Protocol of the Session on September 23, 2003

Aber, meine Damen und Herren, auch dies muss man in einem Zusammenhang sehen, den ich einfach nicht zu vergessen bitte: Wir sind das einzige Bundesland in der ganzen Bundesrepublik, das für die Krankenhäuser ein Kreditfinanzierungsprogramm aufgelegt hat. Das hat zur Folge, dass wir mit den Sanierungsmaßnahmen eher fertig sein werden als die anderen Bundesländer. Das hat aber die nüchterne Konsequenz, dass wir bis zum Abzahlen dieses Programmes bis zum Jahr 2017 brauchen werden, wenn die anderen schon längst nichts

mehr zahlen müssen. Das muss man ganz einfach wissen.

Deshalb hielt ich es für durchaus gerechtfertigt, in diesem Jahr diesen Weg zu gehen. Der bedeutet unter dem Strich keine größere Belastung für die Kommunen, weil die Kreditfinanzierung dann nur noch von uns getragen wird.

Herr Ministerpräsident, es gibt einen weiteren Fragewunsch des Abgeordneten Herrn Rothe. Sind Sie bereit, auch diesem nachzukommen?

Bitte sehr, Herr Rothe.

Herr Ministerpräsident, Sie erwähnten den finanziellen Ausgleich der Arbeitszeitkonten der Lehrer. Sind Sie bereit zuzugestehen, dass man im Rahmen des Anschlusstarifvertrages, der Arbeitsplatzsicherheit gewährt, den Ausgleich statt in finanzieller Form auch in Form von Arbeitsfreistellungen hätte gewähren können? Und zwar in der Phase, in der für die vorhandenen Lehrer nicht mehr genügend Schüler da sind, sodass die Mehrkosten im dreistelligen Millionenbereich, die auch der Finanzminister heute angeführt hat, dem Land nicht entstanden wären.

(Unruhe bei der CDU - Frau Feußner, CDU: Das geht doch gar nicht! Die Lehrer haben doch gar nichts! - Minister Herr Dr. Daehre: Das war die beste Frage, die Sie je gestellt haben!)

Herr Abgeordneter Rothe, ich bin bereit, Ihnen zuzugestehen, dass das eine Denkmöglichkeit ist. Dies würde jedoch bedeuten, dass wir dann die Schulen schließen, wenn wir die Lehrer nicht haben, oder dass wir Ersatzlehrer einstellen müssten. Beides macht das System weder billiger noch vernünftig. Deswegen ist das eine völlig rhetorische Frage.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Feußner, CDU: Genau!)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren! Gemäß § 62 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtages besteht die Möglichkeit, dass die Fraktionen, die keine Redezeit mehr haben, nachdem die Landesregierung geredet hat, auch noch einmal Redezeit gewährt bekommen.

Herr Bullerjahn hat um die Gewährung von zusätzlicher Redezeit gebeten. Bitte sehr, Herr Bullerjahn. Ich würde darum bitten, dass Sie mit 15 Minuten auskommen.

Ich versuche, in einigen Punkten das aufzugreifen, was mein Vorredner angesprochen hat. Ich versuche, es letztendlich auch in eine gewisse Logik zu kleiden, obwohl mir das bei der Fülle der Argumente und auch an

gesichts der unterschiedlichen Strategie der einzelnen Redner von der Regierungskoalition vielleicht nicht immer gelingen wird.

Herr Böhmer, diese Rede hätten Sie zu allererst vielleicht vor der Landtagssitzung mit den beiden Regierungsfraktionen besprechen sollen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und Frau Fi- scher, Naumburg, SPD)

Sie können nicht gleichzeitig Ihre Mannen losschicken - ich werde gleich darauf zurückkommen -, die acht Jahre lang die Arbeit in Bausch und Bogen kritisiert haben, die anscheinend wie Phönix aus der Asche alles besser machen, während Sie mit der Puderdose kommen und versuchen, hier alle gleichermaßen einzuschläfern. Das kann man nicht machen.

Nun bitte ich Sie von den Regierungsfraktionen, genauso zuzuhören und sich vielleicht auch manches sagen zu lassen, wie wir es uns vorhin - ich gebe zu, natürlich bei einer wesentlich längeren Redezeit - ebenfalls anhören mussten.

Sie haben jetzt versucht, den Eindruck zu erwecken - ich frage mich, Professor Böhmer, auf welcher Grundlage -, dass es seit der letzten Wahl zu bestimmten Problemen überhaupt erst Lösungsansätze gebe. Ich sage mal: Personalentwicklung, ich sage mal: Investitionen, ich sage mal: Schuldenabbau.

Ich möchte Sie einmal daran erinnern - ich hätte es nicht gemacht, aber Sie haben den Bogen gespannt -, dass Sachsen-Anhalt im Jahr 1994 die höchste Nettoneuverschuldung der ostdeutschen Bundesländer hatte, bei gleichen Bedingungen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Frau Kachel, SPD)

Wir hatten beim Personal den höchsten Besatz im Vergleich zu anderen.

Ich sage Ihnen eines, Professor Böhmer: Ich würde Ihnen das heute nie vorwerfen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Wir haben aber damals, gerade was die Neuverschuldung betrifft, bis auf ein Jahr - ich habe das hier schon einmal erwähnt, Herr Abgeordneter Gürth -, bis hin zum letzten Wahlhaushalt bei ähnlich dramatischen, nein sogar höheren dramatischen Steuerausfällen

(Herr Tullner, CDU: Na ja!)

die Nettoneuverschuldung zurückgeführt. Manche in diesem Haus haben uns für bekloppt erklärt. Trotzdem waren wir uns der Verantwortung bewusst, es so zu machen. Deshalb kann ich es nicht verstehen, dass sich Professor Paqué hier hinstellt und die dauerhafte Erhöhung der Nettoneuverschuldung gegenüber den Vorgängerregierungen als Erfolg darstellt. Dazu fehlen mir wirklich die Worte.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Ich habe einmal hier vorn gestanden - ich habe es, glaube ich, schon einmal erwähnt -: In der zweiten Wahlperiode wurde uns einmal eine gewisse Arroganz vorgeworfen. Ich habe in der Rede von Minister Paqué und auch von Ihnen, Herr Scharf, teilweise heute auch schon Arroganz herausgehört, nach dem Motto - wie war der Spruch von Ihnen? -: Wenn es um richtige Politik geht,

können wir das nur; Demonstrationen sollte man so behandeln - wie auch immer.

Ich erinnere nur an die KiFöG-Debatte, damals KiBeG. Dabei hat die CDU - nicht nur Herr Bergner - den Rächer der Enterbten gespielt und hat unsere Äußerungen, man sollte einmal überlegen, wie man mit den ganzen Sachen umgeht, hier als „Skandal“ tituliert. Und andere Sachen mehr.

Ich bitte Sie einfach nur einmal, diese Dinge in den ganzen Diskussionen zu berücksichtigen. Sie werden dann vielleicht auch verstehen, wenn so mancher Oppositionspolitiker, dem man unterstellen kann, er habe vielleicht den Ausgang der Wahl noch nicht verschmerzt, sich doch einmal erinnert, weil Sie innerhalb von anderthalb bis zwei Jahren ja jegliches Gedächtnis verloren haben.

(Beifall bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Na, na, na!)

- Herr Tullner, Sie sollten immer dann reden, wenn Sie das auch wirklich nachvollziehen.

(Herr Tullner, CDU: Das ist keine Arroganz! Jun- ge, Junge!)

Ich sage Ihnen mal eines: Schulen in freier Trägerschaft. Dazu gab es - vielleicht ist jemand im Raum schon ganz nervös - einmal ein Schreiben. Ich lese daraus einmal vor, weil ich mich damit - aus einer Sicht, aus einer bestimmten politischen Grundhaltung auch gegenüber Kirchen und aus solchen Diskussionen heraus - anders dargestellt habe als andere Mitglieder meiner Fraktion. Darin stand unter anderem:

„Die entstehenden Belastungen sind aus der Sicht der Schulen in freier Trägerschaft ungerechtfertigt und unsozial. Daher ist mit weiteren Protesten und Auseinandersetzungen auch in der kommenden Zeit zu rechnen“.

Unterschrift: W. Willems, Oberstudiendirektor. - Ich sage nur: Das Sein und das Bewusstsein, das ist so eine Frage. Ich würde nur das, was Sie uns vorwerfen, wenn Sie diese Reden vorlesen, vielleicht einmal fünf Minuten lang in der eigenen Fraktion wirken lassen. Das würde so manche Diskussion und so manche Kritik, die Sie loslassen, etwas relativieren. Ich will aber nicht den Fehler meiner Vorredner machen.

Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen eines: Jede Landesregierung hätte heute die gleichen Probleme, jede. Aber ich bitte darum, dass man dann ehrlich diskutiert.

(Zuruf von der CDU)

Ich habe vor einem Jahr an dieser Stelle gestanden - Sie werden sich daran erinnern - und gesagt: Sie werden im kommenden Jahr nicht mit Mehreinnahmen rechnen können. So ist es jetzt gekommen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich einen besonders guten Draht habe. Das war aber damals schon klar. Übrigens haben wir schon bei der Steuerschätzung im Mai darüber diskutiert, dass bei der Steuerschätzung im November noch einmal Verluste zutage treten werden. Das ist auch klar.

Und wenn man heute sagt, dass wir im nächsten Jahr eher weniger als mehr haben werden und dass das in den nächsten zwei bis drei Jahren so sein wird, dann kann ich Ihre mittelfristige Finanzplanung nur so verstehen, dass Sie heute vorbauen, um im nächsten Jahr das gleiche Argument verwenden und sagen zu können: Leider hat man meine Steuerschätzung wieder kaputt

gemacht. Deswegen kann ich die Nettoneuverschuldung nicht senken.

(Zustimmung bei der SPD)

Das ist die gleiche Rhetorik wie im letzten Jahr.

(Herr Dr. Heyer, SPD: Ha, ha!)

Professor Paqué, deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie uns doch gemeinsam einmal darüber reden, ob das sinnvoll ist, nicht für unseren politischen Streit, gerade um diese Uhrzeit, sondern für diejenigen, die von den in den Haushalt eingestellten Mitteln abhängig sind. Das sind nämlich diejenigen, die Mittel bekommen. Die können diese Diskussion über die verschwundenen 475 Millionen € gar nicht nachvollziehen. Die sehen in die Tabelle und sagen: Der hat doch genauso viel wie im vorigen Jahr. Dann werden Sie es keinem erklären können, und ich kann das politisch todschick finden und draußen überall erzählen. Trotzdem hilft es der Sache nicht.

Sie sind dabei, hinsichtlich der nächsten Jahre genau dieselbe Logik anzuwenden, damit Sie auch im nächsten Jahr, im dritten Jahr in Folge, sagen können: Das lag nicht an mir.

Das ist übrigens auch so ein Punkt. Herr Ministerpräsident, das müssen Sie sich aber auch einmal persönlich annehmen: Ich hätte mir schon gewünscht - ich wiederhole mich diesbezüglich -, dass man die gleiche Erklärung, dass man aufgrund der Entscheidungen in Berlin bestimmte Zwänge im Land hat, denen man nicht ausweichen kann, auch gegenüber einer von Reinhard Höppner geführten Regierung einmal hätte gelten lassen. Damals standen Sie am Rednerpult und haben gesagt: Das muss und kann mir doch egal sein; denn Sie sind für das Land verantwortlich. Sie messe ich an Ihrer Qualität und nicht an dem, was in Berlin passiert.

(Beifall bei der SPD)

Ich gebe zu, dass das, was in Berlin passiert - diesbezüglich mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube -, zum Teil auch für uns wirklich schwierig ist. Ich finde manches nicht gut. Das, was Eichel als Entwurf für eine Gemeindefinanzreform vorgelegt hat, war für die SPD-Bundestagsfraktion und darüber hinaus mehr als schwierig. Deshalb gab es diese Reaktion.