Bei der Fülle der angesprochenen Kulturbereiche und angesichts der mir zur Verfügung stehenden Zeit kann ich nur exemplarisch einige Fragebereiche streifen.
Zunächst zur Kulturfinanzierung. Die Landesregierung hat vor einigen Jahren mit großem Aufwand bekannt gegeben, dass sie künftig die Kultur des Landes mit 1 % des Landeshaushalts fördern will. Diese Aussage hat die Landesregierung mit ihrem Haushaltsplanentwurf in keinem Jahr erfüllt, auch wenn uns die Antwort auf die Frage II Nr. 1 für das Jahr 1998 etwas anderes weismachen will. Die dort aufgeführten Zahlen lassen sich für uns anhand der Haushaltspläne jedenfalls nicht nachvollziehen.
Nun würde ich mich mit der Landesregierung nicht um Zehntelprozentpunkte streiten wollen, wenn nicht große Fördereffekte im Kulturbereich schon mit kleinen Summen möglich wären. So beschämend klein das selbst gesteckte Ziel der Landesregierung auch ist, die Tatsache, dass es nie erreicht wurde, ist ein weiteres Armutszeugnis dieser Landesregierung.
Ich frage Sie: Welche Familie dieses Landes gibt lediglich 1 % ihres Budgets für kulturelle Belange aus? - Die Kultur dieses Landes benötigt mehr und hat mehr verdient.
An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeitern der Kulturverwaltung danken, da sie es in jedem Jahr schaffen, den ihnen zugewiesenen engen Finanzrahmen optimal mit Förderbescheiden auszunutzen.
Ganz kann ich der Landesregierung bei der Antwort auf die Frage nach der Rolle der Verpflichtungsermächtigungen nicht folgen. Anscheinend gibt es weiterhin Diskussionsbedarf, wenn ich Verpflichtungsermächtigungen für nicht jährlich stattfindende Veranstaltungen sehe und
gerade im Kulturbereich, vor allem im Musikbereich, Vorlaufzeiten von mehreren Jahren habe, um international renommierte Künstler zu binden. Hierbei sollten Änderungen in der bisherigen Verfahrensweise möglich sein.
Bei diesem Komplex muss unbedingt auch die Praxis der Landesförderung angesprochen werden. Nach geltendem Haushaltsrecht werden institutionelle und ehrenamtlich arbeitende Zuweisungsempfänger gleich behandelt. Nun ist der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Säule des Rechtsstaates, an der ich nicht rütteln will. Die Förderpraxis in Sachsen-Anhalt hält für ehrenamtlich Arbeitende aber eine ganze Reihe von Tücken bereit, die von einer ordentlichen Antragstellung mit ihrem verklausulierten Vokabular über den sachgerechten Umgang mit dem erteilten vorzeitigen Maßnahmebeginn bis hin zur vorgeschriebenen sachgerechten Mittelverwendungsnachweisführung - allein schon dieses Wort ist schrecklich - reichen.
Uns erreichen in letzter Zeit verstärkt Hilferufe von ehrenamtlich arbeitenden Zuwendungsempfängern, die inzwischen die Sinnfälligkeit der Landesförderung für ehrenamtlich organisierte kulturelle Veranstaltungen oder Projekte infrage stellen. Wenn wir weiterhin eine Landesförderung für die Vielzahl ehrenamtlich vorbereiteter Projekte wollen, so sollten wir die Förderinstrumente noch einmal einer kritischen Sicht unterziehen.
Das Problem der Rückforderung von Fördermitteln zum Beispiel von Vereinen und der damit im Zusammenhang stehenden privaten Haftung der Vereinsvorstände wäre ein weiteres Thema in diesem Problembereich, das ich nur anreißen kann.
Ich möchte nun zur kulturellen Bildung kommen. Damit komme ich zu einem ganz dunklen Kapitel realsozialistischer Kulturpolitik. Leider bestätigen die Antworten zu diesem Kapitel die Aussagen aus dem Jahr 1997. Nichts, aber auch gar nichts hat sich seitdem geändert, geschweige denn verbessert.
Die katastrophale Versorgung unserer Schulen mit qualifizierten Musik- und Kunsterziehungslehrern hat sich seit dem Jahr 1997 kaum geändert und wird sich angesichts der geringen Zahlen von Lehramtsstudenten in absehbarer Zeit auch kaum ändern lassen, zumal auch andere Länder werbend um die wenigen Studenten in SachsenAnhalt buhlen. So hat sich der fachfremd erteilte Unterricht seit dem Jahr 1997 in Kunsterziehung von 20 % auf 25 % und in Musik von 15 % auf 20 % erhöht. Hier ist dringender Handlungsbedarf angesagt.
Wir versagen damit vielen Schülerinnen und Schülern eine solide ästhetische Bildung, wobei die Ästhetik neben der Logik und der Ethik eine wichtige Form der Welterkenntnis ist.
Einen Aspekt unterschlägt die Landesregierung bei ihrer Antwort ganz, welcher inzwischen auch in Deutschland als wissenschaftlich abgesichert gelten kann. Insbesondere durch die Arbeiten von Professor Bastian ist erwiesen, dass Grundschüler mit erweitertem Musikunterricht auch in den anderen Fächern trotz geringerer Wochenstundenzahl signifikant bessere Leistungen erbringen können. Dieses Thema gehört mit auf die Agenda der Themen, die in Auswertung der Pisa-Studie zu diskutieren sind; für den Kultusminister aber anscheinend nicht.
Das Defizit in der grundständigen Musik- und Kunstausbildung der Schüler setzt sich im außerschulischen Be
reich fort. Gab es 1996/1997 noch 274 Chöre an Grundschulen, so sind es 2000/2001 noch 197. Lässt sich dieser Rückgang noch mit zurückgehenden Schülerzahlen und Schließungen oder Fusionen von Grundschulen einigermaßen erklären, so gibt es für den Rückgang bei den Sekundarschulen - 1996/1997 101 Chöre und in diesem Schuljahr noch 42 Chöre - nur eine Erklärung den Zahlen bei Schulchören könnten entsprechende Zahlen bei den Instrumental- und Kunstarbeitsgemeinschaften folgen -: Die Einführung der Förderstufe hat sich auf die außerschulische musische Arbeit an den Sekundarschulen katastrophal ausgewirkt.
Die fehlende Kontinuität im Schüler- und Klassenbereich führt bei der außerunterrichtlichen Arbeit zu Diskontinuität und zur Frustration bei den engagierten Lehrerinnen und Lehrern. Dass damit außerdem der nachgewiesene positive Effekt sozialen Lernens in Arbeitsgemeinschaften einer ideologisch motivierten Förderstufe geopfert wurde, deren sozialer Mehrwert erst noch zu beweisen wäre, sei hierbei ausdrücklich angemerkt.
Leider setzt sich diese betrübliche Bilanz auch bei den Musikschulen fort. Die Zahl der Musikschüler ging zwischen dem Jahr 1997 und dem Jahr 2001 um etwa 500 zurück. Damit erreichen die Musikschulen nur etwa 6 % der Schülerschaft unseres Landes. Mit anderen Worten: Nur jeder 17. Schüler erhält in Sachsen-Anhalt Instrumentalunterricht in einer Musikschule. Damit stehen wir am unteren Ende der Skala der Länder in der Bundesrepublik Deutschland.
Von der ehemals angestrebten Drittelfinanzierung der größtenteils kommunal getragenen Musikschulen ist auch nichts mehr zu hören und zu lesen. Die Auswirkungen lassen sich dann in der Statistik zu den Fragen VI Nr. 18 nachlesen.
Während die Zahl der hauptamtlich beschäftigten Musiklehrer und Musiklehrerinnen von 354 auf 307 zurückgeht, steigt die Anzahl der nebenamtlich arbeitenden Musiklehrer von 549 auf 631 an. Nur so können die Städte und Landkreise bei immer knapper werdenden kommunalen Haushalten zumindest die Verstetigung des Angebotes absichern. Ob das bei diesen Randbedingungen auch in den nächsten Jahren möglich sein wird, darf wohl zu Recht bezweifelt werden.
Einige wenige Bemerkungen noch zu den Theatern. Von außen betrachtet scheinen wir in Sachsen-Anhalt in einem Schlaraffenland der Theater zu leben. Wer die Nachrichten aus Thüringen und Brandenburg aufmerksam hört, der fühlt sich in dieser Sicht noch bestätigt. Sieht man jedoch hinter die Kulissen, die dem oberflächlichen Betrachter der Theaterszene etwas anderes vortäuschen sollen, so sieht die Szene leider dramatisch aus.
Positiv lässt sich zunächst einmal feststellen, dass wir hoch motivierte und talentierte Schauspieler, Sänger, Musiker, Tänzer, aber auch Dramaturgen, Regisseure und Intendanten an unseren Theatern haben. Eine Vielzahl guter Inszenierungen, übrigens nicht nur an den großen Häusern, konnten wir in den letzten Jahren sehen.
Natürlich haben auch die abgeschlossenen Theaterverträge eine wichtige Stetigkeit im Bereich der Landeszuweisungen gebracht, die die Planbarkeit der Finanzströme aus dem Land verbessert und gleichzeitig die
Die CDU-Fraktion hat von Anfang an darüber hinaus gefordert, dass sich das Land über eine Anpassungsklausel auch an den jährlichen Preissteigerungen beteiligt und dies nicht allein den Kommunen überlässt. Die Landesregierung hat das mit dem Hinweis auf noch vorhandenes Einsparpotenzial in den Häusern abgelehnt.
Dies mag bis Mitte der 90er-Jahre durchaus so gewesen sein. Inzwischen erzeugt dieses Verhalten jedoch das systematische finanzielle Austrocknen der Theater. Beginnend bei den kleinen Häusern waren inzwischen bereits Einschnitte in die Substanz notwendig, die bereits in der nahen Zukunft die Frage des Aufrechterhaltens des Theaterbetriebes aufwerfen werden.
Mit den Steuerausfällen und den rückläufigen Zuweisungen des Landes an die Kommunen wird der Spielraum für die Theaterträger nochmals enger. Geht dieser Prozess so weiter - und vieles deutet darauf hin -, ist die Schließung der Häuser in den Mittelzentren absehbar. Ohne strukturelle Neuordnung der Theaterförderung ist unsere Theaterlandschaft zum Sterben verurteilt.
(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU - Frau Bull, PDS: Danke, Herr Dr. Bergner, für den Bei- fall!)
Ich möchte an dieser Stelle, weil auch die Zeit abgelaufen ist, mit diesen einleitenden Bemerkungen zu den Antworten der Landesregierung schließen. Es gäbe eine Fülle anderer Hinweise zu anderen Kunst- und Kulturbereichen, die ich bringen könnte. Aber in der folgenden Diskussion wird schließlich dafür noch Gelegenheit sein. - Zunächst einmal vielen Dank.
Danke, Herr Schomburg. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Dr. Harms. Bevor ich ihm das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der RitterSekundarschule Quedlinburg. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Schomburg, in der Regierungserklärung vom 18. Juni 1998 hat die Landesregierung deutlich gemacht, dass sie es als eine wesentliche Verpflichtung ansieht, das reiche kulturelle Erbe des Landes gemeinsam mit den Kommunen und den Trägern zu bewahren und zugleich der kulturellen Vielfalt Raum zu geben und diese weiter zu entwickeln. Die Antworten auf die 236 Fragen machen das zum Teil beeindruckend deutlich. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das auch gewürdigt haben.
Zu Ihrer formalen Kritik sei gesagt, dass eben auch die Vielzahl der Fragen, die auf eine Akribie schließen lassen, Dinge abzufragen, die längst bekannt sind, an manchen Stellen auch die Arbeitskapazitäten so gefordert hat, dass ich ein gewisses Verständnis dafür habe, dass mit Verweisen gearbeitet wurde.
Man sollte vielleicht auch darüber nachdenken, ob jede Frage tatsächlich in diesem Umfang und mit diesem Arbeitsaufwand gestellt werden muss. Man muss immer sehen, es betrifft nicht nur die Bearbeiter im Ministerium,
sondern auch diejenigen, die bei den Kommunen und den Trägern die Informationen zuliefern müssen, die in der Anfrage jeweils abgefragt und gefordert wurden. Gleichwohl gibt die Große Anfrage in der Tat einen guten Überblick über die Gesamtsituation in der Kultur.
Lassen Sie mich zunächst einmal zwei Grundsätze darstellen, die die Kulturpolitik kennzeichnen. Das eine ist das verfassungsrechtliche Prinzip der Freiheit der Kunst als oberster Grundsatz der Kulturpolitik. Dieses muss Kern allen kulturpolitischen Handelns sein. Dieses Prinzip, das zugleich auch ein Prinzip der Pluralität ist, bedeutet, dass sowohl Spitzenleistungen als auch die Breite des Engagements gefördert werden müssen. Das heißt zugleich, dass auch Unbequemes oder Provozierendes eine staatliche Förderung verdient hat.
Kunst und Kultur sind nicht nur die Dinge, die bequem zum staatlichen Empfang passen, sondern es ist auch eine lebendige Gegenwartskultur, die manchmal auch quer zum öffentlichen Mehrheitsgeschmack liegt. Dabei muss klar sein, dass hierbei nicht der Geschmack der Kulturbürokratie, des Ministers oder sonstiger Politik entscheidend ist, sondern dass über den Kunstbeirat Sachverständige die entscheidende Aussage zu treffen haben.
Ein weiterer Grundsatz der Kulturpolitik der Landesregierung entspricht der verfassungsmäßig verankerten Verantwortung des Landes und der Kommunen, einschließlich des Prinzips der Subsidiarität. Kunst- und Kulturförderung der öffentlichen Hand ist demnach grundlegend Aufgabe der Institutionen vor Ort, insbesondere auch der Kommunen. Ich komme später auf die Schwierigkeiten zurück.
Das Land unterstützt in vielen Bereichen, wo es nicht unmittelbar der Träger ist, durch komplementäre Finanzhilfen, wenn ein übergeordnetes Landesinteresse vorhanden ist. Darüber hinaus gestaltet es natürlich auch im Rahmen eigener Schwerpunktsetzungen. Dabei dies will ich ebenfalls betonen - haben nicht nur Bürgerinnen und Bürger der Oberzentren Anspruch auf eine kulturelle Versorgung; vielmehr muss gerade in einem Flächenland gewährleistet bleiben, dass kulturelle Angebote in der Fläche dezentral vorhanden sind.
Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage gibt nicht nur Auskunft über das Engagement der Landesregierung. Sie ist auch eine vorläufige Bilanz der Entwicklung der Kultur im Land Sachsen-Anhalt.
Sachsen-Anhalt als Kulturlandschaft bietet eine Vielzahl erforschenswerter, bewahrenswerter und zeigenswerter Kulturgüter, was seinen Niederschlag unter anderem in dem reichhaltigen Denkmalbestand findet. Hierbei will ich nur die Potenziale herausheben, die in den UnescoWeltkulturerbestätten zum Ausdruck kommen. Das Land Sachsen-Anhalt ist an der Entwicklung und dem Erhalt des Weltkulturerbes in der Tat überproportional stark beteiligt.
Lassen Sie mich aber auch auf Leistungen wie die Straße der Romanik, auf das barockmusikalische Erbe und auf die in Qualität und Quantität in Deutschland tatsächlich einmalige Orgellandschaft hinweisen. Auch die historischen Parkanlagen seien erwähnt.
Die zentrale Herausforderung in diesem Zusammenhang ist, die Denkmalpflege sowohl als staatliche und kommunale Aufgabe als auch als Leistung der vielen Ehren
amtlichen, die in diesem Bereich arbeiten, zu würdigen und in den Mittelpunkt zu rücken. Etwa 400 ehrenamtlich Tätige sind derzeit allein in der Archäologie des Landes tätig.
Der Stellenwert der Denkmalpflege konnte durch die gezielte Verbindung denkmalpflegerischer und touristischer Anliegen verbessert werden. Die Projekte der erwähnten Straße der Romanik und die „Wege zu den Ottonen“ zeigen, dass hierauf eine deutliche Resonanz erfolgt.