Protocol of the Session on October 10, 2002

(Herr Gürth, CDU: Genau so ist es!)

Sie wissen, dass der Staat vor allem aufgrund der Senkung der Körperschaftsteuer bis 2016 rund 30 Milliarden DM an die großen Kapitalgesellschaften zurückzahlen muss. Im Jahr 2002 waren das immerhin 5 Milliarden €. Es wird wirklich Zeit, dass wir politisch energisch etwas für den Mittelstand tun.

Aus meiner praktischen Erfahrung weiß ich, dass es gegenwärtig mindestens zwei generelle Probleme im ostdeutschen Mittelstand gibt, die wir politisch angehen müssen.

Das erste Problem ist - dazu möchte ich mich am heutigen Tage nicht weiter einlassen, es wird sicherlich in der nächsten Zeit im Landtag von Sachsen-Anhalt auch einmal thematisiert werden müssen - der Zugang zu den Geld- und Kapitalmärkten überhaupt. Wir wissen, dass die Finanzierung des Mittelstandes zunehmend schwieriger wird. Ich möchte es auch hier ganz offen ansprechen: Wir müssen uns später gegebenenfalls auch über eine zunehmend restriktive Kreditpolitik der Geldinstitute unterhalten.

Im Widerspruch zu vielen Ansichten, die in den letzten Jahren oft deutlich geworden sind, vertrete ich die Auffassung, dass die Kreditfinanzierung in Deutschland auch in den nächsten Jahren die dominierende Finanzierungsquelle für den Mittelstand sein wird. Diese Situation wird sich durch Basel II verschärfen. Davon bin ich überzeugt. Wir werden uns in der Förderpolitik insgesamt in den nächsten Jahren über Bürgschaften, Gewährleistungen, Haftungsfreistellungen für den Mittelstand unterhalten müssen. Zumindest wird der Stellenwert dieser Bereiche wesentlich anwachsen.

Das zweite Problem, meine Damen und Herren, ist genau jenes, mit dem sich der Antrag von CDU und FDP beschäftigt. Das ist die Liquiditätslage im Mittelstand. Sie ist auch in Sachsen-Anhalt in einer überproportionalen

Schieflage. Ich füge hinzu: Viele Unternehmen sind bilanziell gar nicht so schlecht aufgestellt und haben teilweise auch eine gute Auftragslage. Aber die Liquidität dieser Unternehmen befindet sich permanent im Grenzbereich. Das hat zur Folge, dass es starke Zuwächse im Insolvenzbereich gibt. Kollege Gürth ist auf dieses Thema schon hinreichend eingegangen, sodass ich mir weitere Zahlen über Sachsen-Anhalt ersparen kann.

Ich habe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, Frau Dr. Klein, dass Sie sich namens der PDS vom Grunde her positiv zu dieser Initiative ausgesprochen haben. Im Gegensatz zu den letzten Tagesordnungspunkten, die wir behandelt haben, möchte ich ausdrücklich bemerken, dass Ihr Änderungsantrag, soweit ich das erkennen kann, nicht ein ausschließlich politisch motivierter Antrag ist, sondern auf rein fachlichen Erwägungen beruht. Das muss man in einer solchen Debatte auch einmal sagen können.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Gallert, PDS: Darüber muss ich nachdenken!)

- Ich komme gleich dazu, Herr Gallert.

Ich möchte Ihren Antrag nicht unbedingt ablehnen, weil er doch in gewisser Weise das konkretisiert, was wir im Grundantrag dargestellt haben. Ich habe allerdings mit der Rechtsauslegung Ihres Antrages erhebliche Probleme und möchte Ihnen am Ende möglicherweise vorschlagen, den Antrag zurückzuziehen, sodass wir ihn nicht zwangsläufig ablehnen müssen.

Der erste der von Ihnen angeführten drei Punkte ist unstrittig. Er steht vom Grunde her auch in unserem Antrag so drin.

Zu dem zweiten Punkt schon hätte ich meine wichtigsten Probleme zu benennen. Sie haben den Hinweis auf das EU-Recht so locker mit der Bemerkung abgetan, dass das 25 Jahre alt sei. Aber es ist einfach so, dass wir auch an europäisches Recht gebunden sind.

Es gibt eben den Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie der EWG zur Harmonisierung der Umsatzsteuer. Dieser Satz schreibt die Sollbesteuerung als Regelbesteuerung zwingend vor. Wörtlich heißt es, Frau Dr. Klein, wenn ich zitieren darf: „Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstandes oder die Dienstleistung bewirkt wird. Ausnahmen sind zum Beispiel zur Vereinfachung der Aufzeichnungspflichten für kleinere Unternehmen erlaubt.“ Das ist eben § 20 des Umsatzsteuergesetzes.

Mit Ihrem Punkt 2 wollen Sie aber § 16 und damit den Grundsatz ändern. Wir werden in der Europäischen Union noch viele Jahre brauchen, um diesen Grundsatz zu ändern.

Herr Lukowitz, kommen Sie bitte zum Schluss. Sie sind 30 Sekunden außerhalb der Redezeit.

Ja, ich bin sofort, bitte schön, fertig.

(Heiterkeit bei der CDU)

§ 16 ist also die generelle Lösung. Er bezieht nicht nur die kleinen und mittleren Unternehmen ein, sondern alle. Wir würden also gegen EU-Recht verstoßen, wenn wir

das so beschließen würden. Das macht auch keinen Sinn, weil wir wirklich große Zeiträume brauchen, um diesen Weg zu gehen. Also, ich halte diesen Weg für unmöglich und nicht realisierbar. Das ist gegebenenfalls eine wunderschöne Wunschvorstellung, aber nicht machbar.

Kommen Sie jetzt bitte mit Ihrem letzten Satz zum Schluss.

Ja. - Zu Punkt 3: Die ersten vier Stabsstriche stehen im Umsatzsteuergesetz - mit Verlaub, wenn ich das sagen darf - und der letzte Stabsstrich bezieht sich eigentlich auf Punkt 2, den wir nicht annehmen können.

Um zusammenzufassen, würde ich sagen: Ihr Antrag ist gut gemeint, aber er ist bei der gegenwärtigen Rechtslage nicht durchsetzbar. Ich würde Sie schlicht bitten, Ihren Antrag zurückzuziehen und für den CDU-FDPAntrag zu stimmen.

Kommen Sie jetzt bitte zum Schluss! Anderenfalls entziehe ich Ihnen das Wort.

Ja, ja, gleich. Der letzte Satz - -

(Heiterkeit)

Herr Lukowitz, ich entziehe Ihnen jetzt das Wort.

Darf ich einen letzten Satz sagen?

Nein.

Frau Präsidentin, ich wollte gern noch Herrn Dr. Püchel eine Botschaft senden. Aber wenn das von Ihnen nicht mehr erlaubt wird, werde ich das später tun.

(Unruhe - Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielleicht ergibt sich noch eine Möglichkeit, diese Botschaft in anderer Form zu senden. Wenn ich dreimal auffordere, zum Schluss zu kommen, weil man eine Minute und 49 Sekunden über der Redezeit ist, bitte ich darum, dass man dieser Aufforderung dann auch folgt.

Ich erteile der Abgeordneten Frau Budde für die SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gürth, Sie hätten sich Ihren Populismus sparen können. Aber Sie werden noch die Gelegenheit haben zu zeigen, ob Sie wirklich an der Herstellung eines breiten Konsens im

Parlament interessiert sind; denn das Thema ist in der Tat schwieriger, als Sie es hier vorgetragen haben.

Die Auffassung, man macht eine Bundesratsinitiative, alle meinen es gut und dann kommt der Antrag durch, ist falsch. Frau Dr. Klein hat es angemerkt. Es gab bereits mehrere Initiativen. Auf der Bundesebene wird das quer durch alle Parteien sehr viel schwieriger und differenzierter diskutiert werden.

Nichtsdestotrotz ist der Antrag berechtigt, er ist interessant. Wir werden dem Anliegen auch entsprechen. Wichtig dabei ist - das haben Sie in Ihrem Antrag angeführt -, dass Sie eine Verbindung zwischen der Veränderung bei der Umsatzsteuerzahlung und beim Vorsteuerabzugsverfahren anstreben.

Zum Antrag der PDS-Fraktion möchte ich gern zwei Dinge anmerken. Ich halte es in diesem Fall in der Tat für falsch, so detailliert Forderungen in einen Antrag aufzunehmen. Ich denke, die Landesregierung sollte zwischen dem Wünschenswerten und dem Möglichen in Absprache mit den anderen Bundesländern abwägen können. Bei einer Bundesratsinitiative braucht man einen Konsens. Ein Vorstoß allein reicht nicht aus. Die Landesregierung sollte die Freiheit haben, sich mit anderen Ländern abzustimmen.

Auch das EU-Recht sehe ich nicht ganz so locker. Es muss eingehalten werden. Es erfolgt eine ständige Anpassung, der wir uns in unserem Gesetzgebungsverfahren entsprechend fügen müssen.

Eine letzte Bemerkung. Beide Anträge haben die Überschrift „Weniger Bürokratie für den Mittelstand“. Ich denke, dann sollte man in den Gesamtkomplex der Fragestellung auch die bilanzrechtlichen Themen mit aufnehmen. Wenn man von der Soll- zur Istbesteuerung bei Istzahlung umstellt, dann wird es ein Problem bei der gesamten Bilanzbuchhaltung geben. Aber das muss entsprechend angepasst werden.

Ich denke, meine Damen und Herren von der Regierung und den regierungstragenden Fraktionen, Sie haben drei Möglichkeiten, mit dem Thema und mit den Anträgen umzugehen. Erstens gehe ich davon aus, dass Sie sehr an einem breiten Konsens und an der parlamentarischen Mitwirkung interessiert sind. Dann überweisen wir beide Anträge in die Ausschüsse, beraten zügig und schnell und geben unsere eigenen Vorstellungen kund.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- Das war mir schon klar: Sehr interessiert an einer breiten Konsensbildung sind Sie nicht. Deshalb habe ich die Abstufung vorgenommen.

Zweitens. Sollten Sie zumindest an der Mitwirkung interessiert sein, würde ich Sie bitten, an Ihren Antrag folgenden Satz anzufügen:

„Die Landesregierung erstattet dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie dem Ausschuss für Finanzen Bericht über den Fortgang der Bundesratsinitiative.“

Es gibt noch eine dritte Variante, falls Sie kein Interesse an der parlamentarischen Mitwirkung haben. Was das heißen würde, können Sie sich selbst ausmalen.

Sie haben unsere Auffassung dazu gehört und können selbst entscheiden, wie viel Ihnen ein breiter Konsens im Parlament zu diesem Thema wert ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Danke, Frau Abgeordnete Budde. - Für die CDU-Fraktion spricht noch einmal Herr Gürth.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz auf meine Vorredner eingehen, insbesondere auf den Beitrag der PDS-Fraktion. In der Tat konkretisiert der Antrag der PDS-Fraktion in einigen Punkten das, was die Fraktionen von CDU und FDP generell mit der Bundesratsinitiative bezwecken.

Aber der Hinweis auf einen Antrag der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag mit Blick auf streikende Handwerkerfrauen vor dem Deutschen Reichstag ist schlichtweg falsch, weil man an dieser Stelle Äpfel mit Birnen vergleicht.