Dieses Modrow-Gesetz war aber für viele und auch für Sie Anlass, nun endlich das „Eigentum“ an solchen Flächen einzuklagen. Die zwei Jahre nach der Verabschiedung dieses Gesetzes waren jedenfalls für mich - ich komme von einem Dorf und habe es als Ratsmitglied in einer Gemeinde miterlebt - fast ein rechtsfreier Raum.
Es wurden mit einem Mal Leute Eigentümer von Bodenreformflächen, die damit nie etwas zu tun gehabt haben, die auf irgendeine Art und Weise auf einmal in den Besitz einer Grundbucheintragung gekommen sind. Für uns alle war das sehr schleierhaft. Nur wenige - das muss man an dieser Stelle sagen, Herr Krause - derjenigen erhoben das Wort, die den Acker bearbeiten wollten. Die am meisten geschrien haben, das waren diejenigen, die ein Schnäppchen vermuteten, die diese Flächen, die ihnen angeblich gehörten, zu Höchstpreisen verkaufen wollten. Das ist meine Erfahrung bei dieser Geschichte. Die hat sich leider auch in den Jahren danach bewahrheitet.
Ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist, deswegen spare ich mir den Rest meiner Rede. Ich habe ihr ohnehin nicht mehr viel hinzuzufügen.
Die SPD-Fraktion lehnt Ihren Antrag aus den Gründen, die ich genannt und versucht habe zu erklären, ab. Wir sind natürlich dafür, dass wir dieses Thema, das ein relevantes Thema für unser Land ist, in den entsprechenden Ausschüssen beraten. Wir unterstützen als SPDFraktion aber auch das Vorhaben der Bundesregierung, Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzulegen. Soviel ich weiß, ist das inzwischen passiert. Über all das sollten wir uns in den entsprechenden Ausschüssen unterhalten. Ich möchte Sie bitten, unseren Antrag, der darauf abzielt, zu unterstützen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der PDS ist - das ist schon gesagt worden - im ersten Punkt überholt, weil die Ministerin der Justiz in einer Pressemitteilung erklärt hat, dass sie Revision einlegen wird.
Der zweite Teil dieses Antrages hat eigentlich nur bedingt mit dem Urteil zu tun. Man muss sicherlich fragen, was da eigentlich beurteilt worden ist. Es ist beurteilt worden, dass das Verfahren als solches nicht rechtswidrig und nicht menschenrechtsverletzend ist. Es ist lediglich entschieden worden, dass der Entschädigungsanspruch verletzt worden ist und dass dies nicht der Menschenrechtskonvention entspricht. Mehr ist dort zunächst einmal nicht entschieden worden.
Zur Frage der Entschädigung hat das Gericht gesagt, dass die Bundesregierung oder die Beschwerdeführer die Möglichkeit haben, innerhalb von sechs Monaten einen Vorschlag zur Entschädigung zu unterbreiten. Ich weiß nicht, was die Bundesregierung tun wird, aber sie sollte sich darauf einlassen. Die Bundesregierung hat jetzt natürlich neben dem öffentlichen auch ihr eigenes Interesse zu wahren und das Verlangen nach Revision ist deshalb aus ihrer Sicht sicherlich richtig.
Parteien des Verfahrens sind eben die Bundesrepublik Deutschland und die entsprechenden Beschwerdeführer und nicht das Land Sachsen-Anhalt. Deswegen können wir in Sachsen-Anhalt letztlich auch nicht darüber entscheiden. Die Bundesregierung hat richtigerweise in Abstimmung mit den anderen Bundesländern so gehandelt, obwohl keine Abstimmung dazu erfolgt ist.
Aber dazu gab es keine Abstimmung mit einem Ergebnis von 3 : 2 oder so. Eine solche Abstimmung hat es nicht gegeben, sondern es handelt sich um eine Entscheidung der Bundesregierung. Das haben die Bundesländer auch so bekräftigt.
Das Gericht hat, wie gesagt, den Entzug des Grundbesitzes und das Verfahren als rechtmäßig erklärt und möchte gerne, dass in einem weiteren Verfahren über die Höhe der Entschädigung entschieden wird.
Ich kann das Interesse der PDS nicht ganz nachvollziehen, weil hinsichtlich dessen, was vor dem März 1990 und was nach dem März 1990 passiert ist, ein willkürliches Datum gewählt wurde. Es ist völlig klar, dass auch noch neue Ungerechtigkeiten entstanden sind.
Wir wissen alle, dass das Verfahren zu DDR-Zeiten nicht überall in der DDR gleich war. Wir wissen alle, dass das in einigen Kreisen gemacht worden ist, in anderen nicht, und dass es deswegen zu diesem Zeitpunkt sehr unterschiedliche und auch zufällige Vermögenszuordnungen gegeben hat. Das ist doch ganz klar. Das wissen wir alle. Wenn die PDS die Partei der Gerechtigkeit ist, muss
sie das natürlich auch insgesamt so sehen und darf sich nicht hinstellen und sagen, dass dies ihre Klientel sei.
Die PDS benutzt dieses Verfahren und diese Diskussion als Vehikel für ihre eigene Klientel, um sich dort nicht nach rechtsstaatlichen, sondern aus meiner Sicht nach populistischen Prinzipien zu profilieren.
Auf Ihre letzte Bemerkung will ich gar nicht reagieren. Das Problem ist nur, dass ich sehe, dass sowohl die Alteigentümer als auch die Betroffenen, die jetzt sozusagen entschädigungslos enteignet wurden, jeweils Opfer von politischen Entscheidungen - um in Ihrer Diktion zu bleiben - gewesen sind. Das eine ging zurück auf die Zweiplus-Vier-Verhandlungen, das andere ging zurück auf den Einigungsvertrag. Es war also so, dass nicht nur die Modrow-Volkskammer einen Beschluss gefasst hat, sondern das war Bestandteil des Einigungsvertrages.
Beide Gruppen sind jetzt in der Situation, dass sie ihr Recht nur noch umgesetzt sehen, wenn sie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Das haben sie getan. Dass die Alteigentümer nicht zur PDS kommen, liegt auf der Hand. Die anderen sind zu uns gekommen und wir haben sie in ihrer Rechtsauffassung unterstützt. Jetzt frage ich mich, wieso Sie davon ausgehen, dass wir das eine Urteil anerkennen und das andere nicht.
Das sind tatsächlich zwei verschiedene Verfahren. Das Verfahren zur Bodenreform ist ein ganz anderes Verfahren als das, was jetzt passiert.
- Ich habe das gar nicht miteinander vermischt. - Aus der Bodenreform heraus, aus der Geschichte der Neubauern gibt es Ungerechtigkeiten in dem Verfahren, wie dann damit umgegangen worden ist. Das ist doch klar. Wir als Land können nicht die Handelnden sein, sondern hierbei geht es um ein Gesetz, um eine Regelung, die der Bund erlassen hat, und zwar nach 1990 und nicht davor, sodass sie auch aus meiner Sicht rechtsstaatlich abgesichert ist.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist doch ein bisschen erschreckend, wenn man aus den Zwischenrufen oder dem Beifall zur Kenntnis nehmen
muss, wie Politiker in Sachsen-Anhalt Recht oder Unrecht mit altem und mit neuem Recht aufwiegen. Man rechnet dieses Recht gegen jenes Recht auf. Wenn der nicht, dann auch der nicht! So Frau Wernicke, so Herr Daldrup, so auch Herr Kosmehl.
- Hören Sie doch einmal zu. Es ist schon erschreckend. Ich muss sagen, Herr Kosmehl, ich habe Sie eigentlich als vernünftiger eingeschätzt.
Auch andere Kollegen haben Sie bisher wegen Ihrer Sachlichkeit geschätzt. Aber, wissen Sie, das, was Sie heute losgelassen haben, zeugt davon, dass Sie in dieses Urteil nicht einmal hineingesehen haben. Das wird aus dem deutlich, was Sie zur Bodenreform gesagt haben. Frau Wernicke stimmt mir zu, dass die Bodenreform - Herr Kosmehl, hören Sie mir doch einmal zu! - vom Europäischen Gerichtshof nicht im geringsten infrage gestellt wurde. Das Urteil darüber ist gefällt. Sie, Herr Kosmehl, dagegen haben formuliert, dass die Bodenreform in Verbindung mit dem zu erwartenden Urteil noch einmal zu durchleuchten sei. Diese Frage ist jedoch entschieden.
Es geht nur noch um die Höhe der Entschädigung. Sie, Herr Daldrup, haben Verfahren und Entschädigung durcheinander gebracht.
- Ja, bei dem einen war das Verfahren schon längst abgesegnet. In diesem Falle geht es nicht um irgendetwas, sondern es geht gemäß Artikel 233 EGBGB um folgenden Fakt: Im Jahr 1998, also acht Jahre nach der Wende, steht ein Bürger im Grundbuch, behördlich geschützt, richterlich geschützt, es gibt einen Notarvertrag und alles, was erforderlich ist. Nach dem bis Juni 1992 geltenden Recht hat dieser Bürger einen Verkauf an das Land Sachsen-Anhalt getätigt.
Im April 1992, also zwei oder drei Monate vor In-KraftTreten der neuen gesetzlichen Bestimmungen, hat Justizminister Remmers die Grundbuchämter angewiesen, keine weiteren Bearbeitungen mehr vorzunehmen. Ich habe damals schon gesagt, dass geprüft werden müsse, ob ein Justizminister ein Grundbuchamt oder ein Gericht überhaupt anweisen darf, nicht nach geltendem Recht zu urteilen, und zwar in der Erwartung, dass im Juni 1992 ein neues Gesetz in Kraft treten werde. Herr Becker, vielleicht könnten Sie eine Antwort auf diese Frage geben. All diese Praktiken sind gelaufen.
Aber weiter in meinem Gedanken: Als dieser Bürger im Jahr 1998 eine weitere Transaktion vorhatte, ist das Amt für Landwirtschaft zufällig darüber gestolpert, dass das Land im Jahr 1992 diesen Kauf getätigt hat. Man stellte sich die Frage, ob das Land das durfte, weil danach ein anderes Recht kam.
Und dann, Herr Kosmehl, greift wieder die Frage: Wie ist denn das mit dem Rückwirkungsverbot gemäß Grundgesetz?
All diese Probleme gibt es. Es gibt so vieles, worauf ich reagieren möchte. Ich rege mich dabei nur auf. - Im Straßburger Urteil wurde einstimmig gesagt, dass es sich bei diesem Tatbestand um eine entschädigungslose Enteignung handelt. Die entsprechende Regelung wurde
nicht durch Modrow, sondern durch Ihre De-MaizièreRegierung vollinhaltlich in den Einigungsvertrag übernommen. Damit unterlag nach dem Straßburger Urteil dieser Tatbestand eindeutig dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das dann allein greift. Das sagt auch Straßburg.
Man hätte die Frage einer Aneignung sehen können. Das kann aber nicht entschädigungslos erfolgen. Es ist aber entschädigungslos erfolgt. Das ist völkerrechtswidrig und verletzt die Menschenrechte.
Ich möchte aus dem Urteil - ich habe es hier - zum Schluss meiner Ausführungen nur kurz etwas zitieren. Denken Sie darüber nach! Lassen Sie es einfach unkommentiert! Vorab nur diese Anmerkungen, weil Sie immer wieder den Bezugspunkt zur DDR-Zeit suchten. Darüber mögen Sie urteilen und haben möglicherweise in bestimmten Fragen auch Recht; aber die ModrowRegierung hat ja Ihre Rechtsauffassung angenommen und hat gefordert: Schluss mit diesem sozialistischen Recht! In der Folge haben wir einen anderen Weg eröffnet. Das geschah nicht durch die Bodenreform, Herr Püchel, sondern erst später. Nach sozialistischem DDRRecht hat man diesen Weg einer Überführung in Staatseigentum eröffnet und Modrow hat gesagt: Jetzt muss Schluss sein, erst recht, wenn jetzt bürgerliches Recht gelten soll! Es gibt nicht zweierlei Eigentum, mit Beschränkung oder ohne. Dieses Recht wurde aufgehoben.
Wissen Sie, es ist ein Aberwitz, dass ausgerechnet die damalige Bundesregierung von CDU und FDP - aus dem Hause Schmidt-Jortzig ist das gekommen - nach zweieinhalb Jahren altes DDR-Recht wieder aktiviert hat, DDR-Recht, das abgeschafft worden war, um Eigentum im Vorfeld der Deutschen Einheit grundgesetzkonform zu machen. Das sagt auch der Europäische Gerichtshof in Straßburg. Ich sage: Das ist ein Aberwitz überhaupt in der politischen Geschichte der Bundesregierung.
„hinsichtlich des Begriffs ‚unrechtmäßiges Eigentum’, der ein äußerst politischer Begriff ist, nicht zu folgen. Nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes haben die Beschwerdeführer - unabhängig davon, wie die rechtliche Situation vor dem In-Kraft-Treten des ModrowGesetzes gewesen sein mag - zweifellos ein volles Eigentumsrecht an ihren Grundstücken erworben.