 100 Millionen €. Man möge sich vorstellen, über Jahre hinweg Personalkosten in Höhe von 100 Millionen € einzusparen. Wir würden heute, meine Damen und Herren, diese Probleme nicht haben, wenn in den Jahren 1994, 1995 nicht dieser entscheidende Fehler gemacht worden wäre.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Wir haben zu hohe sozialpolitische Leistungen. Das ist uns, glaube ich, allen klar. Ich denke auch an die Kindergärten. Es gibt unbestätigte Hinweise, dass selbst Frau Kuppe dies in ihrer Amtszeit schon einmal erkannt haben soll.

(Frau Dr. Hüskens, FDP, und Frau Fischer, Mer- seburg, CDU, lachen)

Aufgrund dessen haben wir einen Rückgang bei den Investitionen von 2,8 Milliarden € im Jahr 1995 auf 2,2 Milliarden € im Jahr 2002 zu verzeichnen. Das entspricht einem Rückgang der Investitionsquote in dieser Zeit von 27 % auf 21 %.

Wir haben in den vergangenen Jahren Risiken versteckt, weggeschoben, verlagert, natürlich nach hinten. Als Beispiele sind die Arbeitszeitkonten der Lehrer zu nennen - dadurch sind wir heute mit einem Betrag von mehr als 300 Millionen € belastet -, die Schaffung von diversen Sondervermögen, die man teilweise als Schattenhaushalte bezeichnet, Förderfonds mit eigener Kreditermächtigung und damit immer neue Verschuldungen am Landtag vorbei, Kreditaufnahmen für den Talsperrenbetrieb, Midewa etc. Ich möchte die Aufzählung abbrechen.

Dafür wurden in den vergangenen Jahren Drittmittel in wachstumsfördernden Bereichen in Größenordnungen nicht genutzt, zum Beispiel bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und bei der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“.

Die Verschuldung in Sachsen-Anhalt ist ab 1995 im Vergleich mit allen deutschen Ländern überproportional gewachsen. Das heißt, andere Länder haben es besser geschafft, die Verschuldung real und seriös zurückzuführen. Das bestätigt auch die Kleine Anfrage von Frau Budde, die sie am 15. August 2002 gestellt hat und die offensichtlich eine andere Intention hatte.

Aus diesem Vergleich der Pro-Kopf-Verschuldung geht eindeutig hervor, meine Damen und Herren, dass Sachsen-Anhalt 1995 noch etwa im Schnitt der Verschuldung der neuen Bundesländer gelegen hat. Sachsen-Anhalt hatte damals ungefähr 2 500 € Schulden pro Einwohner, Brandenburg im Übrigen 3 000 € pro Einwohner. Im Jahr 2002 liegen wir bei 6 400 € und Brandenburg bei 5 500 €. In Brandenburg ist offensichtlich in diesen Jahren erheblich mehr gespart worden als in Sachsen-Anhalt.

Dies alles, meine Damen und Herren, führte neben den Steuermindereinnahmen zu der wirklich katastrophalen Finanzlage, in der wir uns jetzt befinden. Das ist die Realität und zu der sollte man sich auch bekennen.

Nun komme ich zu dem Punkt, was auf mittlere Frist und auch sofort passieren muss. Neben der Veränderung der EU-Strukturfonds nach dem Jahr 2006 und den Auswirkungen des Solidarpakts II, nach dem die Fördermittel in den nächsten Jahren noch einmal um 30 % abgesenkt werden - wir haben das von Minister Paqué gehört -, also neben den schon heute kalkulierbaren erheblichen mittelfristigen Veränderungen müssen wir im Jahr 2003 beim Personal und im konsumtiven Bereich sparen.

Wir werden deregulieren, und das sehr heftig. Das deute ich schon jetzt an. Und wir werden nicht benötigtes Landesvermögen veräußern. Es ist nicht einzusehen, dass wir 12,7 % der Landesfläche im Eigentum haben. Wir werden also Waldflächen und Ackerflächen verkaufen,

aber auch Landesgesellschaften, darunter das Landesweingut. Wir werden - das halte ich insbesondere für vernünftig - auch ordnungspolitisch in anderen Bereichen einiges zu regeln haben.

Nach Ansicht der FDP ist für die Zukunft aber noch entscheidender, wie die Verwaltungsmodernisierung insgesamt vorangetrieben werden kann, weil hierin auch ein erhebliches finanzielles Einsparungspotenzial liegt. Die FDP-Fraktion begrüßt deshalb mit Nachdruck die Gründung eines Landesverwaltungsamtes und damit die Abschaffung der drei Regierungspräsidien. Wir erhoffen uns davon auf Sicht den Abbau von 300 Planstellen.

Die Sonderbehörden der Landesverwaltung und auch die Landesbetriebe sind neu zu organisieren und auf das notwendige Maß zu beschränken. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am 10. Januar 2002 einem Entschließungsantrag zugestimmt - also zu Ihrer Zeit, lieber Herr Dr. Püchel -, der die Übertragung eines Katalogs von Aufgaben aus den Geschäftsbereichen aller Ressorts auf die kreisfreien Städte und Landkreise vorsah. Wir halten diesen Entschließungsantrag von damals auch heute noch für sinnvoll und er sollte unserer Meinung nach auch weiter umgesetzt werden.

Die FDP-Fraktion kann sich weitere Bereiche vorstellen, in denen strukturelle Veränderungen möglich sind. Zu nennen ist zum Beispiel die Katasterverwaltung, wozu es aus der Wirtschaft seit Jahren Anregungen gibt.

Die Bezügeverwaltung wurde im Sommer 2001 durch die vorherige Landesregierung verändert. Ich kann mir jedoch auch die Privatisierung der Bezügeverwaltung vorstellen.

Die Staatshochbauverwaltung ist seit 1993 - das kenne ich noch aus alten Zeiten - auf dem Prüfstand. Wir müssen diesen Entscheidungsprozess nun endlich zum Abschluss bringen.

Die Neustrukturierung des Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes wird von der FDP-Fraktion nachhaltig begrüßt.

In Zukunft ist auch der Frage nachzugehen, ob mit einer Kosten- und Leistungsrechnung auf der Basis eines einheitlichen Produktkatalogs Aussagen getroffen werden können, wo die Verwaltung von Sachsen-Anhalt teurer oder preisgünstiger ist als die vergleichbarer Bundesländer. In diesem Zusammenhang würde ich es gern sehen, wenn die Vorschläge aus Hessen auch in unserem Bundesland aufgegriffen würden.

Landesgesellschaften sind zur Vermeidung unnötiger Kosten zusammenzuführen oder aufzulösen. Scheinprivatisierungen müssen dabei im Hinblick auf eine mögliche Veräußerung überprüft werden. Wir brauchen auch ein ressortübergreifendes Fördermittelcontrolling, um die Wirksamkeit und Effizienz von Förderprogrammen überprüfen zu können.

Meine Damen und Herren! Ich könnte die Vorstellungen, die die FDP zu diesem Thema hat und die uns auch in eine neue, finanzpolitisch positive Situation bringen würden, noch weiter ausdehnen, möchte aber zu einem sehr wichtigen Thema, nämlich dem Personalabbau, kommen.

Die Reduzierung des Personalbestandes im öffentlichen Dienst auf den Durchschnittswert der anderen Bundesländer ist von der neuen Landesregierung klar formuliert und in Angriff genommen worden. Das wird von meiner

Fraktion uneingeschränkt unterstützt. Es geht uns nicht darum, den Mitarbeitern ihre Existenz zu nehmen - ich sage das klar und deutlich -, sondern wir brauchen langfristig verlässliche Strukturen, die wir finanzieren können und die damit auch langfristig Bestand haben. Es nützt uns nichts, die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst mit ständigen kleinen Reformschritten zu verunsichern; wir brauchen vielmehr eine Reform und dann muss für Jahre Ruhe herrschen.

Die FDP-Fraktion begrüßt den geplanten und forcierten Stellen- und Personalabbau. Seit Beginn dieser Legislaturperiode konnten bereits 1 377 Stellen aus dem Haushaltsplanentwurf herausgenommen werden. Weitere 5 547 Stellen sind in die neu eingerichtete Titelgruppe 96 überführt worden. Diese Titelgruppe nimmt all diejenigen Stellen auf, die entsprechend dem Entschluss der Landesregierung als Überhang festgestellt wurden. Die Stellen und das sich auf diesen Stellen befindende Personal werden so schnell wie möglich unter Beachtung der wirtschaftlichen Situation unseres Landes sozialverträglich abgebaut.

Meine Damen und Herren! Diese Landesregierung hat sich damit auf Jahre hinaus verpflichtet, in der Breite, abgesehen von einigen notwendigen Korridoren, zum Beispiel junge Lehrer, kein neues Personal mehr einzustellen. Ziel ist es, den Stellenbestand von 55 000 zum Ende der Legislaturperiode zu erreichen und damit die durchschnittliche Stellenzahl von 21,6 Stellen pro 1 000 Einwohner zu realisieren. Ich weiß auch, dass wir auch weiterhin mit sinkenden Bevölkerungszahlen rechnen müssen, sodass dieses Ziel eigentlich noch ehrgeiziger umgesetzt werden müsste.

Die in den letzten Tagen von der Opposition hochgespielten Vorwürfe der Zahlenspielerei oder gar Buchungstricks möchte ich zurückweisen. Bekanntlich bringt Selbsttäuschung nichts. Dies haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, über viele Jahre ja bitter erfahren müssen.

Wer für die Schaffung von Globalhaushalten für Universitäten mit all den beschriebenen Vorteilen ist - das wollen Sie offensichtlich auch -, der muss zwangsläufig auch die 2 250 Stellen mit ca. 140 Millionen € überleiten und in der Hauptgruppe 6 veranschlagen.

Meine Damen und Herren! Das ist doch vollkommen transparent und ich verstehe nicht, warum Sie ausgerechnet bei diesem Punkt auf Ihren Blechtrommeln rühren - und das mit so starken Worten, wie es Frau Sitte vorhin gesagt hat.

(Zurufe von der PDS)

- Ich möchte die starken Worte nicht unbedingt wiederholen.

Zum Thema Wirtschaftsförderung, Investitionsquote und Arbeitsmarkt. Ich halte es für eine gewaltige Anstrengung der Landesregierung, bei einer Absenkung des Gesamthaushaltes um nominal 1,5 % die Investitionsquote bei über 20 % zu halten.

Bei aller Knappheit der Kassen sichern wir mit dem Haushaltsplanentwurf 2003 eine hohe staatliche Investitionsförderung vor allem in den Bereichen des Wirtschaftsministeriums, des Ministeriums für Bau und Verkehr und des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt. Wir garantieren zum Beispiel die Vollveranschlagung bei der Gemeinschaftsaufgabe. Wir verdoppeln

bzw. verdreifachen, bezogen auf die realen Ausgaben des Jahres 2001, die Förderung im Bereich Forschung und Entwicklung, und das sowohl bei den weichen als auch bei den harten Investitionsfaktoren. In der Arbeitsmarktpolitik setzt die Landesregierung eine klare Priorität in Richtung Wirtschaft.

Nun auch von mir einige Bemerkungen zur Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt. Im Bereich der Kinderbetreuung wollen wir etwa 40 Millionen € im Landeshaushalt und weitere Millionen in den kommunalen Haushalten einsparen. Das ist unter dem Gesichtspunkt des Sparzwanges notwendig und, sagen wir, auch verantwortbar. Deshalb sind die Einsparungen nicht holzschnittartig vorgenommen worden, sondern so, dass der Anspruch, den eine öffentlich finanzierte Kinderbetreuung erfüllen muss, auch realisiert werden kann.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat für uns eine hohe Priorität. Das sage ich für die FDP in aller Verantwortung vor der Öffentlichkeit. Deshalb wird es auch einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Einrichtung für Kinder von null Jahren bis zum Abschluss der 6. Klasse geben.

Lediglich für Kinder von null bis drei Jahren wird dieser Platz an einen besonderen Betreuungsbedarf geknüpft, etwa die Erwerbstätigkeit der Eltern. Damit liegen wir übrigens deutlich über den Forderungen im Bundesgesetz und den Festlegungen der meisten anderen Länder.

Im Ergebnis, meine Damen und Herren, sprechen die Fakten für sich: Auch nach der Reform gehört SachsenAnhalts Kinderbetreuung zu den besten in Deutschland.

Zu einem letzten Thema, meine Damen und Herren, den Kommunalfinanzen. - Ich habe nur noch sehr wenig Zeit, deswegen muss ich abkürzen.

(Der Redner blättert in seinen Unterlagen - Herr Dr. Heyer, SPD: Geht es noch weiter?)

- Ich kürze noch mehr.

(Heiterkeit und Zustimmung bei allen Fraktionen - Zuruf von Frau Budde, SPD - Minister Herr Dr. Daehre: Beifall bei der SPD!)

Herr Lukowitz, Ihre Redezeit ist jetzt zu Ende, aber ich gebe Ihnen noch eine Minute.