Protocol of the Session on November 15, 2001

Wer seinerzeit nicht bereit gewesen ist, die strukturpolitische Verantwortung zu übernehmen, von dem werde ich zwar gern Hilfe annehmen, aber er wird nicht in der ersten Reihe derjenigen stehen können, die jetzt verhandeln. Das wäre auch nicht besonders glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS - Herr Dr. Daehre, CDU: Das ist die Arroganz!)

Ich möchte etwas zum Stichwort Investitionsförderung sagen. Das Land hat Investitionszuschüsse in Höhe von insgesamt 31 Millionen DM an den Standort Ammendorf gezahlt. Wir haben diese Zuschüsse an die Sicherung von Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2004 gebunden.

Das ist übrigens seinerzeit bei dem Verkauf des Werkes Ammendorf an Bombardier so konsequent nicht erfolgt. Damals wurde die Arbeitsplatzsicherung nur bis zum Jahr 2000 vereinbart. Ich halte das übrigens für einen Fehler. Das haben wir damals bereits gesagt. Aber es ist so gekommen.

Das heißt mit anderen Worten, damals - wohlgemerkt nicht unter unserer Regie - hat es meiner Ansicht nach ein Versäumnis gegeben, das uns jetzt auf die Füße fällt. Damals wäre Verhandlungsgeschick und Verhandlungshärte notwendig gewesen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ja!)

Das hat es leider nicht gegeben. Aber das steht, wie gesagt, nicht auf unserem Ticket.

Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Bemerkung zum Thema Testring machen. Natürlich habe ich mit Vertretern von Bombardier darüber gesprochen. Das Thema Testring hat jedoch überhaupt keine Rolle gespielt. Bombardier war nicht daran interessiert, über das Thema Testring mit uns zu reden, weil das mit den vorliegenden Umstrukturierungsplänen nichts zu tun hat. Insofern war das eine klare Fehlmeldung.

Wir hatten dieses Angebot unterbreitet. Wir erhalten dieses Angebot aufrecht und sind weiterhin bereit, darüber zu verhandeln. Allerdings kann ich niemandem etwas aufzwingen, das ihn nicht interessiert. Damit kann ich auch nichts für einen Standort tun.

Meine Damen und Herren! Zum Stichwort Gespräche mit Bombardier. Es gab Dutzende von Gesprächen. Ich will noch einmal auf das Gespräch am 10. Oktober mit dem Vorstand von Bombardier eingehen. In diesem Gespräch, bei dem auch der Ministerpräsident Herr Stolpe sowie der Regierende Bürgermeister von Berlin Herr Wowereit anwesend waren - nebenbei erwähnt, der Kollege Biedenkopf war nicht anwesend -, haben wir die Standortprobleme und unsere Vorteile noch einmal vorgetragen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Biedenkopf war eher da!)

Ich habe in diesem Gespräch sehr deutlich gemacht, dass wir eine Schließung von Ammendorf, egal wie die Pläne ausgehen, nicht akzeptieren werden. Das heißt mit anderen Worten: Wer behauptet, ich hätte Bombardier gegenüber unsere heutige Position nicht schon damals vertreten, redet wider besseres Wissen. Ich habe es damals schon gesagt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Was die Investitionsförderung betrifft, muss klar sein, dass es gegebenenfalls Rückforderungen geben würde.

Noch einige Worte zur Zukunft. Die ersten Gespräche zur Vorbereitung unserer in der nächsten Woche beginnenden Verhandlungen mit Bombardier sind erfolgt. Wir werden dabei die Betriebsräte und die Gewerkschaften einbeziehen. Die Landesregierung hat mit den Verhandlungspartnern inzwischen eine gemeinsame Strategie

verabredet. Ich setze dabei auf Geschlossenheit, übrigens auch mit dem Aktionsbündnis in Halle.

Ich werde die entsprechende Position heute im Bundestag vertreten. Wir gehen in die Verhandlungen mit der Überzeugung, dass der Standort Ammendorf von Bombardier rentabel betrieben werden kann.

Ich bitte Sie, die Redezeit einzuhalten.

Ich bin deshalb optimistisch, dass wir eine gemeinsame Strategie entwickeln und gewinnen können,

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ihre Zeit ist um!)

die die Auslastung für das Jahr 2002 sichert und den Standort langfristig erhält. Die Stadt, das Land, die Belegschaft und die Gewerkschaften werden ihren Beitrag leisten.

Meine Damen und Herren! Wir werden auch mit unserer Auftragspolitik dazu beitragen, dass der Standort Ammendorf gesichert werden kann. Allerdings sage ich Ihnen deutlich: Sollte eine Sicherung des Standortes nicht erfolgen, wird das in Bezug auf unsere Auftragsvergabepolitik gegenüber Bombardier Folgen haben. Auch das muss Bombardier sich durchrechnen.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Herr Ministerpräsident!

Ich bin gleich fertig. - Wir haben hervorragende Leute in Ammendorf. Dieser Standort braucht den Vergleich mit anderen Standorten nicht zu scheuen. Deshalb kämpfen wir um dessen Erhalt. Nun allerdings - das sage ich den Schienenfahrzeugbauern ausdrücklich - ist Bombardier am Zuge. Diesbezüglich machen wir Druck. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Herr Dr. Bergner, nach dem neu gefassten § 60 der Geschäftsordnung des Landtages können Sie jetzt eine zweiminütige Zwischenbemerkung machen. Der Redner darf im Anschluss darauf antworten.

Herr Präsident, ich muss mich an das neue Instrument der Intervention auch erst gewöhnen.

Ich möchte zur Aussage des Ministerpräsidenten Stellung nehmen. Er sagte, die Schließung des Waggonbaus Dessau wäre in die alleinige Verantwortung der damaligen Bundesregierung gefallen. Nach meiner Erinnerung hat die Landesregierung von Sachsen-Anhalt im Verwaltungsrat der Treuhandanstalt der Schließung zugestimmt.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Jawohl! - Herr Becker, CDU: Hört, hört!)

Zweiter Punkt. Auf die Behauptung hin, Herr Dr. Ludewig habe als Bahnchef Aufträge für ICE und ICE-T zurückgehalten, wurde ein Brief von der Deutschen Bahn AG geschrieben, den ich den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten im Laufe der heutigen Sitzung zur Verfügung stellen werde.

Der Vorwurf ist insofern nicht haltbar, als es eine Verhandlungsphase gab, in der das Konsortium Preisforderungen gestellt hat, denen niemand in der Deutschen Bahn AG folgen konnte. Diese Preisforderungen sind im Übrigen revidiert worden. Eine solche unternehmerische Entscheidung eines Bahnchefs als eine Entscheidung zulasten des Standortes Ammendorf auszulegen, zeugt von einer Argumentationsschwäche, der wir uns nicht widerspruchslos beugen werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, von Frau Spors, DVU, und bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Darauf darf ich antworten. Zunächst einmal habe ich gesagt, die Schließung des Standortes Dessau fand unter der Regie der alten Bundesregierung statt. Sie hatte den entscheidenden Einfluss in dieser Angelegenheit. Ich habe damals mitdiskutiert.

(Herr Gürth, CDU: Sie waren Ministerpräsident und haben zugestimmt!)

Tun Sie nicht so, als hätten Sie, aus welchen betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus auch immer, noch nie einer Schließung von Standorten zugestimmt. Sie tun jetzt so, als wären Sie damals nicht daran beteiligt gewesen.

(Zuruf von Ministerin Frau Budde)

Meine Damen und Herren! Ein zweiter Punkt. Ich finde es wirklich merkwürdig, dass Sie jetzt mit Blick auf die Deutsche Bahn AG und Herrn Ludewig anfangen, ausschließlich betriebswirtschaftliche Argumente vorzubringen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist eine andere Fra- ge! Das ist eine ganz andere Frage! - Herr Gürth, CDU: Sie haben der Schließung zugestimmt!)

Sie folgen der Logik, die Bombardier uns gegenüber bei der Schließung geltend macht.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank - Herr Bischoff, SPD: Jawohl!)

Unsere Logik bei dieser Angelegenheit ist aber, dass man, um Standorte zu erhalten, auch Anstrengungen im Rahmen des Möglichen machen muss, die eben nicht einfach mit irgendwelchen Zahlenwerken weggewischt werden können. Das ist so. Wir kämpfen auch jetzt dagegen, dass die Entscheidung über Arbeitsplätze und über Menschen aufgrund formaler Zahlenwerke getroffen wird. Stattdessen muss dabei auch der Sachverstand des politischen Gesamtzusammenhangs einbezogen werden. Genau das haben wir damals vermisst.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von der Regierungsbank - Herr Dr. Berg- ner, CDU, schüttelt den Kopf - Herr Dr. Daehre, CDU: Sie regieren doch! Dann machen Sie es doch! - Ministerin Frau Budde: Das ist lange ver- kauft! - Zuruf von Herrn Bischoff, SPD)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der PDS erteile ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Süß das Wort. - Bitte, Herr Dr. Süß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei allem Streit sollten wir wirklich das Ziel, dem Standort Ammendorf zu helfen, nicht aus den Augen verlieren.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zustim- mung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Der kanadische Weltmarktführer im Bereich der Bahntechnik Bombardier Transportation hat jetzt seine Pläne zur Umsetzung einer neuen Strategie für den europäischen Fertigungsverbund von Schienenfahrzeugen für den Personenverkehr bekannt gegeben. Die Reorganisation soll hauptsächlich Deutschland betreffen. Ich füge hinzu, präziser betrifft es Ostdeutschland und noch genauer vor allem Sachsen-Anhalt.

Es ist vorgesehen, die Produktionsstandorte Ammendorf mit 850 Mitarbeitern, Vetschau mit 110 Mitarbeitern sowie einen Servicebetrieb in Großbritannien mit 150 Mitarbeitern zu schließen. Den betroffenen Mitarbeitern sollen in den meisten Fällen alternative Arbeitsplätze angeboten werden, allerdings nicht an ihren gegenwärtigen Arbeitsorten. Für die Ammendorfer sind Bautzen, Görlitz und Aachen im so genannten Angebot, aber nicht mit einer Zusicherung, dass diese Standorte langfristig gesichert sind.

Das neue Programm wird im Wesentlichen im nächsten Jahr umgesetzt. Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern werden in Kürze beginnen. Das heißt, die Gewerkschaften und die Belegschaftsvertreter waren bisher außen vor. - So weit die unterkühlten Fakten der Bombardier-Manager.

Wenngleich ein Beschluss des Aufsichtsrates dazu noch aussteht, sollte niemand - auch Sie nicht, Herr Ministerpräsident - an dem festen Willen der Bombardier-Manager zweifeln, diese Pläne auch durchzusetzen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist leider wahr!)