Protocol of the Session on November 15, 2001

(Frau Feußner, CDU: Dann mache ich eine Zwi- schenintervention!)

- Also eine Zwischenintervention. - Frau Hein, ich weise Sie darauf hin, dass Sie nach der Geschäftsordnung die Möglichkeit haben, darauf zu reagieren.

(Unruhe)

Wenn Sie von einer Teilung des Haupt- und des Realschulbildungsgangs sprechen, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, wie sich die Entwicklung gestaltet hat, vor allen Dingen die Entwicklung der Zahl der Schüler ohne Schulabschluss. Es war ein Ziel der neuen Sekundarschule, die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss aus dieser Schulform zu reduzieren. Ich möchte hierzu nur zwei Zahlen nennen. Diese sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen; denn Sie wollen uns immer nachweisen, dass wir in diesem Bereich Nachholbedarf hätten.

Gingen im Jahr 1999 noch 2 181 Schüler aus der Sekundarschule ohne Schulabschluss ab, waren es im Jahr 2000 - im ersten Jahr, in dem der neue Sekundarschulbildungsgang in der Statistik aufgeführt ist - 13 % mehr, nämlich 2 473 Schüler. Davon stammten allein 563 Schüler aus dem neuen Sekundarschulbildungsgang, und zwar aus dem 7. und 8. Schuljahrgang. Das zeigt erneut, dass Ihre Schulreform, die neue Sekundarschule, auch an dieser Stelle versagt hat. Hierzu könnte ich Ihnen noch weitere Beispiele nennen.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Mer- tens, FDVP)

Danke schön. - Frau Dr. Hein.

Na gut, dann muss ich doch.

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Erstens wird der neue Sekundarschulbildungsgang im nächsten Jahr, eigentlich im übernächsten Jahr, zum ersten Mal absolviert. Die anderen können ihn noch gar nicht absolviert haben, denn die gehen noch nach dem alten System zur Schule.

(Frau Feußner, CDU: Die sind den Weg gegan- gen, in der neuen Sekundarschule!)

- Das geht doch gar nicht, weil dieser Bildungsgang erst aufgebaut wird.

Zweitens muss ich Ihnen sagen, Frau Feußner: Diese Ergebnisse haben aus meiner Sicht andere Ursachen. Das sind die ersten Jahrgänge, die zehn Jahre Schulbildung nach dem neuen Schulgesetz, also nach dem gegliederten Schulsystem erfahren haben, von der Grundschule bis zur 10. Klasse. Das sind die Ergebnisse. Danke.

(Zustimmung bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Das ist doch lächerlich, Frau Hein! - Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Danke schön. - Herr Minister Dr. Harms hat noch einmal das Wort.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Intervenieren, oder?)

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Feußner, nichts ist stabiler als ein gut genährtes Vorurteil. Wenn man alles in einen Topf schmeißt, lange darin herumrührt und sich dann die Dinge herausholt, die dieses Vorurteil bestätigen, dann können wir so weitermachen. Aber wir sind hier bei einem grundverschiedenen Thema.

Dass bundesweit die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, im Steigen begriffen ist, ist ein großes Problem des Schulwesens, und zwar aller Länder. Im Forum Bildung wird gerade über diese Frage nachgedacht. Das ist ein großes Problem, dem wir uns ernsthaft nähern sollten. Wir sollten es aber nicht hiermit in einen Topf werfen.

Die Schüler, die Sie gerade genannt haben, die in der 7. oder 8. Klasse die Schule ohne Abschluss verlassen haben, müssen vorher mindestens zweimal sitzen geblieben sein. Das heißt, das sind nicht Schülerinnen und Schüler, die aus der neuen Sekundarschule kommen.

(Frau Feußner, CDU: Aber aus der Förderstufe!)

- Auch das nicht; denn die von Ihnen genannten Schülerinnen und Schüler können gar nicht an diesem Punkt angelangt sein, wenn sie vorher die Förderstufe durchlaufen haben.

Gleichwohl gebe ich Ihnen Recht, dass wir uns diesem Phänomen zuwenden sollten. Ich plädiere dafür, dass wir nicht alles in einen Topf schmeißen und es dann irgendwelchen Leuten um die Ohren hauen. Lassen Sie uns vielmehr gemeinsam vernünftig nachdenken. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Nachdem die Landesregierung gesprochen hat, hätten Sie die Möglichkeit, sich in angemessener Zeit noch einmal zu äußern, Frau Feußner. Oder möchten Sie eine Frage stellen?

(Frau Feußner, CDU: Ich habe nur noch eine Nachfrage an Herrn Harms! - Frau Stolfa, PDS: Herrn Minister!)

- Bitte schön.

Herr Harms, ich möchte Ihnen zugestehen, dass es ein bundesweites Phänomen ist, dass immer mehr Schüler ohne Schulabschluss die Schulen verlassen. Aber geben Sie mir denn nicht Recht, dass eine Anforderung an die neue Schulform „neue Sekundarschule“ gewesen ist, dass weniger Schüler ohne Schulabschluss aus dieser Schulform herausgehen? War das eine Anforderung an diese Schulform oder war es keine?

(Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig!)

Ja, das ist eine solche Anforderung, und das ist eine Anforderung, der wir uns wirklich stellen müssen. Ich

glaube persönlich, dass wir auch im Rahmen des Sekundarschulbildungsgangs besondere Angebote machen müssen für Gruppen, die gerade in der 9. und 10. Klasse als schulmüde gelten oder den Anforderungen nicht mehr genügen. Auf diese Frage haben wir noch keine vernünftige Antwort. Ich werde darauf aber noch eine geben. Ich bin mir sicher, dass wir gerade in diesem Bereich, wo auch praktische Orientierung, wo Berufsvorbereitung usw. gefragt ist, die Art und Weise des Lernens für diese Schülerinnen und Schüler anders gestalten müssen.

Danke schön, Herr Minister Harms. - Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Ich habe die Debatte so verstanden, dass sich beide Antragsteller damit einverstanden erklären, den Punkt 5 wie folgt zu formulieren: „den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft bis Ende des Monats Januar 2002 zu unterrichten“. - Darüber besteht offensichtlich Einvernehmen.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Es liegt Ihnen der Antrag der PDS und der Änderungsantrag der CDU vor. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag ab. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der PDS in Drs. 3/5107. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Bei zahlreichen Gegenstimmen ist dieser Antrag angenommen worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 10 abgeschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 11:

Beratung

Zum Job-AQTIV-Gesetz

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/5122

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/5143

Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/5146

Der Antrag wird für die PDS von der Abgeordneten Frau Dirlich eingebracht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können natürlich nicht beginnen, von Arbeitsmarktpolitik zu reden, wenn wir uns nicht auch einige Zahlen vergegenwärtigen; keine Angst, ich werde nur wenige nennen.

Die Arbeitslosigkeit betrug im Oktober 2001 in SachsenAnhalt 18,3 % bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen. Damit hatte Sachsen-Anhalt nach wie vor die rote Laterne, die so ungeliebte rote Laterne.

(Herr Weich, FDVP: Rote!)

Das waren in absoluten Zahlen ausgedrückt 243 533 Arbeitslose im Oktober 2001. Diesen Arbeitslosen standen im gleichen Monat 12 895 gemeldete offene Stellen gegenüber. Somit kamen fast 19 Arbeitslose auf eine einzige gemeldete offene Stelle. In Ostdeutschland insgesamt sieht die Situation noch schlimmer aus: Es sind

fast 21 Arbeitslose, die auf eine gemeldete offene Stelle kommen. Im Westen - um auch diesen Vergleich zu ziehen - sind es gut sechs Arbeitslose. Das zeigt, wie deutlich sich die Arbeitsmärkte im Westen und im Osten auseinander entwickeln.

Angesichts dieser Tatsachen wurden natürlich gerade im Osten große Hoffnungen in die Novellierung des SGB III gesetzt und „Job-Aqtiv-Gesetz“ klingt ja auch eindeutig nach aktiver Arbeitsmarktpolitik.

In der Tat finden sich in diesem Job-Aqtiv-Gesetz einige hoffnungsvolle Ansätze, wie beispielsweise die Rückkehr zum Ziel eines hohen Beschäftigungsgrades, was man nur begrüßen kann. Wenn die Zeiten des Bezugs von Erwerbsminderungsrenten oder von Mutterschaftsgeld und wenn Kindererziehungszeiten in die Versicherungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit einbezogen werden, dann wurde damit eine langjährige Forderung unter anderem auch der PDS erfüllt, wenngleich uns die Regelung noch längst nicht weit genug geht.

Es wurden die Wartezeiten bis zum Eintritt in Fördermaßnahmen abgeschafft. Das lässt zumindest die Erwartung aufkommen, dass man Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst entstehen lassen will. Es werden die Möglichkeiten für ehrenamtlich Tätige, ohne dass damit Nachteile entstehen, ausgedehnt, was den Wünschen vieler Arbeitsloser, die einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen, sehr entspricht.

Es wird die Möglichkeit einer Verlängerung von Maßnahmen der Arbeitsförderung ohne zeitliche Unterbrechung eingeräumt, wenn sie für längere Dauer oder für wechselnde, besonders förderungswürdige Arbeitnehmer Arbeitsplätze schafft. Das kann man durchaus als einen Einstieg in eine Art Projektförderung sehen. Damit wird eingeräumt, dass eine ganze Menge sinnvolle Arbeit in diesem Bereich gemacht wird, die eine Unterbrechung eigentlich nicht verträgt.

Wenn ich also weiß, dass ich in meinem Kreis einen bestimmten Jugendklub brauche und ihn über längere Zeit erhalten will, dann ist im Grunde nicht einzusehen, dass er jedes Jahr drei bis vier Wochen schließen muss - obwohl bekannt ist, wann eine Maßnahme endet -, bevor ihm ein neuer Arbeitnehmer oder eine neue Arbeitnehmerin zugewiesen wird.

Es wird eine Pauschalförderung eingeführt, die - wenn sie denn in Anspruch genommen wird - dazu führt, dass Einnahmen, die in der Maßnahme erzielt werden, nicht gegen den Zuschuss aufgerechnet werden müssen. Das eröffnet durchaus eine Chance, dass Arbeitsförderungsprojekte zumindest langfristig in den ersten Arbeitsmarkt münden können.