Protocol of the Session on March 14, 2003

- Das ist ein Gerichtsurteil.

(Herr Gürth, CDU: Das Sie völlig falsch interpre- tieren!)

Auch die EU-Wasserrichtlinie stellt in Ihrem Eingangssatz fest: Wasser ist keine übliche Handelsware, son

dern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.

(Herr Tullner, CDU: Machen wir doch!)

Bei der Privatisierung des Fernwasservermögens haben Sie nur die fiskalische Brille auf. 123 Millionen € - da glänzen selbstverständlich die Augen des Finanzministers. Anstatt jedoch die Kommunalfinanzen zu verbessern, erleichtern Sie den Kommunen nur den Verkauf des Tafelsilbers.

(Zustimmung bei der PDS)

Mit der Privatisierung gehen den Kommunen Teile ihres Vermögens unwiederbringlich verloren. Ich kenne nur einen Fall, in dem das eine Stadt rückgängig gemacht hat. Das war die Stadt Potsdam. Diese hat einem Wasserversorgungsunternehmen, einem großen französischen Konzern, die Verantwortung wieder entzogen.

(Zuruf von der FDP: Warum? - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Die Einnahmen dienen, wie bei Herrn Professor Paqué, allein dem Ausgleich der defizitären kommunalen Haushalte und nicht Zukunftsinvestitionen. Aber was machen die Kommunen, wenn schließlich alles verhökert ist?

Private Dritte sollen zum Nutznießer der bisher in die öffentliche Daseinsvorsorge geflossenen Milliarden werden. Über die von den Bürgern über Anschlussbeiträge beigesteuerten Millionen befinden Sie gleich mit.

Trotz Privatisierungen müssen die Aufwendungen für den vorsorgenden Trinkwasserschutz weiterhin von der öffentlichen Hand erbracht werden. Dieser erfordert zum Beispiel im Oberharz auch in Zukunft kostspielige technische Lösungen. Die Früchte aus dem Verkauf von Trinkwasser aus der Rappbode-Talsperre sollen zukünftig andere ernten.

Herr Schomburg hat in diesem Punkt offensichtlich eine andere Meinung als die Landesregierung. Er hat sie zumindest in der Presse deutlich gemacht.

Die Veräußerung des Fernwasservermögens ist ein enteignungsgleicher Tatbestand; denn die Kommunen haben nur der Not gehorchend ihr gesamtes gegenständliches Anlagevermögen einst an das Land abgegeben.

In Umkehrung des Artikels 15 des Grundgesetzes halten wir eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung allenfalls auf der Grundlage eines Privatisierungsgesetzes für möglich. Zuvor müsste den Kommunen ihr Anlagevermögen zum Rückkauf angeboten werden. Das System der Elbaue-Fernwasserversorgung ist zudem auch von den DDR-Bürgern finanziert worden.

(Herr Tullner, CDU: Ah ja!)

Vor einer Privatisierung sollten diese in einem Referendum dazu befragt werden.

(Herr Tullner, CDU: Aber nun!)

Durch den Wegfall der Trinkwasserversorgung als Pflichtaufgabe - übrigens ist das die Voraussetzung für eine rigide Privatisierung -

(Herr Gürth, CDU: Das wird ja immer abenteuer- licher, was Sie hier sagen!)

droht eine Monopolisierung des Wassermarktes. Wettbewerb setzt Wettbewerber voraus. Diese kommen jedoch mit tatkräftiger Unterstützung der Landesregierung

abhanden. Während Sie für den Fall der Abwasserprivatisierung Leistungsparameter zur Bewertung der Fachkunde und der Eignung vorgeben - Zweites Investitionserleichterungsgesetz -, findet sich in Bezug auf das Trinkwasser nichts.

Wettbewerb auf dem Wassermarkt wird allenfalls begrenzt möglich sein - das sagen alle Gutachten, die von Herrn Oleikiewitz und von der Frau Ministerin angeführt worden sind - oder ist mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Das, was sich hierbei abspielt, hat Herr Dr. Thiel gestern sehr drastisch deutlich gemacht. Bei uns im Land kann das gesehen werden.

Die Stadt Wittenberg bezieht das Wasser nicht aus der Elbaue, sondern aus dem Fläming von der TWM. Die TWM will das Wasser in den Nordharzvorraum leiten und der erhält das Wasser bisher von der Rappbode.

Durch die Probleme, die Sie genannt haben, etwa aufgrund zu großer Leitungsnetze, sind auch die Privaten gefordert. Das kostet Geld. Das müssen auch die Bürger bezahlen.

Wir sind der Meinung: Gegen Wettbewerb und die Erbringung der Dienstleistung, also Betreibermodelle, bei Wahrung des kommunalen und öffentlichen Eigentums hat auch die PDS nichts einzuwenden.

(Herr Gürth, CDU: Das ist schon ein Schritt!)

Die Liberalisierungsideologie ist ungeeignet, all unsere gesellschaftlichen und öffentlichen Probleme zu lösen.

Ich komme zum Abschluss. Dass es hierbei vorrangig um Ideologie geht, hat Finanzminister Paqué am 9. März in den „Halleschen Sonntagsnachrichten“ deutlich zu erkennen gegeben. Auf die Einwendung, dass das Landesweingut trotz schwarzer Zahlen privatisiert werden soll, entgegnete er, entscheidend für Privatisierungen sei nicht die Wirtschaftlichkeit. - Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Köck. - Nun spricht für die FDPFraktion Frau Dr. Hüskens. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Oleikiewitz, als ich Ihren Antrag zum ersten Mal gesehen habe, war ich einigermaßen irritiert.

(Herr Oleikiewitz, SPD, lacht)

Denn wenn ich die vergangenen zwei, drei Jahre vor meinem Auge Revue passieren lasse, dann hat sowohl im Land als auch auf Bundesebene zu einer Privatisierung im Bereich der Wasserversorgung eigentlich immer eine Partei getrieben - das war Ihre eigene.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Ich habe noch ganz gut den Bundeswirtschaftsminister Müller im Ohr - ich rechne ihn einmal Ihrer Partei zu; Sie haben ihn lange genug getragen -,

(Herr Oleikiewitz, SPD: Der ist aber kein Minister mehr!)

der sehr lange gefordert hat, dass in der Bundesrepublik Deutschland die kommunalen Strukturen in der Trinkwasserversorgung aufgehoben und dass es analog zu

dem Strommarkt zu einer Deregulierung kommen müsse.

(Herr Tullner, CDU: Aha! - Zuruf von Herrn Olei- kiewitz, SPD)

Auch im Land Sachsen-Anhalt ist dies - der Wasserverbund ist ein Stichwort - durch den damaligen Minister Keller immer wieder betrieben worden. Dabei ging es ihm weder darum - ich unterstütze seine damaligen Bemühungen nachhaltig -, den Kommunen eine Zuständigkeit wegzunehmen, noch ging es darum, Geld in die Kassen des Landes zu spülen, sondern es ging schlicht und ergreifend darum, dafür zu sorgen, dass unsere Bürger auch auf absehbare Zeit vernünftige Wasserpreise haben. Das ist das Ziel, das wir bei allen Strukturveränderungen vor unserem Auge haben müssen.

Ich sage es noch einmal: Ich hielt das damalige Ansinnen von Herrn Keller für sinnvoll, und ich halte es auch jetzt für sinnvoll, dass wir als Landesregierung die Privatisierung des Wasserbereichs neu auf die Tagesordnung setzen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich muss sagen, Herr Oleikiewitz, es hat mich gewundert, dass Sie nun Privatisierungsbemühungen ablehnen. Mit der Liberalisierung ist es im Wasserbereich so eine Sache. Darauf hat Frau Wernicke bereits hingewiesen.

(Herr Dr. Thiel, PDS: Das hat keiner gesagt!)

Etwas anders als Frau Wernicke es dargestellt hat, ist sich die FDP allerdings noch nicht ganz so sicher - aber das ist mehr eine handwerkliche Frage -, ob wir mit einer völligen Streichung des § 146 hinkommen werden, ob quasi das, was in unserer Verfassung im Hinblick auf die Daseinsvorsorge steht, ausreicht, um sicherzustellen, dass bei einem Konkurs eines Privaten die Versorgung mit Wasser sichergestellt ist.

An dieser Stelle geht es wirklich nur um die Frage: Ist es ausreichend verankert? Das muss während der Beratung über das Investitionserleichterungsgesetz diskutiert und geprüft werden. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen sollten, dass es reicht, dann wird sich die FDP auch mit einer Streichung des § 146 einverstanden erklären. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen sollten, dass es nicht reicht, dann wird man eine Auffangposition brauchen.

Wichtig ist, dass wir es in Sachsen-Anhalt in der Folge einer Übertragung an private Dritte, ob nun zum Teil oder in Gänze, ermöglichen, dass wir auch zukünftig wirtschaftliche Preise haben. Es wird auch von den großen Wasserversorgern, etwa von der SWM, nachhaltig gefordert, dass wir dafür sorgen, dass die Bürger und auch die Unternehmen in den nächsten Jahren entsprechende Wasserpreise haben.

Die Sorge, dass es die kommunale Selbstverwaltung schwächt oder dass es zu ökologisch nachteiligen Entwicklungen kommen könnte, teile ich nicht.

(Zuruf von Herrn Dr. Köck, PDS)

- Nein. Ich muss sagen, das zweifle ich wirklich an, Herr Köck. - Ich habe es außerordentlich bedauert, dass der ursprünglich angedachte Wasserverbund nicht Realität geworden ist. Der hätte auch das eine oder andere Problem im Zusammenhang mit der Frage gelöst, von wo ich das Wasser in welche Richtungen verteile.