Protocol of the Session on June 12, 2003

In der Analyse kommt die PDS-Fraktion zu dem Ergebnis, dass der gesetzlich vorgegebene Rahmen zu eng gefasst ist und zugunsten der Kommunen erweitert werden muss, um die beschriebenen Folgen zu vermeiden. Die Begründung für die Nöte der Kommunen findet die PDS-Fraktion in den verminderten Landeszuweisungen und in den verringerten Steuereinnahmen.

Meine Damen und Herren! Wie gesagt, auf den ersten Blick sieht das alles nach einem in sich schlüssigen Konzept aus. Tatsächlich ist aber schon die Begründung für die finanzielle Misere der Kommunen unvollständig, weil die Gemengelage vielschichtig ist. Die verminderten Landeszuweisungen resultieren auch aus einem verminderten Steueraufkommen. Der Bund hat mit dem Zugriff auf die Gewerbesteueranteile sein Scherflein dazu beigetragen und manche Kommune hat durch ungünstiges Wirtschaften ihren Beitrag zu der Problematik selbst erbracht.

Die Auswirkungen sind ebenfalls nicht so, wie sie von der PDS-Fraktion beschrieben worden sind. Der Anteil der nicht genehmigungsfähigen Haushalte bei den Landkreisen ist nicht mit 86 % anzusetzen, sondern er ist wesentlich geringer, wie wir eben gehört haben. Bei den Gemeinden ergibt sich ein ähnliches Bild.

Selbst wenn man die Zahlen der PDS-Fraktion als richtig ansehen würde, kommt man nicht zwingend zu dem Schluss, dass die Haushalte nicht genehmigungsfähig sind. Auch an dieser Stelle ist die Situation vielschichtig. Dass man mit Verallgemeinerungen kaum arbeiten

kann, stellt sich dabei heraus. Eher angebracht ist eine Einzelfallbetrachtung, mit der man an die Problemlösung herangehen muss.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht nur gefährdet ist, wenn die demokratischen Gremien entmündigt sind, sondern sie ist dann aufgehoben. Aber tatsächlich sind die Gremien der Gemeinden nicht entmündigt; denn auch die Einengung von Entscheidungsspielräumen aufgrund der finanziellen Engpässe bedeutet lediglich eine Einengung der Entscheidungsfreiheit, aber eben nur für eine gewisse Zeit. Die dauerhafte Einschränkung der Entscheidungsfreiheit auf null ist eben die Voraussetzung für eine Entmündigung. Diese liegt nicht vor.

Zuzustimmen ist der Auffassung, dass durch die unausgeglichenen Haushalte der Kommunen deren Investitionen beeinträchtigt oder gefährdet sind. Tatsächlich ist der Anteil der nicht genehmigten Haushalte aber wesentlich geringer als die in der Begründung der PDSFraktion angegebenen Zahlen. Auch wird der Teil der kommunalen Investitionen durch andere Programme mit begleitet, die allerdings nicht den großen Ausschlag geben; das gebe ich zu. Ich denke dabei an Kom-Invest.

Es stellt sich aber auch die Frage, ob die Notwendigkeit des gesetzgeberischen Handelns mit der vorgelegten Begründung tatsächlich nachgewiesen ist. Auch wenn es zutrifft, dass es den Gemeinden im Land und in ganz Deutschland nicht gut geht, ist die von Ihnen angestellte Diagnose lückenhaft und im Ergebnis nicht richtig.

Viel größere Probleme aber bereitet die von Ihnen angedachte Therapie, um bei dem medizinischen Bild zu bleiben. Der Vorschlag, eine Mussvorschrift in eine Sollvorschrift zu ändern, ändert an der geschilderten Misere gar nichts. „Soll“ bedeutet im rechtlichen Sinne nicht viel anderes als „muss“. - Ich sehe, die Redezeit geht zu Ende. Ich überspringe deshalb einen Teil der Rede.

Wenn Sie von „soll“ auf „muss“ umspringen, dann haben Sie keinen anderen Beurteilungsspielraum. Sie können allenfalls mit der Ausnahme anders umgehen. Das wird aber bereits getan. Gleichzeitig eröffnen Sie den Weg in die Schuldenfalle und die Möglichkeit, sich den Problemen nicht sofort stellen zu müssen.

Bezüglich der von Ihnen angegebenen Befristung stellt sich die Frage: Wie lange soll denn die Frist für die Sollvorschrift gelten und wann endet sie? Habe ich dann statt einer Befristung auf fünf Jahre eine Befristung auf sieben Jahre oder wie lange? - Das sagen Sie nicht. Ihre Therapie erscheint mir nicht unbedingt diejenige zu sein, die wirksam die Krankheit heilen kann. Aber ich lasse mich in den Ausschüssen gern überzeugen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Wolpert. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Polte das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der heute eingebracht wurde, berührt jedenfalls für mich eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.

Es ist ein Hilferuf seitens der Kommunen, der sozusagen in Gesetzestext gegossen wurde.

(Zustimmung bei der SPD)

Vor einem Jahr wurde im Landtag durch die Regierungsfraktionen ein Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung eingebracht. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Name dann in „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ geändert. Die völlige Unangemessenheit der ursprünglichen Gesetzesbezeichnung ist wohl einigen bewusst geworden. Mit diesem Gesetz wurden bekanntlich die Vorschaltgesetze zur Verwaltungsreform aufgehoben und damit wurde die Blockade der Verwaltungsreform verursacht.

Wenn ich das Ergebnis nach zwölf Monaten resümiere: Weder mit diesem Gesetz noch mit folgenden Gesetzen noch mit Gesetzen, die jetzt im Gesetzgebungsverfahren sind, wurde die kommunale Selbstverwaltung gestärkt, noch wurde sie wiederhergestellt. Im Gegenteil, noch nie seit 1990 waren wir von einer angemessenen kommunalen Selbstverwaltung so weit entfernt wie heute.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Wi- derspruch bei der CDU)

Eine Grundtatsache, meine Damen und Herren, denn ohne echte Finanzhoheit keine kommunale Selbstverwaltung und keine kommunale Handlungsfähigkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Statt die kommunale Handlungsfähigkeit zu stärken, wurde sie im zurückliegenden Jahr weiter eingeschränkt.

(Frau Weiß, CDU: Schreiben Sie an den Bundes- kanzler!)

Beispiele, Frau Weiß: Erst einmal wurde die Höhe der Finanzzuweisungen auf 23 % gesenkt; das ist hinreichend bekannt. Das Investitionserleichterungsgesetz geht, soweit es finanzielle Auswirkungen hat, vollständig auf Kosten der Kommunen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Es entstehen zum Beispiel Einnahmeverluste durch Verzicht auf die Erhebung von Ablösebeträgen für Parkplätze. Das ist Geld, das bisher den Kommunen zugestanden hat. Hier wird entschieden, dass die Kommunen das nicht mehr erheben dürfen. Da soll jetzt eine Regelung etwa mit acht Parkplätzen, die erst einmal frei sind, in Kraft treten.

(Frau Weiß, CDU: Die ist gut!)

Das bedeutet unter dem Strich weniger Geld für die Kommunen, die die Ablöse erheben wollen. - Oder der Zwangsverzicht auf Einnahmen aus kommunalen Wirtschaftsbetrieben. Da gilt eben der Grundsatz: Die Verluste sozialisieren, die Gewinne privatisieren!

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Man gönnt den Kommunen nicht eine Mark, um irgendwo einen Ausgleich vorzunehmen.

Ich habe auch eine Position zu der Jagdsteuer: Das ist Geld, das potenziell den Kommunen zusteht. Der Landtag beschließt: Die Kommunen sollen das Geld künftig nicht mehr bekommen. - Überlasst das doch den Kommunen, den Kreistagen, ob sie meinen, es ist angemessen oder nicht.

(Zustimmung von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Ich darf daran erinnern, dass wir in der letzten Sitzung einen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP vorliegen hatten. Die Landesregierung sollte im Finanzausschuss Bericht erstatten in Bezug auf die Gebührentatbestände für die Kommunen, und zwar ob die Beträge auskömmlich sind. Wenn ich mich erinnere, um welche Beträge es dabei geht, dann sind das im Verhältnis zu anderen Beträgen im Grunde genommen Peanuts.

Für den einen oder anderen Kreistag - etwa Salzwedel - sind die 60 000 € ein echter Pfennig. Wenn man weiß, wie in den Kommunalparlamenten um 5 000 € für die Förderung von Vereinen, die diese haben müssen, um existieren zu können, gerungen wird, dann ist das viel Geld. Warum wollen wir die Kommunen entmündigen und sagen: Nein, das passt nicht mehr in die Zeit? Das kann man natürlich machen, aber überlassen wir diese Entscheidung doch den Kommunen.

Heute hat der Finanzminister das Investitionsbank-Begleitgesetz eingebracht. Da heißt es in § 6 mit größter Selbstverständlichkeit hinsichtlich der Verletzung des Konnexitätsprinzips:

„Die Behörden des Landes und die Kommunen sind verpflichtet, der Investitionsbank bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unentgeltlich Amtshilfe zu leisten.“

Wieder eine neue Aufgabe ohne entsprechende Finanzausstattung! Das könnte man weiter fortsetzen. - Jetzt wird bei mir auch schon „Ende der Redezeit“ angezeigt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Die Finanzlage der Kommunen hat nun dazu geführt - das ist hier schon gesagt worden -, dass über 70 % der Kommunen - oder welche Zahl auch immer; selbst wenn sie niedriger ist, ist es schlimm genug - in der Mitte des Haushaltsjahres noch keinen genehmigten Haushalt haben - mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft, die auf die Aufträge wartet. Das muss man in diesem Zusammenhang doch auch sehen.

Ich habe volles Verständnis für den Vorstoß der PDS mit diesem Gesetzentwurf, weiß aber auch, dass er die Probleme nicht lösen wird. Denn wir dürfen nicht meinen, wir hätten nur durch eine Änderung in eine Sollbestimmung die Probleme gelöst. Diese sind grundsätzlicher Natur. Es kann nur ein Nachdenken darüber sein, es kann höchstens eine zeitliche Befristung sein. Denn wenn man eine Änderung in eine Sollbestimmung vornehmen würde, hätte das die fatale Wirkung, dass die Kommunen in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hätten.

Das ist nicht zukunftsfähig, das wollen wir nicht. Deswegen halten wir es für nötig, dass über den Gesetzentwurf im Ausschuss beraten wird. Wir möchten gern, dass das im Finanzausschuss und im Innenausschuss passiert.

Alles andere muss ich mir jetzt leider zu sagen verkneifen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Polte. - Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Maertens das Wort. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann mich kurz fassen, um meine Zeit

auch auszunutzen. - Alle sind der Meinung, dass die Finanzlage der Kommunen katastrophal ist. Über die Ursachen, die vielfältiger Art sind, wird in unterschiedlichen Nuancen - je nach politischer Couleur - gesprochen.

Aber, meine Damen und Herren von der PDS, ich glaube nicht, dass mit der vorgeschlagenen Änderung der Gemeindeordnung das Problem zu lösen ist. Ich habe auch erhebliche Zweifel, dass die Leistungsfähigkeit der Kommunen und die Gestaltungsmöglichkeiten der kommunalen Entscheidungsträger mit dieser Gesetzesänderung verbessert werden.

Das Gleiche gilt für die Kommunalaufsichten; denn bei der Vorlage nicht ausgeglichener Haushalte ändert sich hinsichtlich der Beurteilung und Bewertung des Sachverhalts überhaupt nichts. Dazu hat der Innenminister ausführlich Stellung genommen; deswegen möchte ich nicht weiter darauf eingehen.

Die Idee, die Sie hier vortragen, ist nicht neu. Die Koalition hatte ähnliche Vorstellungen. Im Zusammenhang mit dem Haushaltskonsolidierungsgesetz ist im Finanzausschuss auch ein Änderungsantrag der Koalition zunächst vorgelegt, aber von uns selbst verworfen worden, weil wir nach umfangreicher Prüfung festgestellt haben - die Argumente hat Herr Minister Jeziorsky heute noch einmal vorgetragen -, dass durch eine einfache Gesetzesänderung, von einer Ist- in eine Sollvorschrift, nicht einmal ansatzweise die Probleme aller an diesem Prozess der Haushaltsaufstellung und -genehmigung Beteiligten zu lösen sind.

Weil das so ist, haben wir mit einer erneuten Diskussion über dieses Thema ein gewisses Problem, sowohl in der CDU-Fraktion als auch in der Koalition. Es muss vom Ansatz her erkennbar sein, dass eine zielführende Problemdiskussion geführt werden kann, und zwar zu dem Thema, das Sie vorbringen, nämlich ob die Sollvorschrift tatsächlich wesentliche Erleichterungen und Verbesserungen bezüglich der Gesamtproblematik bringt. Daran muss ich erhebliche Zweifel äußern, schon wenn ich mir Ihre Begründung ansehe.

Die CDU-Fraktion wird einer Überweisung des Gesetzentwurfs in die Ausschüsse nicht widersprechen. Ich möchte allerdings hinzufügen, dass ich bezüglich der Zustimmung oder Enthaltung zu diesem Thema gewisse Probleme habe.