bei der Wettbewerbskommission in Brüssel. Nach mir vorliegenden Informationen hat zum Beispiel das Land Brandenburg dieses Prüfverfahren zur Intervention im Interesse eigener Standorte genutzt. Ich frage die Landesregierung: Wie sind Sie mit dieser Möglichkeit umgegangen? Ich habe bisher jedenfalls von keiner Einflussnahme durch das Land Sachsen-Anhalt gehört.
Drittens. Bei der Sicherung des Standortes Hennigsdorf spielte die mit der Brandenburger Regierung verhandelte Option zum Bau eines Testrings eine Rolle. Es ist richtig, dass auch Sachsen-Anhalt Angebote zum Bau eines Testrings gemacht hat. Damals war nach meiner Erkenntnis noch Advent Eigentümer. Wurde über dieses Angebot auch im Interesse des Standortes Ammendorf noch mit Bombardier verhandelt? Wenn nicht, warum hat man darauf verzichtet?
Viertens. Jeder aufmerksame Beobachter musste den Eindruck gewinnen, dass die Landesregierung die Nachricht von der beabsichtigten Schließung Ammendorfs aus heiterem Himmel überraschte. Ich frage Sie, Herr Höppner, warum haben Sie die Warnungen der Belegschaft, an denen es spätestens seit der Übernahme von Adtranz im letzten Mai wirklich nicht gemangelt hat, nicht ernst genommen? Als der Betriebsrat Sie noch im September zu sensibilisieren suchte, war die Antwort des Ministerpräsidenten an die Belegschaftsvertreter, sie sollten - Zitat - „den Standort nicht schlechtreden“.
Fünftens. Der offene Brief, den die Ammendorfer Waggonbauer dem Bundeskanzler anlässlich seiner Sommerreise übergeben ließen, in dem sie auf die kritische Zuspitzung der Lage hinwiesen, ist nach meiner Kenntnis bis heute nicht beantwortet. Ich frage Sie, Herr Höppner, was haben Sie in den zurückliegenden Wochen unternommen, um die Bundesregierung auf die dramatische Entwicklung zulasten von Ammendorf aufmerksam zu machen? Wenn Sie jetzt in den Deutschen Bundestag fahren, gebe ich Ihnen eine Botschaft mit: Erinnern Sie den Bundeskanzler an sein Engagement für Holzmann. Daran werden wir ihn messen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der DVU und bei der FDVP - Zustimmung bei der PDS - Beifall auf der Tribüne)
Die Entscheidung des Bombardier-Vorstandes gegen Ammendorf scheint nicht vom Himmel zu fallen. Wir haben den Eindruck, dass die Landesregierung die Erfordernisse und die Härte der Standortkonkurrenz völlig unterschätzt hat. Im globalen Standortwettbewerb haben Nachtwächterregierungen keine Chance.
(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der DVU und bei der FDVP - Widerspruch bei der SPD - Herr Sachse, SPD: Das nützt den Betroffenen nicht!)
Wir müssen nun mit vereinten Kräften eine Entscheidung korrigieren, die eigentlich im Vorfeld hätte verhindert werden müssen. Dies wird große Anstrengungen aller Beteiligten erfordern.
Wir werden den Aufsichtsrat von Bombardier aber nicht allein - und das sollten wir wissen - mit Widerstandsgesten, so wichtig sie sind, und Betroffenheitsdemonstrationen, so wichtig sie sind, zum Einlenken bringen.
Zwei Sätze noch. - Wir müssen ihn mit eigenen Konzepten überzeugen. Dazu bedarf es auch externen Sachverstandes. Ich begrüße, dass die Landesregierung hierzu Wirtschaftsberater konsultieren will. Aber ich frage Sie, Herr Heyer, was haben Sie dagegen, dass der ehemalige Ostbeauftragte Ludewig sich an dieser Arbeitsgruppe beteiligt?
(Beifall bei der CDU, bei der DVU und bei der FDVP - Lachen bei der SPD - Zurufe von Herrn Kühn, SPD, und von Herrn Sachse, SPD)
Die Lage ist ernst. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren, und wir sollten alle Kräfte bündeln, damit dieses Problem gemeinsam gelöst werden kann. - Vielen Dank.
(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der DVU und bei der FDVP - Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS - Zuruf von Herrn Sachse, SPD)
Ich möchte noch einmal darum bitten, die Redezeiten einzuhalten. Es waren nicht nur zwei Sätze mehr, Herr Dr. Bergner.
Für die Landesregierung erteile ich dem Ministerpräsidenten Herrn Dr. Höppner das Wort. Bitte, Herr Dr. Höppner.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren und - das darf ich in diesem Fall auch einmal ausdrücklich sagen, obwohl es sonst unüblich ist - liebe Kolleginnen und Kollegen von Ammendorf, die Sie hier im Saal sind oder in den anderen Räumen zuhören!
Ich begrüße es, dass Sie durch Ihre Anwesenheit hier deutlich machen, welche Geschlossenheit wir brauchen. Denn eines ist klar: Ammendorf ist ein wichtiges Unternehmen in unserem Lande. Um solche wichtigen Unternehmen und ihren Erhalt müssen wir gemeinsam kämpfen. Diese Geschlossenheit, die auch durch Ihre Anwesenheit hier demonstriert wird, ist auch für uns ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir gemeinsam tatsächlich etwas bewegen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten Tage waren schwierig, aber ich will ausdrücklich betonen: Sie geben Anlass zur Hoffnung. Denn es ist keineswegs so, dass die Entscheidung gefallen ist. Ich muss an dieser Stelle auch mit Blick auf die Berichterstattung noch einmal ausdrücklich sagen: Wer hier die Meinung verbreitet, es wären schon alle Messen gesungen, schadet dem Kampf um den Erhalt des Standortes.
Nein, meine Damen und Herren, wir haben es derzeit nicht mit einem Beschluss zur Schließung zu tun. Wir haben es mit Plänen und Absichtserklärungen zu tun. Genau darum ist es jetzt erforderlich, in diese Pläne einzugreifen, diese Absichtserklärungen zunichte zu machen und dafür zu kämpfen, dass unser außerordentlich wichtiger Standort Ammendorf tatsächlich erhalten bleibt. Wir wollen, dass Bombardier hier weiter produziert.
Meine Damen und Herren! Das habe ich in zahlreichen Gesprächen mit Bombardier auch deutlich gemacht. Es ist eine ganze Liste von Gesprächen, die ich jetzt aufzählen könnte. Ich habe ganz klar gemacht, dass wir jegliche Pläne zur Schließung von Ammendorf grundsätzlich ablehnen, und ich habe unseren Widerstand dagegen angekündigt. Das lösen wir jetzt auch ein. Darauf kann sich Bombardier verlassen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf eines hinweisen - auch das habe ich Bombardier gesagt -, nämlich dass wir in Sachen Schienenfahrzeugbau in diesem Lande mit Dessau bereits ein Opfer gebracht haben. Dazu muss ich allerdings sagen, dass dieses Opfer unter der Regierung von Herrn Kohl gebracht worden ist. Ich habe da ja mitdemonstriert.
Es ist offenbar der damaligen Bundesregierung nicht möglich gewesen, diesen Standort zu erhalten. Ich werfe Ihnen das jetzt nicht vor, ich will bloß feststellen: Das ist der Tatbestand.
Meine Damen und Herren! Ich bin auch darum davon überzeugt, dass wir gute Aussichten haben, hier noch etwas zu erreichen, weil ich mir ganz sicher bin, dass es sich bei Ammendorf um einen sehr guten Standort handelt. Dieser Standort hat nach meiner Überzeugung Zukunft. Dieser Standort darf nicht geschlossen werden.
Es kommt jetzt darauf an, dass wir die Zeit nutzen, und zwar mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie können sich darauf verlassen: Wir haben auch alle diejenigen, die bereit sind, sich zu unserer Unterstützung zur Verfügung zu stellen, eingeschaltet. Übrigens stört es mich überhaupt nicht, wenn sich das irgendjemand auf seine Fahnen schreibt, wenn ich beispielsweise mit Herrn Gentscher telefoniere und ihn dafür mobilisiere. Wichtig ist doch, dass wir alle Kräfte, die wir in diesem Lande haben, mobilisieren, um Ammendorf zu erhalten. Da bin ich überhaupt nicht an parteipolitische Grenzen gebunden.
Wir haben Zeit mindestens bis Dezember. Das heißt, es ist nicht viel Zeit. Mit anderen Worten - deswegen haben wir das auch ganz konzentriert gemacht -: Die Gespräche, von denen ich gleich noch reden werde, müssen sehr schnell zustande kommen. Wir müssen die Argumente auf den Tisch legen, bevor bei Bombardier weiter über dieses Konzept gesprochen wird.
Meine Damen und Herren! Eines möchte ich auch noch einmal ganz klar sagen: Diese Landesregierung hat den
Standort Ammendorf kontinuierlich unterstützt. Wer behauptet, wir würden jetzt erst aufwachen, der redet entweder gegen besseres Wissen oder hat keine Ahnung, was los ist.
Ich möchte etwas zum Stichwort Auftragsvergabe sagen. Das Land hat kontinuierlich und aufs Ganze durchaus erfolgreich seinen Einfluss geltend gemacht, um die Produktion in Ammendorf zu sichern, zum Beispiel gegenüber der Bahn AG, gegenüber kommunalen Verkehrsunternehmen. Die Landesförderung im Bereich des Schienenfahrzeugbaus war immer direkt darauf ausgerichtet, dass wir auch Produktion in Ammendorf sichern.
Das gilt übrigens auch, wenn Aufträge erteilt worden sind, bei denen von der Sache her klar war, dass dafür nicht in Ammendorf produziert werden kann, wie zum Beispiel die 30 Straßenbahnzüge. Es war klar, dass sie nicht in Ammendorf produziert werden können, aber damit war verbunden, dass andere Produktion, die nach Ammendorf gehört, auch tatsächlich dahin kommt.
Es ist völlig klar, auch der Auftrag, der jetzt erteilt worden ist, hängt von Fördermitteln ab. Diese Fördermittel sind damit verbunden gewesen, dass wir Local Content haben. Ich sehe nicht ein, dass wir diese Fördermittel dafür ausgeben sollen, dass andere Standorte aufwachsen können und unser Standort geschlossen wird. Das wird Konsequenzen haben.
Allerdings, was die Auftragsvergabe betrifft, muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir zum Teil erhebliche Widerstände zu überwinden hatten. Der Verkehrsminister kann davon ein Lied singen. Er hat zum Beispiel gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Sachsen und Nordrhein-Westfalen vor gut zwei Jahren vergeblich versucht, den seinerzeitigen Bahnchef Johannes Ludewig das muss auch einmal gesagt werden - zu bewegen, die überfällige Beschaffung von ICE-Zügen bei Bombardier endlich auf den Weg zu bringen. Stattdessen wurden diese Bestellungen weiter auf Eis gelegt.
Meine Damen und Herren! Ich bin für Geschlossenheit. Ich bin dafür, dass wir alle Kräfte mobilisieren.
Wer seinerzeit nicht bereit gewesen ist, die strukturpolitische Verantwortung zu übernehmen, von dem werde ich zwar gern Hilfe annehmen, aber er wird nicht in der ersten Reihe derjenigen stehen können, die jetzt verhandeln. Das wäre auch nicht besonders glaubwürdig.