Insofern bleibt zu hoffen, dass die angekündigte Studie „Zukunft der Altenhilfe im Land Sachsen-Anhalt“ tatsächlich Gender-sensibel ist. Ich muss dazu sagen: Wenn die Landesregierung akzeptiert, dass wir ein Landesausführungsgesetz zur Pflegeversicherung haben, könnten solche Aspekte bei der Novellierung möglicherweise eine Rolle spielen.
Meine Damen und Herren! Leider habe ich nicht so viel Zeit - ich habe doch noch Zeit, aber ich höre trotzdem auf -, viele weitere Komplexe aufzugreifen. Die Durchsetzung der Geschlechtergerechtigkeit ist ein langwieriger Prozess, an dessen Anfang wir stehen. Wir haben versucht, mit der Großen Anfrage die Landesregierung zu einer Analyse des aktuellen Standes zu bewegen. Das ist leider nur in einigen Ressorts geschehen. Dafür möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken.
Für die weitere Umsetzung ist die Glaubwürdigkeit der Vorgesetzten von großer Bedeutung. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen legen, wie im Buch „Gender-Mainstreaming in Sachsen-Anhalt“ ausgeführt wurde, Wert darauf, dass die Vorgesetzten bis hinauf zur Spitze glaubwürdig sind. Dies ist für die in der Hierarchie stehenden Personen die wichtigste Vorbedingung, sich qualifiziert in das Thema einzuarbeiten, und die wichtigste Ermutigung, neue inhaltliche Perspektiven aufzunehmen.
In dieser Hinsicht ist noch viel zu tun, gerade wenn ich den ersten in dem Buch beschriebenen Glaubwürdigkeitsprüfstand betrachte. Dieser Prüfstand ist wie folgt formuliert: „Wie stehen Vorgesetzte zur institutionellen Kleinkindbetreuung? - Die gleichstellungspolitische Glaubwürdigkeit ist infrage gestellt, wenn professionelle Kleinkindbetreuung grundsätzlich abgelehnt und die Zuständigkeit allein der Mutter zugeschrieben wird.“ - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler des Fallstein-Gymnasiums Osterwieck.
Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung erhält nun der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Kley das Wort. Bitte sehr, Herr Minister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat mit der größten Anfrage aller Zeiten in diesem Landtag - sie umfasst immerhin 224 Fragen - eine echte Fleißarbeit abgeliefert.
Das ist eine Umschreibung dafür, etwas mit Aufwand dahin zu bringen, wo es im Überfluss schon vorhanden ist,
also ein fruchtloses Unterfangen. Im Französischen gibt es eine noch nettere und vielleicht auch zum Thema der Debatte besser passende Umschreibung dafür: Emporter des femmes à Paris - Frauen nach Paris tragen.
Sehr geehrte Abgeordnete der PDS-Fraktion, gerade in der Frage der Umsetzung von Gender-Mainstreaming sollte die Opposition ihre Kräfte nicht damit verschwenden, die Regierung anzutreiben. Wir besetzen in diesem Bereich nach wie vor einen Spitzenplatz im Konzert der Bundesländer.
Einen Spitzenplatz nehmen wir nicht nur deshalb ein, wie wir Papiere verabschiedet haben - das haben andere auch -, sondern auch weil wir eine Vielzahl von ganz konkreten Maßnahmen und Projekten durchgeführt haben und nicht zuletzt weil wir als einziges Bundesland selbst von der Bundesregierung gebeten werden, internationale Aufgaben in ihrem Auftrag zu begleiten bzw. zu übernehmen.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt bis in die letzte Verästelung der Verwaltung alle Prozesse gegendert hätten, und das bedeutet auch nicht, dass schon alle Bedienstesten die Geschlechterbrille auf hätten und auf Kurs gebrächt wären.
Meine Damen und Herren! Das ist aber gerade das unseriöse an der Anfrage der PDS-Fraktion. Es wird so getan, und zwar wider besseres Wissen, als ob dies alles schon eine Selbstverständlichkeit sein könnte bzw. müsste, als ob wir das Paradies der Gleichstellungspolitik in Europa sein müssten. Dabei müsste gerade die PDS, die den Prozess der Einführung von GenderMainstreaming im Land intensiv mit Anfragen und Befassungen der Ausschüsse begleitet hat, wissen, welchen Stand man nach nunmehr vier Jahren der Einführung unter restriktiven Finanzierungsmöglichkeiten bei einem gleichwohl ambitionierten Konzept erreicht haben kann.
Vor vier Jahren wurde in Sachsen-Anhalt damit begonnen, den Ansatz in der obersten Landesverwaltung einzuführen, und gleichzeitig versucht, Elemente der Strategie im Hinblick auf Kabinettsentscheidungen bereits anzuwenden. Ich betone: Es wurde parallel eingeführt und zum Teil schon versucht, praktisch wirksam tätig zu werden.
Wenn man sich die Vorraussetzungen ansieht, die nötig sind, damit Gender-Mainstreaming routinehaft in der Verwaltung angewandt werden kann, dann erkennt man,
dass es sich hierbei um einen langfristigen und komplexen Prozess handeln muss. An dessen Ende sollte nicht mehr und nicht weniger als ein Kulturwandel des Verwaltungshandelns stehen mit der Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine neue Perspektive einzunehmen - nur um einmal die Dimension des Unterfangens zu verdeutlichen.
Wir benötigen zum Beispiel in möglichst vielen Feldern, in denen wir personenbezogen handeln, nach Geschlechtern differenzierte Daten und, was ebenso bedeutsam ist, auch tiefergehende Analysen; denn nicht immer lässt sich allein von festgestellten quantitativen Unterschieden der Geschlechter auch schon auf die Benachteiligung des einen oder anderen schließen. Ohne diese Daten lässt sich kaum ein Vorhaben prospektiv so gestalten, dass strukturelle Benachteiligungen für beide Geschlechter in ihrer Folgewirkung ausgeschlossen sind, was das Ziel von Gender-Mainstreaming sein soll.
Das ist jedoch ein enormer Aufwand, bei dem wir auch Kosten und Nutzen abschätzen und die Bediensteten für eine aktive Mitarbeit gewinnen müssen. Hier sind wir - das weisen die Antworten auf einschlägige Fragen der Großen Anfrage aus - in denjenigen politischen Feldern gut, in denen der geschlechtsspezifische Blick eine längere Tradition hat. Zum Beispiel in der Arbeitsmarktpolitik, aber auch im Gesundheitsbereich hat sich die Datenlage in letzter Zeit erkennbar verbessert.
Meine Damen und Herren! Die Verankerung von Gender-Mainstreaming als Routine im Verwaltungsalltag ist doch deshalb ein Prozess, der eines längeren Atems bedarf, weil, ausgehend vom konzeptionellen Ansatz, grundsätzlich alle Bediensteten, die fachpolitische Weichen stellen, in die Lage versetzt werden müssen, den Ansatz anzuwenden. Dazu müssen sie ihn verstehen. Dazu müssen sie erkennen, wo überall Diskriminierungen der Geschlechter auftreten können.
Dazu muss auch ihre persönliche Bereitschaft geweckt werden. Nicht zuletzt müssen sie ein gut handhabbares Instrumentarium, eine methodische Anleitung bekommen, damit sie Gender-Mainstreaming in ihrer jeweiligen Facharbeit als roten Faden mitlaufen lassen können. Es ist also Fortbildung gefragt, anhand deren die Beteiligten möglichst schnell den Nutzen von Gender-Mainstreaming für ihre konkrete fachliche Arbeit erkennen.
Diese Fortbildungsangebote laufen kontinuierlich. Aber bis wir einen ausreichenden Anteil der Bediensteten erreicht haben, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Salopp gesprochen: Das sind die dicksten Bretter, die wir zu bohren haben, um die Ziele zu erreichen, für die wir all diese Aktivitäten betreiben, nämlich die Chancengleichheit von Frauen und Männern und auch eine zielgenaue, effektive Gestaltung unserer Politik.
Das Land Sachsen-Anhalt hat als erstes Bundesland beschlossen, den Gender-Mainstreaming-Ansatz einzuführen, und versucht Elemente der Strategien zum Teil schon anzuwenden. Die jetzige Regierung hat diesen Prozess entscheidend vorangebracht, indem sie die für die Koordinierung der Einführung von Gender-Mainstreaming dringend notwendige interministerielle Arbeitsgruppe etabliert und unter anderem mit zwei Staatssekretären und einem Abteilungsleiter hochkarätig besetzt hat.
Des Weiteren haben wir elf konkrete Anwendungsprojekte in den typischen Feldern des Verwaltungshandels gestartet, zum Beispiel im Bereich Personalentwicklung
das Projekt „Gesundheitsmanagement bei der Polizei“, im Bereich der Fördermittelvergabe das Projekt „Weiterentwicklung der Leistungsvereinbarung zwischen dem Landessportbund und dem Land unter dem Aspekt von Gender-Mainstreaming“ - das ist übrigens ein Modell, auf das man im Sportausschuss des Bundestages mit großem Erstaunen reagiert hat, weil wir das einzige Bundesland sind, das intensiv gerade auch im Sportbereich dieses wichtige Thema bearbeitet - oder im Bereich Haushalt das Projekt „Gender-Budgeting“ im Jugendbereich.
Aus dieser konzentrierten und vertieften Arbeit im Gender-Mainstreaming in den oben genannten Feldern können wir schon erfolgreiche Beispiele und Ergebnisse zum Beispiel in Form von Arbeitshilfen oder Leitfäden vorweisen und noch erzielen, die dann die Bediensteten unmittelbar in ihrer Facharbeit anwenden können. Dies wird uns einen großen Schritt nach vorn bringen.
Bis wir die Früchte dieser Bemühungen werden ernten können, bleibt es bei der ehrlichen Feststellung, dass auch nach vierjähriger Einführungsphase in SachsenAnhalt streng genommen zunächst nur von einer Vorstufe der Anwendung von Gender-Mainstreaming gesprochen werden kann. Allerdings ist das nur normal, auch wenn man sich ansieht, wo die anderen Bundesländer stehen. Zu erwarten, dass wir etwa ganze Fachpolitiken schon komplett nach Gender-MainstreamingKriterien gestaltet haben könnten, wie dies einschlägige Fragen der PDS-Fraktion suggerieren, halte ich für vollkommen überzogen, und die PDS-Fraktion weiß das auch.
Lassen Sie uns gemeinsam - Legislative und Exekutive - für die weitere Implementierung von Gender-Mainstreaming in unser Handeln streiten und gemeinsam die Möglichkeiten dafür schaffen, dass wir handeln können und nicht so viel reden. - Vielen Dank.
Herr Minister, gegen Polemik in diesem Haus ist generell nichts einzuwenden. In dieser Hinsicht würde ich, wenn ich mit Steinen würfe, im Glashaus sitzen.
Ich will Ihnen aber auch eines sagen: Ein gewisses Maß an Arroganz und Hochmut macht eine sachliche Auseinandersetzung außerordentlich schwer.
Dass die Umsetzung des Gender-Mainstreamings tatsächlich ein lang andauernder Prozess ist, ist eine Binsenweisheit, die Sie zumindest den Mitgliedern des
Landtages, die schon länger als ein oder zwei Legislaturperioden in diesem Haus tätig sind, nicht erzählen müssen - und schon gar nicht uns.
Sie sagten, dass die Große Anfrage zur Geschlechtergerechtigkeit in ihrem Umfang Eulen nach Athen trüge. Deshalb meine Frage in der Sache. Es gibt Themen, bei denen die Geschlechterproblematik stark etabliert ist, und es gibt Themen, bei denen die Geschlechterfrage noch nicht so stark etabliert ist. Das hängt mit vielen Dingen zusammen. Dazu will ich mich jetzt nicht lang und breit äußern.
Ein Bereich, in dem sie sehr stark etabliert ist, ist die Sozialpolitik, also die Frage der Armutsforschung. Wir haben die Landesregierung in Frage 3 nach der Armuts- und Reichtumsberichterstattung in Sachsen-Anhalt unter geschlechtsspezifischer Sicht gefragt. Ihre Antwort lautete: Die Datenbasis ist nicht vorhanden. Dazu kann ich nur sagen: selbst schuld. Wir haben darüber im Ausschuss sehr oft diskutiert. Die zweite Antwort lautete: Eine Handlungsempfehlung haben wir deshalb nicht. - Das ist meine sozialpolitische Kritik.
Als ehemalige Geschlechter-Politikerin sage ich Ihnen: Ich brauche keinen Armuts- und Reichtumsbericht, sondern ich musste in der vergangenen Woche nur nachsehen, was der Bundesbericht zu Armut und Reichtum ausweist, um zu wissen, dass die Frage nach Armut und Reichtum eine der am stärksten geschlechterspezifisch geprägten Fragen ist.
Wenn Sie davon sprechen, dass wir mit unserer Anfrage Eulen nach Athen trügen, dann würde ich schon gern wissen, was Ihre Handlungsstrategien auf diesem Gebiet sind.
Sehr geehrte Frau Bull, zunächst nehme ich Ihre Selbstkritik zur Kenntnis. Vielleicht ist es nicht immer gut, wenn man mehrere Legislaturperioden in diesem Parlament zubringt. Vielleicht sollte man sich ab und zu einmal nach draußen begeben und die Wirklichkeit kennen lernen.