Protocol of the Session on February 7, 2003

Es bleibt die Frage, ob die USA einem Alleingang zustreben und ob man sie daran noch hindern kann. Deutschland wird nicht die Kraft und nicht die Möglichkeit haben, einen Krieg, den die Amerikaner führen wollen, zu verhindern, nicht durch sein Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat und nicht durch sonstige Maßnahmen. Aber Deutschland ist unserer Meinung nach dazu verpflichtet und auch dazu in der Lage, daran mitzuwirken, dass alle friedlichen Möglichkeiten bis zum Letzten ausgeschöpft werden.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Ferch- land, PDS)

Leider ist in den letzten Wochen und Monaten das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA gestört.

(Zurufe von der CDU: Ja! Eben!)

Das liegt auf der Hand.

(Herr Scharf, CDU: Das ist aber kein Zufall! - Zu- ruf von der CDU: Kein Wunder! - Zurufe von der FDP)

Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland gut bis sehr gut, allerdings mit deutlichen Schwankungen. Das alles wissen wir. Es gibt sehr vielfältige und enge Verflechtungen zwischen Deutschland und den USA. Es gibt eine große Menge an Gemeinsamkeiten im Hinblick auf Werte und Ziele. Den Beweis dafür hat Deutschland beispielsweise nach den Terroranschlägen vom 11. September erbracht. Damals ist Gerhard Schröder von vielen dafür gescholten worden, dass er von uneingeschränkter Solidarität gesprochen hat.

(Herr Schröder, CDU: Das ist lange her! - Weitere Zurufe von der CDU)

Das zum Beispiel scheinen die Amerikaner vergessen zu haben, im Moment jedenfalls. Es ist also nicht so, dass wir zu den USA auf Konfrontationskurs gehen würden oder gehen wollten. Aber, meine Damen und Herren, es muss doch unter Freunden möglich sein, eine eigene Meinung zu haben, diese eigene Meinung zu vertreten

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

und diese Meinung zur Grundlage des eigenen Handelns zu machen. Das muss doch noch möglich sein. Es

darf doch nicht dazu kommen, dass die Großmacht USA allen anderen sagt, welche Meinung sie zu haben haben. Das können wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

Ich habe mich immer gegen jede Form des Antiamerikanismus ausgesprochen. Aber was sich jetzt abspielt, das ist nicht besonders fein. Es gibt ein deutsches Sprichwort, das lautet: Man kann einem Menschen nicht viel Besseres wünschen als höfliche Feinde und grobe Freunde. - Aber die Grobheit, die die Amerikaner uns gegenüber jetzt an den Tag legen - nach dem, was wir gestern wieder von Rumsfeld gehört haben, der Deutschland in einem Atemzug mit Kuba und Libyen genannt hat -,

(Herr Schlaak, CDU: Der hat eben auch seine eigene Meinung!)

diese Grobheit, glaube ich, geht etwas weiter, als man sie sich von Freunden wünschen kann.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Herr Schröder, CDU: Die haben eben auch ihre eige- ne Meinung!)

Was also folgt aus unserer Grundhaltung? Ich sagte, wir wollen prinzipiell alle Möglichkeiten nutzen. Aber ich will Ihnen auch sagen, was aus der Grundhaltung nicht folgt. Die Einschätzung der Lage im Irak ist nahezu identisch. Wir sagen nicht, dort sei alles harmlos und alles gut, deswegen dürfe man nichts tun. Es ist auch klar, dass wir Deutschen die Bündnistreue einhalten werden und dass wir unsere Vertragsverpflichtungen erfüllen müssen.

(Herr Schröder, CDU: Wollen!)

Das wird von vielen, die den radikalen Pazifismus vertreten, abgelehnt. Wir alle haben davon gelesen: Was ist mit den Überflugrechten usw. usf. Die Vertragstreue und die Bündnistreue muss Deutschland - auch aufgrund dieser Grundhaltung - sicherstellen.

Deutschland hat auch bereits humanitäre Hilfe angeboten. Vor diesem Hintergrund finde ich es empörend, was Rumsfeld gestern gesagt hat. Auch Bundeswehrlazarette usw. sind für den Fall, dass es amerikanische Verwundete gibt, die versorgt werden müssen, angeboten worden. Das alles gibt es. Es ist auch zusätzlicher Schutz für gefährdete Personen und Einrichtungen zugesagt worden.

Meine Damen und Herren! Wir müssen an dieser Stelle vielleicht nicht über viele Gründe, die es für einen Krieg geben könnte oder die angeführt werden, reden. Wer aber beispielsweise sagt, es ginge hier um Blut für Öl, der sieht alles zu eng.

Ich weiß nicht, ob Sie alle regelmäßig die „Zeit“ lesen. In der vorletzten Woche war ein großer Artikel in der „Zeit“, in dem diese These sehr überzeugend infrage gestellt worden ist. Ganz einfach zusammengefasst: Wenn die Amerikaner an das Öl heran wollten, dann könnten sie das Embargo lockern; so kämen sie billiger an das Öl als mit einem Krieg. - So einfach darf man es sich dabei also nicht machen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Es sind tiefere Gründe, die möglicherweise in bestimmten Denkschemata der Amerikaner zu finden sind, die dort zurzeit überhand nehmen. Wirtschaftliche Interes

sen gibt es solche und solche. Diese einfache Plattform sollte man nicht einnehmen; vielmehr muss man eine differenzierte Betrachtung anstellen.

Meine Damen und Herren! Es ist klar, dass die Welt nicht auf den Landtag von Sachsen-Anhalt schaut und fragt, was wir hier zu Krieg und Frieden sagen. Wir haben dazu keine eigene Kompetenz. Das alles haben wir hier schon oft beredet. Aber wir haben die Kompetenz, hier über wichtige öffentliche Angelegenheiten zu reden und uns eine Meinung zu bilden. Das müssen und sollen wir auch tun. Wir müssen viel Engagement dafür aufwenden; denn das sind wir denjenigen, für die wir als Vertreter im Landtag sitzen oder stehen, schuldig.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Wir sind dabei in Übereinstimmung mit sehr vielen Kräften in diesem Land, mit Sicherheit mit weit mehr als der Mehrheit und auch mit vielen, die sich klar erklärt haben. Die Kirchen sind selten so deutlich gewesen wie in dieser Frage, indem sie die Ablehnung des Krieges vornan stellen.

Dass der Versuch eines gemeinsamen Antrages nicht geglückt ist, kann man bedauern. Vielleicht kann man es auch begrüßen. Vielleicht wären da die unterschiedlichen Meinungen nicht ganz so deutlich gewesen. Ich kann nur sagen: Ich hätte hier - egal, welcher Antrag auch vorgelegen hätte -, das gesagt, was ich jetzt gesagt habe, weil das die Meinung ist, die ich für uns hier zu vertreten habe.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss noch einmal etwas klar zu den Zielen sagen, die wir vor Augen haben. Der Irak muss zum Einlenken und zur Abrüstung gebracht werden, sobald nachweisbar ist, dass die Abrüstung nötig ist, und offensichtlich ist sie nötig. Es müssen dazu alle friedlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Die Lösung muss auf der Basis des Völkerrechts erreicht werden. Der Krieg mit seinen unabsehbaren Folgen muss vermieden werden. Alle Chancen, die sich dazu bieten, müssen wir nutzen. Genau dazu sind wir verpflichtet, nicht auf den Krieg, sondern auf den Frieden zuzusteuern und die Mittel dafür zu verwenden. - Danke.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Danke, Abgeordneter Herr Dr. Fikentscher, für die zweite Einbringung. - Wir treten jetzt ein in die Debatte der Fraktionen. Als ersten Debattenredner für die FDPFraktion rufe ich den Abgeordneten Herrn Lukowitz auf. Ich möchte aber zuvor noch Schülerinnen und Schüler der Krankenpflegeschule Halle herzlich bei uns begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Lukowitz, Sie haben das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich schließe mich Herrn Dr. Fikentscher an. Ich begrüße, dass wir im Landtag von Sachsen-Anhalt die äußerst zugespitzte Irak-Krise besprechen und uns mit diesem Thema beschäftigen. Es ist wichtig, dass wir in der Öffentlichkeit von SachsenAnhalt unsere Positionen dazu klarmachen können.

Ich stimme mit Ihnen nicht darin überein, dass man bedauern oder begrüßen kann, dass ein gemeinsamer Antrag, ein interfraktioneller Antrag, nicht zustande gekommen ist. Ich bedaure, dass die anfänglichen Bestrebungen zu einem interfraktionellen Antrag, die eindeutig vorhanden gewesen sind, gescheitert sind. Das sage ich klar und deutlich für die Fraktion der FDP.

Wenn wir uns beide Anträge und auch unseren Alternativantrag ansehen, dann wird gleichwohl deutlich, dass alle Fraktionen des Hohen Hauses an einer friedlichen Lösung des Irak-Konfliktes sehr ernsthaft arbeiten und dass ihnen sehr ernsthaft an einer friedlichen Lösung gelegen ist.

Um es für die FDP-Fraktion auf einen Nenner zu bringen, sage ich zu Anfang: Wir sprechen uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt klar und deutlich gegen einen Krieg im mittleren Osten aus. Damit tragen wir nicht nur den Befürchtungen und verständlichen Ängsten vieler Menschen Rechnung, sondern berücksichtigen auch, dass zurzeit noch nicht alle Handlungsoptionen ausgeschöpft sind, die eine politische und friedliche Lösung immer noch ermöglichen können.

Maßgebend für uns ist dabei, dass die UN-Inspektoren bisher noch nicht die Gelegenheit hatten, ihre Arbeit gemäß UN-Resolution 1441 vollständig zu beenden, dass es noch keine Konsensbildung in der Uno gibt, die für ein geschlossenes Vorgehen gegen den Irak notwendig wäre, und dass der Irak es bisher versäumt hat, Beweise dafür zu liefern, dass die in den 90er-Jahren begonnenen Rüstungsprojekte auf dem Gebiet von atomaren, chemischen und biologischen Waffen eingestellt wurden.

Meine Damen und Herren! Der Irak - das muss man auch klar und deutlich einmal als Antipode zu dem, was dazu bisher vorgetragen wurde, sagen - hat über Jahre hinweg UN-Resolutionen verletzt. Ein unberechenbares Regime, wie es Saddam Hussein anführt, stellt mit Massenvernichtungswaffen ausgerüstet eine Bedrohung des Weltfriedens und der Sicherheit der Nachbarstaaten dar. Darüber gibt es sicherlich auch in diesem Hause Einigkeit.

Die Vorstellung von US-Außenminister Powell - da bin ich ganz anderer Auffassung und habe auch ganz andere Auffassungen gehört, als sie Frau Hein vorgetragen hat - am Mittwochabend vor dem Weltsicherheitsrat war beeindruckend und beängstigend zugleich. Aufgrund seines Vortrages verdichten sich die Indizien dafür, dass Saddam Hussein an ABC-Waffenprogrammen arbeitet und der Irak mangelhaft mit den Inspekteuren der Uno kooperiert. Damit hat sich die Lage aus meiner Sicht weiter deutlich zugespitzt.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Die FDP ist aber auch nach der Rede Colin Powells der Auffassung, dass den UN-Inspektoren weiterhin genügend Zeit für ihre Arbeit zur Verfügung stehen muss. Die Erfahrungen in der Vergangenheit zeigen allerdings - das muss man auch deutlich sagen -, dass Saddam Hussein die Abrüstungsverpflichtungen nur auf massivsten Druck der internationalen Staatengemeinschaft erfüllen wird.

Der Druck wird aber nur dann ernst genommen, wenn als Ultima Ratio auch der Wille zur militärischen Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrates erkennbar bleibt, meine Damen und Herren. In diesem Fall

gehen wir davon aus, dass eine militärische Umsetzung einer weiteren Resolution des UN-Sicherheitsrates bedarf, weil nur so der einmütige Wille der Staatengemeinschaft und die völkerrechtliche Legitimität eines derartig massiven Schrittes dokumentiert werden kann.

Jetzt komme ich zu einem Thema, das bisher auch mit einer ganz anderen Auffassung angesprochen worden ist. Ein Land von der Bedeutung Deutschlands darf bei den Entscheidungen des Weltsicherheitsrates in dieser wichtigen Frage nicht abseits stehen, sich die Hände nicht durch Vorfestlegungen auf isolationistische Positionen binden und damit die Geschlossenheit der Weltvölkergemeinschaft gegenüber Saddam Hussein sowie die Autorität und Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen schwächen, so wie es diese Bundesregierung getan hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank - Zuruf von Herrn Dr. Polte, SPD)

Das Gewaltmonopol und die Verantwortung für Frieden und Sicherheit auf der Welt müssen bei den Vereinten Nationen bleiben. Nationale Alleingänge darf es nicht geben. Das haben wir ausdrücklich in unserem Antrag betont.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen, die FDP-Landtagsfraktion erwartet von der Bundesregierung, den Weltsicherheitsrat bei der Umsetzung der Resolution 1441 in aller Konsequenz zu unterstützen und dabei alles dafür zu tun, dass dies ohne Militäreinsatz gelingt und der Frieden bewahrt bleibt. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und gebe bekannt, dass das Abstimmungsverhalten bei der FDP-Fraktion zu diesem Thema freigestellt worden ist. - Danke.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)