Protocol of the Session on October 6, 2005

(Herr Stahlknecht, CDU: Ja, so ist das!)

Doch dann - das muss ich jetzt einfach so sagen - kam der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst; er kam, sah und siegte. Nach mehreren kontroversen Gesprächen mit dem Justizministerium und einem klärenden Gespräch mit den rechtspolitischen Sprechern wird hier heute nur noch ein ganz kleines Kieselsteinchen auf dem Weg zu einem einfachen Recht beschlossen.

Bestand der Gesetzentwurf bei der Einbringung noch aus 150 Artikeln, so ist jetzt nur noch die Hälfte übrig. 72 Artikel wurden im Laufe der Ausschussberatungen gestrichen. Die unzähligen Änderungen, die in den übrigen Artikeln vorgenommen wurden, möchte ich erst gar nicht erwähnen.

Ich bleibe dabei, der Gesetzentwurf stellt lediglich eine Rechtsbereinigung dar und dient leider nicht der Rechtsvereinfachung. Es ist schade, dass diese Chance vertan wurde. Denn der Grundgedanke, der hinter diesem Gesetz steckt, wird von uns ausdrücklich begrüßt. Es ist richtig und wichtig, das bestehende Recht für die Bürger zu vereinfachen und verständlicher zu machen. Die Rechtsanwendung soll eben nicht nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen sein.

Der Hauptkritikpunkt bleibt für uns, dass mit diesem Gesetzeswerk das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Sachsen-Anhalt als Vollgesetz gestrichen wird.

Sie, Herr Minister Becker, verkünden, dass hiermit angeblich ein Gesetz um 97 Paragrafen reduziert wird und dass zukünftig auf das Bundesgesetz verwiesen wird. Wie bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfes festgestellt wurde, wird lediglich die Sammlung der Gesetze des Landes Sachsen-Anhalts dünner. Statt wie bisher mit einem Gesetz arbeiten zu können, muss man zukünftig auf zwei Gesetze zurückgreifen. Das verstehe, wer will.

Der Rechtsanwender wird eher irritiert sein. Gerade hierbei wäre es wichtig gewesen, den Bürgern ein Gesetz ohne Verweisungen zu erhalten. Gerade in diesem Erhalt würde sich zeigen, dass wir verständliche Gesetze für die Bürger machen, nicht nur für die Fachleute.

Wie verwirrend das Ganze in Zukunft ablaufen wird, zeigt sich an der Beschlussempfehlung. In der abschließenden Beratung im Ausschuss für Recht und Verfassung wurde mit einem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP eine Übergangsvorschrift eingebaut, da im bisherigen Gesetzgebungsverfahren nicht berücksichtigt worden war, dass in zahlreichen anderen Gesetzen auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes verwiesen wird, das es dann nicht mehr geben wird.

Wenn der Rechtsanwender zukünftig in ein spezielles Gesetz, zum Beispiel in das Landesjagdgesetz, schaut, wird er darin die Verweisung auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes lesen. Er wird dieses Gesetz aufschlagen und wird den entsprechenden Paragrafen suchen, auf den verwiesen wird, zum Beispiel § 34 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Verwundert wird er sich die Augen reiben und feststellen, dass das Gesetz nur noch aus sieben Paragrafen besteht.

Nun muss er nur noch die Hürde nehmen und in § 7 der Übergangsvorschrift schauen. Wenn er auch das ge

schafft hat und sich mit dieser Vorschrift vertraut gemacht hat, dann kann er in das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes schauen. Meine Damen und Herren Kollegen, ist das jetzt einfacher?

Es gilt an diesem Punkt auch zu bedenken, dass mit der dynamischen Verweisung auf das Bundesrecht nicht mehr der Landtag von Sachsen-Anhalt inhaltlich über das Verwaltungsverfahrensgesetz entscheidet; er gibt diese Gesetzgebungsbefugnis freiwillig an den Bundesgesetzgeber ab.

Abschließend möchte ich für meine Fraktion feststellen: Auch wir sind natürlich für eine Rechts- und Verwaltungsvereinfachung. Unsere Kritik an diesem Gesetz richtet sich vielmehr dagegen, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes aufgehoben wird. Wenn unser Änderungsantrag - davon bin ich im Augenblick gar nicht mehr so stark überzeugt - keine Mehrheit finden wird, werden wir uns bei der Gesamtabstimmung der Stimme enthalten. Das tun wir aber nur dann, wenn der Antrag wirklich nicht durchkommt. - Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Danke sehr, Frau Grimm-Benne. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Stahlknecht sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, das meiste, das richtig und wichtig ist, ist bereits von Herrn Minister Becker gesagt worden. Dass Sie, Frau Grimm-Benne, den Meilenstein in einen Kieselstein umwandeln wollen,

(Frau Budde, SPD: In ein Steinchen!)

ist das Recht der Opposition.

(Herr Scharf, CDU, lacht)

Ich denke, Sie haben daran gesehen, wie schwierig ein Bürokratieabbau ist, wie lange man dafür braucht, wie viele Leute mitreden wollen, wie viele Leute meinen, dass das nicht geht, wie viele Juristen unterschiedlicher Meinung sind.

(Herr Bischoff, SPD: So sind die Juristen! - Hei- terkeit bei der SPD)

Es hat nicht nur mit Juristen zu tun, sondern auch wir beraten es. Sie können auch weiter gehen - ich möchte wieder zur Ernsthaftigkeit kommen -: Wenn Sie in Behörden gehen - Sie, Frau Budde, waren, soweit ich mich erinnern kann, einmal Ministerin - und dort Verordnungen oder Gesetze abschaffen wollen, dann werden Sie einen Haufen von Beamten haben, die sagen, dass wir dieses Gesetz noch brauchen, und die dafür eintreten, dass es erhalten bleibt.

Insofern wäre es eigentlich wichtiger und interessanter, wenn man eine parlamentsübergreifende Mehrheit finden würde, damit man den Bürokratieabbau in Deutschland vorantreiben kann, anstatt sich an dieser Stelle mit irgendwelchen Fingerhakeleien zwischen der Opposition und den Regierungsfraktionen auseinander zu setzen.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Becker)

Deutschland braucht das.

(Zustimmung von Minister Herrn Becker)

Die Wirtschaft braucht die Freiheit, sich zu entfalten. Sie braucht keine Überregulierung. Das, was wir gemacht haben, was diese Regierungsfraktion gemacht hat, ist der Anfang. Deshalb ist es ein Meilenstein.

Wir würden gern noch weitere Meilensteine mit Ihnen zusammen setzen - ich gehe davon aus, dass Sie uns gern dabei unterstützen werden -, damit Umfang und Zahl der Gesetze und der Verordnungen in SachsenAnhalt geringer werden und damit die Juristen ein bisschen ruhiger werden - natürlich nur außerhalb des Parlaments, das versteht sich -,

(Zustimmung bei der CDU)

damit es dann in Deutschland dementsprechend weitergeht. Ich bitte jedenfalls um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. Und ich freue mich, Frau Budde, dass ich Sie wieder so fröhlich gemacht habe. - Ich bedanke mich.

(Frau Budde, SPD: Wenn Sie reden, bin ich das meistens, Herr Stahlknecht!)

Danke, Herr Stahlknecht. - Für die Linkspartei.PDS spricht die Abgeordnete Frau Tiedge.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist das Los von Juristen, dass es, wenn sie über Themen reden, von denen sie annehmen, sie seien spannend, anscheinend nicht sehr viele Leute interessiert.

(Herr Scharf, CDU: Hier sind auch Nichtjuristen! - Heiterkeit bei der CDU)

Aber ich möchte hinzufügen - verstehen Sie das bitte nicht als Drohung -: Die Themen, über die die Juristen reden, treffen im Anschluss jeden.

Als ich in meiner ersten Rede zu dem vorliegenden Gesetzentwurf davon sprach, dass wir trotzt der positiven Ansätze ein Problem mit diesem Mammutgesetz hätten, weil bei uns ein gesundes Maß an Misstrauen aufkeimt, wenn uns eine solche Fülle von Gesetzes- und Verordnungsänderungen präsentiert wird, wusste ich noch nicht, dass sich das Misstrauen bei vielen der Änderungen als berechtigt erweisen wird.

Ich glaube, die Landesregierung hat sich etwas vorschnell für dieses Gesetzeswerk feiern lassen. Es waren nicht nur handwerkliche Fehler, die dazu führten, dass aus dem großen Gesetz ein quantitativ kleines wurde, sondern auch juristische.

Ich gab damals auch das Versprechen ab, alle Änderungswünsche gründlich auf ihre Richtigkeit und Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Ich denke, dass wir das auch in allen Ausschüssen fraktionsübergreifend getan haben. Besonderer Dank gebührt - das möchte ich auch betonen - dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst für seine umfangreichen Zuarbeiten, für seine rechtlichen Stellungnahmen und sogar Gutachten,

(Zustimmung von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

ohne die es für uns weitaus schwieriger gewesen wäre, diesen Wust an Veränderungen zu überschauen.

Bereits bei der ersten Lesung im Parlament hat unsere Fraktion Zweifel hinsichtlich der Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt angemeldet. Ein entsprechender Änderungsantrag der SPD-Fraktion liegt heute vor und wir werden diesem auch zustimmen.

Die Rechtsanwaltskammer von Sachsen-Anhalt hat in ihrer Stellungnahme unsere Bedenken bestärkt. So erging die Aufforderung an den Landesgesetzgeber, zwischen dem notwendigen Maß an rechtlicher Gestaltung durch Gesetzgebung einerseits und dem Ziel der Vereinfachung andererseits abzuwägen; denn - so wurde dort formuliert - die Vereinfachung des Landesrechts ist kein Selbstzweck.

Die Rechtsanwaltskammer wies ausdrücklich darauf hin, dass die Reduzierung des Landesverwaltungsverfahrensgesetz auf sieben Paragrafen nur optisch eine Verschlankung darstelle. In der Sache selber sei damit nichts gewonnen, weil das Gesetz im Sinne einer dynamischen Verweisung auf das Bundesverwaltungsverfahrensgesetz verweise. Das bedeute, dass nunmehr zwei Gesetze zu beachten seien, was keine Vereinfachung der Handhabbarkeit darstelle. Besonders problematisch wird dies für die Bürgerinnen und Bürger werden, da weder Transparenz noch Übersichtlichkeit bei der praktischen Anwendung erkennbar ist.

Auch folgenden Vorbehalten seitens der Rechtsanwaltskammer schließen wir uns vollinhaltlich an: Zum einen wird mit dieser Änderung Bundesrecht unmittelbar zu Landesrecht. Das bedeutet konkret, dass der Bund über die Gestaltung von Landesrecht entscheidet. Damit verzichten wir auf die eigene Gesetzgebungskompetenz, und das kann eigentlich nicht Wille der Legislative sein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Zum anderen tat sich während der Beratung ein weiteres Problem auf, nämlich die seitens der Landesregierung beabsichtigte Veränderung von Verordnungen durch dieses Gesetz. Mit Recht wies der GBD darauf hin, dass in den zwischen dem Ältestenrat und der Landesregierung vereinbarten Grundsätzen der Rechtsförmlichkeit festgeschrieben wurde, dass Verordnungen grundsätzlich auch nur durch Verordnungen geändert werden können. Die Änderung einer Verordnung durch ein Gesetz ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Das sollte auch so bleiben.

Wenn die Legislative Rechtsverordnungen durch Gesetz verändert oder ergänzt, entsteht folgende Situation: Der nicht veränderte Teil behält die Eigenschaft einer Rechtsverordnung und der geänderte Teil erlangt Gesetzescharakter. Das kann nun wahrlich nicht zur Vereinfachung und Entbürokratisierung beitragen, zumal es für den Rechtsanwender nur sehr schwer erkennbar ist. Aus diesem Grunde wurde zwischen den rechtspolitischen Sprecherinnen aller Fraktionen Folgendes vereinbart:

Erstens. Die auf bundesrechtlicher oder landesrechtlicher Ermächtigung beruhenden Verordnungen, die aufgehoben bzw. lediglich redaktionell geändert werden sollen, verbleiben im Gesetzentwurf.

Zweitens. Die Verordnungen, bei denen inhaltliche Änderungen vorgenommen werden sollen, werden aus dem Gesetzentwurf gestrichen.

Drittens. Die Verordnungen, die zusammengelegt werden sollen, werden aus dem Gesetzentwurf herausgenommen.

Damit konnte zwar ein Kritikpunkt bereinigt werden, aber es bleibt bei unserer Kritik, dass das alleinige Streichen von Paragrafen nicht automatisch zur Rechtsvereinfachung führen muss.