Der Umstand, dass sich die Bundesrepublik jetzt mit einem Versprechen, das sie einhalten muss, in einer bestimmten Weise festgelegt hat, wird uns zwingen, Probleme zu lösen, die wir in Deutschland schon seit Jahren vor uns herschieben. So hat manches auch sein Gutes.
Die ganze Geschichte mit dem Solidarpakt zur Einhaltung der Konvergenzkriterien im Inneren stammt bekanntlich von Theo Waigel aus dem Jahr 1996. Seitdem wird darüber geredet, aber seitdem gibt es auch keinen Konsens darüber, wie ein solcher Solidarpakt aussehen könnte.
Wir sollten es uns nicht zu leicht machen - auch Sie, verehrter Herr Kollege Trepte, nicht - und jetzt lediglich sagen, was wir vom Bund erwarten, und die Dinge so hinstellen, als wenn der Bund gefälligst die Voraussetzungen dafür zu schaffen hätte, dass wir möglichst wenig Kredite aufnehmen müssen. Natürlich werden wir das tun. Das ist das normale Geschäft in den Beziehungen zwischen Bund und Ländern.
Ich bitte aber auch darum, an dieser Stelle darauf hinweisen zu dürfen, dass sämtliche Kommunen SachsenAnhalts von uns das Gleiche erwarten und dass manches von dem, was Sie soeben dem Bundesfinanzminister vorgeworfen bzw. von ihm gefordert haben, die Kommunen von uns, vom Plenum des Landtages und von
Insofern wird dieser Stabilitätspakt nicht nur einer sein, der uns helfen soll, Probleme zu lösen. Er muss uns auch in die Lage versetzen, anderen zu helfen, für die wir Verantwortung tragen, damit die ihre Probleme lösen können.
Ich bitte Sie, sich nur an die letzten Haushaltsberatungen zu erinnern, wie da die Meinungen vermischt waren, und sich auch daran zu erinnern, wer uns von dieser Stelle aus erzählt hat, dass eine weitere Erhöhung der Kreditaufnahme nun wirklich nicht das Allerschlimmste sein könnte, wenn wir Probleme mit der Finanzierung der Aufgaben hätten, die wir lösen und finanzieren müssten.
Deswegen sage ich: Ich kann diese Verhandlungen zu einem neuen Stabilitätspakt eigentlich nur begrüßen. Für das föderalistische System der Bundesrepublik Deutschland wird das dringend notwendig.
Ich erinnere mich, auf dem Fernsehsender Phoenix ein langes Referat des Finanzministers Eichel vor dem Finanzausschuss des französischen Parlaments gehört zu haben.
Frankreich ist völlig anders strukturiert. Dort gibt es einen gnadenlos durchgezogenen Zentralismus. Die haben kein Verständnis für die Finanzhoheit einzelner Regionen oder so etwas. Das hat dazu geführt, dass der Finanzminister Mühe hatte, den französischen Parlamentariern klar zu machen, wie schwierig die Umsetzung der Konvergenzkriterien in der Bundesrepublik Deutschland ist.
Da müssen wir nun aber durch. Davon sind auch Formulierungen des Grundgesetzes und unser grundsätzliches Verständnis vom Staatsaufbau berührt. Dieser Aufgabe werden wir uns jetzt aber unter einem selbst mitgeschaffenen Druck unterziehen müssen.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie die erhebliche Reduzierung der Kreditaufnahme und der Verschuldung bis zum Jahr 2004 entsprechend dem vom Bundesfinanzminister gemachten Versprechen umgesetzt werden soll. Wir haben uns aber selbst vorgenommen, bis zum Jahr 2006 bei uns in Sachsen-Anhalt die Kreditfinanzierung deutlich zurückzuführen. Jeder weiß und kann sich an die letzten Haushaltsberatungen erinnern, was für ein mühsamer Weg das sein wird, wenn wir das tatsächlich erreichen wollen.
Nun kommt noch dazu - das muss man auch ganz deutlich sagen -, dass die Steuerreform und der Gesetzgebungsweg dorthin - man sollte sich schon einmal daran erinnern, dass dieser mit Versprechungen und besonderen Zusagen an die Länder verbunden war, die dann am Ende doch noch zugestimmt haben und mit Geld umgestimmt worden sind - nicht das gebracht haben, was sich die Autoren davon versprochen haben.
Viele Großkonzerne zahlen jetzt fast keine Steuern mehr und bekommen sogar zum Teil in Milliardenhöhe Geld zurückerstattet. Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer, die im Jahr 2000 noch 23 Milliarden € betrugen, sind im Jahr 2001 auf 1,9 Milliarden € zurückgegangen. Das Gewerbesteueraufkommen der Kommunen hat sich lokal unterschiedlich um 20 bis zu 50 % verringert. Die Änderungen des Steuerrechts haben Abschreibungsmöglichkeiten möglich gemacht, die wir uns so fast nicht
hätten vorstellen können und die dazu geführt haben, dass das nicht nur eine gewisse Delle der Steuereinnahmen sein wird, sondern dass auch im Bereich der Körperschaftsteuer noch längere Zeit mit Mindereinnahmen zu rechnen sein wird.
Anders als bisher können Konzerne nun auch Mindereinnahmen aus peripheren Tochterfirmen mit den Gewinnen der Muttergesellschaft verrechnen. Davon wird Gebrauch gemacht, soweit es irgendwie geht. Anders als von der SPD damals geplant, können Konzerne Verluste, die sie in der Vergangenheit gemacht haben, nicht nur wenige Jahre, sondern unbegrenzt vor sich herschieben und dadurch Steuern sparen und die Steuerersparnis so verteilen, dass die Verluste für lange Zeit noch mit erwarteten Gewinnen gegengerechnet werden können.
Auch die Möglichkeit der Konzerne, letztmals den Wertverfall beim Wiederverkauf von Firmenbeteiligungen abzuschreiben, hat dazu geführt, dass im Grunde genommen buchhalterisch zurechtgerückte Verluste geltend gemacht werden können, die vor allen Dingen im Zusammenhang mit dem Börsencrash entstanden sind, sodass die Körperschaftsteuer erheblich zurückgegangen ist. Es ist zurzeit von niemandem, von keinem Finanzplanungsrat vorhersehbar, wie lange diese Entwicklung weitergehen wird.
Hier hat also - das sagen auch Finanzminister, die der SPD angehören - die Steuerreform Webfehler, die so nicht erwartet worden sind. In diesem Zusammenhang möchte ich in aller Offenheit auch sagen: Auch von meiner Partei werden Sie bestimmte Formulierungen nicht mehr hören, die bisher locker gesagt worden sind.
Die Forderung, die zweite Stufe der Steuerreform vorzuziehen, damit ein noch größerer Steuererlass möglich ist, in der Hoffnung, dass die Wirtschaft dadurch Impulse bekäme und irgendwann einmal im Selbstlauf praktisch das Steueraufkommen wieder steigen würde, die stellt jetzt niemand mehr, weil die Finanzminister auch bei uns darauf gedrungen haben, dass man solche Sachen erst einmal durchrechnen muss, bevor man sie in die Welt hinausposaunt. Da gibt es also durchaus einen Wandel in der Meinungsbildung, der meiner Ansicht nach aber auch für uns notwendig ist.
Die Tatsache, dass durch die Gesetzgebung der letzten Zeit höhere Ausgaben auf die Kommunen zugekommen sind - die Bürgermeisterin Frau Theil hat es gestern Abend sehr ausführlich und, wie ich denke, sachlich völlig korrekt dargestellt -, dass die Kommunen im Bereich der Entfernungspauschale, des Kindergeldes und so weiter durch die Gesetzgebung des Bundes zu höheren Ausgaben verpflichtet worden sind, ohne dass sie nach dem Konnexitätsprinzip höhere Einnahmen zur Verfügung gestellt bekommen hätten, hat die Probleme geschaffen, die dazu führen, dass es jetzt zwischen den Ebenen der politischen Entscheidungsträger in Deutschland zu einem Gärungsprozess gekommen ist und dass wir praktisch in einem Stabilitätspakt die Finanz- und Aufgabenverteilung zwischen Kommunen, Ländern und Bund grundsätzlich neu werden überdenken müssen.
Ich habe das aber deswegen so vorgetragen, weil das nicht nur eine Lösung ist, mit der wir Forderungen gegenüber anderen geltend machen und sagen können: Bund, gib uns einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer oder was auch immer, weil wir mehr Geld brauchen. Vielmehr sind wir in der Pflicht, mit den Kommunen genauso umzugehen, für die wir die Verantwortung tragen
und die diese gleiche Forderung an uns stellen. Ich kann Ihnen sagen: Da wird es noch spannend werden. Dazu war aber eine solche Aktuelle Debatte sicherlich auch unter uns einmal nötig. - Vielen Dank.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir haben junge Menschen als Gäste hier zu begrüßen. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler der Heine-Sekundarschule in Reinsdorf.
Wir setzen die Debatte fort mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Wolf für die FDVP-Fraktion. Bitte, Herr Wolf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist von einem führenden Land der EU-Staaten in ein unteres Mittelmaß abgeglitten, und das nicht nur in einer Disziplin. Bildung, Sicherheit und Finanzen bilden inzwischen ein problematisches Trio. Dem kleinen Mann ist der famose Euro auf die Füße gefallen, nachdem er jeder Möglichkeit der Mitsprache beraubt wurde.
Nun ist es die richtige Zeit, die Decke zu lüften. 2,7 % Finanzierungsdefizit bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt kommen ans Licht. Rote Laternen verbreiten sich rasant; denn von 15 EU-Staaten hat Deutschland das mit Abstand höchste Defizit. Deutschland hat sich zum Wachstumsrisiko der EU gemausert - ein vorzeigbares Ergebnis der rot-grünen Koalition und der ruhigen Hand im Wahljahr.
Die Arbeitslosenzahl in Deutschland liegt bei 4,3 Millionen oder in Prozent ausgedrückt bei 9,8 %. In SachsenAnhalt beträgt die Arbeitslosenquote 21 %. Nur Spanien liegt vor Deutschland und hat 1,5 % mehr Arbeitslose.
Negative Sachlagen addieren sich sehr schnell zu einem ausgewachsenen Problem. Es gilt: Bei normaler Konjunkturlage soll ein ausgeglichener Haushalt vorliegen und bei Vorliegen einer Rezession darf das Defizit maximal 3 % des Bruttoinlandsproduktes betragen.
Aus dieser Sachlage heraus - von Deutschland vormals mit beschlossen - sollte an den Finanzminister der Bundesrepublik der allseits bekannte blaue Brief quasi als Warnsignal ergehen. Mit großem politischem Aufwand wurde seine Absendung verhindert, was teuer erkauft wurde. Die Sache ist nicht vom Tisch, die Sache ist rum. Was am schwersten wiegt: Hierdurch sind die EU-Bestimmungen quasi aufgeweicht, womöglich für andere Staaten. Dem weichen Euro bekommt das sehr schlecht.
In der darauf folgenden Ministerrunde sagte Hans Eichel zu, in knapp zwei Jahren, also bis zum Jahr 2004, das gegenwärtige Staatsdefizit von 53,8 Milliarden € auf null zu fahren. Diese Zusage wird nicht zu halten sein. Das weiß Herr Eichel genauer, als ihm lieb ist.
Die meisten Bundesländer, die erheblich zu dem Defizit beigetragen haben und über keinerlei finanzielle Spielräume verfügen, halten den Abbau in der gegenwärtigen Phase für nicht machbar. Das Institut für Wirtschaftsforschung Kiel sagt dazu: Auch bei einer Konjunktur mit
Diese Lücke kann Hans Eichel nur schließen, wenn die Steuern um 30 Milliarden € erhöht werden oder eine Verringerung der Ausgaben um genau den gleichen Wert vorgenommen wird. Da wird es denkbar, dass die Mehrwertsteuer bemüht werden muss.
In dieser angeheizten Atmosphäre gibt es dann Schuldzuweisungen und Kürzungen. Die kommen von oben und werden nach unten durchgereicht. Das ist das Prinzip. Es sollte hier keinen verwundern; denn in SachsenAnhalt wird es genauso gemacht.
Der verzögerte Abbau der Neuverschuldung in SachsenAnhalt resultiert aus der desolaten Lage der Wirtschaft. Das hat nun einmal mit dem Tolerierungspartner zu tun, der keine Anziehungskraft auf Investoren entfaltet. Einiges ist also schon hausgemacht.
Nun ist der Ruf nach einem nationalen Stabilitätspakt groß. Eichel wollte einen nationalen Stabilitätspakt in das Maßstäbegesetz aufnehmen. Diese Regelung hätte auch die Länder auf die Maastricht-Ziele verpflichtet. In der Ministerpräsidentenrunde in Berlin wischte der Kanzler in gewohnter Manier den Passus einfach vom Tisch. Im Nachhinein versucht jetzt der Finanzminister, mit den Ländern ein solches Abkommen abzuschließen.
Deutschland ist durch föderale Strukturen geprägt, in denen jeweils Bund, Länder und Kommunen Haushaltshoheit haben, allerdings mit erheblichen Störgrößen. Wie es aber nun um die Haushaltshoheit des Parlaments in Sachsen-Anhalt bestellt ist, muss nicht ausgeführt werden; denn da gab es schon unglaubliche Vorgänge, die dann repariert wurden.
Dennoch halten wir nichts von den Sanktionen, wie sie Brüssel praktizieren will. Wer schon Schwierigkeiten hat, dem wird durch zusätzliche Strafen nicht geholfen. Alle Wege führen wieder einmal nur über Wachstum und Arbeit, wenn etwas bewegt werden soll. Vorgegaukelte Zahlen der Arbeitsämter helfen dabei auch nicht. Ganz sicher sollte Deutschland auch weniger - oder besser keine - Kriege bezahlen oder gar führen. Die Milliarden fehlen und Finanzen kommunizieren untereinander, besonders die Finanzlöcher.
Ein politisch sympathischer Standort für Unternehmen ist letztlich gefragt. Das mildert Finanznöte, bringt Brot und Steuern. Genau diesen politisch sympathischen Standort haben wir in Sachsen-Anhalt nicht. Eine Aktuelle Debatte nach dem Motto „Haltet den Dieb“ wird das Problem nicht lösen; denn der Antragsteller ist selbst ein Teil dieses Problems. - Danke.
Danke sehr. - Die Debatte wird abgeschlossen mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Fischer für die SPDFraktion. Bitte, Frau Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schuldzuweisungen des Bundesfinanzministers an die Länder und Kommunen - das hört sich im ersten Moment ganz gewaltig an. Im zweiten Moment könnte man meinen, das sei eine Angelegenheit des Bundes und gehöre folglich auch auf die Tagesordnung des Bundestages. Bei weite
rem Nachdenken wird deutlich, dass es auch Sache eines Landesparlamentes ist, auf die Reaktionen unseres Bundesfinanzministers einzugehen.
Nun erwarten Sie bitte nicht, dass sich die SPD-Fraktion hier und heute anschickt, die Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushaltes zu beleuchten. Das ist nicht unsere Aufgabe. Es kann auch nicht unsere Aufgabe sein, die Reformpolitik des Bundes in ihren Einzelheiten und mit all ihren Auswirkungen auf die Länder, auf die Kommunen, auf die wirtschaftlichen Unternehmen und auf die Bürgerinnen und Bürger zu betrachten. Dafür würde meine Redezeit nicht ausreichen. Nur Teile, zum Beispiel die einer Steuerreform, herauszupicken, halte ich wiederum für unfair; denn dann stimmt das ganze Bild nicht mehr. Ich werde mich also auf einige grundsätzliche Fakten beschränken.
Worum geht es eigentlich? Die EU-Kommission hat angedroht, Deutschland wegen zu hoher Haushaltsdefizite rügen zu wollen. Der blaue Brief blieb uns zwar erspart. Aber das Versprechen Hans Eichels an die Brüsseler Kommission steht. Das bedeutet, keine Neuverschuldung ab dem Jahr 2004 für den deutschen Gesamthaushalt, der das Budget des Bundes, der Bundesländer sowie der Städte und Gemeinden umfasst.
Nun könnte man sagen „schauen wir mal“, wenn da nicht die Aussage des Bundesfinanzministers wäre, dass die Bundesländer an der Misere schuld seien. Ihre Defizite haben sich von rund 10 Milliarden € im Jahr 2000 auf 28 Milliarden € im Jahr 2001 fast verdreifacht. Nun möchte ich Emotionen um diese Aussage aus der Debatte heraushalten. Ich bin ein recht nüchterner Mensch. Für mich zählen nun einmal die Fakten.
Erstens. Ich muss feststellen, dass trotz der so ernorm hohen Staatsverschuldung, die dazu noch durch die Androhung des blauen Briefes in aller Welt bekannt geworden ist, eine Diskussion um den schwarzen Peter in Deutschland stattfindet. Genügt denn die Tatsache nicht, dass es so arg gekommen ist? Muss man sich auch noch gegenseitig vorwerfen, wer an dieser Misere schuld sein soll? Warum sitzt der Schrecken darüber nicht so tief, dass sich alle Beteiligten an den berühmten runden Tisch setzen und vorurteilsfrei an die Lösung des Problems herangehen?
Zweitens. Nun bin ich nicht glücklich über diesen Zustand. Ich bin auch nicht glücklich über die Androhung der EU-Kommission. Aber ich bin froh darüber, dass dies öffentlich gemacht worden ist, dass dieses Thema nicht nur die Finanzminister der Länder und den Bundesfinanzminister beschäftigt, sondern dass wir vor diesem Hintergrund darüber reden können, wie dem Problem abzuhelfen ist.