Protocol of the Session on February 7, 2003

(Zurufe von der CDU)

- Wir werden das sehen. - Sie haben möglicherweise zu Recht kritisiert, dass wir hinsichtlich der Strukturdiskussion vielleicht nicht schnell genug vorangekommen sind. Sind Sie ernsthaft davon überzeugt - wir haben jetzt Februar -, dass Sie bis Mitte des Jahres in der Lage sein werden, von mehr oder weniger allen akzeptierte Strukturveränderungspläne vorzulegen, um dann zum Ende des Jahres hin über das X für die einzelnen Hochschulen zu entscheiden? Denn die müssen das umsetzen. Hinsichtlich der Dauer dieser Prozesse müssten Sie sich vielleicht einmal äußern. - Vielen Dank.

Zur ersten Frage nach der Reduzierung der Zahl der flächenbezogenen Studienplätze und der Konsequenz aus einem möglichen X in der Perspektive: Ich habe an der Martin-Luther-Universität erlebt, was die Folge Ihres Verfahrens war. Die Universität war ein Jahr nach einer flächigen Methode damit beschäftigt, Leute nach einem Sozialauswahlsystem abzuwickeln - ein wildes Durcheinander ohne Struktur und ohne Strategie.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Weil Sie es vorher ver- passt hatten!)

In der Konsequenz ist es bis heute nicht vollständig umgesetzt worden. Also so funktioniert es nicht.

Aber es gibt einen Konsens mit den Rektoren der Hochschulen, auch mit Herrn Pollmann, dass bis zum Jahr 2006 ein bestimmter Einsparungsanteil

(Frau Mittendorf, SPD: Ja!)

zu vertreten ist und umgesetzt sein kann. In einer anderen Zeitschiene halte ich es auch nicht für möglich, muss ich sagen. Man kann im Hochschulbereich nicht von heute auf morgen 10 % einsparen. Aber das ist das Steuerungsmodell. Dieses Steuerungsmodell muss irgendwo auch finanziell untersetzt sein.

Ich persönlich glaube, wenn man zu einer budgetierten Finanzgrundlage übergeht, auch bei 90 %, ist für die Universitäten sehr viel getan worden. Sonst standen während der Verhandlungen 100 % zur Disposition. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Bevor ich Frau Dr. Sitte das Wort erteile, habe ich die Freude, links auf der Zuschauertribüne ausländische Studentinnen und Studenten der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie kommen aus verschiedenen Ländern, sodass das zusammenfassende Wort „ausländisch“ reichen musste. - Nun bitte, Frau Dr. Sitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Als wir vor Jahren im Landtag angefangen haben, über Budgetierungen zu sprechen, waren diese Überlegungen zunächst in der Tat sehr pragmatisch durch immer knapper werdende Mittel inspiriert. Es war ers

tens für die Hochschulen kein haltbarer Zustand, jährlich wie die Bettelstudenten die Abgeordneten mit der Bitte anzurufen, eine ausreichende Finanzierung zu sichern.

Die Wissenschaftspolitikerinnen und -politiker des Landtages waren zweitens ebenfalls daran interessiert, diese sich jährlich wiederholende Prozedur zu beenden. An Verlässlichkeit und längeren Zeiträumen waren sie zudem interessiert, weil sie sich ihrerseits in harter Konkurrenz zu allen anderen Haushaltsressorts befanden.

Der Gedanke, Hochschulmittel, wenngleich nicht üppig, dafür aber für mehrere Jahre gesichert in den Haushalt einzustellen, hatte drittens auch deshalb etwas Verführerisches, weil inhaltlich geführte Debatten über die Hochschulpolitik des Landes ständig durch Haushaltsfragen überlagert wurden.

Viertens war es für die Abgeordneten einfach ein unmöglicher Zustand, dass sie durch die Kameralistik des Haushaltes gezwungen wurden, angefangen bei der Wiederbeschaffung von Fahrzeugen, Reisekosten, Mieten, Pachten, Post-, Telefongebühren, über die Beschaffung von Geräten, kleinen und großen Baumaßnahmen, Lehr- und Forschungsmitteln bis hin zur Planung von Stellen, jeden einzelnen Haushaltsposten von jeder Einrichtung durchzusehen und dann auch noch zu hinterfragen. Letztlich blieben die Einrichtungen dann dennoch unterfinanziert.

Das alles bestimmte über Einrichtungen - der Minister hat es selbst gesagt -, die nach dem Landeshochschulgesetz mit dem Recht auf Selbstverwaltung ausgestattet sind. Vernünftige und verlässliche mittelfristige Planungen waren den Hochschulen so kaum möglich.

Fünftens stand diese Art der Haushaltsführung der Geschwindigkeit von Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen in Wissenschaft und Forschung im Wege. Insofern hätte es vor allem der letzte genannte Grund sein müssen, die neuen Finanzierungsmodelle aus den Hochschulen heraus zur Diskussion zu bringen.

Bekanntermaßen war es sechstens aber vor allem der Druck aus der Wirtschaft, der Hochschulen in die Effizienzdebatte brachte und auf die Einführung von marktwirtschaftlichem Denken und Handeln bei den Einrichtungen drängte. Der klassische Auftrag von Hochschulen und Universitäten zur Lehre und Forschung geriet unter existenziellen Rechtfertigungsdruck, der sich dann natürlich auch noch für geistes- und sozialwissenschaftliche Bereiche verstärkte. Diesem Mainstream läuft die Hochschulpolitik bis heute hinterher.

Mit der Einführung der ersten Budgetierungsmodelle an Fachhochschulen des Landes stellte sich zwangsläufig die Frage: Wie soll die Hochschullandschaft in SachsenAnhalt aussehen?

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats von Anfang der 90er-Jahre hatten sich teilweise überlebt. Hochschulentwicklungspläne entstanden an den Einrichtungen eben nicht in kooperativer Abstimmung mit anderen Hochschulen. Konkurrierende Studiengänge wurden eröffnet. Die konzipierten Ausbaustufen blieben in der ersten Phase der Umsetzung, und die Studierendenzahlen stiegen entgegen mancher Prognose. Und ich habe auch mein Problem hinsichtlich der Hoffnungen, die Sie wecken, von wegen demografische Entwicklung und weniger Studierende.

Arbeitsgruppen, Kommissionen, Moderatoren, Konferenzen, Papiere, Beschlüsse des Landtages und von Kabi

netten kamen und gingen, ohne dass es eine nachhaltige Klärung gegeben hätte. Die Hochschulen haben also bis heute keine Klarheit über ihre Entwicklungsperspektiven. Die einzige Konstante in diesen Diskussionen war das Infragestellen von Standorten, von Studiengängen, von Stellen und von Studierendenzahlen sowie von Forschungsprofilen.

Die PDS-Fraktion hatte ihrerseits bereits Anfang der 90er-Jahre darauf hingewiesen, dass die einzige echte Entwicklungschance der neuen Länder darin besteht, auf ihr innovatives Potenzial zu setzen, das heißt, Bildungsfinanzierung zu sichern.

Die Haushalte der letzten Jahre belegen - diesbezüglich muss ich anderen Rednern widersprechen -, dass die Schul- und Hochschulbildung in der Prioritätenliste weit oben Platz gefunden hatte.

(Zustimmung bei der PDS)

Der Wissenschaftshaushalt wurde sogar um 100 Millionen DM aufgestockt. Dass sich damit längst nicht alle qualitativen Probleme erledigten, ist unumstritten.

Dagegen bleiben beispielsweise die von Herrn Volk schon zitierten Personalentscheidungen an der MartinLuther-Universität in ihrer Auswirkung für Forschung und Lehre umstritten. Aber gerade dieser Einrichtung wurde unter anderem in Aussicht gestellt, dass mit der Umsetzung eine Grundstruktur entsteht, die das Ende einer schwierigen Umstrukturierung markieren sollte. Insofern war es sinnvoll und richtig, die positiven Erfahrungen aus der Budgetierung und den Zielvereinbarungen der Fachhochschulen in neue Zielvereinbarungen nunmehr für alle Einrichtungen des Landes einzubringen.

Das schien auch Konsens während der Haushaltsberatungen zu sein. Die Zielvereinbarungen - Sie haben es heute selbst gesagt; ich zitiere sie gern noch einmal aus dem Protokoll der Sitzung des Bildungsausschusses - seien kein Instrument zur Einsparung von Mitteln, sondern ein Instrument zur Verstetigung verlässlicher Rahmenbedingungen, auf denen die Hochschulen ihre Autonomie entwickeln, sich selber Schwerpunkte und Profile setzen könnten und in ein vernünftiges Verhältnis mit dem Staat kämen, der bei dieser Gelegenheit seine Steuerungsfunktion modernisiere. Die Hochschulen würden als Partner benötigt, und deshalb sei es zu keinen einschneidenden Veränderung in den Hochschulbudgets gekommen.

Weiter heißt es im Protokoll: Die von der Vorgängerregierungen in Gang gesetzte vernünftige Entwicklung könne nicht mittendrin gebremst werden, indem die Handlungsvoraussetzungen der Hochschulen von Grund auf zur Disposition gestellt würden.

(Beifall bei der PDS)

Dem habe ich natürlich nichts hinzuzufügen. Ich stimme Ihnen zu. Insofern habe ich - wie auch andere - dem Minister geglaubt, dass die Zielvereinbarungen kurz vor der Unterzeichnung durch die Rektoren und ihn stünden.

Gespräche an den Hochschulen aber ergaben ein völlig anderes Bild. Keine Hochschule war bereit, eine Zielvereinbarung einzugehen, die sie letztlich ab 2006 10 % der Budgets kosten würde, zumal zum Zeitpunkt der geforderten Unterzeichnung niemand sagen konnte, auf welche Strukturveränderungen es hinauslaufen würde. Der Minister wollte nach eigenem Bekunden weg vom

Rasenmäher. Aber was ist denn diese Zielfunktion? Sie ist doch nichts anderes als ein Rasenmäher.

(Beifall bei der PDS)

Selbst die Bündelung von Ressourcen und Potenzialen wird nicht billiger werden; denn die Erfahrung hat längst gezeigt, dass Wissenschaft und Spitzenforschung noch nie billiger geworden sind. Das ist eine absolute Illusion. Gleich bleibende Budgets - Sie haben es ja selbst gesagt; darauf beziehe ich mich gar nicht so sehr kritisch - bedeuten bereits eine relative Verschlechterung, ganz zu schweigen von Fragen der Besoldungs- und Tarifangleichung, von künftigen Akkreditierungskosten und der Tatsache, dass wir mehr Studierende aus dem eigenen Land an den Hochschulen halten wollen. Nicht zuletzt gehören die Hochschulen in den Städten und Regionen mit zu den größten Arbeitgebern, und sie haben wachsende Bedeutung für einheimische Unternehmen.

Da das Kultusministerium nicht in der Lage war, die Zielvereinbarungen fair zur Unterzeichnung zu bringen, konnten die Haushalte der beiden Universitäten vor der zweiten Lesung nicht beschlossen werden. Das ist ein ebenso einmaliger wie skandalöser Vorgang. Dass dann aber in der zweiten Lesung die Hochschulhaushalte mit Regelungen zum Beschluss gebracht werden, die irgendwo zwischen Nötigung und Erpressung liegen, untergräbt das, was gerade in der Phase der Profilbildung und Qualifizierung auch nach Ihrem eigenen Bekunden dringend notwendig ist: Kooperationsbereitschaft und partnerschaftliches Handeln.

10 % der versprochenen Budgets 2004 und 2005 unter ministeriale Kuratel zu stellen, ohne eindeutige Bedingungen zur Erlangung zu definieren, muss zwangsläufig Misstrauen wecken.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben im Finanzausschuss gesagt - deshalb habe ich vorhin noch einmal interveniert -, die 10 % stünden zur Verfügung; dazu käme noch die Tarifanpassung. Ich zitiere wörtlich:

„Die verbleibenden 10 %“

- also der Klammerausdruck „Plus-x-Mittel“ -

„werden zunächst in einer künftigen Titelgruppe 86 - Maßnahmen zur Profilierung und Umstrukturierung der Hochschulen des Landes - Kapitel 06 02“

- also Ihrem Kapitel -

„zugeführt.“

Das heißt, Sie haben auch im Ausschuss gesagt, dass diese 10 % da sind. Wir reden nicht über weniger als diese 10 %. Ihre Auskunft im Ausschuss war: Sie sind da. Sie bleiben bei mir. Sie werden unter den Bedingungen der Strukturentscheidungen ausgereicht.

(Beifall bei der PDS)

Allerdings wurde die Frage nicht eindeutig beantwortet: Bekommen die Hochschulen die Mittel bereits dann, wenn sie sich an der Strukturdebatte mit beteiligt haben, oder erst, wenn sie dem Inhalt der Strukturveränderungen zugestimmt haben? - Ich denke, das ist für die Hochschulen inakzeptabel. Deshalb war die Ablehnung die logische Konsequenz und genau genommen vorhersehbar.

Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man Kenntnis davon erhält, dass nunmehr den Hochschulen Briefe zugegangen sind, dass Berufungen sich verzögern.

Herr Minister, in dieser Weise und in so kurzer Zeit eine einheitliche Allianz der Hochschulen gegen sich und die eigenen Pläne zu schmieden, ist eine sehr fragwürdige Leistung. Sie haben selbst gesagt, Sie leiden darunter.