Protocol of the Session on February 7, 2003

(Minister Herr Dr. Daehre: Sie können auch Vor- schläge machen!)

- Wir können das, wenn wir möchten, aber wir sehen Sie erst einmal gern in der Pflicht. - Ich würde Sie bitten, den Antrag zu überprüfen. Ich habe gesagt, wir würden in zwei Punkten darauf eingehen, den Termin 30. April herausnehmen und einen dritten Anstrich, etwa „Deregulierungsvorschläge“, einfügen, sodass die Deregulierung in drei Punkten enthalten ist, wo bisher nur zwei Punkte standen.

Verehrte Frau Kollegin, ich gebe Ihnen insofern Recht, als es einfach zwingend notwendig ist, wenn man Erfolg haben will, dass man mit einem konkreten Konzept antritt, aus dem hervorgeht, dass man diese oder jene Normen und Standards verändern will.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Nur so geht es!)

Derjenige, der als Erster ein schlüssiges Konzept, über das man diskutieren kann, vorlegt, wird als Erster eine Chance auf eine solche Modellregion haben, wenn es denn kommt. Deswegen ist das Gegenstand unseres An

trages. Wir wollen - das ist dem Koalitionsantrag zu entnehmen -, dass sich die Landesregierung mit einem geschlossenen Konzept beim Bund bewirbt und wir sozusagen mit einer höheren Qualität um die Position „Modellregion“ werben. Deswegen bedarf es dazu keiner Änderungsanträge.

(Zustimmung bei der CDU)

Hatten Sie noch das dringende Bedürfnis zu sprechen?

Nein, das bringt nichts mehr.

(Minister Herr Dr. Daehre: Keine neuen Ideen, Herr Püchel? - Heiterkeit)

Als nächstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Thiel für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass sich mir das Anliegen Ihres Antrages erst in mehreren Metamorphosen erschlossen hat. Beim ersten Lesen war mir ungefähr klar, wo Sie hinwollen. Bei den nachgeschobenen Presseerklärungen wurde es mir schon etwas deutlicher. Beim Auftreten der Regierungsprominenz am Unternehmertag am letzten Dienstag wurde es mir vollends klar, wohin Sie eigentlich wollen. Ich zitiere aus der Presse Herrn Ministerpräsidenten Böhmer: „Wir sind bereit, der Wirtschaft alles unterzuordnen“.

Der Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt forderte einen regelrechten Befreiungsschlag von allem, was sozusagen die Wirtschaft an einer erfolgreichen Tätigkeit hindert. Das beginnt mit der Abschaffung des Kündigungsgesetzes und geht bis zum Wegfall der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen.

Nun habe ich heute eine ganz andere Diktion erfahren, nämlich dass die Regierungskoalition der Auffassung ist, man solle erst einmal nach Berlin schauen und dort für Ordnung sorgen. Dann könne man im Land SachsenAnhalt darüber nachdenken, den eigenen Laden in Ordnung zu bringen. Das halte ich für etwas fatal.

(Zuruf von der CDU)

Ich bin trotzdem Herrn Dr. Schrader sehr dankbar, dass er mit sehr deutlichen Worten klar gemacht hat, in welche Richtung Ihre Vorschläge ziehen. Das schafft durchaus Klarheit. Ich sage Ihnen, wäre ich Unternehmer, dann könnte ich diesen Vorschlägen durchaus einen gewissen Charme abringen.

(Zurufe von der CDU und von der FDP: Sie sind doch Unternehmer!)

- Ich wollte sagen, wäre ich nur Unternehmer, Entschuldigung.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD)

Aber ich stehe als Landespolitiker - -

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: Diese Janusköpfigkeit! - Herr Dr. Pü- chel, SPD: Sie haben doch keine gespaltene Persönlichkeit!)

Ich stehe als Landespolitiker in der Verantwortung, zu sagen, dass nach meiner Auffassung eine einseitige, von Lobbyismus geprägte Sichtweise eben nicht der Ausgangspunkt für politische Entscheidungen für das Gemeinwohl sein kann.

(Beifall bei der PDS)

Deshalb sah sich unsere Fraktion veranlasst, einen Änderungsantrag einzubringen, um das entsprechende Konzept der Landesregierung genau um diese Punkte zu erweitern. Unser Ziel ist es - das haben wir schon oft gesagt -, die Wirtschaft nicht durch falsch verstandene Deregulierung und den Abbau von Schutzrechten, sondern vor allem durch Entbürokratisierung zu fördern.

Märkte, Wettbewerb und Eigentumspluralismus betrachten wir für eine innovative Wirtschaftsentwicklung als unverzichtbar - das sage ich als PDS-Politiker sehr deutlich. Da jedoch Märkte soziale und ökologische Interessen nicht unbedingt vordergründig berücksichtigen, müssen die entsprechenden Regularien des Marktes durch gesellschaftliche Regularien ergänzt werden. Wir bewerten eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik nicht einfach nach der Höhe und der Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes, sondern vor allem nach ihrem Beitrag für ein selbstbestimmtes Leben für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

Fragen Sie einmal, meine Damen und Herren von der Koalition, Ihren Investitionsbeauftragten Herrn Bohn oder den Chef des Wirtschaftsbeirates Herrn Ludewig, welche Erwartungshaltungen Investoren an den Standort Sachsen-Anhalt knüpfen. Dann werden Sie solche Antworten hören wie gute infrastrukturelle Bedingungen inklusive vernünftiger Abgaben und Gebühren, eine qualifizierte und motivierte Arbeitnehmerschaft, eine ausgeprägte Kulturlandschaft und eine vom Servicegedanken geprägte Begleitung der Ansiedlung durch die öffentliche Hand.

Alles das sind Dinge, die im Widerstreit sind mit dem, was wir in den letzten zwei Tagen diskutiert haben, nämlich dass bei Forderungen nach rigoroser Steuerentlastung bestimmte Dinge eben nicht mehr bedient werden können, die gerade - wie ich es betont habe - für das Land Sachsen-Anhalt wichtig sind. Trotzdem ist die Steuergesetzgebung auf den Prüfstand zu stellen.

Herr Dr. Schrader, Sie sprachen das Thema der Soll-IstBesteuerung an. Sie haben die Macht. Bringen Sie es endlich auf den Weg und reden Sie nicht immer nur davon.

(Beifall bei der PDS)

Der Abbau von Arbeitnehmerrechten hat nicht gerade eine Signalwirkung für die positive Motivation der Beschäftigten. Teilzeitjobs und niedrige Bezahlung haben sich in den vergangenen Jahren eben nicht als Wachstumsmotor erwiesen. Es ist doch vielmehr so: Wenn genügend Aufträge vorhanden sind, dann werden auch genügend Arbeitsplätze geschaffen.

(Beifall bei der PDS)

Deswegen haben wir uns in unserem Antrag dafür ausgesprochen, dass wir versuchen sollten, vor allem die Landesgesetzgebung zu entbürokratisieren und nach einem Modell zu suchen, damit wir in bestimmten Dingen schrittweise und zügig vorankommen. Wir sahen uns auch deshalb zu unserem Änderungsantrag veranlasst, weil der Entwurf von CDU und FDP mit keinem Wort die Rolle des Landtages und seiner Ausschüsse in diesem

wichtigen Prozess erwähnt. Für uns ist das mehr als ein kleiner Schönheitsfehler und es bedarf einer Klarstellung.

Wir würden dafür plädieren, dass wir alle drei Anträge in den Ausschuss überweisen. Trotzdem können Sie mit Ihrer Mehrheitskoalition ein deutliches Signal nach Berlin senden, falls Sie es denn wollen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Dr. Thiel. - Als letzte Debattenrednerin hätte die Abgeordnete Frau Röder für die FDP-Fraktion das Wort. Sie hat signalisiert, dass sie ihre Rede zu Protokoll geben möchte.

(Zu Protokoll:)

„Wir Deutschen werden von Menschen regiert, die uns nicht viel zutrauen und deshalb auch nichts zumuten. Tagtäglich wird die Freiheit mit Füßen getreten zugunsten einer illusionären Sicherheit. Für alle Fragen findet sich eine autoritative Antwort. Ein anonymer Behördenautomatismus erlässt unzählige und teilweise unsinnige Ge- und Verbote.

Die von diesen Lenkungsmechanismen erzeugte Risikoscheu ist dabei das größte Risiko der deutschen Volkswirtschaft und reduziert so die Sicherheit für alle Beteiligten. Denn dauernde Gängelung zerstört systematisch das Vertrauen der Menschen in die eigene Kraft. Im Schleppnetz aus Anordnungen und Schutzvorschriften verfängt sich jede Selbstverantwortung, jeder Mut, jede Initiative.

Unser aller Lamentieren über Anspruchsdenken und fehlende Selbstverantwortung ist daher scheinheilig: Mit seiner Bevormundung erzeugt der Staat exakt das Verhalten, das er nachher beklagt. Wenn wir es ändern wollen, müssen wir konsequent die Kräfte der Selbststeuerung wiederbeleben - also Freiheit ernst nehmen.“

Diese salbungsvollen Worte stammen nicht aus meiner Feder, sondern aus einem Beitrag in der „Wirtschaftswoche“ aus der vergangenen Woche. Nichtsdestotrotz halte ich diese Worte für nur allzu richtig.

Mit dem vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen wird ein wichtiger Schritt in die Richtung getan, sich aus dieser Starre zu befreien. Wir wollen, dass SachsenAnhalt eine Modellregion wird, in der Bundesvorschriften vereinfacht und entrümpelt werden können, um so der Wirtschaft mehr Freiraum zu geben. Eine Reihe konkreter Vorschläge wurde von meinen Vorrednern schon genannt.

Natürlich halte ich es für wünschenswert, das alles in ganz Deutschland umzusetzen. Der Leidensdruck auf Bundesebene scheint aber noch nicht groß genug zu sein, um ans Werk zu gehen.

Der Vorschlag von Minister Clement, Modellregionen auszuweisen, in denen das alles geschehen kann, bietet dem Land Sachsen-Anhalt eine einmalige Chance. Als Modellregion kann Sachsen-Anhalt eine wirksame Wirtschafts- und damit Arbeitsmarktpolitik betreiben.

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, erstens im Rahmen der eigenen Kompetenz tätig zu werden, zweitens ein umfassendes Konzept bezüglich der Bundes

vorschriften zu erarbeiten und drittens sich mit diesem Konzept bei der Bundesregierung als Modellregion zu empfehlen.

Die Modellregion kann aber nur dann ein Erfolg werden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Zum einen müssen möglichst umfassende Rechtsgebiete freigegeben werden. Es nützt nichts, punktuell und in Randbereichen tätig zu werden. Wenn dieses Projekt von der Bundesregierung ernsthaft gewollt ist, dann muss sie hierbei ans Eingemachte gehen.

Zum anderen ist Planungssicherheit nötig - für die Unternehmen, die investieren sollen, und für die Politik, die aussagekräftige Daten und Ergebnisse braucht. Die Modellregion braucht also eine möglichst lange Laufzeit oder zumindest Bestandsschutz.

Ich bitte die Landesregierung darum, diese beiden Punkte gegenüber der Bundesregierung darzustellen.

Noch einige Worte zum Änderungsantrag der SPD. Dem Grundsatz nach sind wir uns offensichtlich einig. Unsere Zustimmung können wir Ihnen aber nicht geben. Ihr Abschnitt II setzt zum einen der Landesregierung eine zu kurze Frist, gibt ihr zum anderen einen aus unserer Sicht zu unkonkreten Arbeitsauftrag.

Eine Berichterstattung vom Ausschuss zu gegebener Zeit versteht sich von selbst und kann dann im Rahmen der Selbstbefassung erfolgen. Über Gesetzesänderungen beschließt der Landtag dann, wenn diese anstehen, wenn wir wissen, wo wir tätig werden können.