Protocol of the Session on September 23, 2003

Aber insgesamt will ich, was die komplette Umschichtung angeht, nicht allzu pessimistisch sein. Die FDP hat bereits angekündigt, dass sie bei diesem Verfahren nicht mitgehen will. Herr Kurze will seine Truppen von U 40 mobilisieren, um zumindest die Umschichtung der Jugendpauschale wieder rückgängig zu machen. Es gibt also Hoffnung, dass der missglückte Ansatz der Landesregierung im parlamentarischen Verfahren korrigiert wird.

Meine Damen und Herren! Ich meine schon, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wie wir den Kommunen tatsächlich zusätzliche Gestaltungsspielräume verschaffen können. Das ist auch innerhalb der SPD-Fraktion schon immer ein Thema gewesen.

Eine echte Umschichtung muss aber, um ein Beispiel zu nennen, zum Ergebnis haben, dass die Kommunen mit dem Landesgeld sowohl Straßen bauen als auch die Stadtbibliothek weiter betreiben können. Dazu müssten Mittel aus dem Straßenbauprogramm und aus der Bibliotheksförderung in den allgemeinen Finanzausgleich umgeschichtet werden.

Aber in Zeiten knapper Kassen gibt es an dieser Stelle ein Problem.

(Herr Scharf, CDU: Dann müssten wir neues Geld haben!)

Die Kommunen könnten dazu verleitet werden, bestimmte freiwillige Leistungen nicht mehr zu erbringen. Insofern eignet sich die Umschichtung, Herr Scharf, eigentlich eher für Zeiten, in denen die Spielräume insgesamt etwas größer sind.

(Herr Gürth, CDU: Sagen Sie, Herr Püchel, wo jetzt Ihr Lösungsansatz für die anstehenden Pro- bleme ist!)

- Herr Gürth, warten Sie doch einmal ab.

Oder anders gesagt: Das Niveau der Kommunalfinanzierung muss eine bestimmte kritische Masse überschreiten, sodass die Kommunen in der Lage sind, sowohl ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen als auch zu investieren und auch den Bestand an freiwilligen Leistungen zu erbringen, den die Bürger von ihrer Kommune erwarten dürfen. Ich füge hinzu: Bibliotheken und Musikschulen gehören für die SPD ganz sicher zu diesem Grundbestand an kommunalen Leistungen, auf die unsere Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch haben.

Herr Paqué, einen Satz zu den Kommunalfinanzen aus der mittelfristigen Finanzplanung möchte ich Ihnen doch noch vorlesen, weil Sie sagten, dass wir sie schon früher abgeschmolzen hätten:

„In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre und am Anfang des neuen Jahrtausends“

- das war zu Zeiten der SPD-Regierung -

„hat das Land Sachsen-Anhalt, bezogen auf alle neuen Länder, seinen Kommunen überdurchschnittlich hohe Pro-Kopf-Zuweisungen zur Verfügung gestellt.“

Das bestätigen Sie uns selbst. - Jetzt folgt Ihr Ausblick:

„Aufgrund der notwendigen Konsolidierung der Landesfinanzen ist deshalb eine Angleichung der Zahlungen an den kommunalen Bereich an das Niveau der anderen neuen Länder nach wie vor nötig.“

Das ist die Drohung für die Zukunft an die Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Reden wir an dieser Stelle noch einen Moment über die Gemeindefinanzreform, über die zurzeit auf Bundesebene intensiv diskutiert wird. Die Bundesregierung hat einen Vorschlag vorgelegt, der als Kompromiss zwischen zweifelsohne berechtigten Ansprüchen der Kommunen und den Interessen der Wirtschaft gedacht ist und auch so bewertet werden kann. Natürlich sind die Kommunen nicht zufrieden. Die SPD-Bundestagsfraktion ist es auch nicht. Deshalb wird es zu einer Änderung kommen, und zwar zugunsten der Kommunen.

(Oh! bei der FDP)

Ich gehe davon aus, dass es im Herbst zu einer Entscheidung kommen wird; denn schließlich müssen alle ein Interesse daran haben, dass die Gemeindefinanzreform zum Jahresbeginn 2004 in Kraft tritt.

Herr Gürth, wenn Sie mich fragen, wo das Geld für die Kommunen herkommen soll: Der Finanzminister hat eben zwar etwas zur Gemeindefinanzreform gesagt und hat gesagt, er sei damit nicht einverstanden. Ich habe aber kein Wort dazu gehört, wie es sich diese Landesregierung vorstellt, wie sie neu gestaltet werden könnte.

(Beifall bei der SPD)

Es interessiert mich schon sehr zu erfahren, was eventuell im Vermittlungsverfahren oder im Bundesrat von Ihrer Seite kommen wird.

(Herr Gürth, CDU: Und Ihre Position?)

Bekannt sind nur die sich widersprechenden Positionen der FDP, die bekanntlich die Gewerbesteuer ganz abschaffen will, und der CDU, die wohl mehrheitlich der kommunalen Seite zuneigt, deren Wirtschaftsflügel mit Herrn Merz an der Spitze wiederum der FDP-Position nahe steht. Die Idee von Merz hat sich - so glaube ich - in dieser Frage fürs Erste erledigt.

Herr Ministerpräsident, es wird Zeit, dass Sie den Schleier lüften. Viele Bürgermeister im Lande haben ein großes Interesse daran zu erfahren, was die Landesregierung auf Bundesebene für die Kommunen tun will, wenn sie schon auf Landesebene nichts oder - wie eben ausgeführt - das Falsche tut.

Meine Damen und Herren! Zurück zum Haushaltsplanentwurf 2004 und zu den vielen offenen Fragen, zum Beispiel zu der Frage: Wie will das Land den zur Erfüllung seiner Aufgaben nötigen und gleichzeitig bezahlbaren Personalbestand erreichen? Wie können wir trotz der ohne Zweifel notwendigen weiteren Reduzierung der Gesamtzahl der Bediensteten begabten jungen Menschen eine Chance im öffentlichen Dienst bieten? Wie

bekommen wir den Stellenabbau sozialverträglich hin? Welche Einschränkungen muten wir den aktiven Bediensteten zu, ohne sie zu demotivieren? Wie verbinden wir Verwaltungsreform und Personalplanung?

Auf all diese Fragen hat die Landesregierung in der Vergangenheit nur unzureichende Antworten gegeben und sie hat bisweilen dilettantisch gehandelt. Die Schlappe der gescheiterten Luxusaltersteilzeitversorgung, die die SPD-Fraktion von Anfang an kritisiert hat, ist uns allen sicherlich noch in guter, besser: in schlechter Erinnerung, ebenso wie die unwürdigen Spielchen um die Beförderung von jungen Polizisten und die lange fehlende Freigabe für die Neueinstellung von Lehrern und Lehramtsreferendaren.

(Beifall bei der SPD)

Hier hat der Ministerpräsident höchstpersönlich eingegriffen und hat sich die Personalangelegenheiten auf den Tisch gezogen. Herr Böhmer, es war nicht nur ungewöhnlich, dass Sie die Arbeit des Finanzministers und einzelner Fachminister gemacht haben, sondern es war in der Sache wohl auch eher kontraproduktiv; denn am Ende ist es ja wohl doch so gekommen, wie Ihre Fachminister es wollten. In der Zwischenzeit ist allerdings viel Porzellan zerschlagen worden.

Meine Damen und Herren! Die Stellenabbaupolitik der Landesregierung soll angeblich über die Titelgruppe 96 gesteuert werden,

(Herr Tullner, CDU: Nicht angeblich!)

welche die früher üblichen kw-Vermerke ersetzt. Folgt man dem Vorbericht zum Haushaltsplanentwurf, dann sollen aus dieser ominösen Titelgruppe, in der sich das sozusagen überflüssige Personal versammelt, im Haushaltsjahr 2003 insgesamt 1 826 Stellen abgebaut worden sein bzw. abgebaut werden. Hinzu kommen - ebenfalls ausweislich des Vorberichts - weitere 706 Stellen, die aus dem regulären Stellenbestand abgebaut worden sind bzw. bis zum Jahresende abgebaut werden.

Ich erlaube mir einmal, diese Zahl anzuzweifeln. Zwar bringt der neue Lehrertarifvertrag eine Entlastung, aber ein Personalabbau von mehr als 2 500 erscheint mir doch zu hoch gegriffen. Die Landesregierung wird in den Ausschüssen detailliert Auskunft darüber geben müssen. Erläutern müssen wird sie auch, wozu sie noch 4 500 nicht besetzte Stellen benötigt.

Meine Damen und Herren! Im Jahr 2004 sollen Personalausgaben in Höhe von 42,5 Millionen € im Bestand der Titelgruppe 96 erwirtschaftet werden. Da das in dieser Titelgruppe geparkte Personal mit 35 000 € pro Stelle angesetzt wird, schlussfolgere ich daraus, dass rund 1 200 Stellen im Verlauf des Haushaltsjahres 2004 abgebaut werden sollen. Das ist erheblich weniger, als für 2003 anvisiert wird, und insofern ebenfalls aufklärungsbedürftig.

Drittens muss aufgeklärt werden - zum Teil haben wir es schon gehört -, wie es zur Absenkung der Personalausgaben insgesamt kommen kann; denn wenn Sie die 260 Millionen € für den Ausgleich der Lehrerarbeitszeitkonten herausrechnen, sinken die Personalausgaben um etwa 115 Millionen €. Jetzt haben wir gerade erfahren, wie dies geschehen soll.

Herr Paqué, ich bin wirklich froh gewesen und habe gesagt: „Nun ist er doch ehrlich, ehrlicher, als ich dachte“; denn zum ersten Mal haben Sie im Zusammenhang mit dem Landesamt das erläutert, was Sie im letzten Jahr

bei den Hochschulen unter den Tisch haben fallen lassen. Wir wissen jetzt, wo ein Teil der Personalkosten geblieben ist. Dass Sie jetzt die Auszahlung der Löhne und Gehälter zum Monatsende verschieben, ist eine einmalige Angelegenheit und meiner Meinung nach keine Einsparung. Ich frage mich, was Sie in zwei Jahren machen. Verschieben Sie es noch einmal?

(Herr Scharf, CDU: Das ist doch erklärt worden!)

- Das ist keine Einsparung. Er hat ja erklärt, warum er im nächsten Jahr weniger Personalkosten hat. Das ist unter dem Strich aber keine Einsparung; denn das Geld muss weiterhin zur Verfügung gestellt werden.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Sie werfen es uns als Erblast vor. Dieser Tarifvertrag ist zu unseren Zeiten vereinbart worden. Sie hätten die Chance gehabt, beim Neuabschluss des Tarifvertrages die Auszahlung auf vier Jahre zu strecken. Die Gewerkschaften hätten garantiert mitgemacht.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Landesregierung bei der Errechnung des Personalbestands und der Personalausgaben ein bewusstes Verwirrspiel betreibt. Vielleicht hat sie es heute aufgeklärt, aber ich versichere Ihnen, wir werden ihr genau auf die Finger schauen.

Noch eines, Herr Paqué; deswegen sage ich: Gnade des spät Geborenen oder des spät Berufenen. Hier sitzt ein großer Club von Leuten, die schon einmal im Landtag waren oder die Parteien unterstützt haben, die schon einmal im Landtag waren und Regierungsverantwortung getragen haben. Es gab eine Sonderkündigungsregelung im öffentlichen Dienst. Sie war mit dem Einigungsvertrag in Kraft gesetzt worden und galt bis Ende 1993.

Sachsen und Thüringen haben diese Regelung intensiv genutzt; Sachsen-Anhalt hat sie gar nicht genutzt. Wir haben es vor sechs oder sieben Jahren im Landtag debattiert. Damals hat Herr Bergner als Fraktionsvorsitzender gesagt: „Ja, Sie haben Recht. Wir haben damals Fehler gemacht. Wir hätten sie nutzen müssen.“

Wir haben zum Teil heute noch Erblasten von Ihnen zu tragen, die sie im Jahre 1993 aufgehäuft haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas anderes sagen. Ich finde es richtig, dass die Landesregierung und die Gewerkschaften über einen Tarifvertrag verhandeln, der eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung, verbunden mit gewissen Vergütungseinbußen, zum Ziel hat. Arbeit teilen und auf diese Weise Entlassungen vermeiden, das ist seit jeher unsere Position gewesen. Ich begrüße auch, dass die Landesregierung dieser Position gefolgt ist und sie sich zu Eigen gemacht hat. Ich hoffe, dass die Verhandlungen schnell zum Abschluss kommen und dass der Tarifvertrag schnell wirksam wird.

Meine Damen und Herren! Kommen wir zur vierten Frage: Was leistet der Haushalt, was leistet die Regierung, um das Land zu modernisieren? Nun gut, Sie schaffen ein Landesverwaltungsamt und damit angeblich eine schlagkräftigere Verwaltung. Sie werden sicherlich im Laufe der Zeit noch einige Stellen abbauen. Sie wollen die Verwaltungsgemeinschaften stärken, kommunale