Protocol of the Session on November 15, 2001

Die neue Sekundarschule droht nämlich geradezu zu einem bildungspolitischen Bumerang zu werden. Erstaunlich dabei ist weniger, dass Sie wieder einmal genau das Gegenteil dessen bewirken, was Sie eigentlich wollten. Das ist bei Ihnen häufiger der Fall.

Während zum Beispiel früher bis zum Ende der Sekundarstufe I ein Schul- und Klassenwechsel die Regel war, haben Sie Ihren Leitgedanken des längeren gemeinsamen Lernens paradoxerweise so verwirklicht, dass sich der Wechsel der Lerngruppen aufgrund der Möglichkeiten der offenen Schuleingangsphase und durch Klassenneubildungen nach den Klassen 4 und 6 häuft und in den oberen Klassen sogar tagtäglich stattfindet.

Erstaunlich ist jedoch, welches Ausmaß der nun von der PDS befürchtete Bumerangeffekt ihrer neuen Sekundarschule hat.

Was war das Ziel dieser neuen Sekundarschule? - Im Rahmen der ersten Lesung zu der entsprechenden Gesetzesänderung im Mai 1995 erklärte Frau Dr. Hein dieses Ziel - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident wie folgt:

„... die Aufhebung der Trennung in eigenständige Hauptschulbildungs- und Realschulbildungsgänge.“

(Zustimmung von Frau Dr. Hein, PDS, und von Frau Stolfa, PDS)

„Das bedeutet: Alle Schülerinnen und Schüler einer Sekundarschule werden so unterrichtet, dass sie den Realschulabschluss erlangen können. Natürlich bleibt es freigestellt, nach neun Jahren die allgemein bildende Schule zu verlassen und in der Regel mit dem Hauptschulabschluss die Ausbildung in einer Berufsschule fortzusetzen.“

Der damalige Kultusminister Reck bestätigte, dass dieses Ziel mit den bildungspolitischen Vorstellungen der Landesregierung übereinstimme.

Sie haben die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht, nämlich ohne die Schüler, ohne die bundesweit gültigen Rahmenbedingungen und wohl auch ohne Gedanken darüber, nach welchen Kriterien die Schüler den A- und B-Kursen zugewiesen werden.

Wir haben immer darauf hingewiesen, dass man zwar einen Bildungsgang abschaffen kann; die Schüler hat man aber damit - Gott sei Dank - noch nicht abgeschafft oder in irgendeiner Art und Weise geändert.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Abschaffen lassen sich auch weder die vorhandenen Schulabschlüsse, wie immer man sie bezeichnet, noch die Mindestanforderungen an einen leistungsdifferenzierten Unterricht, wie sie die Kultusministerkonferenz in der Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarschulbereich I geregelt hat.

Wir haben von Anfang an davor gewarnt, dass bei einer neuen Sekundarschule die Zuordnung von Schülern zu Kursniveaus nicht mehr nach den jeweils geltenden Leistungsanforderungen erfolgen würde, sondern zunehmend danach, ob sich ein Schüler zufällig in einem relativ leistungsstarken oder in einem leistungsschwächeren Jahrgang befindet.

Der Bumerang, von dem ich sprach, liegt darin, dass die neue Sekundarschule, die Sie als Reform der Sekundarschule mit Aufhebung des Hauptschulbildungsganges beschrieben und von der Sie sich eine Reduzierung der Zahl der Hauptschulabschlüsse versprachen, genau das Gegenteil zu bewirken droht, nämlich eine deutliche Erhöhung der Zahl genau dieser Abschlüsse. Das ist eine Farce.

(Herr Schomburg, CDU: So ist es!)

Leider ist meine Redezeit gleich zu Ende. Ich muss meinen Beitrag etwas kürzen. - Auch die GEW - ich habe mich gewundert, dass bisher niemand in diesem Hause darauf aufmerksam gemacht hat - hat die Befürchtung geäußert, künftig würde sogar nur noch ein Drittel der Sekundarschüler die Schule mit einem mittleren Schulabschluss verlassen. Das ist wirklich ein Skandal.

Bei einem Besuch unsererseits in einer Sekundarschule erfuhren wir, dass es ca. 40 % sind. Lassen wir die Zah

len dahingestellt. Wir haben versucht, diese in einer mündlichen Anfrage zu erfahren. Leider konnte uns der Kultusminister darauf keine entsprechende Antwort geben.

Frau Feußner, selbst bei wohlwollendster Betrachtung müssen Sie zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende. Wenn Sie erlauben, sage ich noch einen Satz oder zwei Sätze zu unserem Änderungsantrag.

(Unruhe - Herr Sachse, SPD: Oder drei?)

Noch einen Satz.

Am besten wäre es, Sie würden sich eingestehen, dass Sie mit der Einführung der neuen Sekundarschule eine grobe Fehlentscheidung getroffen haben, und Sie würden die erforderlichen Konsequenzen daraus ziehen. Deshalb haben wir unseren Änderungsantrag so formuliert. Mit einer Mogelpackung wie der Umbenennung, der Scheinumstufung oder der Senkung von formalen und materiellen Leistungsanforderungen beseitigen Sie diese Bildungskatastrophe nicht; Sie kaschieren Sie vielmehr lediglich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Spors, DVU, und von Herrn Wolf, FDVP - Herr Dr. Daehre, CDU: Das war ein langer Satz!)

Danke, Frau Feußner. Erstens war es ein sehr langer Satz. Zweitens habe ich eine Frage, die ich auch gleich an Frau Dr. Hein stellen will. Frau Dr. Hein, wenn ich das richtig verstanden habe, ist vorgeschlagen worden -

(Frau Dr. Hein, PDS: Ich darf dann noch einmal reden!)

- Sie kommen noch an die Reihe. Ich will nur fragen, ob dies klar ist. - Frau Feußner, Sie wären auch damit einverstanden, dass im Januar 2002 im Ausschuss berichtet wird?

Ja.

Danke. - Frau Dr. Hein hat jetzt das Wort zur Fortsetzung der Debatte.

Um es vorwegzunehmen: Mit der von der SPD beantragten Veränderung können wir uns einverstanden erklären. Unter der Maßgabe - das hat der Minister gesagt -, dass der Minister im Dezember bereits eine Zwischeninformation geben wird, geht das sicherlich in Ordnung. Uns ist natürlich daran gelegen, im Januar auch Ergebnisse der Gespräche zu hören und nicht nur Absichtserklärungen. Davon gehe ich aus. Das ist sicherlich möglich.

Frau Feußner, ich glaube, Sie haben ein sehr kurzes Gedächtnis.

(Zustimmung von Herrn Ernst, SPD)

Dass ein Gesetz da ist, bevor die entsprechenden Verordnungen veröffentlicht sind und Vorbereitungen stattgefunden haben, ist gesetzestechnisch und rechtsverordnungsmäßig durchaus üblich. Das ist zu CDU-Zeiten nicht anders gewesen.

(Frau Stolfa, PDS: Genau so war es!)

Dass die inhaltliche Vorbereitung im Zusammenhang mit sämtlichen Schulreformen - ich sage es vorsichtig - sehr zögerlich gemacht worden ist, stimmt auch. Allerdings war das zu Ihren Zeiten nicht anders. Im Gegenteil: Sie haben sich 1990/91 mit der Einführung des gegliederten Schulsystems dermaßen beeilt - das haben nicht alle Länder in diesem Tempo gemacht -, dass nichts bis zum Sommer klar war, und das System wurde trotzdem eingeführt.

(Zustimmung von Frau Stolfa, PDS)

Also werfen Sie uns nicht vor, dass wir hier irgendetwas nicht gesehen haben.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Frau Feußner, es ist ein ziemlicher Blödsinn, wenn Sie erklären, wir hätten der Gesetzesänderung zugestimmt, ohne die Sekundarschulvereinbarung der Kultusministerkonferenz zu kennen. Im Gegenteil: Wir haben damals schon gesagt, dass die äußere Fachleistungsdifferenzierung überhaupt nicht nach unserem Geschmack ist, dass das aber der einzige Weg ist, um überhaupt pädagogische Neuerungen im Bildungssystem durchzusetzen.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Dazu bekennen wir uns.

Wenn in Deutschland etwas Neues probiert wird - das ist schwierig genug im Bildungsbereich -, dann kommt die CDU regelmäßig und sagt: Haltet den Dieb; wir wollen alles so lassen, wie es war.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Stichwort 13. Schuljahr!)

Sie wollen - das ist nämlich der Hintergrund für Ihren geänderten Punkt 3 - die Kurse aufheben und wieder zu Hauptschul- und Realschulbildungsgängen zurückkehren.

(Zustimmung von Herrn Kuntze, CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Sie haben den Punkt 3 doch verstanden!)

Das ist die Einsortierung von Schülerinnen und Schülern von Anfang an und ohne die Möglichkeit der Korrektur. Die Kurswahl bietet wenigstens die Möglichkeit der Korrektur. Wir fordern deren Ausgestaltung. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Frau Kollegin Hein, Frau Feußner möchte eine Zwischenintervention machen. - Frau Feußner, bitte.

(Frau Feußner, CDU: Ich wollte eine Frage stel- len! - Frau Dr. Hein, PDS: Nein, das mache ich nicht!)

- Die Beantwortung wird abgelehnt.

(Frau Feußner, CDU: Dann mache ich eine Zwi- schenintervention!)