Gudrun Tiedge

Appearances

4/5 4/7 4/11 4/13 4/15 4/23 4/25 4/28 4/29 4/33 4/39 4/40 4/41 4/42 4/47 4/49 4/53 4/54 4/60 4/61 4/62 4/65 4/67 4/69 4/70 4/72 4/74

Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, hat Folgendes gesagt:
„Man muss in Deutschland nicht Angst vor menschlicher Vielfalt haben. Man muss allenfalls Angst vor menschlicher Einfalt haben.“
Insgesamt 129 Angriffe mit rechtem oder rassistischem Hintergrund hat die mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt im Jahr 2005 in Sachsen-Anhalt registriert. Damit ist die Anzahl der bekannt gewordenen Gewalttaten mit rechter oder rassistischer Motivation im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Fünftel gestiegen. Unter 192 direkt Betroffenen befanden sich 108 Jugendliche sowie 52 Migranten und Asylbewerber. Statistisch gesehen wurde damit an jedem dritten Tag eine rechte oder rassistisch motivierte Gewalttat in Sachsen-Anhalt registriert.
Doch die registrierten Angriffe sind nur ein Ausschnitt rechter und fremdenfeindlicher Gewalt in Sachsen-Anhalt. Die Dunkelziffer in diesem Bereich ist nach wie vor hoch. Das macht nachdenklich und betroffen, ist besorgniserregend und erschreckend zugleich.
Auch in den ersten elf Tagen dieses Jahres wurden bereits acht brutale Gewalttaten mit rechtem Hintergrund festgestellt. Dabei ist der Angriff von fünf Rechtsextremen auf den zwölfjährigen Jungen in Pömmelte der sichtbarste Ausdruck der zunehmend entgrenzten Brutalität von Neonazis in Sachsen-Anhalt. Dem kann und darf nicht tatenlos zugesehen werden. Dem müssen Zivilcourage, ziviles Engagement und demokratisches Verhalten, Toleranz und Weltoffenheit entgegengesetzt werden.
Es gibt zahlreiche Einzelbeispiele couragierten Verhaltens. Es gibt die ermutigende Arbeit unmittelbar vor Ort. Es gibt Projekte und Vereine. Hierbei möchte ich insbesondere an die mobilen Opferberatungsstellen und an den Verein „Miteinander“ erinnern, für die diese Wertmaßstäbe und Ziele im Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus höchste
Priorität haben. Ihnen gilt an dieser Stelle unser uneingeschränkter Dank.
Das alles wurde erreicht, obwohl die finanziellen Mittel in diesem Bereich durch die schwarz-gelbe Koalition drastisch gekürzt worden sind - eine Entscheidung, die angesichts der jetzigen besorgniserregenden Entwicklung nicht nachzuvollziehen war und ist.
Zivilcourage heißt zuerst nicht wegsehen; denn das Wegsehen des Einzelnen, das Wegsehen in der Öffentlichkeit bewirkt, dass sich die Täter sowohl in der konkreten Situation als auch im Nachhinein legitimiert fühlen. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass Rechtsextremismus und Gewalt nicht ausschließlich mit dem sicherheitspolitischen Auge betrachtet werden dürfen. Das politische und gesellschaftliche Klima vor Ort spielen eine entscheidende Rolle. Rechter Alltagskultur darf kein Raum gelassen werden, rechtes Gedankengut darf nicht hoffähig werden.
Es läuft etwas falsch, wenn das menschenverachtende, ausländerfeindliche und nationalistische Gedankengut der Rechten als normale Meinungsäußerung in einer pluralistischen Demokratie gewertet wird. Eine öffentliche Sensibilisierung sowie entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen müssen geschaffen und unterstützt werden; denn noch zu oft fehlt die genügende und kontinuierliche Rückendeckung durch die Politik. Darin eingeschlossen ist eine ausreichende personelle, finanzielle und sächliche Ausstattung. Soziale Arbeit und Projekte wie die Schulsozialarbeit oder alternative Jugendzentren müssen mit Kontinuität und auf Dauer gefördert werden.
Meine Damen und Herren! Im Jahr 2001 wurde das bundesweite Aktionsprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ ins Leben gerufen. Es setzt sich aus den folgenden drei Teilprogrammen zusammen: „Civitas - initiativ gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern“, „Entimon - gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ und „Xenos - Leben und Arbeiten in Vielfalt“, die bundesweit zum Einsatz kommen.
Das Aktionsprogramm leistete und leistet einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen den Rechtsextremismus, insbesondere in der Jugendpolitik. Demokratisches Verhalten, ziviles Engagement, Toleranz und Weltoffenheit wurden gefördert.
Die bisher durchgeführten Projekte sind äußert erfolgreich verlaufen. Sie sind unverzichtbar für die Stärkung von Toleranz und Demokratie vor Ort. Mehr als 3 600 Projekte und Maßnahmen für ein friedliches und gewaltfreies Zusammenleben sind in dem Zeitraum von 2001 bis Ende 2004 gefördert worden.
Im Teilbereich Civitas erfolgte die Förderung bislang zum Beispiel in folgenden Bereichen:
- In der mobilen Beratung durch mobile Beratungsteams. Diese begleiten und beraten kommunale Akteure, wie zum Beispiel Vereine und Verbände, die sich für demokratische Grundwerte engagieren und gegen Rechtsextremismus aktiv handeln.
- Beratung von Opfern rechtsextremer Gewalttaten. Hierbei wurden rechtliche und psychosoziale Hilfen und Beratung sowie Unterstützung in verschiedenen Lebenssituationen für von rechten Gewalttaten Betroffene angeboten.
- Die Opferberatungsstellen setzen sich für die Integration gesellschaftlicher Minderheiten ein, indem sie lokale Sensibilisierungs- und Solidarisierungsprozesse anregen.
- Vernetzung des zivilgesellschaftlichen Engagements im Gemeinwesen: Seit dem Jahr 2002 fördert Civitas Netzwerke, welche die Zusammenarbeit und Kooperationsbeziehungen von lokalen Akteuren wie Schule, Jugendhilfe, Kirche und Gemeinwesen initiieren.
All dies sind Aufgaben, die in der gegenwärtigen politischen Situation unverzichtbar sind. Leider sind für diese Programme aber schon für das Jahr 2006 Antragstellungen für eine Förderung nicht mehr möglich. Am 31. Dezember 2006 endet die Förderung für das gesamte Aktionsprogramm auf Bundesebene - angesichts des Anstiegs von Straftaten mit rechtsextremistischem, rassistischem oder antisemitischem Hintergrund sowie einer zu unterstützenden verstärkten öffentlichen Sensibilisierung für dieses Problem ein verheerendes Signal, ja geradezu ein Skandal.
Es kann nicht sein, dass wir im nächsten Jahr in eine Situation geraten, in der alle, die politische Verantwortung tragen, darauf hinweisen werden, wie notwendig, sinnvoll und wichtig das Engagement gegen Rechtsextremismus sei, aber zugleich ein erfolgreiches und sinnvolles Projekt aus der finanziellen Unterstützung herausfällt.
Es muss uns deshalb neben der politischen, parlamentarischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus insbesondere auch um die nachhaltige zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung, den gesamtgesellschaftlichen Dialog und um deren Förderung gehen. Chancen der demokratischen Mitgestaltung müssen aufgezeigt, Alternativen angeboten und eine solidarische Zivilgesellschaft aufgebaut werden.
Dazu gehört unbedingt eine langfristig, auf Dauer angelegte finanzielle Unterstützung von Strukturen und Projekten. Nur durch die Kombination langfristiger politischer und zivilgesellschaftlicher Auseinandersetzung kann es gelingen, wirklich wirkungsvoll der rechtsextremen Kultur den Boden zu entziehen und eine demokratische Kultur tragfähig zu machen.
Damit all dies nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben, fordern wir die Landesregierung auf - solange sie es noch ist -, im Bundesrat entsprechende Initiativen zur Fortführung des Programms noch vor der Verabschiedung des Bundeshaushalts auf den Weg zu bringen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns von hier aus und heute ein deutliches Zeichen setzen für Demokratie und Toleranz, gegen Gewalt und gegen die drohende Gefahr des Rechtsextremismus. Unterstützen wir ein Bündnis all derer, die in Initiativen und Projekten außerhalb der Politik tätig sind und mit Zivilcourage ihren Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus leisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, auch wenn schon Wahlkampf ist: Was wäre ei
gentlich so schlimm daran, wenn heute ein Antrag der Linkspartei mit Mehrheit beschlossen werden würde? Ihr Änderungsantrag sagt inhaltlich nichts anderes als unser Antrag aus, außer dass unserer inhaltsreicher ist und wir Bewertungen hineingeschrieben haben. Ich frage: Warum haben Sie diese Bewertungen herausgelassen?
Da uns dieses Thema aber viel zu wichtig ist, als dass wir es dem Wahlkampf opfern würden, werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Änderungsantrag der Stimme enthalten, weil uns gerade die Bewertungen wichtig sind. Bei der Endabstimmung werden wir dem Antrag aber zustimmen. Das zeugt aus unserer Sicht von politischer Größe. Es würde Ihnen gut zu Gesicht stehen, wenn auch Sie das einmal täten.
Herr Kollege, nun möchte ich Sie bei Ihrer ersten Rede nicht gleich in Schwierigkeiten bringen. Aber es tut mir leid; Sie sprechen nun einmal für die FDP-Fraktion.
Sie haben gesagt, Sie könnten unserem Antrag nicht zustimmen, weil dort politische Couleur enthalten sei. Können Sie das bitte einmal erklären? - Wir haben nichts weiter gemacht, als die Arbeit des Programms zu bewerten, was Sie selber in der Begründung auch getan haben. Nennen Sie bitte einmal die Stelle, an der wir politische Couleur hineingebracht haben. Vielleicht können Sie auch noch einmal einen Satz zur Begründung dafür sagen, warum Sie unserem Antrag nicht einfach zustimmen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte noch von mir, weil ich es einfach schade finde, dass bei der großen inhaltlichen Übereinstimmung aus wahltaktischem oder politischem Kalkül unserem Antrag nicht zugestimmt werden kann.
Ich habe von keinem der Redner gehört, warum unser Antrag nicht zustimmungsfähig ist. Er enthält keine politische Wertung. Vielmehr gibt es nur eine Bewertung der Arbeit der Programme. Genau das haben Sie in der Begründung zu Ihrem Änderungsantrag auch als gut befunden.
Ich finde es schade, wenn ein Signal dahin ausgeht, dass Sie es noch nicht einmal in diesem Punkt fertig bringen, einem Antrag von uns in der letzten Landtagssitzung zuzustimmen, zumal es inhaltliche Übereinstimmungen gibt. Das finde ich schade. Es ist ein verkehrtes Signal an die Öffentlichkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte mir vorstellen, dass für die Polizistinnen und Polizisten dieses Landes das Wort „Polizeistrukturreform“ mittlerweile zum Unwort des Jahres - oder soll ich besser sagen: der Legislaturperiode - geworden ist.
Nun wirft Herr Kolze der SPD und uns sicherlich auch „Stochern im Nebel“ vor, nämlich wegen der Forderung, die Zahl der Polizeipräsidien auf drei zu reduzieren. Ich sage aber ganz klar: Wenn hier jemand im Nebel stochert, dann ist es die Landesregierung, der zuletzt nichts weiter einfiel, als über weitere Streichungen beim Personal der Polizei zu reden - das ist wahrlich motivierend.
Was dabei herauskommt, zeigt die vorliegende Studie. Im Zeitraum von Mai bis Juli 2005 wurde durch die Bremer Organisationsberatung IMAR im Auftrag der Landesregierung eine Arbeitssituationsanalyse in der Polizei von Sachsen-Anhalt auf der Basis einer internen, anonymen Personalbefragung unter Berücksichtigung der Standorte bzw. der Funktion unter 462 Polizeibeamten und -beamtinnen durchgeführt. Das Ergebnis liegt inzwischen in Form einer 65 Seiten langen Studie vor, die nach einer kurzen Darstellung der Vorgehensweise und des Befragungskonzeptes die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung im Komplex sowie detailliert nach den Standorten Magdeburg, Schönebeck, Stendal, Burg, Halberstadt und Aschersleben vorstellt.
Im Mittelpunkt der Befragung standen unter anderem Fragen nach der Veränderung der Arbeitssituation, nach der Umgebung des Arbeitsplatzes, nach der Tätigkeit, nach dem Gruppenklima, nach dem Verhalten Vorgesetzter und nach der Organisation sowie Fragen zu eventuellen gesundheitlichen Gefährdungen während der Arbeit sowie nach möglichen Verbesserungswünschen.
Der Gesamteindruck der Studie, welcher sich in den nun vorliegenden Ergebnissen widerspiegelt, ist äußerst problematisch und besorgniserregend. Er zeigt den Zustand einer großen Unzufriedenheit unter den Befragten und
damit ein erhebliches Demotivationspotenzial bei den Beamten und Beamtinnen in der Polizei von SachsenAnhalt.
Aber für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in Sachsen-Anhalt auf höchstem Niveau sind hochmotivierte Beamte und Beamtinnen unabdingbar. Die vorliegende Studie zeigt, dass sich in den einzelnen Bereichen keine gravierenden Unterschiede in der Problembenennung feststellen lassen. Es sind aber je nach Tätigkeit unterschiedliche Schwerpunkte zu benennen.
Das sind im Einzelnen: Als eines der größten Probleme wird bei der Schutzpolizei die Einführung des bedarfsorientierten Schichtdienstmanagements (BSM), also die personelle Besetzung von Dienstschichten nach wirklichen Anforderungen, gesehen. Die gegenwärtige Art und Weise der Umsetzung lässt jedoch nach Ansicht vieler Polizisten und Polizistinnen eine geordnete Dienstplanung nicht zu und führt damit unweigerlich auch zu einem erhöhten Krankenstand.
Wir sind der Auffassung, dass die Einführung des an sich sinnvollen Schichtsystems BSM nicht gegen die Beamtinnen und Beamten, sondern nur gemeinsam mit ihnen passieren darf. Subjektive Befindlichkeiten, gerade im sensiblen Bereich der Polizei, sollten bei der Dienstplanung und Schichtbesetzung Berücksichtigung finden. Das setzt wiederum ein kooperatives Führungssystem voraus.
Die Bewertung der anderen Probleme, wie schlechte Ausstattung, Einkommen oder Beförderungen, liegen bei dieser befragten Gruppe gleich dahinter.
Bei der Kriminalpolizei ist das Hauptproblem die mangelnde Ausstattung, gefolgt von Einkommen und Beförderungen. Das Thema Beförderungen steht deshalb weit oben in der Kritikskala, weil die vor kurzem vorgenommenen Beförderungen, mit denen sich der Innenminister gern rühmt, nur sehr wenige Beamtinnen und Beamte berührt hat.
Teilweise sind Mitarbeiter seit 18 Jahren nicht befördert worden. Das senkt die Motivation der Betroffenen auf den Tiefpunkt.
Beide genannten Gruppen kritisieren ferner die steigende Flut von Statistiken und einen zunehmenden, kaum noch zu bewältigenden Verwaltungsaufwand.
Es wird des Weiteren eingeschätzt, dass das Klima untereinander schlechter geworden ist. Bei der Schutzpolizei sind bestehende Strukturen auseinander gerissen worden. Generell besteht mehr Neid und Missgunst untereinander als noch vor wenigen Jahren. Prinzipiell wird gesagt, dass eine große Demotivation unter den Beschäftigten bei der Polizei herrscht.
Es wurden Aussagen dahin gehend getroffen, dass aufgrund der Situation und der bestehenden generellen Bedingungen, wie Stellenabbau, BSM, Entlohnung, Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, veraltete oder fehlende Ausrüstung und Technik, Fahrzeuge, Computer oder Schutzkleidung, viele sofort eine andere Arbeit aufnehmen würden, wenn es Alternativen gäbe, obwohl die Tätigkeit als solche immer noch gern gemacht wird. Kaum noch einer empfiehlt den Jugendlichen bzw. den eigenen Kindern, diesen Beruf zu ergreifen.
Umso anerkennenswerter ist, dass die Beamtinnen und Beamten bei der Kriminalpolizei und bei der Schutzpoli
zei in Sachsen-Anhalt trotzdem eine gute, fleißige und engagierte Arbeit leisten.
Das lässt sich unter anderem an einer hohen Aufklärungsquote bei Straftaten im Land auch im Jahr 2005 erkennen. Doch wenn man daraus unweigerlich eine hohe Motivation bei den Polizeibeamten ableitet, ignoriert man die Arbeitsergebnisse der vorliegenden Studie und die reale Situation.
Positives polizeiliches Berufsethos und Pflichtgefühl kann man eben nicht mit Motivation gleichsetzen. Motivation setzt entsprechende, zu schaffende Rahmenbedingungen voraus. Oder will man erst darauf warten, dass sich die schlechte Situation in der Polizei auf die Arbeitsergebnisse auswirkt?
Dabei ist davon auszugehen, dass in fast allen Bereichen der Polizeiarbeit das wichtigste Arbeitsmittel der Polizei die Humanressource, also der Mensch selbst ist. Diesen zu verschleißen und zu demotivieren, hat auf Dauer gravierende Auswirkungen auf die Polizeiarbeit, in den Gesundheitsfragen und ganz besonders in der Frage des Qualifikationsmanagements und der beruflichen Fortbildung. Auch die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt werden dies über kurz oder lang zu spüren bekommen.
Deshalb müssen die Fragen nach einer angemessenen Vergütung bzw. Entlohnung, der Personalentwicklung, der Arbeitsorganisation und Arbeitszeit sowie nach Beförderungen und modernen Ausrüstungs- und Arbeitsmitteln eine erhebliche Rolle spielen.
Die Studie zeigt, dass die Stimmung der Polizeibeamten auf keinem guten Weg ist und sich bedenklich dem Tiefpunkt nähert. Die sich zunehmend negativ entwickelnde Personalproblematik und die seit Jahren durchgeführte Personal- und Besoldungsstrategie - natürlich immer mit dem Hinweis auf die desolate Haushaltslage - zeigen leider ihre Wirkung.
Damit aber auch künftig gute Arbeit durch die Polizei des Landes geleistet werden kann, fordert die Linkspartei.PDS einen Kurswechsel in der Politik der Landesregierung hauptsächlich mit folgenden Prämissen:
Erstens. Die Landesregierung ist aufgefordert, den geplanten Stellenabbau bei der Polizei zu überdenken. Die von der Landesregierung angedachte Streichung von Stellen bis zum Jahr 2010 und die damit zu erreichende Polizeidichte von 1 : 365 wird die Flächenpräsenz der Polizei und damit die öffentliche Sicherheit des Landes ernsthaft gefährden. Ein bedarfsgerechtes Personalentwicklungskonzept ist notwendig. Dabei muss der Polizeivollzugsdienst auch künftig von der Verwaltungsarbeit entlastet werden.
Zweitens. Die Linkspartei.PDS spricht sich für eine Polizeistruktur im Land aus, welche die Polizeireviere und Polizeistationen vor Ort stärkt. Aus diesem Grund halten wir die Reduzierung der Anzahl der Reviere auf die Zahl der neuen Kreisstädte für falsch. Eine Reduzierung auf der Polizeidirektionsebene ist aus unserer Sicht aber notwendig. Im Zuge der Kreisgebietsreform ist eine Verschlankung auf drei Polizeidirektionen zu prüfen.
Drittens. Bei der weiteren Umsetzung des Schichtdienstmanagements sind die Beamtinnen und Beamten an den Entscheidungs- und Zielfindungsprozessen zu beteiligen. Eine kooperative Führung macht das Führungs
handeln transparent und nachvollziehbar und trägt zur Motivation und Berufszufriedenheit bei. Ferner werden das Binnenklima und die Arbeitszufriedenheit gefördert.
Viertens ist eine leistungsbezogene, angemessene Vergütung als eine wesentliche Voraussetzung und zugleich als eine Anerkennung für die Arbeit der Polizeibeamtinnen und -beamten vorzunehmen. Der vorhandene Beförderungsstau ist abzubauen.
Fünftens. Die Polizeibeamtinnen und -beamten unseres Landes sind zeitgemäß, aufgaben- und nutzerorientiert auszustatten.
Sechstens. Eine zukunftsorientierte Aus- und Fortbildung der Beamtinnen und Beamten ist im Interesse ihrer Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren! Schaffen wir für die Polizeibeamten und -beamtinnen unseres Landes Bedingungen und Voraussetzungen, die es ihnen ermöglichen, die anstehenden Aufgaben engagiert, hochmotiviert sowie erfolgreich und zugleich mit persönlicher, sozialer und fachlicher Kompetenz zu bewältigen. Dazu kann dann auch eine Strukturreform notwendig sein - dann aber nur mit den Polizistinnen und Polizisten und nicht gegen sie.
Erst eine bürgernahe, effektiv arbeitende, gut ausgestattete, vor Ort präsente und hochmotivierte Polizei wird ihrer Aufgabe gerecht werden können, die öffentliche sowie persönliche Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt zu garantieren. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist von allen Dank gesagt worden, nur noch nicht von mir. Deswegen an dieser Stelle zunächst einmal recht herzlichen Dank an den GBD, an den Stenografischen Dienst, natürlich an Frau Köhler und an unseren Ausschussvorsitzenden, der es so einfach, glaube ich, mit uns nicht hatte,
Fast zwei Jahre lang hat sich der Neunte Parlamentarische Untersuchungsausschuss mit der Vergabepraxis bei Beraterverträgen beschäftigt. Auch ich bin froh darüber, dass wir den Bericht mit einem einstimmigen Votum abgegeben haben. Das Pikante an diesem Untersuchungsausschuss war, dass der Ausschuss die Arbeitsweise zweier Landesregierungen untersuchen musste.
Um eventuellen Zwischenrufern zuvorzukommen: Wir haben zwar versucht, als Tolerierungspartner bei politischen Entscheidungen unsere Vorstellungen mit einzubringen. Aber Zugriff oder Einfluss auf die Verwaltungsebene hat man als Tolerierungspartner nun mal nicht. Das ist auch das größte Defizit einer Tolerierung. Aber aufgrund dessen konnten wir zumindest in diesem Punkt dem Untersuchungsergebnis gelassen entgegensehen.
Wer schon einmal Mitglied eines Untersuchungsausschusses war, weiß, wie viel Zeit, Arbeit, vor allem aber auch Nerven so ein Ausschuss kostet. Stundenlange Zeugenvernehmungen haben uns nicht selten den letzten Nerv geraubt, zumal viele Zeugen ganz konkrete Fragen im klassischen Beamtendeutsch beantworteten, wobei ich mir nicht immer sicher war, ob sie ihre Antworten selbst verstanden haben. Ein kleines Beispiel. Hören Sie ruhig zu, es ist sehr aussagekräftig. Ich zitiere:
„Wenn die Hausleitung an dieser Stelle aus guten Gründen zu einer entsprechenden Entscheidung kommt, ist die Hausleitung beteiligt gewesen. Das ist ein logischer Zusammenhang. Wenn die Hausleitung eine Entscheidung trifft, dann trifft die Hausleitung eine Entscheidung.“
Das veranlasste den Ausschussvorsitzenden Herrn Gallert zu der Äußerung, dass er jetzt erfolgreich zurückverwirrt wurde.
Und immer war es dasselbe Spiel: Hoch dotierte Beamte litten plötzlich an kollektiver Amnesie und Unwissenheit. Da fiel dann auch schon mal der Satz von einem leitenden Beamten. - Herr Gallert zitierte ihn bereits; man achte auf die vornehme Ausdruckweise -, die Antikorruptionsrichtlinie sei ihm nicht nahe gebracht worden.
Im normalen Leben gilt der Grundsatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Im Leben von hochrangigen Beamten scheint dieser Grundsatz außer Kraft gesetzt zu sein. Da wurde dann selbstherrlich entschieden, wegen einer bestehenden Haushaltssperre den Finanzausschuss nicht über die Einbeziehung externer Berater zum Beispiel beim Aufbau der Limsa zu informieren. Da wurde nachträglich versucht, aus einer offen gehaltenen Informations-E-Mail eine Grundlage für eine Vergabeentscheidung zu konstruieren, obwohl belegt wurde, dass die E-Mail keine Aufforderung zu Abgabe eines Angebotes enthielt.
Die Haltung von verantwortlichen Beamten zeugt vom Fehlen jeglichen Unrechtsbewusstseins, wenn entgegen allen Zeugen- und Sachverständigenaussagen dieser Beamte immer noch der Auffassung ist, dass die Auftragsvergabe an MTP nicht gegen das Vergaberecht, das Haushaltsrecht und die Antikorruptionsrichtlinie verstoßen habe.
Auch bei der Beauftragung von Schnell & Partner musste festgestellt werden, dass weder die verschiedenen Hierarchieebenen eine eigene vergaberechtliche Prüfung vorgenommen haben, noch dass die der Auftragserteilung zugrunde liegenden vergaberechtlichen Erwägungen schriftlich niedergelegt wurden. Jeder verließ sich darauf, dass der andere sich schon an die Richtlinien halten würde, obwohl man sie eigentlich gar nicht kannte.
Nun könnte man diese Begründung ja jungen, unerfahrenen Beamten abnehmen, nicht aber gestandenen Beamten, die bereits im fortgeschrittenen Alter aus den alten Bundesländern kamen, um Entwicklungshilfe zu leisten. Erst der Kultusminister a. D. Harms musste Mitte 2000 die ausdrückliche Weisung erteilen, dass grundsätzlich ausgeschrieben wird, da er verdutzt feststellen musste, dass ihm bei Grundsteinlegungen, Richtfesten und ähnlichen Veranstaltungen immer ein und dasselbe Planungsbüro bzw. dessen Mitarbeiter begegneten.
Auch bei der Einführung des Systems Hamissa musste das gleiche Verhaltensmuster wie bei den anderen Vergaben festgestellt werden. Die regelmäßig mit der Auftragsvergabe befassten Abteilungsleiter und Referatsleiter gaben vor, nur geringe oder gar keine Kenntnisse des Vergaberechts, der einschlägigen Vorschriften der Landeshaushaltsordnung oder der Antikorruptionsrichtlinie zu haben. Von keinem der Referats- oder Abteilungsleiter war die Antikorruptionsrichtlinie verinnerlicht worden. Es war unklar, wer wem wann und wie die Antikorruptionsrichtlinie zu Kenntnis gegeben hat.
Bei einigen der als Zeugen gehörten Referatsleiter musste festgestellt werden, dass dieses Unrechtsbewusstsein bis heute fehlt - in meinen Augen ein peinliches Armutszeugnis; denn es ging um Millionenbeträge, zum Beispiel bei der Auftragsvergabe an die Firma Accenture um „satte“ 4 218 736 € und bei der Firma Infora - fast ein kleiner Betrag - um 882 372 €.
Stellt man diesen Sachverhalten die ausgesprochenen, doch eher milden Disziplinarstrafen gegenüber - zwei Beamte bekamen Verweise -, kann eine Forderung aus der Arbeit des Ausschusses nur sein, dass zukünftig viel stärker kontrolliert werden muss, vor allem aber auch, dass derartige Missstände viel konsequenter und härter geahndet werden müssen. Ansonsten hätte der Ausschuss seine Arbeit für den Papierkorb gemacht.
In acht Punkten hat der Untersuchungsausschuss Forderungen aufgestellt, über deren Umsetzung die neue Landesregierung, wie immer sie auch aussehen mag, nach der parlamentarischen Sommerpause 2006 im Landtag zu berichten hat. Da ich ein positiv denkender Mensch bin, hoffe ich, dass wir in der nächsten Legislaturperiode nicht vor einem ähnlichen Problem stehen werden. - Ich danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Insbesondere nach den Redebeiträgen der Koalitionsfraktionen habe ich mich gefragt, mit welchen Instrumentarien der Verfassungsschutz bisher gearbeitet hat.
Uns liegt heute die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres zum Gesetzentwurf zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften und zur Stärkung des Verfassungsschutzes vor. Wieder einmal glaubt man, mit politischen Instrumentarien, mit obrigkeitsstaatlichen Einschränkungen von Persönlichkeitsrechten des Einzelnen oder mithilfe der Stärkung von Geheimdiensten den Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl von Sicherheit vorgaukeln zu können.
Wir kennen die Sorgen, die Ängste und die Verunsicherung, die es in der Bevölkerung gibt, und wir nehmen sie ernst. Aber die Verschärfung des Verfassungsschutzgesetzes und damit einhergehend die Erweiterung der Befugnisse des Verfassungsschutzes zulasten der Grund- und Freiheitsrechte können nicht die Antwort darauf sein.
Denn der verheißene Zugewinn an Sicherheit durch den Staat wird mit einem signifikanten Verlust an Sicherheit vor dem Staat, also Freiheit, bezahlt. Dieser Preis ist einfach zu hoch. Wie weit will man eigentlich noch die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zulasten der Bürgerrechte ins Wanken bringen? Welches Ausmaß soll der Versuch, einen gläsernen Menschen, eine gläserne Gesellschaft unter dem Deckmantel der internationalen Terrorismusbekämpfung zu schaffen, noch annehmen?
Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist mit der Umsetzung der neuen Befugnisse nach dem Terroris
musbekämpfungsgesetz in den Bundesländern zulasten der Bürgerrechte schwer aus dem Gleichgewicht geraten, ohne allerdings die Sicherheit wirklich zu erhöhen.
Es handelt sich hierbei zu einem erheblichen Teil um gesetzliche Regelungen, die das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung beruhigen sollen und insoweit Resultate politischer Symbolik sind. Elementare Grundrechte werden über Gebühr eingeschränkt und gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird verstoßen.
Insgesamt gesehen ist mit dem vorliegenden Entwurf eines Artikelgesetzes eine erhebliche Ausweitung der Aufgaben und Befugnisse des sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzes verbunden. Dabei gehen die Änderungen teilweise noch über die Novellierung des Bundesverfassungsschutzgesetzes hinaus, die im Rahmen der so genannten Antiterrorgesetze aus dem Jahr 2002 erfolgte.
Nun zu einigen Regelungen im Detail. Erstens. Die Ausweitung der Befugnis zum Speichern, Nutzen und Verarbeiten von Daten von Kindern und Jugendlichen ist rechtlich problematisch und äußerst bedenklich.
Mit dieser Regelung wird der Minderjährigenschutz klar unterlaufen. Es ist aus datenschutzrechtlicher Sicht schwer vertretbar, 14-Jährige, also noch in der Persönlichkeitsentwicklung befindliche Kinder und Jugendliche, in geheimdienstlichen Dateien zu erfassen, sie auf diese Weise zu stigmatisieren und einem hohen Anpassungsdruck auszusetzen.
Zweitens. Verfassungsrechtlich nicht akzeptabel und damit aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit verfassungswidrig ist es, dass die Löschungsfrist für gespeicherte personenbezogene Daten auf 15 Jahre verlängert werden soll. Es muss an dieser Stelle bezweifelt werden, dass eine Information nach einer so langen Zeit ohne weitere neue Erkenntnisse noch von Aktualität und hinlänglicher Zuverlässigkeit und Bedeutung sein kann.
Luftfahrtunternehmen, Kreditinstitute und Finanzdienstleiter, Post- und Telekommunikationsunternehmen sollen für den Verfassungsschutz zu offenen Büchern werden und frühzeitig und umfassend Auskunft erteilen. Das ist auf keinen Fall hinnehmbar.
Die erhebliche Ausweitung des Aufgabenfeldes des Verfassungsschutzes, einhergehend mit einer ausgedehnten geheimdienstlichen Beobachtung in Richtung Völkerverständigung, insbesondere im Interesse des friedlichen Zusammenlebens der Völker ist gleichwohl äußerst problematisch. Die gesetzlich unscharf gefasste Formulierung ist vage, zum Teil spekulativ und weit im Vorfeld des Verdachts.
Das nur zu einigen aus unserer Sicht verfassungsrechtlich problematischen Beispielen. Entscheidend für unser Abstimmungsverhalten ist und bleibt die Grundkritik am vorliegenden Gesetzentwurf. Bürger- und Freiheitsrechte werden aufgrund eines falschen Sicherheitsverständnisses preisgegeben.
Die Linkspartei.PDS setzt zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit vor allem auf das demokratische Handeln der
Zivilgesellschaft, auf Zivilcourage. Wir plädieren für einen weiten, progressiven, bürgerrechtlichen, kurzum: zivilisatorischen Ansatz.
Die Fraktion der Linkspartei.PDS wird die vorliegende Beschlussempfehlung ablehnen. Zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion beantragen wir eine Abstimmung über die einzelnen Punkte. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wenn es so viele Einzelvorschriften gibt, wie Sie sagen, die den Bürgern bereits Akteneinsicht ermöglichen, dann hätte man darüber zwei Jahre lang im Ausschuss reden können und man hätte im Zuge der Rechtsvereinfachung - auch das haben Sie sich bekanntlich als Landesregierung auf die Fahne geschrieben - dies alles bündeln und in einem Gesetz zusammenfassen können.
Meine Damen und Herren! Was unterscheidet nun die Bürgerinnen und Bürger aus Sachsen-Anhalt von den Bürgerinnen und Bürgern aus Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen?
Den Menschen in Sachsen-Anhalt wird mit fadenscheinigen, nicht nachvollziehbaren Begründungen das Recht aberkannt, in Behördenakten Einsicht zu nehmen. In den vorhin genannten Bundesländern und auch in den meisten europäischen Ländern gibt es dieses Recht und es wird von den Bürgerinnen und Bürgern verantwortungsbewusst genutzt.
Ich weiß nicht, bei welcher Anhörung Sie waren, Herr Minister. Ich habe andere Anhörungsprotokolle gelesen. Ich war auch selbst bei der Anhörung anwesend und ich habe andere Einschätzungen aus den Ländern, die ein solches Gesetz haben, gehört.
In Schleswig-Holstein wurde zum Beispiel in dem Zeitraum vom Februar 2000 bis zum Februar 2002 in mehr als 2 000 Fällen davon Gebrauch gemacht. Informationen aus allen Verwaltungsgebieten wurde nachgefragt, beispielsweise zu folgenden Sach- und Problemfeldern: Organisation der Polizei, existierende Altlasten, Finanzierung von Bauvorhaben, Vergabe von Kindergartenplätzen, landwirtschaftliche Förderpraxis usw. usf. Dabei wurde in diesem Erhebungsbericht festgestellt, dass es keine negativen Konsequenzen aus der größeren Informationsoffenheit der Behörden gibt.
Warum soll es diese gläserne Verwaltung nicht auch in Sachsen-Anhalt geben? Würden die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt weniger verantwortungsbewusst mit einem künftigen Informationszugangsgesetz umgehen? Ist die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt eine geringere im Vergleich mit den anderen Bundesländern? Die Fragen könnten an dieser Stelle fortgesetzt werden.
Auch während der heutigen Debatte - der Herr Minister hat ja bereits einen Einstieg gegeben - werden Sie von den Koalitionsfraktionen sicherlich keine sachlichen oder fachlich fundierten Gründe und Argumente hören, warum sie dieses Gesetz ablehnen.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, seien Sie doch an dieser Stelle einfach nur ehrlich; denn das würde Ihre Redezeit um Etliches verkürzen.
Es gibt nur zwei wahre Gründe für Ihre Ablehnung:
Erstens. Sie befürchten, dass die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts aktiv von diesem Gesetz Gebrauch machen könnten.
Zweitens. Der vorliegende Gesetzentwurf wurde von unserer Fraktion, der Fraktion der Linkspartei.PDS eingebracht, und aus Ihrer Sicht ist es wahrscheinlich höchst brisant - um nicht zu sagen: Alarmstufe rot -, wenn eine Oppositionspartei in einer Legislaturperiode zwei Gesetzentwürfe erfolgreich beschlossen bekommt.
Was mich an dieser Stelle allerdings am meisten ärgert, ist die Tatsache, wie die Koalitionsfraktionen mit diesem Gesetz parlamentarisch umgegangen sind. In keinem der mit diesem Gesetz befassten Ausschüsse wurde auch nur in Ansätzen inhaltlich über das Gesetzesvorhaben geredet, und das, obwohl das Gesetz seit November 2003 in den Ausschüssen schmorte.
Seitens unserer Fraktion bestand die Bereitschaft, auf Hinweise aus der Anhörung einzugehen und zugunsten einer Verbesserung des Gesetzentwurfes und damit zugunsten der Bürgerinnen und Bürger Veränderungen vorzunehmen. Aber das war und ist überhaupt nicht gewollt, denn es wurde nicht über dieses Gesetz geredet.
Bis zur letzten Woche war ich immer noch der festen Überzeugung, dass wir im Ausschuss für Recht und Verfassung fair miteinander umgehen. Ich musste mich eines Besseren belehren lassen.
Unter dem Vorwand, einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf einbringen zu wollen, wurde in der Ausschusssitzung am 26. Oktober 2005 keine Beschlussempfehlung für die bevorstehende Landtagssitzung erarbeitet. Doch dieser Änderungsantrag war niemals beabsichtigt. Denn es gab nur einen Grund, unseren Gesetzentwurf nicht in der Landtagssitzung im November zu behandeln: da sowohl die Landesregierung als auch die Koalitionsfraktionen in arge Erklärungsnot geraten wären.
Ich darf daran erinnern, dass auf der Tagsordnung dieser Landtagssitzung das Umweltinformationsgesetz stand. Es wäre für die Koalitionsfraktionen mehr als peinlich geworden, wenn in ein und derselben Landtagssitzung ein Informationsgesetz angenommen und gleichzeitig ein anderes Informationsgesetz abgelehnt worden wäre.
Wie sagte Herr Stadelmann von der CDU-Fraktion in der Landtagsdebatte zu diesem Gesetzentwurf? Ich zitiere:
„Die Freiheit der Information ist ein Grundrecht in unserer freiheitlichen Demokratie. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir ein solches Gesetz haben.“
Sehr richtig, Herr Stadelmann. Darum stimmen Sie und Ihre Fraktionskollegen heute für unser Gesetz, oder erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern, warum dieses Grundrecht für alle anderen Informationen nicht gelten soll. Diese soeben benannte Vorgehensweise hat nun auch meine letzten Illusionen über einen politisch fairen parlamentarischen Umgang zerstört.
Gespannt bin ich auch, wie die Kollegen der FDP-Fraktion ihre Ablehnung begründen werden. Sie, die sich in der Öffentlichkeit gerne als Bürgerrechtspartei darstellen und auf Bundesebene erklärt haben, wie wichtig solch
ein Gesetz sei, haben sich nur der Stimme enthalten, weil Ihnen das Gesetz nicht weit genug ging. Heute haben Sie die Chance, sich für ein modernes, offenes und bürgerfreundliches Gesetz zu entscheiden. Aber Sie werden, wie so oft, vor dem größeren Koalitionspartner in die Knie gehen.
Ich verspreche Ihnen heute Folgendes: Erstens. Wir werden im nächsten Jahr stärkste Fraktion.
Zweitens. Wir übernehmen Regierungsverantwortung.
Drittens. Die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt bekommen ihr Informationszugangsgesetz.
Ja, bitte.
Das Gesetz unterlag der Diskontinuität.
Natriumnitrit, Kaliumjodat, Säureregulator, Antioxidationsmittel E 301, Konservierungsstoffe E 250, E 200, E 211, Geschmacksverstärker E 621 und jodiertes Nitritpökelsalz - Letzteres erschien mir geradezu herrlich harmlos - all diese Angaben fand ich auf einer Wurstverpackung. Nun mag das ja alles genießbar sein. Doch zweifelsfrei beurteilen kann ich dies nicht, denn ich bin schließlich keine Lebensmittelchemikerin.
Altöl im Hühnerfutter, Klärschlamm auf der Rinderweide, Kadavermehl im Schweinetrog, vergammeltes Fleisch in der Wurst, Pestizide im Obst und Gemüse, Medikamente, die nicht heilen, Versicherungen, die nicht wirklich absichern, Kinderspielzeug, das keine Freude bereitet, sondern krank macht: Die Kette von solchen Nachrichten ist endlos. Am Ende steht immer der Verbraucher, der nicht mehr in der Lage ist zu überschauen, was er bedenkenlos benutzen und verzehren kann. Er kann sich kaum gegen diese und andere Probleme zur Wehr setzen.
Verbraucherpolitik ist ein wichtiger Teil der Gesellschaftspolitik; sie ist eine Querschnittsaufgabe und darf nicht als wirtschaftsfeindlich abgetan werden.
Die Politik muss sich bewusst sein, dass Privatisierungspolitik und Marktliberalisierung nicht automatisch Vorteile für den Verbraucher bringen. Nur aufgrund umfangreicher Informationen können Verbraucher auf verlässlicher Basis eine Wahl treffen.
Auf der Festveranstaltung „50 Jahre Verbraucherschutz“ erklärte die damalige Verbraucherschutzministerin Frau Künast - ich zitiere -:
„Jeden Tag haben Sie am Abendbrottisch die Gelegenheit, mit Messer und Gabel darüber abzustimmen, was Sie auch in Zukunft noch in den Ladenregalen finden wollen. Mit Ihrer Entscheidung darüber, was auf Ihrem Teller liegen soll, entscheiden Sie nicht nur über Ihre Gesundheit, sondern beispielsweise auch über die Einhaltung von Tierschutzbestimmungen. Sie entscheiden darüber, wie die Landschaften in unserem Land und anderswo aussehen, wo das Schwein für den Schinken gelebt hat. Es bedeutet: artgerechte Tierhaltung, faire Arbeitsbedingungen und gepflegte Kulturlandschaften.“
Dabei kommt es darauf an, bereits die Kinder und Jugendlichen in die Lage zu versetzen, sich in der Fülle der Angebote zurechtzufinden und ihre Urteilskraft auszubilden. Aus diesem Grund muss Verbraucherpolitik auch präventiv wirken; denn die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die hoch verschuldet sind, steigt stetig an. Die bestehenden erheblichen Defizite hinsichtlich der Planung von Einnahmen und Ausgaben, bei der Haushaltsführung sowie im Umgang mit Werbe- und Dienstleistungsangeboten, insbesondere der Telekommunikationsbranche, müssen durch gezielte Beratungsangebote abgebaut werden.
Dabei kommt den Verbraucherzentralen eine wichtige Aufgabe zu. So nutzten im Jahr 2004 rund eine halbe Million Bürger die Angebote der Verbraucherzentralen in Sachsen-Anhalt. Mehr als 139 700 Verbraucher suchten die Beratungsstellen und Stützpunkte auf, nutzten die Vortragsangebote, besuchten Aktionen oder erwarben Broschüren und Ratgeber.
Die ausgezeichneten Ergebnisse der Verbraucherzentralen konnten bei unveränderter Personalkapazität nur durch eine noch effektivere Arbeitsverteilung und Organisation, durch den Einsatz vernetzter Rechner und vor allem durch den engagierten Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie durch zahlreiche Überstunden erzielt werden. Dafür gebührt ihnen an dieser Stelle unser herzlicher Dank für die geleistete Arbeit.
Herr Minister, es wäre, so glaube ich, angebracht gewesen, dass Sie auch dazu etwas mehr ausgeführt hätten. Für uns sollte dies eine Veranlassung sein, bei den nächsten Haushaltsberatungen die Finanzierung der Verbraucherzentralen zu überdenken, zumal ein ernstes Problem für das Jahr 2005 die bislang nicht gesicherte Einstellung eines qualifizierten Sachbearbeiters in der Schuldnerberatungsstelle ist. Auch das gehört zum Verbraucherschutz.
Nach den jüngsten Fleischskandalen hat die Politik wieder sehr schnell Antworten bei der Hand. So wird zuallererst der Ruf nach höheren und schärferen Strafen laut. Doch das greift wieder einmal viel zu kurz, auch wenn es angesichts der Tatsache, dass ein Lebensmittelhändler nicht verklagt werden kann, wenn er verdor
bene Ware anbietet, natürlich einer gesetzlichen Änderung bedarf. Die Forderung nach einer Unternehmensbestrafung wird von uns ausdrücklich geteilt. Aber Sanktionen reichen eben nicht aus; denn diese greifen meist erst dann, wenn das verdorbene Fleisch schon verzehrt wurde.
Die Lebensmittelwirtschaft allein kann das Problem nicht lösen. Nun soll die Eigenkontrolle gestärkt werden. Nach dem Willen der CDU - so ist es im Bundestagswahlprogramm zu lesen - soll die staatliche Kontrolle auf ein Mindestmaß zurückgeführt werden. Das heißt, der Staat will sich weiter aus der Verantwortung stehlen. Gerade das wird beim Verbraucherschutz nicht funktionieren, was die letzten Ereignisse eindrucksvoll dokumentiert haben.
Nun kann man zu Frau Künast stehen wie man will, aber unter ihrer Verantwortung ist der vorsorgende Verbraucherschutz zumindest immer wieder öffentlich proklamiert worden.
Ich möchte jetzt auf zwei Teilbereiche des Verbraucherschutzes eingehen, auf die Lebensmittelsicherheit und auf den Zusammenhang zwischen Verbraucherschutz und Gesundheit.
Zunächst zu dem Zusammenhang zwischen Verbraucherschutz und Gesundheit. In Deutschland und auch weltweit kommt es zu einem Besorgnis erregenden Anstieg der Zahl der Raucher. Die WHO spricht bereits jetzt von einer Endemie größten Ausmaßes. Die Zahl der an den Folgen des Nikotinabusus Verstorbenen beläuft sich derzeit auf ca. 1,4 Millionen Menschen im Jahr, davon allein in Deutschland 170 000 im Jahr oder 330 am Tag.
Um es zu verdeutlichen: Würde es jeden Tag in Deutschland einen Flugzeugabsturz mit 330 Toten geben, würde ein Aufschrei durch das Land gehen. Nichts dergleichen passiert angesichts der erschreckenden Zahl von Nikotintoten.
Nicht allein Preiserhöhungen - diese sind zudem wegen ihrer Wirkung umstritten - können das Problem lösen. Vielmehr muss der Verbraucherschutz darauf hinwirken, die bestehenden Subventionen des Tabakanbaus abzuschaffen.
Daneben muss Rauchen als Suchtkrankheit anerkannt werden. Entsprechende Therapien unter anderem mit Nikotinersatzstoffen sollten von der GKV übernommen werden. Dies wäre insgesamt preiswerter als die Folgekosten des Rauchens einschließlich der Rehabilitation, der Betreuung, der Nachsorge, der Arbeitsausfallkosten usw. Die geschätzten Kosten belaufen sich in Deutschland auf ca. 17 Milliarden €. Die Dunkelziffer wird aber weitaus höher eingeschätzt.
Gleiches gilt auch für die alkoholassoziierten Krankheiten, die im Gegensatz zu dem Rauchen wenigstens als Sucht anerkannt wurden. Jedoch werden längst nicht alle Alkoholkranken erfasst.
Die Folgen für die Gesellschaft und den Einzelnen sind beträchtlich. Das Robert-Koch-Institut schätzte die Folgekosten auf jährlich 20 Milliarden €. Darin sind die Kosten der ambulanten, stationären und rehabilitativen Betreuung, der Arbeitsunfähigkeit, der Arbeitsunfälle, der Frühverrentung und des vorzeitigen Todes enthalten.
Durch Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum sterben jährlich mehr Menschen als durch den Konsum aller
illegalen Drogen zusammen. Der Verbraucherschutz muss daran arbeiten, erst einmal das Zugangsalter zu erhöhen und der Werbeindustrie nicht nur die bestehende freiwillige Selbstkontrolle bei der Werbung abzuverlangen, sondern diese Forderungen auch gesetzlich festzuschreiben.
Zu den weiter zunehmenden Erkrankungen, die auf Umweltbedingungen einschließlich der Lebensstilkonzepte zurückzuführen sind und als Folge einer unzureichenden Verbraucherschutzpolitik zu werten sind, zählen unter anderem Allergien, einschließlich der Inhalations- und Kontaktallergien, Hautkrebs, Schuppenflechte, ernährungsbedingte Erkrankungen, Diabetes Mellitus, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle, oft infolge mangelnder Bewegung und falscher Ernährung, sowie Erkrankungen durch Innenraumluft. Hier ist der Verbraucherschutz gefordert, endlich Gesetzesvorlagen zu schaffen, die über die Zusammensetzung der Innenraumluftbelastungen und deren gesundheitliche Folgen einerseits und deren Vermeidung andererseits informieren bzw. diese Dinge regeln.
Die Diskussionen über Vogelgrippe, SARS und Ähnliches sind als Aufklärung und Prävention notwendig. Aber sie sollten in einer sachlichen Relation zur Problemlage stehen. In diesem Zusammenhang muss nämlich erwähnt werden, dass jährlich immer noch 1,4 Millionen Menschen an Masern erkranken und etwa 20 % daran sterben, dass es noch immer Millionen Leprakranke gibt, denen durch Antibiotika geholfen werden könnte, dass sich in Afrika jedes Jahr Millionen Menschen mit der so genannten Flusskrankheit infizieren und daran erblinden oder dass noch immer Millionen Menschen an Malaria sterben und die Tuberkulose wieder auf dem Vormarsch ist.
Dem Verbraucherschutz muss die Aufgabe zukommen, die Verbraucher über alle Gesundheitsrisiken aufzuklären und ihre Rechte zu stärken. Wenn man zum Beispiel die Rechte des Mediziners denen des Patienten gegenüberstellt, so zeigt sich, dass die einen mehrere Aktenordner füllen, während die anderen in diese dünne Broschüre passen. Der Verbraucherschutz muss in die Lage versetzt werden zu handeln, solange die Menschen noch Verbraucher sind, nicht aber schon Patienten.
Meine Damen und Herren! Nun zu der Lebensmittelsicherheit. Das steht natürlich in einem ganz engen Zusammenhang zu dem zuvor Gesagten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich jederzeit darauf verlassen können, dass alle Produkte und Dienstleistungen gesundheitlich unbedenklich und sicher sind
und dass ihr Verbrauch keine wirtschaftlich-existenziellen Interessen beeinträchtigt.
Die aktuelle Situation und die Erfahrungen aus dem BSE- und dem Shrimpsskandal belehren uns darüber, dass wir wirklich keinen Grund haben, in Selbstzufriedenheit zu verfallen. Schon damals in der BSE-Debatte haben wir gefordert, dass Lebensmittel, die in den Verkehr gebracht werden - egal, ob sie aus herkömmlicher regionaler Verarbeitung und Produktion, aus ökologischem Anbau oder auch aus Importen stammen -, hinsichtlich möglicher Gefahren für die Gesundheit unbedenklich sein müssen. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit - das sollte man zumindest meinen.
Daher heißt es: Aus der Herkunft und schließlich auch aus dem Preis einer Ware bzw. aus dem Preis von Nah
rungsmitteln darf nicht abgeleitet werden können, ob es sich hierbei um gesundheitlich bedenkliche oder eher unbedenkliche Nahrungsmittel handeln könnte.
Unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung des Agrarhandels sind wir gezwungen, Maßnahmen, aber auch Maßregelungen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in völlig neuen Dimensionen zu treffen. Wenn wir es wirklich ernst meinen mit der Lebensmittelsicherheit, dann muss nicht nur die gesamte Lebensmittelkette, sondern auch die gesamte Futtermittelkette in ein engmaschiges Netz der Kontrolle, der Etikettierung, der Nachweisführung und der Rückverfolgung einbezogen werden. Wie die Hausfrau oder der Hausmann an der Fleischtheke muss sich auch der Landwirt bei einem Futtermittelzukauf darauf verlassen können, dass in der Verpackung auch tatsächlich das enthalten ist, was darauf steht.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Shrimpsskandal vor zwei oder drei Jahren. Dessen Spuren konnten damals ausgehend von China bis in die Altmark verfolgt werden. Durch die Presse gingen sofort Schlagzeilen wie „Antibiotikabelastetes Tierfutter in der Altmark“ oder „Agrarunternehmen gesperrt“ usw. Das machte sich natürlich gut. Der Zorn der Menschen wurde auf die Bauern und ganz nebenbei auf ein fernes Land in Asien gelenkt. Dass sich auf dem Weg zwischen China und der Altmark eine ganz andere Branche an diesem „Teufelszeug“ eine goldene Nase verdient hat, wurde tunlichst verschwiegen, ähnlich wie bei der BSE-Problematik.
Die jüngsten Vorkommnisse mit umdeklariertem und verdorbenem Fleisch in anderen Bundesländern haben uns nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Politik in diesem Globalisierungsprozess mehr denn je gefragt ist. Und sie haben uns auch aufgezeigt, mit welchem kriminellen Potenzial wir rechnen müssen, wenn wir nicht eindeutige, unmissverständliche Regelungen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen - und zwar solche Regelungen, die ein Höchstmaß an Transparenz und Kontrolle zulassen und zu deren Durchsetzung es mit Sicherheit nicht wenig Geld bedarf.
Der beste, unbürokratischste, nachhaltigste und kostengünstigste Verbraucherschutz wäre doch dann gegeben, wenn Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten so weit wie möglich in übersichtlichen regionalen Einheiten erfolgen würden,
wenn also die an der Produktion Beteiligten im weitesten Sinne selbst Verbraucher wären.
Gerade bei Nahrungsmitteln bzw. bei leicht verderblichen Waren deckt sich die Forderung nach einem regionalen Wirtschaftsprinzip durchaus mit der Forderung nach mehr Verbraucherschutz. Wenn Produktion und Verbrauch räumlich zusammenfallen, stehen die Produzenten und die Art, wie sie produzieren, stets unter öffentlicher Kontrolle. Statt ausufernder bürokratischer Schutzmechanismen sollte der dafür notwendige finanzielle Aufwand für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum genutzt werden.
Nun gibt es das Zehn-Punkte-Sofortprogramm des neuen Bundesministers Herrn Seehofer. Von Verbraucherschützern wird dies allerdings als Augenwischerei kriti
siert, da all die Punkte bereits durch das EU-Recht abgedeckt seien; man müsse das Recht nur ausschöpfen und anwenden.
Ich finde es sehr interessant, dass aus dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft nun das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geworden ist. Ein Schalk, wer Arges dabei denkt. Ich hoffe nur, dass diese Prioritätensetzung für die Umsetzung des Sofortprogramms keine nachteiligen Folgen hat und dass sich die Länder und insbesondere unsere Landesregierung nicht von der wachsenden Bedeutung des Verbraucherschutzes abbringen lassen.
Dabei würden wir es begrüßen, wenn es eine eigenständige und ausschließliche Berichterstattung zum Verbraucherschutz im Geschäftsbereich des MS geben würde. Allein die Existenz des Landesamtes für Verbraucherschutz wird es nicht richten.
Die Politik muss erkennen und akzeptieren, dass Verbraucherschutz und Kontrolle durch die Verbraucher Bürgerrechte sind. Ein erster Schritt dahin wäre das Verbraucherinformationsgesetz gewesen, das auf Bundesebene auf den Weg gebracht wurde, dann aber durch die CDU-regierten Länder im Bundesrat verhindert wurde.
Auf eine Anfrage im Bundestag hin hat der damalige parlamentarische Staatssekretär Dr. Thalheim noch im Februar 2005 erklärt, dass der Vollzug des Verbraucherinformationsgesetzes zu einem zusätzlichen Sach- und Personalaufwand und damit zu zusätzlichen Kosten führen würde. Quantifiziert wurden diese Kosten natürlich nicht, aber als Totschlagargument machen sich Kosten immer gut.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Rahmen der Anpassung des nationalen Lebensmittel- und Futtermittelrechts an gemeinschaftliche Rechtsakte zunächst vorgesehen war, dass Informationsansprüche der Verbraucher gesichert werden sollten. Im Rahmen des Vermittlungsverfahrens sind jedoch gerade Bestimmungen zur Verbraucherinformation, soweit sie Akteneinsichtsrechte von Verbrauchern gegenüber Behörden betreffen, gestrichen worden.
Vor diesem Hintergrund müssen wir uns nicht nur fragen, was uns die Gesundheit der Verbraucher wert ist, sondern auch wie ernst wir es mit der Verbrauchersouveränität wirklich meinen. Erst wenn wir mehr Verbraucherinformation und Transparenz garantieren, stärken wir die Entscheidungskompetenz und Selbstbestimmung der Verbraucher. Dabei geht es uns nicht darum, die Menschen mit Informationen zuzuschütten, sondern darum, ihnen die Informationen bereitzustellen, die notwendig sind, um tatsächlich Entscheidungen im Interesse der eigenen Gesundheit treffen zu können.
Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung dieses Gesetz nun endlich beschließen wird. Wir werden auf Landesebene in der nächsten Legislaturperiode ein solches Gesetz auf den Weg bringen. Wenn Sie all das, was heute gesagt wurde und sicherlich noch gesagt werden wird, wirklich ernst meinen, dann müsste dieses Vorhaben ohne größere Probleme fraktionsübergreifend beschlossen werden. Nun, warten wir es ab. Aber das, Herr Minister, wäre ein echter Meilenstein auf dem Weg zu mehr Verbrauchersouveränität in Sachsen-Anhalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Umweltinformationsgesetz wurde erstmalig in Umsetzung einer entsprechenden Richtlinie der EG im Jahr 1994 erlassen. Es galt im Gegensatz zu dem am 14. Februar 2005 in Kraft getretenen neuen UIG des Bundes nicht nur für informationspflichtige Stellen des Bundes und bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts, sondern auch für die Länder.
Jetzt war der Bundesgesetzgeber wohl aus Angst vor einer Blockade im Bundesrat der Auffassung, dass er entgegen der vorherigen Normierung und Praxis für die Ansprüche im Bereich der Länder nicht mehr zuständig
sei. Die Informationspflicht der Behörden und sonstiger Stellen der Länder und Kommunen ist somit in adäquaten Landesgesetzen zu regeln. Mit dem UIG soll die Umweltpolitik in Deutschland, aber auch in der Europäischen Gemeinschaft demokratisiert und auf eine breitere Grundlage gestellt werden als bisher.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht gerade bürgerfreundlich angelegt. So entpuppt sich ein Informationsgesetz schnell als ein Informationsverhinderungsgesetz. Ist das beabsichtigt? - Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die für den Bürger eigentlich entscheidenden Dinge sind in den zwei mal zweieinhalb klapperdürren Zeilen der Absätze 1 und 2 des § 1 mit der Überschrift „Zweck des Gesetzes, Anwendungsbereich“ enthalten. Dann folgt bereits die zielsicher treffende Kostenkeule, das heißt konkret die Erhebung von Kosten und Auslagen für die Übermittlung von Informationen und die damit verbundene Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes und die alles andere als einladend wirkende Aussicht, informationsunwilligen Stellen auf dem Rechtsweg die Informationen abtrotzen zu müssen.
Allerdings - das muss man an dieser Stelle auch sagen - ist das das eigentlich Neue und Spannende an dem Umweltinformationsgesetz. Denn das steht im Gegensatz zur Tradition des deutschen Verwaltungsrechts, das Ansprüche auf Auskunft oder Information grundsätzlich nur als Verfahrensrechte gewährt, die insbesondere nicht selbständig gerichtlich geltend gemacht werden können.
Dagegen ist der Informationsanspruch nach dem UIG ein echter materieller Anspruch, der den Berechtigten unabhängig von der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und selbständig einklagbar zusteht. Der Informationsanspruch steht jedermann zu. Er setzt kein besonderes rechtliches Interesse voraus und ist selbständig einklagbar. Anspruchsgegner sind die im Gesetz genauer spezifizierten informationspflichtigen Stellen, zu denen vor allem Behörden gehören.
Wie könnte das Gesetz bürgerfreundlicher gestaltet werden? - Zum Beispiel durch eine die Landesspezifik berücksichtigende Ausformung des § 1 Abs. 2 in Richtung der inhaltlichen Ausgestaltung des § 2 des UIG aus dem Jahr 2005. Damit meine ich zum einen eine klare, unmissverständliche Begriffsbestimmung, welche Stelle eigentlich informationspflichtig ist bzw. welche Stelle dieser Informationspflicht nicht unterliegt. So könnte vermieden werden, dass bereits zur Klärung der simplen Frage, was oder wer eine informationspflichtige Stelle ist, das Bundesgesetz bemüht werden muss. Dass dies regelbar und möglich ist, zeigt zum Beispiel Bremen.
Der zweite Aspekt in Richtung Bürgerfreundlichkeit ist die Zugänglichkeit von Umweltinformationen über das Internet. Dazu hat es bereits im März 2003 eine Befassung des Landtages gegeben. Dem Ausschuss für Umwelt ist daraufhin im September 2004 ein Konzept für die Datennutzung im Rahmen des Umweltinformationssystems durch Dritte vorgestellt worden.
Konzept hin, Konzept her, die Realität sieht so aus: Auf dem Landesportal herrscht Chaos und das DownloadAngebot ist miserabel. Das kann nicht so bleiben. Die vorhandenen Daten- und Kartenbestände müssen nutzerfreundlich angeboten werden und dürfen nicht gehortet und argwöhnisch bewacht werden. Hier sind uns andere Länder weit voraus. Sachsen-Anhalt gehört an die
ser Stelle zu den Schlafmützen und ist damit weit entfernt vom Frühaufsteher-Motto der Landesregierung.
Lassen sie mich an dieser Stelle noch auf einen anderen, vom heutigen Tagesordnungspunkt nicht weit entfernten Aspekt hinweisen. Am 20. November 2003, also vor fast zwei Jahren, hat die damalige PDS-Fraktion den Entwurf eines Informationszugangsgesetzes in den Landtag eingebracht.
Es gibt bis zum heutigen Tag noch immer keine abschließende Beschlussempfehlung.
Hoffen wir im Interesse des Informationsrechts der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dass mit dem vorliegenden Umweltinformationsgesetz nicht ähnlich verfahren wird - doch diese Gefahr ist aufgrund der Einbringung durch die Landesregierung wohl kaum gegeben - und dass der den Ausschüssen vorliegende Entwurf eines Informationszugangsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird.
Die Fraktion der Linkspartei.PDS wird der Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse zustimmen. Wir denken, dass wir trotz der knappen Zeit noch einige bürgerfreundliche Änderungen in den Gesetzentwurf einbringen können. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf unsere Forderungen aus der ersten Beratung des Antrags im Landtag zurückkommen. Wenn man etwas verändern will, dann sollte man die Amtsausstattung der Gerichtsvollzieher verbessern, durch eine bessere Bezahlung mehr Anreize schaffen, die Anzahl der Gerichtsvollzieher erhöhen, die Ausbildung verbessern und ihnen auch mehr Aufgaben übertragen, um die Gerichte zu entlasten - aber das nur unter Beibehaltung des gegenwärtigen Status.
Kaum ein anderer greift so in die Grundrechte der Bürger ein wie die Gerichtsvollzieher. Sie sind somit auch nicht mit den Notaren zu vergleichen.
Ich möchte noch auf einige Punkte eingehen, die in der Beschlussempfehlung aufgezeigt wurden. Dort ist festgeschrieben, dass die Gebühren nach Maßgabe des Verursacherprinzips sowie des Äquivalenzgrundsatzes so zu bemessen sind, dass alle anfallenden Kosten tatsächlich gedeckt werden können. Das bedeutet - ich denke, das ist auch jedem in diesem Hause klar - eine Gebührenerhöhung, die zunächst zulasten der Gläubiger und dann zulasten der Schuldner gehen wird.
Wir müssen natürlich auch berücksichtigen, was mit den Forderungen, mit den Kleinforderungen von Gläubigern wird. Die Gerichtsvollzieher werden kaum ein Interesse daran haben, zunächst die kleinen Forderungen einzutreiben, weil sie damit ihre Kosten nicht decken können. Sie werden zulasten der Kleingläubiger diese Forderungen weit hinausschieben. Aber für manche Gläubiger sind bereits Außenstände von einigen Euro existenzbedrohend.
Dann soll nach Auffassung der Koalitionsfraktionen der Amtsbezirk aufgelöst werden. Das heißt, es soll nur noch einen Amtsbezirk geben, das Land Sachsen-Anhalt. Die Folge wäre eine gnadenlose Konkurrenz zwischen den Gerichtsvollziehern, was ebenfalls zulasten der Gläubiger und der Schuldner gehen würde und natürlich auch zulasten der Gerichtsvollzieher, die dann teilweise auf der Strecke bleiben würden. Wenn das gewollt ist, dann soll man das auch so sagen; denn nicht immer belebt der Markt die Konkurrenz.
Des Weiteren will man den Gerichtsvollziehern weitere Aufgaben zugestehen. Auch das ist eine Forderung von uns gewesen, weil wir der Auffassung waren, die Gerichtsvollzieher können weitere Aufgaben übernehmen. Aber das geht nicht, wenn die Aufgabe - viel lauter kann ich jetzt nicht reden - der Gerichtsvollzieher als Freiberufler sozusagen auf eigene Rechnung wahrgenommen werden muss.
Das Abwendungsverfahren soll bei unstreitigen Forderungen bis zu einem Streitwert von 500 € betrieben werden. Das heißt, nicht ausgetitelte Forderungen sollen jetzt von einem Freiberufler eingetrieben werden können. Wir halten das für ein Unding und auch für verfassungswidrig.
Es sollen Beweissicherungen durchgeführt werden; es sollen hoheitliche Vollstreckungen durchgeführt werden.
Die Entscheidung über die Übertragung soll im Ermessen der Kommunen liegen.
Dies alles sollen, wie gesagt, Gerichtsvollzieher durchführen. Diese müssen aber in erster Linie darauf bedacht sein, durch die Vollstreckungen ihre Kosten hereinzubekommen, um ihre Existenz zu sichern. Dazu sagen wir: Das ist nicht machbar. Der Gerichtsvollzieher muss seine hoheitlichen Aufgaben auch als hoheitlicher Beamter wahrnehmen können.
Die mit der Justizreform befasste Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat hinsichtlich der Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens ähnliche Probleme wie wir. Wir hoffen, dass sich die Vernunft durchsetzt und dass die BundLänder-Arbeitsgruppe diesem Vorschlag nicht folgen und einer Privatisierung - auch wenn man sie „Beleihung“ nennt, bleibt es eine Privatisierung - ihre Zustimmung nicht geben wird. Wir werden der Beschlussempfehlung nicht folgen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist das Los von Juristen, dass es, wenn sie über Themen reden, von denen sie annehmen, sie seien spannend, anscheinend nicht sehr viele Leute interessiert.
Aber ich möchte hinzufügen - verstehen Sie das bitte nicht als Drohung -: Die Themen, über die die Juristen reden, treffen im Anschluss jeden.
Als ich in meiner ersten Rede zu dem vorliegenden Gesetzentwurf davon sprach, dass wir trotzt der positiven Ansätze ein Problem mit diesem Mammutgesetz hätten, weil bei uns ein gesundes Maß an Misstrauen aufkeimt, wenn uns eine solche Fülle von Gesetzes- und Verordnungsänderungen präsentiert wird, wusste ich noch nicht, dass sich das Misstrauen bei vielen der Änderungen als berechtigt erweisen wird.
Ich glaube, die Landesregierung hat sich etwas vorschnell für dieses Gesetzeswerk feiern lassen. Es waren nicht nur handwerkliche Fehler, die dazu führten, dass aus dem großen Gesetz ein quantitativ kleines wurde, sondern auch juristische.
Ich gab damals auch das Versprechen ab, alle Änderungswünsche gründlich auf ihre Richtigkeit und Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Ich denke, dass wir das auch in allen Ausschüssen fraktionsübergreifend getan haben. Besonderer Dank gebührt - das möchte ich auch betonen - dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst für seine umfangreichen Zuarbeiten, für seine rechtlichen Stellungnahmen und sogar Gutachten,
ohne die es für uns weitaus schwieriger gewesen wäre, diesen Wust an Veränderungen zu überschauen.