Besten Dank, Frau Dr. Sitte. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Lukowitz das Wort. Bitte sehr, Herr Lukowitz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eben einen sehr eindrucksvollen Redebeitrag der PDS hören dürfen. Es ist mir einmal mehr klar geworden, dass die PDS immer verdeutlicht, dass in diesem Land eigentlich nichts zu machen geht und dass sie vor allem die Lage in Sachsen-Anhalt noch nicht erkannt hat, dass uns gar keine andere Wahl bleibt, als für das Jahr 2003 einen Sparhaushalt vorzulegen.
Meine Damen und Herren! Jeder von uns in diesem Haus ist am 21. April in eine wichtige politische Verantwortung gewählt worden. Dem Land Sachsen-Anhalt - das muss man noch einmal deutlich feststellen - ist es nach 1990 zunehmend weniger als den anderen ostdeutschen Ländern gelungen, die drängendsten Fragen der Zeit im Sinne der hier lebenden Menschen mit klaren Entscheidungen zu beantworten und zu gestalten; das ist nun einmal so.
Nach einem engagierten Start voller Hoffnungen - wir können über die „blühenden Landschaften“ reden, wie wir wollen - hat Sachsen-Anhalt bei den vergleichbaren Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktdaten fortwährend an Boden verloren und nach zwölf Jahren in der Reihe der deutschen Bundesländer das Ende erreicht. Das
spiegelt weder die vielen großartigen Traditionen in Wirtschaft und Kultur in Mitteldeutschland wider, noch drückt es die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der 2,6 Millionen immer noch in Sachsen-Anhalt lebenden Menschen aus.
Es gibt ja viele Bezüge zur Kulturtradition. Auch der letzte Ministerpräsident hat sich im Dezember 2001 sehr stark darauf bezogen. Aber wir haben auch eine industrielle, eine wirtschaftliche Tradition, die leider viel zu selten erwähnt wird. Vor 1939 war der mitteldeutsche Raum ein industrielles Kerngebiet. 25 % der Automobilindustrie, 30 % der Elektroindustrie, 35 % der chemischen Industrie und 65 % der Flugzeugindustrie befanden sich im mitteldeutschen Raum. - Die Angaben beruhen übrigens auf einer Recherche zum mitteldeutschen Raum, die mit Herrn von Dohnanyi durchgeführt werden konnte.
Meine Damen und Herren! Es ist meine feste und tiefe Überzeugung: Sachsen-Anhalt braucht vor allem ein völlig neues Klima und wieder neuen Mut für einen klar konzipierten Weg nach vorn. Und diesen haben CDU und FDP mit der Übernahme der Regierungsverantwortung eingeschlagen.
Mit Blick auf die Verhangenheit ist es besonders alarmierend festzustellen - das muss ich schon sagen -, dass uns jährlich 20 000 bis 25 000 Menschen verlassen. Vor allem sind es junge Frauen und Männer, gut ausgebildet, auch gestandene Fachkräfte, Ingenieure, Ärzte, junge Lehrer. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden in Sachsen-Anhalt doppelt so viele 60-Jährige wie 18-Jährige leben. Wenn es uns nicht gelingt, den Trend zu bremsen, läuft Sachsen-Anhalt Gefahr, schon im Jahr 2015 unter die 2-Millionen-Marke zu rutschen.
Meine Damen und Herren! Damit ist die Grundaufgabe wohl klar: Wir brauchen in Sachsen-Anhalt in erster Linie mehr Arbeit. Ich füge hinzu: Dazu brauchen wir im Osten nicht zwangsläufig Hartz; denn wir haben nicht wirklich ein Arbeitsplatzvermittlungsproblem, sondern vielmehr ein grundsätzliches standortpolitisches Problem.
Was wir wirklich brauchen, ist ein leistungsfähiger, belastbarer Mittelstand, ein weiterer Aufwuchs des industriellen Potenzials, ausgelöst vor allem durch ein sich wieder belebendes Investitionsgeschehen. Wir brauchen mehr Forschung, Entwicklung und Innovation. Aber wir brauchen auch - das sage ich in Bezug auf das Thema, das uns heute beschäftigt - einen sparsamen und effektiven Landeshaushalt sowie einen sparsamen und effektiven Bundeshaushalt.
Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist - wie die neuen Bundesländer insgesamt - ein besonderes Opfer der gewaltigen deutschen Talfahrt, die wir seit Jahren, insbesondere aber in diesen Monaten, Wochen, Tagen und, ich muss sagen, Stunden erfahren müssen. Ich möchte nach den gestrigen Erkenntnissen nicht in der Haut von Hans Eichel stecken. Die Menschen in der Bundesrepublik müssen vor allem nach dem 22. September, dem Tag der Bundestagswahl, gewahr werden, dass der rot-grünen Bundesregierung das Staatsruder zunehmend aus der Hand läuft, die Wirtschafts- und Finanzdaten immer katastrophaler werden und die sozia
Es fehlt der Mut zu politischer Wahrheit und Klarheit und offenbar auch das Können, grundlegende Prozesse der Gesellschaft nachhaltig und zukunftsorientiert zu reformieren. Das Paradebeispiel ist mittlerweile durch die so genannte Jahrhundertreform, also die Riester-Rentenreform, gegeben. Die Jahrhundertreform, meine Damen und Herren, hat keine drei Jahre gehalten. Für das Jahr 2003 war eigentlich ein Beitragssatz von 18,17 % vorgesehen. Gegenwärtig liegen wir bekanntlich bei 19,5 %. Die Experten sagen, eigentlich müssten wir 19,9 % festlegen.
Meine Damen und Herren! Man kann nicht „ganz wirklich“ - das ist eine Redewendung der jungen Leute - zusammenfassen, was sich in Deutschland an grundlegenden Problemen in den letzten vier Jahren durch eine permanente Flickschusterei aufgetürmt hat und sich im Augenblick komplex auswirkt. Die Ökosteuer steigt, die Rentenversicherungsbeiträge steigen, die Krankenkassenbeitragserhöhungen stehen bevor, das produzierende Gewerbe bezahlt höhere Stromsteuern, die Anhebung des Steuersatzes für Erdgas kommt, die Höhe der Eigenheimanlage wird reduziert, eine generelle Spekulationssteuer wird erhoben, die Vermögen- und Erbschaftsteuer sollen Sozialdemokraten aus den Ländern und die Gewerkschaften einbringen und eine neue Mindeststeuer für die Wirtschaft wird aufgelegt.
Meine Damen und Herren! Das Fazit ist: Die Bürger bezahlen mehr und der Staat spart überhaupt nicht. Der blaue Brief steht ins Haus. Auch im Jahr 2003 werden die Stabilitätskriterien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht. Die Neuverschuldung steigt weiter. Das deutsche Ansehen wird in Europa durch die offene Absicht, die Stabilitätskriterien zu vernachlässigen, so geschädigt, dass die Stimme Deutschlands im europäischen Konzert nicht mehr stabil und nicht mehr klar zu vernehmen ist.
Im operationellen Geschäft stolpert Bundesfinanzminister Eichel mit zunehmendem Druck von Finanzloch zu Finanzloch. Wir haben heute von Minister Paqué gehört, wie die Steuerschätzung ausgefallen ist, und die Schätzungen für Sachsen-Anhalt liegen wohl bei einer Größenordnung - der Minister hat sie nicht genannt - zwischen 200 und 300 Millionen €. Ich möchte den genauen Hochrechnungen, Spitzrechnungen aber nicht vorgreifen.
Ich glaube aber, dass das, was ich eben ausgeführt habe, auch die Intentionen des Entschließungsantrages der PDS waren. Leider gehen die Begründungen und die Punkte, die im Entschließungsantrag aufgezeigt sind,
Ich erinnere daran, dass Herr Gallert - er ist leider gerade nicht anwesend - diesen Weg schon immer beschritten hat, zuletzt in der Landtagssitzung am 18. Juli in diesem Jahr, in der er gesagt hat, er fordert eine gerechtere Lastenverteilung in dieser Bundesrepublik, aber er wendet sich gegen die Haushaltskürzungen im Lande Sachsen-Anhalt.
Meine Damen und Herren! Das ist ein sozialistisches Herangehen an die Probleme, die wir haben. So werden wir die Probleme in Sachsen-Anhalt nicht lösen.
Gerade deshalb müssen wir - ich sage das mit großem Nachdruck - unsere eigenen Hausaufgaben machen. Eines der schwierigsten Probleme, die wir dabei zu lösen haben, ist, unsere zerrütteten, ja desaströsen öffentlichen Finanzen wieder in eine verantwortbare Balance zu bringen. Dazu haben alle Bereiche auf Landes- und auf kommunaler Ebene beizutragen. Das Land und die Kommunen müssen sich gemeinsam in den nächsten Jahren durch dieses Tal der Tränen kämpfen.
- Ich wusste, dass das kommt. Darauf habe ich gewartet. Aber das haben auch andere gesagt, nicht nur die FDP.
Wir haben - das ist ganz offensichtlich; das ist nicht nur meine feste Überzeugung - in den vergangenen Jahren weit über unsere Verhältnisse gelebt und jedem verantwortungsbewussten Politiker ist klar: So kann es hierzulande nicht weitergehen.
Ich sehe auf die Uhr, meine Damen und Herren, Heute um 12 Uhr - es ist gerade etwa diese Zeit - haben wir einen Schuldenstand von 15 292 537 294,88 € zu verzeichnen. Wir werden, wenn wir die Pläne durchsetzen können, die die Landesregierung hat, am 20. Juli 2003 um 3.15 Uhr die 16-Milliarden-€-Schuldengrenze durchstoßen.
Wir haben, um auch das deutlich zu machen, seit 1990 keinen einzigen Euro zurückgezahlt. Wir haben Jahr für Jahr umgeschuldet und uns neu verschuldet. Das könnte sich in der privaten Wirtschaft niemand erlauben.
Deshalb wird es wohl niemanden im Saale und im Lande verwundern, wenn ich klar und deutlich sage: Die FDPLandtagsfraktion unterstützt mit aller gebotenen Konsequenz die Grundlinie einer neuen Finanzpolitik in Sachsen-Anhalt und damit den ehrgeizigen und konsequenten Sparwillen der Landesregierung.
Wir würdigen damit auch - das sage ich ausdrücklich - die klare Positionierung des Ministerpräsidenten - er ist heute durch die Opposition des Öfteren in negativer Weise angesprochen worden - und des Finanzministers, weil es aus unserer Sicht zu dem eingeschlagenen Sparkurs keine realistische Alternative gibt.
„Mit bemerkenswerter Konsequenz orientiert die Landesregierung auf einen rigorosen Sparkurs. Die zu erwartenden Einschnitte sind tief, Personalabbau, Kürzungen bei der Kinderbetreuung,
weniger Geld für Kommunen. Das Sparpaket hat es in sich. Die Kürzungen werden spürbar sein; sie werden weh tun. Wer Schmerzen hat, schreit auf. Die Regierung wird sich auf einen Protesthagel einstellen müssen. Hatte sie eine Wahl?“
Ihnen, lieber Kollege Püchel, zolle ich meinen Respekt für Ihre Einsicht und Ihre klare Sprache zu diesem Thema beim kürzlichen Chat der „Mitteldeutschen Zeitung“.