Das Gesetz, so meine und unsere Befürchtung, wird die Wirkung eines Überschuldungsleitfadens entfalten. Wenn ich die eingangs zitierten Ausführungen des Abgeordneten Herrn Kolze zum Maßstab nehme, dann kann man dem Gesetz nicht zustimmen. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Dr. Polte, das Gesetz soll die Überschrift „Gesetz zur Erleichterung der Haushaltsführung der Kommunen“ und nicht die Überschrift „Gesetz zur Beseitigung der Haushaltsprobleme der Gemeinden“ tragen. Schon daher ist das Gesetz nicht dazu gedacht, den Zweck zu erfüllen, den Sie hier anmahnen.
Der Gesetzentwurf hat in dem Verfahren innerhalb der Ausschüsse einige Änderungen erfahren. So wurde § 92 der Gemeindeordnung in der ursprünglich vorgesehenen Fassung dahin gehend geändert, dass in Absatz 3 die Grundsätze für den Zeitraum, für den ein Haushaltskonsolidierungskonzept erstellt worden ist, festgelegt worden sind. Die Änderung des Entwurfes hat folgenden Zweck: Durch die Aufnahme der Grundsätze des § 90 Abs. 3 in § 92 Abs. 3 Satz 1 wird deutlich gemacht, dass es sich hierbei um eine besondere Ausnahme handelt.
Gleichzeitig ist der in dem Entwurf vorgesehene Genehmigungsvorbehalt für die Haushaltskonsolidierung herausgenommen worden. Da die Haushaltssatzung grundsätzlich einer Genehmigung bedarf, ist eine zusätzliche Genehmigung des Konsolidierungskonzepts, welches der Haushaltssatzung beizufügen ist, nicht nötig. Insoweit ist dies eine Deregulierung.
Eine weitere wesentliche Änderung durch den Gesetzentwurf ist in § 96 der Gemeindeordnung vorgesehen. In dieser Regelung ist der bisherige Kreditrahmen von 25 % auf 50 % erhöht worden. Man kann darüber streiten, ob das eine Gefahr ist, die die Gemeinden dazu verleiten könnte, in eine höhere Verschuldung hineinzugehen.
Ich gebe zu, diese Gefahr ist vorhanden. Es ist nicht so, dass wir das übersehen. Aber wir müssen trotzdem abwägen. Wir müssen abwägen, ob wir auf der einen Seite eine Erleichterung der Haushaltsführung zulassen und ob auf der anderen Seite eine Gefahr gegeben ist. Dem kann man damit entgegentreten, dass es eine besondere Ausnahme ist, dass sie beschränkt ist und dass nur der Rahmen etwas erhöht worden ist.
Es ist weiterhin so, dass die Kriterien der unaufschiebbaren Investitionen erfüllt sein müssen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass auch die Gemeinden, die früher keine Investitionen hatten, die sie fortführen müssten, aber jetzt in die Situation gekommen sind, Investitionen durchführen zu müssen, zu diesem Mittel greifen können.
Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde das ursprünglich vorgesehene Wort „unabweisbar“ durch das Wort „unaufschiebbar“ ersetzt. Das erfolgte aus dem einfachen Grund, dass es schon einen eingeführten Rechtsbegriff gab und man nicht eine neue Terminologie einführen wollte.
Darüber hinaus wurde der § 96 Abs. 3 der Gemeindeordnung etwas straffer gefasst. Dem wurde dadurch Rechnung getragen, dass der Verweis auf § 92 Abs. 3 der Gemeindeordnung herausgenommen wurde. Der Verweis war überflüssig, weil der Ausnahmetatbestand, welcher hierin geregelt wird, bereits in § 96 Abs. 1 der Gemeindeordnung deutlich angesprochen ist.
Letztlich ist auch der Anregung des Finanzausschusses gefolgt worden, dass die Landesregierung durch dieses Gesetz aufgefordert bleibt, den Kommunalaufsichtsbehörden Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die FDP ist davon überzeugt, dass mit den zur Beschlussfassung vorliegenden erweiterten Anwendungsmöglichkeiten für die Kommunen innerhalb der vorläufigen Haushaltsführung eine Erleichterung für die Kommunen erreicht wird. Das enge Korsett, in welchem sich die bereits in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Kommunen zu bewegen hatten, wird dadurch gelockert. Auch der FDP ist klar, dass mit diesen Maßnahmen nicht die Ursachen der Finanznot der Kommunen beseitigt werden. Solche Maßnahmen können kurzfristig nicht zum Ziel führen. Das Gesetz war, wie ich bereits erwähnte, hierfür auch nicht gedacht.
Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, sind die Ursachen für die Finanznot in einem breiten Spektrum von Tatsachen zu finden, denen mit einer bloßen Änderung der Gemeindeordnung nicht begegnet werden kann.
Der Antrag der PDS-Fraktion, § 23 der Gemeindeordnung zu ändern, um dieses Gesetz nicht zu einem zahnlosen Tiger werden zu lassen, ist deshalb nicht richtig - dem war nicht zu folgen -, weil die PDS hierbei zwei Dinge verwechselt. Es ist zwar richtig, dass ein unverzüglicher Ausgleich erfolgen muss, unverzüglich heißt aber: ohne schuldhaftes Zögern. Das heißt, wenn man ein Konsolidierungskonzept hat, das genehmigt worden ist, dann zögert man schon nicht mehr schuldhaft.
Der zweite Satz in § 23 der Gemeindeordnung besagt, dass innerhalb von zwei Jahren dieses Defizit einzustellen ist. Das ist also ein buchhalterischer Vorgang. Diese Sollvorschrift kann auch erfüllt werden, ohne dass das Defizit innerhalb dieser zwei Jahre zum Ausgleich gebracht wird. Insoweit geht diese Zielrichtung ins Leere. Deswegen war dieser Änderungsantrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Da viele Kommunen derzeit noch keinen beschlossenen, genehmigten Haushalt haben, ist dieses Gesetz unverzüglich zu beschließen, damit die Kommunen noch in den Genuss der hierin vorgesehenen Erleichterungen kommen. - Ich danke Ihnen.
Wenn es niemand anders wünscht, stimmen wir über die einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfs in der Gesamtheit ab. Wer stimmt zu? - Das ist offensichtlich die Mehrheit. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Oppositionsfraktionen.
Wir kommen zur Gesetzesüberschrift und zu dem Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit - ich fasse das zusammen. Wer stimmt dem zu? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Das ist ein nahezu gleiches Abstimmungsverhalten. Damit ist das Gesetz beschlossen worden, aber der Tagesordnungspunkt ist noch nicht beendet.
Es gibt noch eine Entschließung, die sich auf einen Satz bezieht, in dem eine Erwartung ausgedrückt wird. Sie steht in dem gleichen Papier. Wer stimmt dieser Entschließung zu? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Stimmenthaltungen bei der SPD-Fraktion, keine Gegenstimmen. Damit ist das so beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt 6 ist erledigt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht zum ersten Mal sprechen wir an diesem Ort über die dramatische Situation der Kommunen in Deutschland und in Sachsen-Anhalt. Gerade eben haben wir über das Gesetz zur Erleichterung der Haushaltsführung der Kommunen gesprochen, das genau aus dieser Situation versucht einen Weg zu finden.
Ich hätte mir heute einen Antrag von meiner Fraktion gewünscht, der mit den Worten beginnt: Der Landtag begrüßt mit großer Freude die gelungene Gemeindefinanzreform, die es den Kommunen ermöglichen wird, zu einer tatsächlichen kommunalen Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge zurückzukehren usw. usf.
Es wäre ein schönes Gefühl gewesen, Politik am Ende dort ankommen zu sehen, wo sie am Anfang, zumindest wenn man den Betroffenen Glauben schenkt, hin wollte. Nun es ist leider anders gekommen.
Der heutige Antrag meiner Fraktion reiht sich in eine Reihe anderer Anträge aus dem vergangenen Jahr ein, deren Ziel darin bestand, den Kommunen zu ihrem Recht, zu Mitbestimmung und vor allem zu mehr Einnahmen zu verhelfen. Ich nenne nur den Entschließungsantrag meiner Fraktion zum Haushalt 2003, den der Landtag im Punkt der Gemeindefinanzreform fast einstimmig angenommen hatte. Ich nenne weiterhin die Anträge im Juli 2003 einerseits zur Auflage eines befristeten kommunalen Sofortprogramms und andererseits zum Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform.
Das Ende dieser Debatten war, dass zwar übereinstimmend von den Faktionen die schwierige Situation der Kommunen und ein entsprechender Änderungsbedarf
gesehen würde, dass es aber Bundestag und Bundesrat durch die Reform der Gemeindefinanzen schon richten würden und insofern kein weiterer Handlungsbedarf bestehe.
Lassen Sie mich Ausführungen von Herrn Felke in der Sitzung am 4. Juli 2003 zitieren, der seine Hoffnung in folgende Worte fasste:
„Mehr als 30 Jahre nach der letzten umfassenden Neuordnung der Kommunalfinanzen muss angesichts der dramatischen Zuspitzung der kommunalen Finanzlage endlich eine Lösung her.“
„Das Ziel, das uns über Parteigrenzen hinweg einen sollte, muss eine nachhaltige Verbesserung der kommunalen Finanzsituation im Zuge einer Reform sein, die möglichst zum 1. Januar 2004 in Kraft tritt.“
Das Ergebnis aber, das zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, gibt Anlass zur Sorge und Anlass, diesen Antrag zu stellen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in wenigen Worten die Situation der Kommunen im Jahr 2003 noch einmal deutlich machen: Die kommunalen Spitzenverbände haben das Gesamtdefizit in den kommunalen Kassen im Jahr 2003 auf 9,7 Milliarden € beziffert.
Mit diesem Defizit verbunden ist der äußerst schmerzliche Rückgang der öffentlichen Investitionen von 35,5 Milliarden € im Jahr 1992 auf noch 21,2 Milliarden € im Jahr 2003, was letztlich insbesondere im Osten einen Rückgang der Aufträge für kleine und mittlere Unternehmen in den Regionen bedeutet. Schmerzhaft zu spüren waren und sind die Einschnitte für jeden einzelnen Bürger in den Städten und Gemeinden.
Einer der Hauptgründe für die zunehmende kommunale Handlungsunfähigkeit sind die gesunkenen Steuereinnahmen in den öffentlichen Haushalten; dies betrifft sowohl die eigenen Steuereinnahmen der Kommunen als auch die Umverteilung über die Finanzausgleiche.
Zu den quantitativ bedeutsamsten Einnahmequellen der Kommunen gehören neben den Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich in erster Linie die Gewerbesteuer und der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer. Das heißt, brechen die Gewerbesteuern und deren Gemeindeanteil so ein wie in den letzten Jahren - von 27 Milliarden € bzw. 21 Milliarden € im Jahr 2000 auf 23 Milliarden € bzw. 17 Milliarden € im Jahr 2003 -, dann ist klar, dass das allein über eine Reduzierung der Ausgaben, der Personalausgaben oder der Ausgaben für Investitionen, nicht mehr zu kompensieren ist, zumal im Gegenzug die kommunalen Sozialausgaben explodieren, vor allen Dingen bei der Sozial- und der Jugendhilfe.
Trotz vieler Sparbemühungen sind die Kommunen immer stärker gezwungen, laufende Ausgaben über Kassenkredite zu finanzieren. Welchen Stellenwert die Gewerbesteuer im kommunalen Steuergefüge einnimmt, sollen wenige Zahlen deutlich machen. Im Westen lag die Gewerbesteuer im Jahr 2002 mit einem Anteil von 33 % nach der Einkommensteuer an zweiter Stelle. Im Osten lag sie aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und
Beiden Steuerarten ist eigen, dass sie seit der rot-grünen Steuerreform in der Summe gesehen rasant sinken. Insbesondere für die ostdeutschen Kommunen ist jedoch das Gewerbesteueraufkommen unverzichtbar. Insofern waren die Erwartungen in eine Gemeindefinanzreform, die eine nachhaltige und stabile Finanzierung sichern sollte, groß.
Der Modernisierung der Gewerbesteuer und einer weitergehenden Reform des Systems der Gemeindesteuern kam dabei sicherlich der wichtigste Part zu. Nicht weniger wichtig waren aus der Sicht der kommunalen Spitzenverbände aber auch Entlastungen auf der Ausgabenseite, insbesondere im sozialen Bereich, die strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips und dessen Verankerung im Grundgesetz sowie ein Konsultationsmechanismus für die Kommunen bei Gesetzgebungsverfahren.
Für eine erste echte Entlastung bereits ab dem Jahr 2004 forderten die Verbände außerdem eine finanzpolitische Soforthilfe, zum Beispiel in Form eines Investitionsprogramms.
Meine Damen und Herren! Die Hoffnung war riesig; sie wurde durch die Ergebnisse bitter enttäuscht. Ernüchterung, Enttäuschung und Angst vor weiteren Belastungen machen sich breit. Wie kam es dazu?
Im vergangenen Jahr zeigte sich schnell, dass bei der Reformierung der Gewerbesteuer, dem eigentlichen Änderungsbereich, zwischen den verschiedenen vorgeschlagenen Modellen Welten lagen. Insbesondere die Wirtschaftsverbände, aber auch FDP, CDU und CSU liefen Sturm gegen das Kommunalmodell. Auch ein von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf schien nicht tragfähig zu sein.