Es ist vorgesehen, dass es sich bei der Trinkwasserversorgung zukünftig nicht weiter um eine kommunale Pflichtaufgabe handeln muss, sondern dass sich auch Private stärker engagieren können. Dies entscheidet aber ausschließlich die kommunale Ebene vor Ort aufgrund von spezifischen Vor-Ort-Bedingungen. Zur Daseinsvorsorge, Herr Oleikiewitz, sind die Kommunen durch den verfassungsrechtlichen Auftrag nach wie vor verpflichtet, auch wenn sie die Versorgung privatisieren.
Ich wiederhole: Die Entscheidung über die geeignete Kooperation bzw. Privatisierungsform verbleibt bei den Kommunen. Dadurch wird die bisher immer eingeforderte kommunale Selbstverwaltung gestärkt.
Anderweitige Sorgen sind nicht gerechtfertigt. Im Übrigen ist das in fast allen Bundesländern gängige Praxis.
Die Kommunen entscheiden selbst, ob sie die Trinkwasserversorgung in kommunaler Regie weiterführen wollen, ob sie ein Betriebsführungsmodell bzw. ein Betreibermodell einführen wollen oder ob sie die Trinkwasserversorgung weitgehend privatisieren wollen.
Das Bundesministerium für Umwelt - dieses, zumindest der Minister ist nicht dafür bekannt, der jetzigen Landesregierung politisch sehr nahe zu stehen - hat jüngst eine sehr informative Broschüre zu dem Thema „Privatisierung in der Wasserwirtschaft“ herausgegeben. Diese Broschüre informiert sachlich über die Vor- und Nachteile von Privatisierungen und gibt den Kommunen Entscheidungshilfen für diesen Fall an die Hand.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Abwägungsprozess der Vor- und Nachteile wird immer wieder auf die erforderliche Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen und auf die Ziele des Gesundheits- und Umweltschutzes verwiesen. Das sind wichtige Kriterien. Auch zukünftig wird es eine sichere, gesundheitlich unbedenkliche und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser geben. Auch für einen Privaten gilt uneingeschränkt: Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen beispielsweise in der Trinkwasserverordnung oder der Hygienevorschrift ist sicherzustellen.
Ich bitte Sie, da keine Hysterie bzw. keine Ängste in der Bevölkerung hervorzurufen. Es gibt daran keine Zweifel, auch nicht in den anderen Bundesländern, die durch Private mit Trinkwasser versorgen. Hier gibt es überhaupt keine Erkenntnisse, dass sich die Qualität des Trinkwassers verschlechtert hat.
Ich denke, das Thema der Privatisierung ist von großer Bedeutung für die zukünftige Ausrichtung der Wasserversorgung. Ich freue mich schon auf die Beratungen zu dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz in den Ausschüssen; denn gerade zu diesem Punkt haben wir einiges zu diskutieren.
Meine Damen und Herren! Zum Schluss möchte ich noch auf die aktuellen Entwicklungen bei der Privatisierung wasserwirtschaftlicher Ressourcen, die der Talsperrenbetrieb derzeit noch für das Land hält, eingehen. Wie Sie der Presse entnehmen konnten und wie ich bereits in der letzten Sitzung des Landtagsausschusses für Umwelt am 26. Februar 2003 angekündigt habe, hat die Landesregierung am 11. März 2003 Beschlüsse zur Privatisierung wasserwirtschaftlicher Ressourcen des Talsperrenbetriebes gefasst. Wie angekündigt, werde ich Ihnen auch im Umweltausschuss über die Beschlüsse und die Umsetzung der Beschlüsse berichten.
Ich erinnere Sie daran, dass die frühere Landesregierung im Jahr 1998 im Rahmen der Liquidation der Midewa (alt) zur finanziellen Entlastung der Kommunen Schulden in Höhe von 200 Millionen DM, jetzt 102,3 Millionen €, übernommen sowie noch offene Forderungen aus der Abwasserabgabe in Höhe von 85 Millionen DM erlassen hat. Im Gegenzug hat das Land bzw. der Talsperrenbetrieb aus der Liquidation Vermögen übernommen. Das sind im Wesentlichen Fernwasseranlagen und Anteile der Midewa an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH.
In Verhandlung mit den Akteuren auf dem Wassermarkt hat die alte Landesregierung versucht, in einem Wasserverbund alle Akteure unter einen Hut zu bringen, um die Strukturen der Wasserversorgung zu optimieren. Dieser Versuch ist gescheitert. In diesem Zusammenhang sollte auch eine Teilabwicklung der vom Land übernommenen Schulden erfolgen. Ich sagte es schon: Diese Bemühungen sind an unvereinbaren Interessen der Akteure gescheitert.
Mit diesen Anteilen und Anlagen hat das Land Verantwortung in Bereichen übernommen, die man keinesfalls als originäre Landesaufgabe bezeichnen kann. Die jetzige Landesregierung hat deshalb beschlossen, sich von diesen Anteilen und Anlagen, die vom Talsperrenbetrieb gehalten werden, zu trennen und sie auf dem Markt zu veräußern. Es geht dabei im Einzelnen um Fernleitungen, Pumpwerke, Abgabestationen, Hochbehälter und um die Anteile des Talsperrenbetriebes an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH. Darüber hinaus wird geprüft, ob der Talsperrenbetrieb auch innerbetrieblich optimiert werden kann.
Wie gesagt, die Landesregierung hat dem Umweltministerium den entsprechenden Auftrag erteilt. Für die Unterstützung der Abwicklung des Privatisierungsprozesses wird die Landesregierung auf einen externen Dienstleister - das kann ein Investmentbanker sein - zurückgreifen, um eine möglichst optimale Abwicklung sicherstellen zu können.
Es ist beabsichtigt, den Privatisierungsprozess entsprechend dem Beschluss des Landtages über den Haushaltsplan 2003 noch in diesem Jahr abzuschließen. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass der Hochwasserschutz gewährleistet bleibt.
Ich sage es an dieser Stelle noch einmal: Es wird keine Talsperre privatisiert oder verkauft; denn aufgrund der Erfahrungen aus der Hochwasserkatastrophe 2002 hat die unabhängige Kommission der Sächsischen Staatsregierung zur Flutkatastrophe 2002 unter Leitung von General a. D. von Kirchbach an einer Stelle ihres Berichts vom Dezember 2002 die Bedeutung einer Konzentration von Zuständigkeiten angemahnt. Diesem Bericht schließt sich die Landesregierung ausdrücklich an.
Die in Sachsen-Anhalt gewählte Konstruktion, bei der die Geschäftsführung des Talsperrenbetriebs und des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in Personalunion wahrgenommen wird, hat sich bewährt. Wir werden daran keine Abstriche zulassen. Insofern sind die Vorschläge des Von-Kirchbach-Berichts in diesem Punkt im Land Sachsen-Anhalt bereits realisiert. Die Zuständigkeiten für den Hochwasserschutz sind und bleiben in einer Hand.
Mit der vorgesehenen Privatisierung im Bereich der Fernwasserversorgung beabsichtigen wir, solche Aufgaben an Dritte abzugeben, für die man nach landläufiger Einschätzung eine Landeszuständigkeit nicht notwendigerweise erkennen kann. Diese können auch durch einen Dritten wahrgenommen werden. Insofern gehe ich davon aus, dass der Weg der Privatisierung oder der Kommunalisierung dieser Aufgaben im Grundsatz nicht umstritten sein dürfte.
Dem Antrag der SPD-Fraktion, sich über Liberalisierung und Privatisierung auszutauschen, können wir folgen. Wir werden das im Umweltausschuss gern tun. Ich hoffe, Sie diskutieren mit uns über Wege in diesem Bereich, auch wenn wir Ihre Haltung, Herr Oleikiewitz, nicht teilen. Auf eine Beratung im Umweltausschuss freue ich mich. - Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Frau Ministerin Wernicke. - Wir treten nun in die Diskussion ein. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge PDS, FDP, CDU und SPD. Für die Fraktionen sind Redezeiten - ich darf daran erinnern - von sieben, fünf, 13 bzw. sieben Minuten vereinbart worden. Bitte schön, Herr Dr. Köck, Sie haben jetzt das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung - das sind offensichtlich die Schlagworte der heutigen Zeit. Der Herr Ministerpräsident hat in seiner gestrigen Regierungserklärung all die zwanghaft eintretenden Ergebnisse neoliberaler Politik genau beschrieben. Je ungehemmter sich die Shareholder-Value-Wirtschaft mit ihren Rationalisierungszwängen austobt, desto mehr Menschen verlieren ihren Job, desto mehr bleibt die Binnenkaufkraft hinter dem Angebot zurück, desto stärker werden gleichzeitig die Sozial- und die Staatskassen belastet, desto mehr steigt die Verschuldung der öffentlichen Hand.
Zu den Ursachen dieser Entwicklungen ist er allerdings wiederum nicht vorgestoßen. Ihre einzige einfallslose
Antwort als Landesregierung und regierungstragende Parteien ist: mehr Markt, Rückzug des Staates auf seine Kernaufgaben. - Was sind aber die Kernaufgaben? Die Wasserversorgung zählen Sie offensichtlich nicht dazu.
Der Tragweite der Veräußerung des Fernwasservermögens und der damit in engstem Zusammenhang stehenden und mit dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz vorgesehenen Änderung des Wassergesetzes scheinen Sie sich aber nicht voll bewusst zu sein. Das kam in den Worten der Umweltministerin deutlich zum Ausdruck.
Von einer Gesetzesfolgenabschätzung mit Langfristsicht unter Berücksichtigung der Kriterien Nachhaltigkeit und vor allem Volkswirtschaftlichkeit ist nichts zu spüren, dagegen aber Liberalisierungs- und Privatisierungswahn und Aktionismus. Sie geben sich also der Illusion hin, dass Sie mit der Privatisierung die Probleme der Wasserversorgung los sind. Sie vergessen dabei offensichtlich völlig, dass Sie damit die direkte Verantwortung den Bürgern gegenüber keineswegs verlieren. Steigt oder fällt ein Privater aus, fällt die Pflicht an Sie und an die Kommune zurück.
Frau Wernicke hat es lax dahergesagt, dass wir weiter in der Pflicht sind. Aber darüber, was das sowohl für das Land als auch für die Kommunen für Konsequenzen hat, haben Sie offensichtlich noch nicht nachgedacht.
Das Land und nicht die Kommunen hat weiterhin den Verfassungsauftrag, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen zu gewährleisten und als Garantiegeber gegenüber den Bürgern und der Wirtschaft hinsichtlich Menge und Güte des Lebensmittels Trinkwasser zu fungieren, zum Beispiel über die Gewährleistung der Nutzbarkeit des Grundwassers.
Mit der Streichung des § 146 des Wassergesetzes werden die Gemeinden zugleich von dieser Pflichtaufgabe gemäß § 4 der Gemeindeordnung entbunden. Die Trinkwasserversorgung wird zur freiwilligen Aufgabe.
- Darüber können wir uns vielleicht im Ausschuss unterhalten. - Eine Trinkwasserzielplanung brauchen wir dann zukünftig auch nicht mehr.
Sie negieren zugleich eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das im Gegensatz zu Ihnen den Erhalt und den Schutz des Wassers als lebenswichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge ansieht und diese letztlich als nicht privatisierbare Staatsaufgabe bezeichnet.