Protocol of the Session on May 16, 2003

Ich neige eher dazu, dieses Modell unter den jetzigen Gegebenheiten als Antimodell zu bezeichnen oder als kompliziertes Modell einer verdeckten, unpraktikablen Einheitsgemeinde.

(Zustimmung von Herrn Reichert, CDU)

Sie haben die gesamte kommunale Ebene - alle Gemeinden, alle Städte, alle Dörfer, alle Landkreise und kreisfreien Städte - in den Jahren von 1999 bis 2002 in eine widersinnige und unnötige Selbstbefassungsdiskussion getrieben.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die kommunale Kraft gefesselt, kommunale Kraft, die wir als Städte und Gemeinden nötiger für die wirtschaftliche, infrastrukturelle, soziale und kulturelle Entwicklung unserer Gemeinden gebraucht hätten. Das bedeutet drei Jahre Entwicklungsverlust für unser Land. Sie haben diesem Land und den Menschen Zeit gestohlen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht verhehlen, dass der Antrag auch eine positive Wirkung gehabt hat. Die kommunale Front ist aufgerüttelt worden. Anrufe über Anrufe: CDU und FDP sollen endlich klare Worte finden

(Herr Dr. Püchel, SPD: Endlich, ja! Jetzt!)

und ein für allemal das Gespenst der Verbandsgemeinde für das Land Sachsen-Anhalt von der Tagesordnung nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Also, klar und deutlich: Das Modell der Verbandsgemeinde kommt für uns nicht in Betracht.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von Herrn Dr. Püchel, SPD, und von Herrn Dr. Köck, PDS)

Und damit Sie vielleicht bei Ihrem Glaubwürdigkeitsproblem etwas geholfen werden:

(Heiterkeit - Frau Budde, SPD: Damit Sie gehol- fen werden? Hier wird Sie geholfen!)

Worum geht es uns eigentlich? Wenn ich sage „uns“, dann meine ich nicht nur die CDU und ich meine nicht nur eine Partei. Mit „uns“ meine ich alle Verantwortlichen und alle, die für die Entwicklung des Landes und die Kommunen Verantwortung tragen wollen.

Merken Sie sich eines: Die Kommunen sind nicht alles, aber ohne die Kommunen ist alles nichts.

(Beifall bei der CDU - Frau Dr. Hein, PDS: Oh!)

Worum geht es uns? - Erstens. Es geht uns um eine effiziente, wirtschaftliche, bürgerfreundliche Aufgabenerfüllung zur dauerhaften Sicherstellung von kommunaler Dienstleistung vor Ort.

(Zuruf von Herrn Grünert, PDS)

Zweitens. Es geht darum, die Kommunen zu stärken und ihnen Modelle und Instrumente an die Hand zu geben, damit durch leistungsfähige Verwaltungen eine effiziente Aufgabenerfüllung möglich wird.

Drittens. Es geht uns um Kommunalisierung von Aufgaben unter Berücksichtigung der Grundsätze im Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz. Ich erinnere an die Schlagworte „Analyse“, „Verzicht“, „Privatisierung“ und „Kommunalisierung“.

Es geht uns um kommunale Selbstverwaltung, um die freiwillige Entscheidung der Gemeinden für den Zusammenschluss zu Einheitsgemeinden oder Verwaltungsgemeinschaften. Dies gilt auch für die Frage, wie, mit wem oder durch wen sie ihre Aufgabenerledigung sicherstellen oder sicherstellen lassen.

Die Kommunalreform in Sachsen-Anhalt ist nicht gestoppt worden, wie viele Kritiker auch in diesem Hause bereits behaupteten. Sie befindet sich inmitten der Diskussion. Der Wunsch nach dauerhaften aufgabenbezogenen, leistungsfähigeren und durchaus auch nach größeren Strukturen ist nicht zu übersehen.

Bei der Frage nach dem Organisationsmodell für das Land kommt nach unserer Ansicht nur ein Nebeneinander von Einheitsgemeinde und Verwaltungsgemeinschaft als - nun hören Sie bitte zu - gleichberechtigte und leistungsgleiche Organisationsformen in Betracht. Aus der Bewertung der Stellungnahmen zu dem Gesetz über die Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften unter Bezug auf den künftigen Aufgabenbestand sieht der Gesetzgeber eine Mindestgröße von 8 000 Einwohnern vor.

Da der Aufgabenbestand für uns nicht nur ein wesentliches Kriterium schlechthin ist, wird in den nächsten Tagen eine Entscheidung darüber zu treffen sein, welche der im Landtagsbeschluss vom 17. Januar 2002 beschrie

benen Aufgaben im Rahmen der interkommunalen Aufgabenverlagerung übertragen werden. Des Weiteren wird auch eine Aussage zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zu treffen sein.

Sie haben vorhin gesagt, der Ministerpräsident habe eine Aussage getroffen, wonach die Gebietsreform nun doch kommen solle. Herr Rothe, Sie haben am Montag auch an der 26. Kreisvorstandskonferenz des Städte- und Gemeindebundes in Magdeburg teilgenommen. Ich habe ganz deutlich gehört, was der Ministerpräsident gesagt hat. Er sagte, erst muss es eine Verwaltungsreform geben und dann eine Gebietsreform. Bis zum Jahr 2006 wird es im Land eine Verwaltungsreform geben. Wären Sie 1999 den vernünftigsten Weg, die Verwaltungsgemeinschaften wirklich zu qualifizieren und weiterzuentwickeln, konsequent gegangen, hätten wir heute vielleicht diesen Prozess schon abgeschlossen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch eine Bemerkung zu dem Landtagsbeschluss vom 17. Januar 2002 machen, weil die rote Lampe anfängt zu blinken. Frau Dr. Paschke, Sie haben so heroisch gesagt, die Aufgaben seien damals qualifiziert und quantifiziert worden. Ich habe mir diesen Satz aus dem Beschluss aufgeschrieben. Darin heißt es: „Nach Erreichen der Leistungsfähigkeit der Gemeinden gemäß § 3 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 des Zweiten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Verbandsgemeindeeinführungsgesetzes sind deshalb“ - jetzt kommt der Punkt - „vorbehaltlich einer weiteren Prüfung folgende Aufgaben von den Landkreisen auf die gemeindliche Ebene zur Erfüllung bzw. zur Besorgung zu übertragen.“

Jetzt komme ich wieder auf die 26. Sitzung des Städte- und Gemeindebundes am Montag zurück. Dort hat Herr Dr. Kregel gesagt, wenn nur das umgesetzt wird, was damals beredet wurde, dann wird es keine Reform, sondern ein Reförmchen. Das betrifft dann die vier Aufgaben der Verkehrsbehörde, die Untersuchungsberechtigungsscheine, die Sperrung von Feld-, Forst- und Waldflächen sowie das Abschleppen rechtswidrig abgestellter Kraftfahrzeuge.

Sie wissen so gut wie ich, das war damals der minimale Konsens, der kleinste gemeinsame Nenner, den Sie gefunden haben. Mit diesem Angebot sind Sie in diesen Beschluss hineingegangen, wohl wissend, dass es Ihrerseits niemals zu einer richtigen Reform gekommen wäre. Sie hätten Strukturen mit 7 000 oder 10 000 Einwohnern geschaffen.

(Zuruf von Frau Dr. Paschke, PDS)

Sie hätten dann vorbehaltlich einer weiteren Prüfung möglicherweise, aus welchen Gründen auch immer, keine weiteren Aufgaben übertragen können.

(Frau Bull, PDS: Sie waren überhaupt nicht da- bei! Das war das Papier des Landkreistages!)

Das ist eine Tatsache. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Einen Satz noch zur Drs. 4/737, zu dem Antrag, einen zeitweiligen Ausschuss einzusetzen. Die Begründung können wir nicht nachvollziehen, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion. Die Aufgabe ist eine originäre Aufgabe des Innenausschusses. Ich gehe davon aus, dass der Innenausschuss das Thema mit dem dort vor

handenen kommunalpolitischen Sachverstand erörtern kann. Aus diesem Grunde lehnen wir auch diesen Antrag ab. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Madl. - Herr Dr. Püchel verzichtet auf seine Frage. Vielen herzlichen Dank.

Meine Damen und Herren! Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne eine Gruppe polnischer Gäste aus Tymbark.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die SPD-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Dr. Polte das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Polte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu unserem demokratischen System gehört die Tatsache, dass Beschlüsse einer demokratisch legitimierten Mehrheit zwar rechtens sind, damit aber oftmals noch längst nicht richtig sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Kollektive Beschlussorgane treffen so manche Fehlentscheidung, für die man den Einzelnen eigentlich nicht in Haftung nehmen kann, auch wenn er sich dann als Befürworter erwiesen hat. Die Verantwortung trägt immer der zuständige Spitzenmann. Ich habe das selbst erlebt. Dabei handelt es sich um den Bürgermeister, um den Landrat, um den Minister oder um den Ministerpräsidenten.

Die Spitzenleute haben die Koalitionsfraktionen allerdings auch veranlasst, im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform in unserem Land einen verhängnisvollen Blockadebeschluss zu fassen, der am 13. August 2002 in Kraft trat und der lautete: Aufhebung der Vorschaltgesetze zur Verwaltungsreform.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

In meinem damaligen Debattenbeitrag - im Juni 2002 war das - charakterisierte ich diesen Beschluss als den ersten Kardinalfehler der neuen Landesregierung.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn man jetzt in den Blätterwald schaut, scheint sich diese Erkenntnis bei den reformwilligen Landes- und Kommunalpolitikern der Regierungsfraktionen wohl doch langsam durchzusetzen.

Die magere Bilanz der Regierung nach zwölf Monaten