Kanzler Schröder sicherte der chemischen Industrie seine Unterstützung gegen Regulierungsversuche der EU zu. Herr Trittin hingegen bezeichnete das Weißbuch als einen längst überfälligen Schritt. Wem glauben wir jetzt?
Nach EU-Plänen müssten rund 2 500 Stoffe, die als gefährlich eingestuft werden, künftig in einem speziellen Verfahren zugelassen werden. In Zukunft soll die Beweislast für die Ungefährlichkeit des Stoffes bei den Unternehmen liegen. Nicht die Gefährlichkeit eines Stof-fes unter Laborbedingungen darf ausschlaggebend sein, sondern nur die jeweilige Anwendung.
In der EU kostet die Anmeldung eines Stoffes rund 250 000 €, in den USA nur 15 000 €. Sollte es zur Durchsetzung dieser restriktiven EU-Richtlinie kommen, sind EU-weit 500 000 Arbeitsplätze direkt gefährdet. Allein in Deutschland würden 100 000 Arbeitsplätze gefährdet.
Der Begriff „EU“ ist längst fast überall negativ besetzt. Wir müssen davon ausgehen, dass Deutschland wie bisher in EU-Angelegenheiten bis zur Selbstaufgabe stimmt. Das ist immer so.
Der offensichtlich hoffnungslose Versuch der Landesregierung, die Interessen von Sachsen-Anhalt gegenüber anderen durchzusetzen, darf trotzdem nicht behindert werden. Ich glaube schon, dass sich die Landesregie
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen jetzt ganz herzlich angehende Gebärdensprachdolmetscher der Fachhochschule Magdeburg sowie Seniorinnen und Senioren des Verbandes der Heimkehrer des Kreisverbandes Halle.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Herrn Dr. Süß für die PDS-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Dr. Süß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Chemieindustrie unseres Landes gibt es in der Tat Fortschritte. Wenn da ein Fortschrittsbericht nicht rechtzeitig vorliegt, kann ich damit gut leben. Aber diese Fortschritte scheinen einigen Leuten hier nicht so recht zu gefallen, passen sie doch nicht in das Bild und zu ihren Angriffen auf die politische Konstellation in diesem Land.
(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD, von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)
Die chemische Industrie hat trotz der gravierenden Umbrüche und Abbrüche im Zusammenhang mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik gerade in unserem Land wieder eine bedeutende Rolle eingenommen. In 125 Betrieben mit 12 250 Beschäftigten wurden im Jahr 2000 Umsätze in Höhe von 7 Milliarden DM realisiert. Das sind 20 % der Umsätze des verarbeitenden Gewerbes.
Mit Investitionen in Höhe von fast 15 Milliarden DM im Zeitraum von 1991 bis 2000 wurde eine Produktionsbasis modernsten Zuschnitts errichtet. Diese Entwicklung ist von politischen Grundsatzentscheidungen zur Fortexistenz des Chemiedreiecks in unserem Raum - Herr Dr. Sobetzko hat dazu gesprochen - und den aktuellen strategischen Abstimmungen zwischen dem Verband der chemischen Industrie, den Unternehmen und der Landesregierung begleitet sowie mit erheblichen finanziellen Zuschüssen und Fördermitteln von Bund, Land und der EU unterstützt worden.
Wir betrachten den erreichten Stand als eine gute Grundlage und eine Chance für den weiteren dringend notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung in unserem Land. Dabei sehen wir in der Revitalisierung der Chemiealtstandorte in Form von Chemie- und Industrieparks oder Value-Parks beste Voraussetzungen für weitere Ansiedlungen von Unternehmen im Sinne des Aufbaus und der weiteren Gestaltung von Stoffkreisläufen mit minimalem Transportaufwand, aber hoher Wertschöpfung - dies vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Anteil chemischer Grundstoffe am Chemieumsatz mit 77 % beträchtlich über dem Durchschnitt der neuen Bundesländer und noch mehr über dem Durchschnitt der alten Bundesländer liegt.
Die auf Ergänzung der Wertschöpfungskette gerichteten Ansiedlungsbemühungen von Dow Chemical an den Standorten Buna, Leuna und Böhlen oder die auf Verstärkung der Verbundwirtschaft orientierte Ansiedlungsstrategie der Infra-Leuna-Gesellschaft machen deutlich, dass dies von den Unternehmen genauso gesehen wird.
Die Landespolitik muss ihre Bemühungen im gleichen Sinne fortsetzen und verstärken. In diesem Zusammenhang gewinnt das vorhandene europäische Chemikalienrecht und dessen geplante Reform gerade für Sachsen-Anhalt eine erhebliche Bedeutung.
Im Juni 1999 hatte der Rat der europäischen Umweltminister die EU-Kommission beauftragt, bis Ende 2000 Vorschläge für eine EU-einheitliche Reform der Chemikalienpolitik nach den Kriterien Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und hohe Sicherheitsstandards vorzulegen. Dies ist geschehen. Das so genannte Weißbuch „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ ist in der Diskussion.
Die Landesregierung ist gemeinsam mit dem Verband der chemischen Industrie sowie mit den Chemieunternehmen unseres Landes dabei, in Brüssel Regelungen zu besprechen, die der Entwicklung der chemischen Industrie in unserem Land möglichst weitere Impulse verleihen und gleichzeitig begründeten Sicherheitserfordernissen Rechnung tragen, die dem Schutz der mensch- lichen Gesundheit und der Umwelt dienen.
Vom VCI wurde im Wirtschaftsausschuss des Landtages am 20. Juni 2001 die Position der deutschen Chemie zur geplanten Reform des europäischen Chemikalienrechts erläutert. Es bestand Übereinstimmung dahin gehend, dass fundierte Stoffbewertungen vor allem die sichere Anwendung von Produkten zum Ziel haben müssen.
Wir vertreten die Auffassung, dass neue Regelungen die Entwicklung der Chemie in unserem Land, in den anderen Bundesländern und in den osteuropäischen Ländern mit Blick auf die EU-Osterweiterung mit vertretbarem Aufwand ermöglichen müssen. Die Erfahrungen der Unternehmen der Chemie müssen dabei ebenso Beachtung finden, wie deren Verantwortung für eine gefahrlose Verwendung ihrer Produkte hervorzuheben ist.
Die Initiative der Landesregierung in Brüssel, durch Nachweis neuer Bedingungen in unseren Chemie- und Industrieparks im Sinne regionaler Stoffkreisläufe und der Verbundwirtschaft zu vereinfachten Regelungen zu kommen, verdient volle Anerkennung und genau solche uneingeschränkte Unterstützung.
(Zustimmung bei der PDS, bei der SPD, von Mi- nisterpräsident Herrn Dr. Höppner und von Minis- terin Frau Dr. Kuppe)
Noch eines zum Schluss: Zu fordern ist, dass die hiesigen Arzneimittelhersteller von dem Handikap befreit werden, dass ihre seit 1990 zur Nachzulassung angemeldeten bewährten Arzneimittel mit einem diskriminierenden Aufdruck versehen werden müssen, weil die zuständigen Bundesstellen mit den Prüfungen nicht fertig werden. Hier drohen erhebliche Verluste und Nachteile, die der Bund zu vertreten hat. Wir fordern an dieser Stel-le eine schnelle Beseitigung der Behinderung durch die Politik der Bundesregierung.
Insgesamt sind wir der Meinung, dass die gesamte Problematik, so wie es von der Ministerin angeboten worden ist, im Wirtschaftsausschuss weiter verfolgt werden soll. Ich denke, dass dies vernünftig ist, um diesen wichtigen Zweig für unser Land im Auge zu behalten und politisch weiter stabil zu begleiten. - Vielen Dank.
(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD, von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist das erste Thema der Aktuellen Debatte beraten. An dieser Stelle unterbreche ich Tagesordnungspunkt 2 und komme zu Tagesordnungspunkt 3, der, wie vereinbart, im Anschluss an das erste Thema der Aktuellen Debatte behandelt werden soll.
Einbringer ist der Abgeordnete Herr Eckel. Eine Debatte ist nicht vereinbart worden. Bitte, Herr Eckel, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich ein Wort an Herrn Sobetzko richten. Die Tatsache, dass der vorliegende Antrag von mehreren Abgeordneten unterschrieben wurde, spricht mich von dem Verdacht frei, im Auftrag der Landesregierung zu handeln. Im Übrigen bleibt es Ihnen unbenommen, wenn Sie wissen, dass für unser Land wichtige Fragen wie die Chemiepolitik am 19. September in Brüssel beraten werden, am 20. September nicht nur aufmerksam die Presse und im Internet zu lesen, sondern vielleicht auch bei der Landesregierung anzufragen, wie diese Beratung gelaufen ist. - So weit zu der Frage des Auftrages.
Meine Damen und Herren! In der Aktuellen Debatte haben wir festgestellt, dass nicht zuletzt die Chemiepolitik Sachsen-Anhalts die chemische Industrie auf Wachstumskurs brachte. Unser Land ist weltweit als Chemieland Sachsen-Anhalt und als wettbewerbsfähiger Chemiestandort anerkannt. Das wäre ganz sicher ohne den Einsatz erheblicher Mittel aus dem europäischen Strukturfonds nicht möglich gewesen. Für eine langfristige Sicherung und zukunftsfähige Gestaltung der chemischen Industrie bedarf es allerdings einiger weiterer Anstrengungen.
Die Landesregierung, der Verband der chemischen Industrie, die IG BCE und die Chemieunternehmen sind angetreten, diese Perspektiven zu eröffnen. Das wird besser funktionieren, wenn auch die Chemie zwischen der Chemie und der Politik stimmt. Zumindest darüber gibt es in diesem Landtag offensichtlich einen weitestgehenden Konsens, wie der Ihnen vorliegende Antrag mehrerer Abgeordneter zeigt.
Der Wirtschaftsausschuss hatte sich im Februar 2001 während einer Anhörung intensiv mit den Zielen des Strategiedialoges befasst und nach weiterer Befassung beschlossen, diesen Dialog mit einem Beschluss des Landtages zu unterstützen. Dabei spielte die gegenwärtig in der Europäischen Kommission zu führende Debatte um das Weißbuch „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ eine besondere Rolle. Deshalb ist dies auch der wesentlichste Punkt des Antrages. Das ist ganz natürlich, denn unsere und die mitteldeutsche Chemieindustrie sind mit einem relativ hohen Anteil an Grundstoffchemie besonders betroffen.
So sehr wir grundsätzlich die Reform der europäischen Chemikalienpolitik begrüßen, so sehr haben wir uns aber auch dafür einzusetzen, dass diese Regelungen die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieunternehmen nicht unverhältnismäßig belasten. Die bereits angesprochene Forderung des Weißbuches, beispielsweise Stoffe allein wegen ihrer gefährlichen Eigenschaften etwa nicht zuzulassen, wäre aus unserer Sicht eben nicht verhältnismäßig und würde im Falle ihrer Umsetzung weitreichende Folgen für die chemische Industrie haben.
Es muss vor allem auch die Frage nach der sicheren Anwendung in den Vordergrund gerückt werden. Ich will hier keine Details aus der Weißbuchdebatte wiedergeben. In der Argumentation sollten uns die Forderungen aus dem Rio-Konzept bestärken, sowohl ökologische als auch ökonomische und soziale Belange gleichrangig zu berücksichtigen.
Meine Fraktion hat mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat im Juni in seiner Stellungnahme an die Europäische Kommission zum Weißbuch alle wesentlichen Anträge des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen hat und damit auch den Interessen der chemischen Industrie unseres Landes gefolgt ist.
Der Versuch, das in unserem Land und an den mitteldeutschen Standorten bewährte und in Europa bislang einmalige Chemieparkmanagement und die Vernetzung der Chemiestandorte auf europäischer Ebene zu erweitern, muss mit Blick auf die EU-Osterweiterung ein Schwerpunkt des Strategiedialoges Chemie bleiben. Diese Vernetzung ist nicht nur wegen der gemeinsamen Interessenvertretung spannend; sie wird vor allem auch Synergien für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen freisetzen. Insbesondere gilt dies für einen mitteleuropäischen Stoffverbund, von dem wir uns versprechen, dass Projekte des Know-how-Transfers entwickelt werden können.
Wenn wir von Perspektiven für die chemische Industrie sprechen, dann meinen wir damit auch die Begleitung von Innovationsprozessen durch die Entwicklung von Netzwerken zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Auf interregionaler Ebene haben wir durch die Vereinbarung mit der Chemieregion Masowien den Grundstein für ein Netzwerk europäischer Regionen gelegt. Als Beispiel für die nationale Ebene will ich das Netzwerk Mitteldeutsche Kunststofftechnik nennen, das im Rahmen der Landesinitiative Regio mit der Fraunhofer-Gesellschaft umgesetzt wird.
Ziel muss es jedenfalls sein, in Sachsen-Anhalt Forschungskapazitäten aufzubauen, neue Unternehmen anzusiedeln, indem wir im Bereich der Innovationen Kompetenzen entwickeln, die weit über die Grenzen hinaus wahrgenommen werden.
Weitere Schwerpunkte für den Strategiedialog bleiben auch künftig die Rohstoffversorgung und die Verbesserung der Infrastruktur für unsere Chemiestandorte.
Meine Damen und Herren! Ich bin sicher: Der Landtag wird die bislang erfolgreiche Entwicklung im Chemieland Sachsen-Anhalt auch künftig begleiten und unterstützen. Jede im Landtag vertretene vernunftbegabte Fraktion wird, wenn sie in Thesenpapieren vom fehlenden Wirtschaftsprofil in Sachsen-Anhalt spricht, zur Kenntnis nehmen müssen: Das gegenwärtige und künftige Profil der Wirtschaft unseres Landes wird - -
(Zuruf von Herrn Gürth, CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Sie waren eigentlich aufgefordert, für die Abgeordneten zu sprechen, die den Antrag un- terzeichnet haben, und nicht ihre persönliche Meinung zu äußern!)
Das gegenwärtige wie das künftige Profil der Wirtschaft unseres Landes wird nicht unwesentlich von der chemischen Industrie geprägt sein. Mit dieser Entwicklung sollten wir nicht unzufrieden sein.
Ich bitte um die Unterstützung des Strategiedialoges Chemie durch Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. - Danke.