Seit Jahren fordern wir mehr Transparenz zwischen der Exekutive und der Legislative, fordern wir eine Stärkung der Rechtspositionen des Parlaments anstelle von Geheimhaltung und Misstrauen. Und weil die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch Auswirkungen auf
das Landesparlament von Sachsen-Anhalt haben wird, sind wir geradezu verpflichtet, entgegen unserer bisherigen Praxis eine Stellungnahme abzugeben.
Vielen Dank, Frau Tiedge. - Zum Abschluss der Debatte spricht für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Herr Wolpert.
Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht melden. Aber um einiges gerade zu rücken, ist es vielleicht doch notwendig geworden.
Es ist nicht so, dass im Ausschuss für Recht und Verfassung nicht darüber diskutiert worden wäre, dass wie in der Vergangenheit grundsätzlich keine Stellungnahmen zu solchen Anfragen abgegeben werden sollten. Das wurde dort ausgesprochen. Wir sind auch gemeinsam zu dem Entschluss gekommen, dass wir das im Einzelfall prüfen und nicht von vornherein festlegen, dass wir keine Stellungnahmen abgeben.
Mit Blick auf das vorliegende Verfahren kann man allerdings tatsächlich darüber streiten, ob man der Argumentation folgen sollte, dass man nach dem Motto „Wehret den Anfängen“ die Rechte der Parlamentarier schon im Vorfeld verteidigen müsste. Bei genauerem Hinschauen kommt man allerdings zu dem Schluss, dass der Redner der CDU-Fraktion deutlich gemacht hat, warum das in diesem Fall nicht notwendig ist.
Wir haben eine andere Grundlage in unserer Landesverfassung. Wir sind mit diesem Verfahren nur deshalb beschäftigt, weil das Land Schleswig-Holstein kein eigenes Landesverfassungsgericht hat. Das heißt, normalerweise hätten wir von diesem Verfahren nie etwas erfahren.
Daraus zu schließen, dass es notwendig ist, den Anfängen zu wehren, halte ich nach einer gründlichen Überlegung für übertrieben. Deshalb bin ich dafür, dass wir keine Stellungnahme abgeben. - Danke schön.
Vielen Dank. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung.
Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag, zu dem genannten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keine Stellungnahme abzugeben. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Das ist die Minderheit. Damit ist dem Ausschussvorschlag gefolgt worden und der Tagesordnungspunkt 8 ist abgeschlossen.
Wir haben im Ältestenrat vereinbart, dass zunächst die drei Anträge eingebracht werden und dann eine verbundene Debatte geführt wird. Zu Tagesordnungspunkt 9 a spricht zunächst die Abgeordnete Frau Kachel für die SPD-Fraktion. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr, im September 2001, hat der Landtag auf Antrag der SPD-Fraktion die Landesregierung beauftragt, in Abstimmung mit den kommunalen Gebietskörperschaften ein schlüssiges Konzept für eine landesweit einheitliche Beschilderung von touristischen, kulturellen und naturräumlichen Sehenswürdigkeiten und Attraktionen zu erstellen. Dieser Beschluss hat seine Gültigkeit behalten.
Dass solch ein Konzept intensiv und detailliert beraten werden muss, liegt auf der Hand. Der Wirtschaftsausschuss sollte sich schon ein Bild über Inhalt und Umsetzung machen. Schließlich muss das Konzept für eine langfristige Einbindung des Tourismus tauglich sein. Nachfolgende Änderungen der Richtlinien zur Aufstellung der Schilder sind von weitreichender Bedeutung.
Gerade in diesem Bereich hat es für die Antragsteller die größten Probleme gegeben. Ich kann mir keine Gründe denken, derentwegen der Wirtschaftsminister Dr. Rehberger dem Ausschuss dies vorenthalten sollte.
Die SPD-Fraktion hat sich dieser Thematik in der Vergangenheit insbesondere deshalb gewidmet, weil die Welttourismusorganisation an ihrer Prognose festhält, wonach sich die Zahl der Gästeankünfte bis 2020 weltweit verdreifachen und europaweit verdoppeln wird. Wir müssen an dieser Entwicklung teilhaben. Hierdurch ergeben sich weitere Chancen für Arbeitsplätze. Die Tourismuswirtschaft bindet bereits jetzt mehr Arbeitsplätze als Chemie und Landwirtschaft.
Obwohl Deutschland zu den fünf wichtigsten Reiseländern der Welt zählt, ist das Potenzial Sachsen-Anhalts noch lange nicht ausgeschöpft. Solange Freizeit und Mobilität weiter zunehmen, wird auch der Tourismus auf Wachstumskurs bleiben. Fast jede zweite Urlaubsreise der Deutschen hatte im vergangenen Jahr ihr Ziel im eigenen Land. Der Trend zu häufigen, aber kürzeren Reisen hat sich fortgesetzt. Etwa ein Drittel der Bevölkerung unternahm 50 Millionen Kurzurlaubsreisen von zwei bis vier Tagen Dauer, und dabei war jeder vierte Bundesbürger aus den alten Bundesländern noch nicht bei uns.
Da der Tourismus noch kein Selbstläufer ist, müssen die angestoßenen Initiativen weitergeführt werden. Wer für
ein Produkt wirbt, weiß aus Erfahrung, dass es seine Zeit braucht, bis es einen bestimmen Markenwert hat.
Das durch die Bundesregierung für das Jahr 2001 ausgerufene Jahr des Tourismus hat auch in SachsenAnhalt unterschiedliche Initiativen ausgelöst, unter anderem die Qualitätsoffensive im Tourismus, die Gründung einer Arbeitsgruppe für Kinder- und Jugendreisen - das war auch unser Antrag -, die Klassifizierung von Campingplätzen und vieles andere mehr.
Nach der Beschlussfassung zum einheitlichen touristischen Leitsystem vergab die damalige Ministerin Frau Budde einen entsprechenden Auftrag. Der erste eingegangene Entwurf war so lückenhaft, dass er nicht diskutierfähig war. Umso mehr verwundert mich die vor kurzem in der Presse veröffentlichte Aussage des Ministeriums, wir, die SPD, hätten längst etwas unternehmen können, und seit der Regierungsübernahme werde an einem Leitsystem gearbeitet. Es drängt sich die Frage auf, ob die jetzige Landesregierung richtig informiert war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben sehr gute touristische Produkte in Sachsen-Anhalt, aber noch zu wenigen ist dies bekannt. Das ist eine gute Ausgangsposition, um für deutsche und ausländische Gäste überzeugende weitere Angebote zu unterbreiten und Orientierungshilfen zu geben. Hier liegen unsere Chancen.
Eine wichtige Basis der Infrastruktur stellen die Wegweiser dar; denn ohne solche Orientierungshilfen kommt der Gast nur schwer ans Ziel. Und wer nicht gefunden wird, kann nichts verkaufen. Das betrifft Auto-, Motorrad- und Radfahrer ebenso wie Wassertouristen und Wanderer.
Große Aktivitäten der Gastronomen gab es bereits im Raum Wittenberg, im Harz und neuerdings auch in der Altmark. Es geht darum, das Wegesystem zu systematisieren und zu vereinheitlichen. Ein einheitliches touristisches Leitsystem unterstützt die Reisegebiete dabei, besser zusammenzuarbeiten und die touristischen Angebote im Land zu verknüpfen. Zu berücksichtigen ist, dass Destinationen oft mehrere Anrainerländer haben und somit auf der Grundlage des Abkommens der Wirtschaftsministerkonferenz vom Januar 2001 diesbezüglich unbedingt Gespräche zu führen sind.
Werte Abgeordnete! Die Einheitlichkeit der Elemente des Leitsystems soll auch dazu führen, dass ein Gast die gesuchten Inhalte leichter erfassen kann. Zudem kommt es zu einem Wiedererkennungseffekt, der durch die Verwendung einheitlicher Symbole in anderen Informationsmedien, wie Straßen- und Wanderkarten und auch Internet, verstärkt wird. Piktogramme sind nicht nur für den Kraftfahrer leichter erfassbar, wir müssen auch an die zunehmende Zahl ausländischer Touristen denken, zum Beispiel vor dem Hintergrund des am 1. Juli dieses Jahres zwischen der Bundesrepublik und China abgeschlossenen Abkommens zur Erleichterung von Gruppenreisen. Brandenburg ist hier schon aktiv geworden. - Und wir?
Ein einheitliches Leitsystem ist somit als Bestandteil der Positionierung Sachsen-Anhalts auf dem nationalen und internationalen Tourismusmarkt anzusehen. Damit könnte im Straßennetz auch umweltbelastender Suchverkehr vermieden werden.
Das touristische Leitsystem stellt ferner ein wichtiges Instrument zur Verknüpfung unterschiedlicher Freizeitinitiativen dar. Durch die in den Leiteinrichtungen enthaltenen Informationen sollen Gäste zur Nutzung touristischer Angebote angeregt sowie zu touristischen Einrichtungen gelenkt werden. Das ist zugleich ein Beitrag zur Sicherung der Existenz der touristischen Einrichtungen. Unsere Stärke liegt dabei in unserer Vielfalt.
Ein weiteres Ziel ist die Bündelung von Informationen. Sie führt dazu, den finanziellen Aufwand für die Erstellung eines Leitsystems gering zu halten sowie die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu vermeiden.
Eine Befragung bei den Regionalverbänden und bei einigen Landkreisen sowie vor Ort durchgeführte Recherchen haben gezeigt, dass die derzeitige Situation im Land Sachsen-Anhalt sehr vielgestaltig ist und ein starker Bedarf an diesem Leitsystem besteht. Bisherige Handlungsempfehlungen des Verkehrsministeriums sind nicht ausreichend und konnten bisherige Lücken nicht schließen. Dadurch ist die Existenz von Leistungsanbietern bedroht.
Ein Beispiel hierfür ist das Hotel Sackwitzer Mühle. Nach mehrjährigem Kampf mit dem Straßenverkehrsamt genehmigte die Behörde endlich die Aufstellung eines Schildes mit dem Hinweis auf eine Mühle, allerdings ohne den Hinweis, dass es sich um ein Hotel handelt, in dem man schlafen und essen kann. Die potenziellen Gäste fahren vorbei. Solche Beispiele gibt es in allen Kreisen unseres Landes.
Auch vom Kunsthof Barby, der 80 000 Gäste im Jahr beherbergt, werden bei großen Aktionen, Festivitäten und Aufstellungen jeweils Kurzanträge gestellt bzw. Einzelbeschilderungen je Veranstaltung angebracht - ein kaum zu organisierender Aufwand, abgesehen von der finanziellen Belastung. Die Gäste suchen gezielt und unter erschwerten Bedingungen.
Auch der Deutsche Tourismusverband ist der Auffassung, dass ein gut ausgebautes, gekennzeichnetes Straßennetz die unverzichtbare Basis für einen funktionierenden Tourismus darstellt. Vor diesem Hintergrund fordert der DTV Initiativen für eine flexible Handhabung der touristischen Beschilderung, rechtzeitige Hinweise auf überregional bedeutsame Ziele sowie viel besuchte Freizeitattraktionen.
Der Bund hat im Juni dieses Jahres beschlossen, dass auf Autobahnen alle 10 km eine entsprechende Beschilderung aufgestellt werden kann. Hier gilt es Orientierungsketten aufzubauen, zum Beispiel zu den Weltkulturerbestätten oder zu den Nationalparks. Sie sind zunehmend Imageträger für die Region. Nationalparks und Biosphärenreservate binden eine immer höhere Zahl an Stammgästen, wie Befragungen ergeben haben.
In den nördlichen Bundesländern wird auch rechtzeitig auf die von Landesseite prädikatisierten Erholungsorte hingewiesen. Sollte das nicht auch bei uns möglich sein?
Werte Abgeordnete! Besondere Aufmerksamkeit erfordert auch der Gast von Morgen. Denn Kinder kehren als
Erwachsene gern dorthin zurück, wo es ihnen einst gefallen hat. Neben den Jugendherbergen müssen auch die Kinder- und Erholungszentren berücksichtigt werden - eine Besonderheit in den neuen Bundesländern.
Es reicht nicht, auf den verschiedenen kommunalen Ebenen einige Rad- oder Wanderwege zu beschildern. Vielmehr müssen zahlreiche Urlaubskomponenten aufgebaut werden. Diese kann sich der Kunde dann nach einem Bausteinsystem selbst zusammenstellen, um somit seine individuellen Bedürfnisse in der Region erfolgreich zu befriedigen. Dabei ist jede Region der Gewinner, die es schafft, dem Kundenwunsch jeweils einen Schritt voraus zu sein.
Nur so kann der Kunde ein brandaktuelles Urlaubspaket angeboten bekommen. Der zufriedene Kunde ist derjenige, der überrascht wurde, der etwas Neues erlebt hat. Der Gast, der motorisiert ist, hat einen Aktionsradius von 50 km. Deshalb sind auch die Angebote im Umkreis interessant. Touristische Beschilderung ist eine Dienstleistung. Der Kunde muss umworben, gepflegt und betreut werden. Nur so kann man einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz erlangen.
Der Trend geht heutzutage sehr stark in Richtung Erlebnis- und Eventtourismus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die Kultur, die eigene Geschichte nicht erlebbar und direkt erfahrbar gemacht wird. In New Mexico gibt es zum Beispiel an besonders gekennzeichneten Stellen mitten im Gebirge Tafeln, die den historischen Hintergrund der Gegend beschreiben. Das fördert auch die Verbundenheit der Menschen mit ihrem eigenen Land.