Protocol of the Session on May 7, 2004

Wir haben gesagt: Okay, wir unterstützen das. Die Existenzgründungsinitiative muss es im Land geben. Jetzt erklären Sie uns doch einmal, was das inhaltlich Neue ist und wie das Ganze aussehen soll. Mir fehlt daran noch das Fleisch. Die Knochen, die da sind, reichen nicht aus.

Ich bezweifle auch, dass es eine Existenzgründung weniger im Bereich Halle gegeben hätte, wenn Sie nicht die Prämie ausgelobt hätten. Dieses Instrument der Prämienzahlung und inwiefern dadurch zusätzliche Existenzgründungen angereizt wurden, müssen Sie erst einmal erklären.

Ich denke, es gibt eine Reihe von Fragen, über die wir im Ausschuss diskutieren müssen und auf die wir auch Antworten erwarten: Wie müssen die Rahmenbedingungen verändert werden, um gerade neuen Unternehmern die Chance zu geben, sich auf ihr Produkt und den Aufbau zu konzentrieren? Wie müssen Förderstrukturen verändert werden, um die Eigenkapitalschwäche der Existenzgründer aufzufangen? - Die IB ist sicherlich ein Beitrag dazu. - Wie können besonders innovative und zukunftsträchtige Existenzgründungen gefördert werden? Wie kann die IB und wie können andere Banken noch stärker einbezogen werden?

Die Antworten, die Sie heute hier im Plenum gegeben haben, reichen jedenfalls nicht aus. Darum, denke ich, ist eine differenzierte Diskussion im Ausschuss wirklich wichtig. Ich bin gespannt auf die Qualifizierung der EgoInitiative und auf die Inhalte, auf die Sie dann hoffentlich mehr als heute hier im Landtag eingehen.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Budde. - Für die FDP-Fraktion wird Herr Dr. Schrader sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Thiel, herzlichen Dank für Ihren Redebeitrag und für den Antrag. Die FDP-Fraktion wird dem Antrag zustimmen. Wir freuen uns auf eine intensive Diskussion.

Frau Budde, es ist das Anliegen dieses Antrages, dass im Ausschuss darüber berichtet wird, und nicht, dass

heute ausführlich alle Details erörtert werden. Das ist so. Insofern - das muss ich sagen - war ich von Ihrem Beitrag eben etwas enttäuscht. Wir werden im Ausschuss ausführlich darüber reden.

Ich möchte es kurz machen.

(Frau Budde, SPD: Ich bin es von Ihrem Minister, weil er sich lächerlich gemacht hat!)

- Von Ihrem Beitrag, den Sie eben hier vorgebracht haben, bin ich enttäuscht. Das können wir dann im Wirtschaftsausschuss - -

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

- Frau Budde, jetzt rede ich.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Kurz drei Punkte, die mir besonders am Herzen liegen. Es geht um die innovativen, forschungsintensiven Start-up-Unternehmen, bei denen es sehr interessant wäre, sie ein wenig nach Branchen zu sortieren; denn dazu gibt es keine offiziellen Statistiken.

Mir geht es insbesondere um Folgendes: Erstens. Wie entwickelt sich das Gründungsgeschehen und was ist aus den Unternehmen geworden? Das interessiert mich insbesondere deswegen, weil der forschungs- und entwicklungsintensive Teil der FuE-Unternehmen die Perspektive bildet. Es sind weniger die Dienstleister, die bauen darauf auf. Die FuE-Unternehmen sind wichtig.

Zweitens. In dem Zusammenhang sollte auf die Eigenkapitalausstattung und die Instrumente für die Eigenkapitalbildung eingegangen werden. Das heißt, es sollte die Bedeutung der IBG, der Innovations- und Beteiligungsgesellschaft, hervorgehoben werden. Und es sollte über das VC-Geschehen insgesamt im Land - das ist meiner Ansicht nach besonders wichtig - diskutiert werden.

Drittens. Wir sollten uns, glaube ich, nach 14 Jahren auch die Technologie- und Gründerzentren einmal intensiver anschauen, die im Land berechtigterweise vorhanden sind, in denen viel in die FuE-Infrastruktur investiert wurde.

Ich würde mir wünschen, dass wir hierzu auch einmal eine sehr kritische Evaluierung vornehmen, und zwar hinsichtlich des Sinns nicht nur nach der Belegung, sondern insbesondere hinsichtlich der Frage: Haben sich Branchenschwerpunkte herausgebildet? - Von Magdeburg und Halle wissen wir es. Aber wie sieht es denn auf dem flachen Land aus und wie geht es dort weiter?

Wir wissen, dass einige, die relativ weit von Wissenschafts-, Forschungs- und Hochschuleinrichtungen entfernt sind, berechtigterweise Schwierigkeiten haben. Da gibt es durchaus Probleme. Aber auch dort muss es weitergehen und dafür brauchen wir Konzepte.

Das soll es schon gewesen sein. - Herr Thiel, vielen Dank noch einmal für den Antrag. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Thiel, Sie haben die Möglichkeit, etwas darauf erwidern.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, zu meiner Ehrenrettung bleibt mir auch nichts anderes übrig, als noch eine kurze Replik zu geben.

(Heiterkeit bei der PDS)

Herr Minister Rehberger, ich habe gar nicht gewusst, dass ein einfacher Satz Sie so sehr erfreut.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der PDS - Minis- ter Herr Dr. Rehberger: Sie haben mich in der Vergangenheit nicht verwöhnt!)

- Eben. Denn eigentlich habe ich in einer unaufgeregten Art, denke ich, alle Probleme benannt, mit denen wir uns seit zwei Jahren herumschlagen.

Ich wollte bei diesem wichtigen Thema einfach billige Politik vermeiden. Das ist mir viel zu ernst. Deswegen ist die Situation so, wie ich sie beschrieben habe. Das sind die Defizite, die die Landesregierung nach meiner Auffassung hat, was die konzeptionelle Arbeit in diesem Bereich betrifft. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen.

Ich bin auch sehr dankbar für die Anregung von Herrn Laaß, das Thema Investitionsbank und RKW in diesen Antrag als Punkte 7 und 8 aufzunehmen. Wir sind sehr dafür, Frau Präsidentin, dass man das entsprechend hineinformuliert. Es soll also im Ausschuss auch über die Erfahrungen der Investitionsbank und das RKW berichtet werden. - Ich danke Ihnen für die Zustimmung.

(Beifall bei der PDS und bei der FDP)

Damit ist die Debatte beendet. Es wurde soeben darauf hingewiesen, dass die Anregungen von Herrn Laaß, die Herr Dr. Thiel eben wiederholt hat, als Punkte 7 und 8 in den Antrag aufgenommen werden sollen. Diese werden entsprechend formuliert.

Wer dem Antrag in der Drs. 4/1562 zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden. Danke sehr.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Erste Beratung

Regelungen für Mindestlohn

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1563

Einbringerin für die PDS-Fraktion ist die Abgeordnete Frau Rogée. Bitte sehr, Frau Rogée, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit zwei Jahren wird in Sachsen-Anhalt liberalisiert, gespart, werden Arbeitnehmerrechte reduziert und Niedriglohn und prekäre Arbeitsverhältnisse propagiert. Damit wird als besonderem Standortvorteil geworben.

Die Menschen sind gut motiviert, gut ausgebildet und kostengünstig. Trotzdem weist die erneute Veröffentlichung der Agentur für Arbeit 4,4 Millionen Menschen in Deutschland nach der geschönten Arbeitslosenstatistik als erwerbslos aus. Davon entfallen 267 305 Erwerbslose auf Sachsen-Anhalt. Das sind mehr Menschen, als in dieser Stadt, in Magdeburg, noch wohnen.

Für Sachsen-Anhalt wird eingeschätzt, dass sich die Situation im Dienstleistungsgewerbe verschärft. Immer mehr Dienstleister entlassen Beschäftigte, obwohl oder gerade weil hier die Gehälter am geringsten sind. Zu Recht fordern die abhängig Beschäftigten anständige Löhne für anständige Arbeit.

Immer wieder werden Personalkosten für die zu hohe Arbeitslosenquote verantwortlich gemacht. Bei genauerem Hinsehen werden auch Sie feststellen, dass die Arbeitskosten in den alten Bundesländern weitaus höher sind als in den neuen Bundesländern. Die Arbeitskosten in Deutschland bewegen sich im EU-Vergleich am unteren Rand. Dennoch ist die Arbeitslosenquote hier extrem hoch.

Die Erfolgsbilanz der Minijobzentrale hat in Deutschland dazu geführt, dass eine halbe Million sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse verdrängt wurde. Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, wird in der Öffentlichkeit immer wieder die Einführung eines Niedriglohnsektors gefordert.

Bei Autos und Waschmaschinen muss der Preis für das Produkt sinken, wenn das Angebot zu groß ist. So will es die Theorie der Marktwirtschaft. Dies soll nach der Vorstellung der Ökonomen und vieler Politiker auch für die Ware Arbeitskraft gelten. Solange es noch Menschen gibt, die arbeitslos sind, sei der Preis der Arbeit zu hoch; folglich müssten die Löhne sinken. Ist das nicht zynisch?

Meine Damen und Herren! Nicht nur ich behaupte, existenzsichernde und sozial geschützte Arbeitsverhältnisse sind die wichtigste Grundlage für den Bestand des Sozialstaates.

(Zustimmung bei der PDS)

Der Gesetzgeber ist unabhängig von der Tarifautonomie der Sozialpartner durch das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes verpflichtet, einer Ausweitung von Arbeitsverhältnissen entgegenzuwirken, die einerseits keine eigenständige, dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebensniveau entsprechende Lebensführung erlauben und andererseits mit den Risiken des weiteren sozialen Abstiegs und der späteren Armut verknüpft sind. Diese Verpflichtung des Gesetzgebers ergibt sich auch aus Artikel 4 Abs. 1 der Europäischen Sozialcharta.

In Deutschland - das belegt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU - wird Beschäftigten in bereits 650 Berufen weniger als 6 € pro Stunde gezahlt. In Sachsen-Anhalt erhält ein Wachmann, der das Eigentum anderer schützen soll, einen Stundenlohn von 4,40 €; er muss im Schnitt mehr als 200 Stunden pro Monat arbeiten. Das sind 2 400 Stunden im Jahr. Ein ostdeutscher Arbeitnehmer arbeitet im Schnitt 1 723 Stunden. Das sind allein bei einem Wachmann in Sachsen-Anhalt 700 Stunden mehr. Der ostdeutsche Kollege arbeitet schon 80 Stunden mehr als sein Kollege im Westen.

Eine Friseurin, die acht Stunden pro Tag arbeitet, kann mit ihrem Verdienst nicht einmal die Miete für ihre Wohnung aufbringen. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich nicht um eine gering qualifizierte Arbeit; denn - die

Frauen wissen das, manche Männer auch - dieser Beruf hat auch etwas mit Chemie zu tun.