Protocol of the Session on December 13, 2002

„die Voraussetzungen für die präventive Rasterfahndung den aktuellen Erfordernissen angepasst werden und diese Maßnahmen künftig zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung bei Anordnungsvorbehalt durch das Ministerium des Innern und unverzüglicher Unterrichtung des Landesbeauftragten für den Datenschutz zulässig sind und“

- den zweiten Punkt nenne ich gleich mit -

„ein ausdrückliches Wegweisungsrecht in Fällen der häuslichen Gewalt eingeführt wird.“

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende, bitte.

Meine Damen und Herren! Wie Sie dem vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung entnehmen können, sind genau diese Positionen nahezu wortwörtlich umgesetzt worden. Von Umfallen kann ich da also nicht reden.

Herr Kollege Rothe, Sie haben auch auf die Koalitionsverhandlungen hingewiesen. Eine Anmerkung kann ich mir an dieser Stelle einfach nicht verkneifen: Ein Koalitionsvertrag enthält in Teilen auch Regelungen, die der reinen Lehre des einen oder anderen Koalitionspartners nicht entsprechen. Es werden eben Regelungen aufgenommen, die für beide einen Kompromiss darstellen. Dass Sie, Herr Kollege Rothe, sich mit Koalitionsverträgen nicht so gut auskennen, ist wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass sich Ihre Partei in den letzten acht Jahren dagegen gewehrt hat, einen solchen mit der PDS abzuschließen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: Es gab doch einen! - Frau Dr. Kuppe, SPD: Wir hatten mit dem Bündnis 90/ Die Grünen einen Koalitionsvertrag!)

Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die konkreten Änderungen bezüglich der Rasterfahndung näher eingehe, möchte ich nochmals den bereits im Juli vorgelegten Gesetzentwurf der SPD näher beleuchten.

Wir erinnern uns: Die SPD hat einen Gesetzentwurf zur Rasterfahndung mit dem Inhalt vorgelegt, die Rasterfahndung zur Abwehr einer abstrakten Gefahr einzusetzen, wenn diese von einer internationalen terroristischen Vereinigung ausgeht und hinreichende Erkenntnisse der fachkundigen Stellen vorliegen, die diese Gefahrenlage begründen. Bereits in dieser Debatte habe ich darauf hingewiesen, dass ich Bedenken hinsichtlich des Abstellens auf die Voraussetzungen der so genannten abstrakten Gefahr habe.

Herr Kollege Rothe, Sie haben mich ja zitiert. Allerdings haben Sie sehr lückenhaft zitiert. Wenn Sie den ganzen Abschnitt zitiert hätten, wäre deutlich geworden, dass ich Folgendes gesagt habe: „Eine Notwendigkeit zur Abkehr von der gegenwärtigen Gefahr hin zu einer abstrakten Gefahr besteht nach Auffassung der FDP nicht.“ - Das war mein Satz.

Sehr geehrte Kollegen! Von der SPD wird auch immer ein anderer Vorwurf erhoben, nämlich dass die vorgeschlagene Abschaffung des Richtervorbehalts im Entwurf der Landesregierung nicht hinnehmbar sei. Mehr noch, Kollege Rothe, Sie werden nicht müde, auf den eigenen Gesetzentwurf zu verweisen, in dem der Richtervorbehalt verankert sei. Wörtlich haben Sie erklärt: „Die SPD will am Richtervorbehalt festhalten.“

Doch lassen Sie uns einmal einen genaueren Blick auf den Richtervorbehalt à la SPD werfen: Auf den ersten Blick kann man das nicht leugnen; gesetzestechnisch bleibt der Richtervorbehalt unangetastet. Doch wenn man sich die von Ihnen vorgeschlagene Änderung vor Augen führt, nämlich die Abkehr von der gegenwärtigen Gefahr hin zur abstrakten Gefahr, dann kann ich nur zu einem Ergebnis kommen: Sie, meine Damen und Herren von der SPD, führen den Richtervorbehalt durch die gewollte Einführung der abstrakten Gefahr ad absurdum; denn die Schwelle, die Sie setzen, um eine Rasterfahndung durchzuführen, ist so niedrig, dass der Richter am Ende bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen gar nichts anderes tun kann, als diese Rasterfahndung zuzulassen. Das hat mit einem Richtervorbehalt, wie er in

der derzeitigen gesetzlichen Regelung verankert ist, nichts mehr zu tun.

Falsch ist auch die in der Diskussion teilweise aufgestellte Behauptung, durch den beabsichtigten Wegfall des Richtervorbehalts würde überhaupt keine gerichtliche Überprüfung mehr stattfinden. Selbstverständlich wird eine richterliche Überprüfung der Rasterfahndung in einem rechtsstaatlichen Verfahren immer noch möglich sein.

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von CDU und FDP wollen einen anderen Weg gehen als den, den Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorgeschlagen haben. Vor dem Hintergrund der terroristischen Anschläge der letzten Monate, ausgehend vom 11. September 2001, ist eine Terrorismusbekämpfung notwendig. 15 Monate nach dem 11. September 2001 wird aber kein Gericht mehr davon ausgehen, dass es noch eine bestehende gegenwärtige Gefahr gibt. Die Hürde des geltenden SOG für die Rasterfahndung ist insbesondere im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung nicht mehr überwindbar.

Die Koalitionspartner haben sich daher zur Regelung der präventiven Rasterfahndung entschlossen und eine Regelung vorgeschlagen, welche die Fortführung der Bekämpfung des Terrorismus ermöglicht.

An dieser Stelle möchte ich aber noch auf eines hinweisen: Die Rasterfahndung ist nicht das erste zur Verfügung stehende Mittel. Die Rasterfahndung kommt nur zum Einsatz, wenn - ich zitiere aus dem Entwurf - „dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und auf andere Weise nicht möglich ist“.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf die Regelungen zur häuslichen Gewalt eingehen. Auch zu diesem Thema hat der Landtag in der vierten Wahlperiode schon eine Debatte geführt. Auch in dieser Debatte hat der Minister des Innern bereits darauf hingewiesen, dass mit der anstehenden und im Koalitionsvertrag festgelegten Novellierung des SOG von der Regierung und den Koalitionsfraktionen noch eine Regelung vorgeschlagen werden wird.

Mit der Aufnahme einer ausdrücklichen Regelung zur Wegweisung bei häuslicher Gewalt wird aus der Sicht der öffentlichen Gefahrenabwehr eine gesetzliche Regelung getroffen, die die mit dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten, dem Gewaltschutzgesetz, getroffenen Festlegungen bezüglich der zivilrechtlichen Aspekte der häuslichen Gewalt ergänzt.

Ich habe bereits in der im Sommer geführten Debatte erwähnt, dass die Problematik der häuslichen Gewalt ernst zu nehmen ist, in eine gesellschaftliche Debatte gehört und dass wir eine sachgerechte Lösung anstreben müssen. Ich glaube, die im Entwurf der Landesregierung vorgeschlagene Regelung beachtet die zum Teil auch verfassungsrechtlich garantierten Rechte aller Betroffenen.

Deshalb möchte ich abschließend einen Wunsch äußern, nämlich dass wir in der Ausschussberatung konstruktive Diskussionen miteinander führen. Insoweit kann ich Ihrem Wunsch, Herr Minister des Innern, leider nicht ganz folgen; denn wir werden uns in den Ausschussberatungen die Zeit nehmen, auch mithilfe einer Anhörung alle Regelungen so zu diskutieren, dass wir am Ende davon ausgehen können, dass wir eine gute Novellierung des SOG hinbekommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Herr Abgeordneter Kosmehl, hat Herr Dr. Püchel jetzt die Möglichkeit, seine Frage zu stellen?

Bitte schön.

Ich habe eine ganz indiskrete Frage: Wann haben Sie denn zum ersten Mal in der Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb gelesen?

Herr Dr. Püchel, ich hatte die Ehre, möchte ich sagen, die Koalitionsverhandlungen im Innenbereich zu führen. Ich habe daher an den Ausführungen mitgearbeitet und habe sie mir vor der Abstimmung auf dem Parteitag der FDP natürlich noch einmal gründlich zu Gemüte geführt.

Eine Zusatzfrage?

Aber natürlich.

Kann es sein, dass Sie gerade auf der Toilette waren, als das Thema Rasterfahndung behandelt wurde?

(Zuruf von der CDU: Was ist das für eine Frage?)

Könnten Sie das wiederholen? Es war akustisch nicht verständlich.

Ich lasse es lieber sein.

Nein, ich habe die Frage verstanden. Ich hatte das bereits ausgeführt, Herr Dr. Püchel.

(Zurufe: Können Sie die Frage wiederholen? Ich habe sie nicht verstanden!)

- Herr Dr. Püchel hat gefragt, ob ich auf der Toilette gewesen sei, als das Thema behandelt worden sei.

(Heiterkeit)

Ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, wann ich während der Koalitionsverhandlungen auf der Toilette war - das wird sicherlich auch vorgekommen sein -; aber ich habe Ihnen bereits zu vermitteln versucht, dass eine Koalitionsvereinbarung Kompromisse enthalten muss.

Herr Rothe hat ja eine ganze Menge Punkte, die im Wahlprogramm der CDU aufgeführt waren, aufgezählt. All diese Punkte haben wir durchgesprochen. Wir sind am Ende zu einer gemeinsamen Lösung gekommen, die wir vertreten wollen, können und werden und die für bei

de Partner gleichermaßen zufrieden stellend ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Kosmehl. - Ich rufe für die PDS-Fraktion den Abgeordneten Herrn Gärtner auf.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne meine heutige Rede zur geplanten Verschärfung des Polizeigesetzes mit einem Zitat:

„Leider ist es in vielen Politikbereichen zu einer Unsitte geworden, auf tragische Ereignisse immer mit der Forderung nach Verschärfung bestehender Gesetze zu reagieren.“

Kann sich jemand in diesem Hohen Hause an dieses Zitat erinnern?

(Herr Kosmehl, FDP, hebt die Hand)

- Danke, Herr Kosmehl. Genau Sie formulierten das während der Debatte zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Rasterfahndung in der Sitzung des Landtages am 18. Juli 2002 hier in diesem Haus.

Recht hat der Mann, nur dass er heute einen Gesetzentwurf unterstützt, der genau der Forderung nach der Verschärfung von Gesetzen nachkommt; denn nichts anderes ist dieser Gesetzentwurf, der heute hier zur Diskussion steht. Letztlich ist das, was hier formuliert wird, die konsequente Fortsetzung dessen, was das Hohe Haus vor gut zwei Jahren mehrheitlich gegen den Widerstand der PDS-Fraktion auf den Weg gebracht hat.

Ich könnte an dieser Stelle eigentlich auf einen Redebeitrag verzichten und auf meine damaligen Beiträge verweisen; denn letztlich bleibt die grundsätzliche Kritik bestehen und dem damals Gesagten ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Allerdings haben sich im weltweiten Maßstab mit den schrecklichen Ereignissen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten einige Eckpunkte geändert, die einer tieferen Betrachtung bedürfen.

Meine Damen und Herren! Ich will aber unsere Gesamtbewertung voranstellen: Die PDS-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt lehnt die von der CDU-FDP-Koalition beabsichtigte Verschärfung des Polizeigesetzes ab.