Aber, meine Damen und Herren, eines will ich Ihnen sagen: Wir haben immer - übrigens auch vor der Landtagswahl; Sie können das nachprüfen - gesagt, dieser Prozess einer überfälligen Landesverwaltungsreform und eine Gebietsreform sind nicht gleichzeitig politisch steuerbar. Deshalb war es immer unsere Position, erst die überfällige Reform der Landesverwaltung, die - bis auf Stückwerk - liegen geblieben ist, umzusetzen und dann zu schauen, ob eine zweite Kreisgebietsreform in diesem Land notwendig und erforderlich ist. - Genau das machen wir jetzt.
Im parlamentarischen Verfahren haben die Koalitionsfraktionen an dem Gesetzentwurf der Landesregierung einiges geändert. Ich möchte das jetzt nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit darlegen. Für die Errichtung des Zweckverbandes wurde als verbindliches Datum der 30. Juni 2006 vorgegeben. Die Anzahl der Gemeinden, die für die Gründung eines Zweckverbandes infrage kommen, wurde auf den Verdichtungsraum um die Oberzentren und anliegenden Gemarkungsgrenzen reduziert.
Auch die Frage der flexiblen Handhabung der Kriterien bei der Kreisneugliederung ist bereits angesprochen worden. Herr Rothe, Sie sprechen von einer Aufweichung der Zielgröße. Wir sprechen von einer flexiblen Anwendung der Prognosewerte. Wir wiederholen gerade wegen des Nachhaltigkeitsfaktors eben nicht die Fehler der Gebietsreform 1994, weil wir die Prognosewerte zum Anlass nehmen und sie in dem Grundsätzegesetz bereits verankert haben. Eine flexible Anwendung von Prognosewerten im Jahr 2015 hat nichts mit der Gebietsreform von 1994 zu tun. Darauf legen wir an dieser Stelle schon Wert.
Meine Damen und Herren! Eine flexible Handhabung wollen wir auch bei der Maximalvorgabe für die Fläche der neu zu bildenden Landkreise. Wir haben 2 500 km2
mit einer möglichen Überschreitung um 10 % vorgesehen. Mit dieser Erweiterung sollen Möglichkeiten für freiwillige Zusammenschlüsse eröffnet werden, ohne die gebotene Homogenität der neuen Kreisstruktur insgesamt zu gefährden.
Herr Rothe, ich weiß aus den Ausschussberatungen, Sie wollen diese homogene Kreisstruktur nicht. Deswegen können Sie natürlich auch anderer Meinung sein. Akzeptieren Sie aber bitte, dass die Koalition, wenn sie homogene Kreisstrukturen will, wenn sie Untergrenzen festlegt, auch von Obergrenzen ausgehen muss. Das ist nun einmal so; das liegt in der Natur der Sache.
- Ja. Nicht nur da, hoffe ich. - Sie werden mir jetzt aber trotzdem gleich heftig widersprechen; denn ich möchte, um Wiederholungen zu vermeiden, noch einmal etwas
Sowohl die Diskussion in den Ausschüssen, die Änderungsanträge, die gestellt worden sind, als auch die jetzige Diskussion machen doch deutlich, wie grundsätzlich unterschiedlich die Vorstellungen zur zukunftsfähigen Kommunalstruktur in Sachsen-Anhalt sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Diskussion auch ein erster Prüfstein dafür ist, wie wir die Raumordnungspolitik in Zukunft ausrichten. Ich möchte Ihnen das schon mit aller Ernsthaftigkeit sagen. Wir hatten heute Vormittag die Auswertung der Großen Anfrage zur Entwicklung des ländlichen Raums.
Mit der von SPD und PDS angestrebten Durchsetzung der zweistufigen Verwaltung in der jetzt geplanten Form - mit einem Abzug zentraler Verwaltungsfunktionen aus der Fläche - wird die ausgewogene Entwicklung von Teilräumen des Landes infrage gestellt. Wer langfristig daran festhält, Mittelzentren beispiellos zu schwächen, kann keine vergleichbaren Lebenschancen in allen Regionen des Landes mehr anstreben. Mit der Bildung von fünf Regionalkreisen schaffen Sie die Landkreise als Entwickler des ländlichen Raumes de facto ab.
Auch die wirtschaftspolitischen Pläne der SPD, die eine regionale Konzentration der Fördermittel für Unternehmen in Aussicht stellen, lassen den Rückschluss zu, dass es Ihnen weniger um eine ausgewogene Landesentwicklung als mehr um Zentralismus geht. Der Zentralismus ist ein legitimer Antwortversuch auf die demografischen Herausforderungen, denen wir uns alle stellen müssen, aber, meine Damen und Herren, er ist nicht alternativlos.
Alle politischen Kräfte müssen staatliche Ressourcen bündeln. Das kommt auf uns alle zu. Aber wer Großkreispläne für besonders kühn und mutig hält, muss wissen, dass noch dramatischere Unterschiede in der Entwicklung der Regionen dieses Landes die zwangsläufige Folge sind.
Ihr Zentralismus - ich sagte es - ist nicht alternativlos, vor allen Dingen dann nicht, wenn es uns gelingt, Zentren mit einer positiven Umlandentwicklung auch in den ländlichen Regionen zu erhalten und zu stärken. Auch dafür - das möchte ich zum Abschluss sagen - steht dieses Grundsätzegesetz. - Herzlichen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter Schröder. - Damit ist die Debatte beendet. Bevor wir in die Abstimmung eintreten, hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Bullerjahn, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei oder drei Bemerkungen zum Inhalt vorneweg und dann eine abschließende Feststellung, deretwegen ich nach vorne gegangen bin. Man kann darüber lächeln oder auch nicht; ich möchte es trotzdem gesagt haben, weil es mir wichtig genug ist. Ich sage dies auch aus meiner Erfahrung aus acht Jahren Tätigkeit in einem Kreistag, in dem ich Fraktionschef und Ausschussvorsitzender war; außerdem war ich Gemeinderatsmitglied.
Gerade, weil es zu Beginn der Entwicklung unserer demokratischen Verhältnisse - - Deswegen wurmt es mich
schon, wenn auf der einen Seite Herr Daehre sagt - von dem weiß ich, dass er immer ein wenig taktische Momente hat, wenn eine Angelegenheit schwierig wird -: Ich hatte das alles schon vor 1990. - Da muss es ja traumatische Ergebnisse oder Erlebnisse bei Ihnen gegeben haben. Auf der anderen Seite ärgert es mich, wenn mir vorhin jemand erklären wollte, was vielleicht jemand vorhätte oder vorhat, der ein Verfechter des Fünf-Kreise-Modells ist. Dazu komme ich am Ende ganz kurz.
Ich denke, wir müssen doch alle in der Lage sein zu akzeptieren, dass eine Fraktion eine andere Meinung hat als die eigene Fraktion.
Deswegen sage ich: Ich kann so manches Argument hier nicht so ganz nachvollziehen, nicht weil es nicht fachlich war, sondern weil es mit einer gewissen Rückendeckung einer Mehrheit hier letztlich einfach in den Raum gestellt wurde.
Herr Schröder, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie eingeräumt haben - das war heute eine sehr sachliche Auseinandersetzung -, dass man sich schon zwei Wege suchen kann, um mit dieser Strukturschwäche umzugehen. Nun sage ich Ihnen eines: Wer die Erfahrungen der Gebietsreform von 1993 im Hinterkopf hat, wer sich ein wenig damit beschäftigt, nicht nur als Fatalist, sondern als Realist, was in Deutschland eigentlich passiert, nämlich dass demografische Probleme nicht nur in Ostdeutschland bestehen, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und dass es eine Entwicklung von der Fläche in die Zentren gibt und nicht so eine, wie sie hier erfunden wurde,
der muss sich der Mühe unterziehen, einmal zu überlegen, wie er dem entgegenwirken kann. Das kann nicht heißen, dass Sie eine kleinteiligere Gebietsreform machen; denn das ist nicht die Haltefunktion, die Bürger in strukturschwachen Gebieten vielleicht davon abhält wegzugehen. Das ist es in aller Regel nicht.
Deswegen sage ich: Lasst uns die Debatte versachlichen! Ich akzeptiere, dass uns die CDU und die FDP mit einer Mehrheit überzeugen wollen, dass sie das richtige Konzept haben. Wir glauben es nicht. Wir nehmen für uns aber in Anspruch, dass wir in dieser Diskussion genauso ernst zu nehmen sind wie Sie.
Ich sage Ihnen eines: Ich wäre der Erste, der sich freuen würde, wenn die Bevölkerungsprognosen nicht eintreten würden.
Ich bin mir aber sicher, dass wir spätestens in drei bis vier Jahren das gleiche Thema bei den Kommunalfinanzen noch einmal von einer ganz anderen Seite bekommen; denn wir wissen doch alle, dass flächendeckend im Land alle Konsolidierungsprogramme der Kommunen eigentlich Schall und Rauch sind, weil sie von falschen Annahmen ausgehen. Deswegen glaube ich, dass das Thema Strukturveränderungen uns dann wieder umtreiben wird.
Wenn wir sagen, wir wollen die Fünf-Kreise-Variante haben, dann haben auch wir einen Entwicklungsweg hinter
uns. Das wollen wir doch gar nicht verschweigen. Nur bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass das einen Ursprung hat; denn der Ursprung unseres Modells ist die Einheitsgemeinde. Dort soll sich der Bürger beteiligen. Vor allen Dingen dort soll die Kommunalpolitik gemacht werden und nicht in einer Struktur, die letztlich die Region stützen soll.
Die Zweistufigkeit ist für mich - für andere letztlich auch - ein Ergebnis dieses Prozesses, dass man bei einer Bevölkerungszahl, die eben kleiner wird, Strukturen anpasst.
Egal, wie Sie es drehen, Sie werden Mittelzentren schwächen. Das geschieht so oder so, egal wie viele. Nur ist das nicht das Hauptproblem. Vielmehr werden die Mittelzentren von sich aus geschwächt, weil viele Menschen ganz einfach weggehen. Das ist zur Kenntnis zu nehmen und das wird uns noch weh tun. Es ist aber einfach so.
Meine letzte Feststellung - deswegen stehe ich hier vorn - ist: Man kann es so oder so sehen. Aber, Herr Wolpert, es geht nicht, dass man, wenn man anderer Meinung ist, den anderen vorwirft, dass sie eine Idee haben. Zu der Idee stehe ich schon seit Jahren; ich war nämlich einer derjenigen, der die fünf Planungsregionen mit vorangetrieben hat. Übrigens funktioniert das dort sehr gut, auch ehrenamtlich; denn die Betreffenden müssen sich dort neben ihrer normalen Tätigkeit auch in die Regionaldiskussion mit einbringen.
Wer das nicht akzeptiert, kann den anderen nicht vorwerfen, dass Sie vielleicht bewusst oder unbewusst in Kauf nehmen, die Demokratie zu schädigen. So weit kann dann die unterschiedliche Meinung nicht gehen. Ich bitte Sie einfach, das einmal zur Kenntnis zu nehmen. Wenn wir solche Diskussionen führen, dann brauchen wir uns damit auch nicht vorher inhaltlich auseinander zu setzen. - Ich danke Ihnen.
Herr Abgeordneter Bullerjahn, es gibt noch zwei Anfragen. Ich habe eben vergessen, es zu sagen. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?
Herr Bullerjahn, unser Fraktionsvorsitzender hat relativ klar gemacht, wo wir das Problem sehen, und zwar zwischen den demokratischen Strukturen auf der einen Seite und der Effizienz der Verwaltung auf der anderen Seite.
Ich habe intensiv versucht, in dem Papier, das Sie mit Ihrem Landesvorsitzenden geschrieben haben, herauszufinden, wie Sie das Problem, das wir in Bezug auf das Ehrenamt haben, kompensieren wollen. Darin steht der lapidare Satz, dass man das Ehrenamt stärken möchte.