Meine Damen und Herren! Kommen wir zur vierten Frage: Was leistet der Haushalt, was leistet die Regierung, um das Land zu modernisieren? Nun gut, Sie schaffen ein Landesverwaltungsamt und damit angeblich eine schlagkräftigere Verwaltung. Sie werden sicherlich im Laufe der Zeit noch einige Stellen abbauen. Sie wollen die Verwaltungsgemeinschaften stärken, kommunale
Strukturen vergrößern und auch Einheitsgemeinden zulassen bzw. sogar favorisieren. Viel ist das alles nicht, und das ist vor allem deshalb so bedauerlich, weil Sie auf jede Menge Geld verzichten. Sie haben bei den Blinden gespart, aber - mit Verlaub - Sie sind zu blind, um dort zu sparen, wo es wirklich etwas bringen könnte.
Ich will mich nicht allzu lange bei meinem Lieblingsthema aufhalten - wir haben bereits am letzten Donnerstag darüber debattiert -, aber lassen Sie mich eines sagen: Wenn wir die Einsparpotenziale bei den kommunalen und staatlichen Strukturen tatsächlich nutzen würden, wie es uns andere bereits vorgemacht haben, dann bräuchten wir über fehlende Mittel für Musikschulen oder für Schulsozialarbeit nicht mehr zu diskutieren.
Dann wären solche Programme, die wir in unserem Lande dringend brauchen, wieder eine Selbstverständlichkeit und nicht dauernd nur Gegenstand von Spardiskussionen. Aber Sie haben nicht den Mut und nicht die Kraft zu wirklichen Strukturreformen und zu einer umfassenden Funktionalreform.
Der gravierendste Mangel Ihrer Regierungszeit ist nämlich, dass Sie nicht das tun, was wirklich nötig wäre, und dass Sie stattdessen das tun, was keiner braucht.
- Herr Gürth, ich bin gespannt, wie Sie mit der massiven Kritik der kommunalen Spitzenverbände an Ihrer angeblichen Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften umgehen werden.
Meine Damen und Herren von der FDP, es gab Zeiten, da haben Ihre Koalitionskollegen im Landtag den Antrag gestellt, dass ein Forderungskatalog der Spitzenverbände 1 : 1 zum Landtagsbeschluss erhoben wird. Die jetzigen Regierungsfraktionen setzen sich hingegen einfach über die Vorschläge und Kritiken der Spitzenverbände hinweg. So ändern sich eben die Zeiten.
Meine Damen und Herren! Wie gemunkelt wird, will die CDU das Thema Kreisgebietsreform frühestens zum Jahr 2009 wieder aufgreifen. Positiv ist, dass sie es überhaupt aufgreift, denn ich kenne Aussagen - gerade auch vom Innenminister -, dass unser Land so etwas nicht brauche. Das ist das einzig Positive daran.
Ich wage aber gar nicht auszurechnen, was diese Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag kostet. Das Innenministerium hat im Jahr 1992 Berechnungen zur Kreisgebietsreform angestellt. Danach wäre die Verwaltung in 180 000-Einwohner-Kreisen, allein auf den höheren Dienst und auf das Land bezogen, 40 Millionen € billiger als bei 120 000-Einwohner-Kreisen.
Meine Damen und Herren! Sie alle kennen die Einwohnerzahlen Ihrer Kreise. Nur vier liegen noch über 120 000 Einwohnern.
Meine Damen und Herren von der Koalition, an diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr, dass Sie mit einer kurzsichtigen Politik die Zukunft unseres Landes verspielen. Und die 40 Millionen € beziehen sich nur auf den höheren Dienst. Wenn man alles andere dazu nimmt, sind
Meine Damen und Herren! Wie steht es eigentlich - das sind Summen, über die man reden muss, Herr Gürth - um die Initiative Mitteldeutschland? Ich habe lange nichts mehr davon gehört, nur vor kurzem etwas gelesen, und das las sich nicht so gut. Wie schlimm muss es um die Initiative bzw. um die darin verabredeten Projekte der Verwaltungsreform bestellt sein, wenn sich ein überaus korrekter Ministerialrat in einem Artikel folgendermaßen äußert:
„Die finanzielle Lage der Haushalte zwingt die Länder zu einer stärkeren Zusammenarbeit. Mit kleinkarierten Länderegoismen ist kein Staat mehr zu machen. Trotz dieser Erkenntnis - reicht der Druck aus angesichts der strukturellen Probleme in einzelnen Regionen der Länder, der unterschiedlichen Interessenlagen der politisch Verantwortlichen und der geringen Aufmerksamkeit der Bevölkerung für interne Verwaltungsvorgänge? Zweifel sind angebracht.“
Ich hätte doch zu gern gewusst, wer die politisch Verantwortlichen sind, die wegen unterschiedlicher Interessen hierbei blockieren. Politisch verantwortlich sind doch in der Regel Ministerpräsidenten und Minister.
„In Sachsen-Anhalt hat sich der Prozess der Reformen verlangsamt. Am guten Willen der Landesregierung liegt es nicht. Nur immer dann, wenn die Vorschläge in die Verwaltungen kommen, stockt es.“
Ein bemerkenswerter Satz, ausgesprochen von Herrn Liedke, dem Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände. Wer regiert dieses Land eigentlich? Die Regierung oder die Verwaltung?
Hierzu passt auch ein Zitat von Minister Becker - wieder nicht da - vom Samstag, worin er sich über die Beamten beklagt, die im Westen wohnen und hier arbeiten. Wörtlich sagt er, es bestehe die Gefahr, dass der Richter zu Hause ein Biedermann ist und am Arbeitsort irgendetwas anderes. - Leider ist er nicht da, der Herr Becker. Ich hätte ihn gern einmal gefragt, was er unter „anderes“ versteht: Blockierer, Brandstifter oder Lebemann?
Meine Damen und Herren! Guter Wille allein reicht nicht aus. Man muss seinen Willen gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch durchsetzen können. Daran scheint es - nach dem, was wir gehört haben - zu hapern. In einem Satz: Sie haben, was die Modernisierung unseres Landes angeht, zwei Probleme: ein Erkenntnisproblem und ein Umsetzungsproblem.
Wie aber kommen wir vom Fleck? Was muss passieren in diesem Land? Welche Debatten müssen auf welcher Grundlage geführt werden? Wie machen wir SachsenAnhalt zukunftsfähig? - Vier Fragen, auf die auch die SPD keine fertigen Antworten hat. Wir jedenfalls sind in die Debatte eingestiegen. Die Finanzpolitiker und hier insbesondere Herr Bullerjahn haben aufgezeigt, wohin die Reise voraussichtlich geht, welche Einnahmen das Land in den kommenden knapp 20 Jahren zu erwarten hat, wo es im Ländervergleich steht, wie sich die Bevölkerung entwickelt und vieles mehr. Dies ist der Einstieg in eine nicht nur finanzpolitische Diskussion, die unbedingt geführt werden muss.
Ich glaube, Herr Paqué, Herr Bullerjahn hat kein Problem damit, Ihnen die Zahlen zu geben. Eigentlich hätten Sie die selbst schon ausrechnen müssen. Schade, dass Sie es bisher noch nicht gemacht haben.
Meine Damen und Herren! Wir müssen die finanzpolitischen Prognosen mit einem vernünftigen Politikentwurf verbinden. Dabei wird sich viel verändern müssen in den Verwaltungsstrukturen, beim Personal. So viel steht jedenfalls heute schon fest. Gleichzeitig müssen wir natürlich eine Diskussion darüber führen, wie wir bei bestimmten Entwicklungen gegensteuern können.
Es gibt mindestens ein Wahlversprechen, das die Regierung nicht gebrochen hat. Die CDU wollte sich dafür einsetzen, dass der „Papi hier bleibt“. Der ist auch hier geblieben. Dafür ist allerdings die große Schwester in den Westen gegangen und hat viele junge Frauen mitgenommen. Hierbei zum Beispiel müssen wir ansetzen. Was können wir tun, um die Abwanderung gerade junger Frauen zu stoppen? Wo sind die Arbeits- und Ausbildungsplätze - übrigens auch beim Land selbst? Zuletzt ging es hierbei gewaltig herunter. - Ein Armutszeugnis für diese Regierung, die doch Arbeit schaffen wollte.
Zukunftsdebatte bedeutet auch Debatte über Jugend-, Familienpolitik, Kinderbetreuung, Bildungspolitik, Hochschulen. Pisa und die jüngste OECD-Studie haben gezeigt, wie es aussieht: kein gutes Bild für uns. Wo sind die Konzepte für bessere Schulen, für attraktivere Hochschulen, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit Familiengründungen hierzulande wieder attraktiv werden?
- Wenn es jetzt um Pisa geht, Herr Kley, das haben wir doch schon alles durch. Die Schüler, die da geprüft worden sind, sind durch Ihre Schule gegangen. Hören Sie mit dem Quatsch endlich einmal auf!
Diese Fragen müssen zum selbstverständlichen Bestandteil von Haushaltsberatungen werden, gleichberechtigt neben der Frage, wie wir unser Gemeinwesen bezahl
Diese Fragen sind jedoch nicht nur Bestandteil der aktuellen Haushaltsberatungen im Lande, sondern auch der Reformdiskussion auf Bundesebene. Die Bayernwahl ist vorbei. Jetzt können sich CDU/CSU nicht mehr verweigern.
Herr Ministerpräsident, im Interesse unseres Landes hoffe ich, dass Sie sich ähnlich wie bei der Gesundheitsreform auch an den anderen Projekten beteiligen werden. In Ihren Interviews und Statements haben Sie den Eindruck erweckt, ein Politiker zu sein, der über Parteigrenzen hinweg denkt. Setzen Sie dieses auch in Taten um. Wir fordern Sie auf, sich konstruktiv in die Reformprozesse einzubringen. Genauso konstruktiv werden wir uns auch in die Haushaltsberatungen einbringen. - Ich danke Ihnen.
Danke, Herr Abgeordneter Dr. Püchel. - Für die CDU Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Scharf das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beratungen über die Haushaltspläne führen uns in das Zentrum der politischen Auseinandersetzungen, die wir zu führen haben. Deshalb erlauben Sie mir zu Anfang auch, ganz kurz auf die politischen Rahmenbedingungen einzugehen, in denen wir in Sachsen-Anhalt unsere Politik zu gestalten haben.