Danke, Herr Dr. Polte. - Für die Landesregierung wird der Minister des Innern sprechen. Bitte, Herr Jeziorsky, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion fußt offensichtlich auf der Annahme, Kommunen - namentlich kleine Kommunen - seien nicht zur Organisation ihrer Angelegenheiten in der Lage. Vor Ort, meine Damen und Herren, wird dies offensichtlich nicht als Problem gesehen. Sollten die betroffenen Gemeinden vor Ort aber selbst einschätzen,
dass aus ihrer Sicht eine bessere Funktionsfähigkeit dadurch erreicht wird, dass sich Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften freiwillig zu größeren Gemeinden zusammenschließen, wird das Ministerium des Innern diesen Prozess begleiten und unterstützen.
Die Gemeindeordnung eröffnet in § 17 die Möglichkeit, Gebietsänderungen durch Vertrag vorzunehmen. Sollte diese Möglichkeit vor Ort nicht genutzt werden, geht mein Ministerium davon aus, dass die Vorteile des Erhaltes der kommunalen Selbstverwaltung angebliche Nachteile einer großen Leitungsspanne überwiegen.
Natürlich besteht nach der Landesverfassung die Möglichkeit zur Eingemeindung auch durch den Gesetzgeber, aber - das hat der Ministerpräsident gestern Abend ja ausdrücklich hervorgehoben - nur, wenn Gründe des Gemeinwohls dies im konkreten Einzelfall gebieten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der SPD geht doch in Wirklichkeit auf Folgendes: Die SPD glaubt nämlich, eine kommunale Zwangsreform durch die Hintertür diskutieren zu können. Dann soll sie doch ehrlich sagen, dass ihr die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden nicht so viel bedeutet und sie flächendeckend Zwangseingemeindungen will.
„Die Koalitionspartner wollen keine kommunale Zwangsreform. Sinnvolle freiwillige Zusammenschlüsse werden unterstützt, aber nicht finanziell gefördert.“
Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich bereit, über diese Frage und auch über den Stand der Entwicklung bei der Veränderung im gemeindlichen Bereich im Innenausschuss ausführlich mit Ihnen zu diskutieren und darüber zu berichten.
Herr Polte, die von Ihnen angesprochenen Überlegungen des Innenministeriums sind Optionen. Der Gesetzgeber hat vorgegeben, wie groß einwohnermäßig - wir sind uns sicherlich alle einig darüber, dass die Zahl der Einwohner nicht das entscheidende Kriterium sein kann, aber es ist so vorgegeben - Verwaltungsgemeinschaften oder sich selbst verwaltende Gemeinden sein sollen. Wir haben die Ergebnisse aus der Anhörungen in schriftlicher und mündlicher Form aufgenommen.
Überall dort, wo Positionen der Gemeinden noch nicht ganz deutlich artikuliert sind, haben wir mit diesem jetzigen Stand den entsprechenden Gemeinden mitgeteilt, wie sich unter der Voraussetzung, dass zugeordnet werden muss, die Zuordnungsmöglichkeiten darstellen. Der Prozess läuft noch. Gehen Sie bitte insoweit davon aus, dass die aufgezeigten Optionen nicht im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt werden müssen, weil die Gemeinden in diesem Diskussionsprozess noch die Gelegenheit haben, sich zu äußern respektive Gegenvorschläge zu machen. Ich bin aber gern bereit, im Ausschuss darüber bei der entsprechenden Gelegenheit zu berichten.
Ich möchte auf etwas zurückkommen, das aber mit dem, was Sie während Ihrer Einbringungsrede vorgetragen haben, Herr Polte, durchaus zusammenhängt. Gestern
hat der Kollege Rothe in einem ganz anderen Zusammenhang unterstellt, dass der Landesbranddirektor dieses Landes einen Alibi-Artikel in meinem Auftrag schreiben sollte und sich quasi vor mich stellen sollte. Ich habe Herrn Rothe gestern schon gesagt, er möge einmal mit dem Landesbranddirektor sprechen und fragen, ob er durch die Aussage beleidigt werden wolle, dass er nicht zu eigenen Entscheidungen kommt.
Aber eben vorhin hat Herr Kollege Püchel gesagt, die von mir zitierten Bewertungsaussagen zu dem Entwurf des Gutachtens der Arbeitsgemeinschaft von Professor Turowski und Dr. Greiving kämen eventuell von Mitarbeitern, die auch seinerzeit im Innenministerium waren. Das ist sicherlich richtig. Aber, Herr Püchel, Sie kannten es. Sie waren davon in Kenntnis und Sie haben es akzeptiert. An dieser Stelle möchte ich gern darauf eingehen, weil das zu dem passt, Herr Kollege Polte, was Sie gesagt haben.
„Da es sich bei Eingemeindungen um das schärfste Schwert, die Ultima Ratio zu einer Gebietsreform handelt, ist es aus verfassungsrechtlichen wie landespolitischen Gründen unseres Erachtens geboten, zunächst subsidiäre Lösungsvarianten zu diskutieren und gegebenenfalls zu verwerfen und dann das Eingemeindungserfordernis vor dem Hintergrund empfohlener Kooperationsmodelle zu beurteilen.“
Es wird bewertet: Diese für sich vertretbare und mögliche, sogar gebotene Veränderung der Prüfungsreihenfolge führt im Weiteren jedoch zu einer wesentlichen Schwäche des Gutachtens. - Das ist Herrn Püchel sicherlich durchaus bekannt.
„Einer Einheitsgemeinde mit so vielen Ortsteilen wird es schwer fallen, eine gemeinsame Identität zu entwickeln.“
„Insgesamt sollte daher herausgestellt werden, dass angesichts der Vielschichtigkeit der Lebensverhältnisse eine Reform nicht nur ein Reformmittel wie zum Beispiel die Einheitsgemeinde oder die Eingemeindung festlegen, sondern mehrere Optionen anbieten sollte, aus denen je nach spezifischer Problemkonstellation und gemeindlichen Wunschvorstellungen eine für alle Beteiligten akzeptable und langfristig tragfähige Lösung gewählt werden sollte.“
Jetzt die Einschätzung aus dem Innenministerium unter der Führung von Herrn Püchel: Dies sind nicht gewollte, allgemeine und in den politischen Bereich hineinreichende Ratschläge, die keinen direkten Bezug zur Stadt-Umland-Problematik haben und daher nicht Bestandteil des Gutachtens sein sollten.
In seiner Schlussbemerkung erklärt der Gutachter, dass er sich über den Auftrag hinaus als Mediator zur Förderung des Ausgleichs unterschiedlicher Interessen empfunden habe. Kommentierung dazu: Dies war nicht verlangt und ist ihm angesichts seiner geringen Detailkenntnisse des Landes - die beiden Gutachter - und der handelnden Akteure in dieser Weise auch wohl kaum möglich.
Ganz zum Schluss kommt eine Bemerkung hinsichtlich der Eingemeindungsprozesse, die allem die Krone aufsetzt. - Einen kleinen Moment. Ich habe es gleich, damit Sie sich davon alle noch überraschen lassen können. Das ist ein sehr langer Vermerk. Das ist sicherlich trotzdem aufzufinden.
- Dann hätten wir mindestens eine Tagesdebatte. - Ganz zum Schluss, weil es zeitlich ganz gut passt, zum Zeitpunkt, als dieses Gutachten im Entwurfsstadium war, noch einmal ein Zitat:
„Es wird sich dann sehr schnell zeigen, ob die vom Gutachter vorausgesetzte Akzeptanz vor Ort realistisch ist.“
„Ich bezweifle dieses. Angesichts dieser Unwägbarkeiten und des erheblichen Diskussionsbedarfs in der Folge des Gutachtens dürfte es meines Erachtens auch möglich und eventuell sogar erforderlich sein, auf definitive Aussagen, insbesondere einzelne Gemeinden betreffend, aus sachlichen Gründen vor der Landtagswahl zu verzichten.“
(Zurufe von der CDU - Unruhe bei der SPD - Herr Dr. Püchel, SPD: Von wem kam das jetzt? Das ist ganz großer Quatsch!)
Meine Damen und Herren! Die Auffassungen, Herr Dr. Polte, die Sie auch wieder vorgetragen haben, decken sich nicht mit unseren. Unsere decken sich eher mit Aussagen aus dem Gutachten während des Entwurfsstadiums, die sehr kritisch als nicht gebrauchsfähig für die Überlegungen der damaligen Landesregierungen zur flächendeckenden Eingemeindung gestanden haben.
Danke. - Herr Jeziorsky, Sie zitieren aus Vermerken. Sind Sie bereit, diese Vermerke komplett im Innenausschuss vorzulegen, und die gesamte Akte dazu; denn - -