Protocol of the Session on June 29, 2001

In der Variante 2 werden mögliche Zuwanderungsgewinne aus dem Ausland ins Auge gefasst. Diese Lösung ist für uns und für die meisten Bürger in Sachsen-Anhalt absolut indiskutabel.

Festzustellen bleibt, diese Regierung ist ein einziger Konkursfall, und zwar sowohl politisch-inhaltlich als auch finanziell. Ministerpräsident Höppner ist eine Belastung und eine Schande für Sachsen-Anhalt. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Dr. Köck für die PDSFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir nicht leicht, auf der Grundlage einer Pressemitteilung und einer in der Tagespresse veröffentlichten Statistik eine Aktuelle Debatte im Landtag zu führen. Hinzu kommt, dass statistische Daten insbesondere dann die unangenehme Eigenart haben, einen Sachverhalt eher zu verschleiern, wenn die Bezugsgrößen oder die Rahmenbedingungen der statistischen Erhebung nicht genau bekannt sind.

Letzteres trifft unzweifelhaft zumindest bis zur offiziellen Veröffentlichung in den statistischen Monatsberichten auf die Bevölkerungsprognose 2015 zu. Ich möchte deshalb im Gegensatz zu meinen Vorrednern darauf verzichten, die konkreten Zahlen der Bevölkerungsprognose in den Mittelpunkt meines Beitrags zu stellen. Gestatten Sie mir, dass ich den Bogen etwas weiter ziehe.

Die heutige Aktuelle Debatte hätten wir besser bereits vor drei Jahren, anlässlich der vom Statistischen Landesamt im Juni 1998 vorgelegten regionalen Bevölkerungsprognose 2010, führen sollen; denn damals hätten wir an das vor 300 Jahren im Jahre 1798 von Thomas Malthus veröffentlichte Werk zur Bevölkerungstheorie „An Essay on the Principle of Population“ erinnern können.

Darin formulierte Malthus ein später nach ihm benanntes Gesetz, nach dem sich die Bevölkerungszahl in geometrischer, die Nahrungsmittelproduktion dagegen nur in arithmetischer Progression entwickeln würde. Angesichts von Millionen von hungernden Menschen auf der Erde scheint Malthus wenigstens in der Tendenz leider auch am Beginn des 3. Jahrtausends doch noch Recht zu behalten.

Während man sich vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der jährliche Bevölkerungsrückgang in Sachsen-Anhalt in drei Stunden - also während unserer heutigen Vormittagsdebatten - durch das Wachstum der Weltbevölkerung ausgeglichen worden ist, über die Bevölkerungsprognose 2015 streitet, relativiert sich die Aufgeregtheit über den prognostizierten Bevölkerungsrückgang.

Übrigens hält dieser Prozess in Sachsen-Anhalt bereits seit 1967 ununterbrochen an und soll sich nach der neunten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung der statistischen Landesämter und des Bundesamtes für Statistik auch noch in den nächsten 50 Jahren fortsetzen.

Ein ähnliches Bild würde sich auch in den alten Bundesländern bieten, wenn das Zurückbleiben der Geburten- gegenüber der Sterberate - das ist das Merkmal aller Wohlstandsgesellschaften - nicht durch einen Wanderungsüberschuss kompensiert worden wäre. Es waren im Wesentlichen die Gastarbeiter, die Spätaussiedler und die Asylsuchenden, die in der alten Bundesrepublik zu einem jährlichen Bevölkerungswachstum von 200 000 bis 800 000 Personen geführt haben.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Und Umsiedler aus dem Osten!)

Einen gewissen Beitrag dazu hat aus den bekannten Gründen auch Sachsen-Anhalt jahrzehntelang geleistet. Damit wäre die Einwanderungsproblematik nur kurz angedeutet.

Wesentlich bedeutsamer als die absolute Bevölkerungszahl selbst sind für die Planungen des Landes und der Kommunen sowie unter sozialen und soziologischen Aspekten solche demografischen Parameter wie Haushaltszahlen, Haushaltsgrößen, Familiengrößen, die Altersstruktur, die Lebenserwartung, die Jugend-, Alten- und Sozialhilfeempfängerquoten.

Während wir uns auf der einen Seite gezwungen sehen, diesen demografischen Prozessen durch das Schließen von Schulen, von Kitas oder Krankenhäusern Rechnung zu tragen, tun wir auf der anderen Seite aber nicht Gleiches beim Ressourcen- und beim Siedlungsflächenverbrauch oder in den Kernverwaltungen.

Während beispielsweise in den Jahren 1998/99 die Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt um insgesamt 50 000 Menschen zurückgegangen ist, wurden gleichzeitig weitere 4 000 ha Fläche für Siedlungszwecke neu in Anspruch genommen. Wenn ich diese Verhältnisse auf den Kultus- und den Sozialbereich übertragen würde, dürften wir nicht die Einrichtungen schließen, sondern wir müssten die Gruppengrößen und die Klassenstärken reduzieren.

Wenn ich in diesem Zusammenhang an die sich fortsetzende Versiegelung der besten Bördeböden denke, schließt sich der Kreis bei Malthus wieder. Das Bevölkerungsproblem liegt bei aller Brisanz weniger im Bevölkerungszuwachs des armen Südens als vielmehr in der Lebensweise des reichen Nordens. Darüber sprechen auch die statistischen Daten in Sachsen-Anhalt eine klare Sprache. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Zum Abschluss des ersten Teils unserer Aktuellen Debatte erteile ich dem Abgeordneten Herrn Buder für die DVU-Fraktion an das Wort. Bitte, Herr Buder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bevölkerungsprognose für das Land Sachsen-Anhalt sieht sehr düster aus. Nach neuesten Prognosen wird das Land bis zum Jahre 2015 weitere Einwohner verlieren. Einer regionalisierten Bevölkerungsprognose zufolge werden dann nur noch rund 2,3 Millionen Menschen in SachsenAnhalt leben. Die Ursachen dafür sind sehr vielschichtig. Neben zu niedrigen Geburtenzahlen in Sachsen-Anhalt schlägt ebenso die Abwanderung jüngerer Menschen aus Sachsen-Anhalt in die so genannten reichen Bundesländer negativ zu Buche. Das führt dazu, dass die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt immer älter wird. Kommen heute 44 über 60-Jährige auf 100 Einwohner im arbeitsfähigen Alter, so werden es im Jahre 2015 bereits 56 sein.

Meine Damen und Herren! Schlankheitskuren werden bekanntlich von Ärzten empfohlen. Ob das auch für unser Land gelten muss, dass sollte dezisiv bezweifelt werden. Auf der Intensivstation liegen bereits Städte wie Dessau und der gesamte Kreis Bitterfeld, aber auch andere Landkreise und kreisfreie Städte. Die Landes

hauptstadt Magdeburg wird in 14 Jahren nur noch rund 200 Einwohner haben.

(Heiterkeit - Zuruf von der SPD: 200 000! - Zuruf von der CDU: Das ist ein bisschen wenig!)

- 200 000 Einwohner meine ich.

Wer sich die so genannten Lebensbäume von Zeitz bis Stendal anschaut, der fühlt sich eher an ein ärztliches EKG erinnert als an einen gut gewachsenen Tannenbaum. Diese Negativtrend zu stoppen wäre normalerweise die Aufgabe der hiesigen Landesregierung. Aber was ist hier überhaupt noch normal?

Warum das jedoch so ist, haben wir des öfteren explizit und prägnant in den Landtagssitzungen in unseren Redebeiträgen dargestellt. Erinnern möchte ich die Landesregierung nur noch an einige Attribute wie Massenarbeitslosigkeit, mangelnde Wirtschaftsdynamik, mangelnde Familienpolitik, völliges Versagen in der Ansiedlungspolitik - beispielsweise die Absage von BMW an Sachsen-Anhalt - sowie allgemein totales Versagen der Landesregierung.

Herr Höppner! Meine Damen und Herren! Alle diese aufgeführten Fakten sind bezeichnend für die regionalisierte Bevölkerungsprognose in Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der DVU - Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse werden nach unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist das erste Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte beraten. Wir kommen zur Talkshow.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS - Zu- stimmung von Herrn Steckel, SPD)

Ich rufe das zweite Thema auf:

Auftritt des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Höppner in der Talkshow „Sabine Christiansen“ am 17. Juni 2001

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4695

Es wird für die Debatte folgende Reihenfolge vorgeschlagen: CDU, PDS, SPD, DVU und FDVP. Zunächst hat der Antragsteller, die CDU-Fraktion, das Wort. Danach spricht für die Landesregierung Ministerpräsident Dr. Höppner. Herr Professor Böhmer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden hier keine Talkshow daraus machen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben auch nicht vor, eine politische Unterhaltungssendung im Landtag von Sachsen-Anhalt vorzuführen. Nur weil wir glaubten, für eine Aktuelle Debatte einen aktuellen Anlass bemühen zu müssen, haben wir dieses Thema gewählt, über das ich - das gebe ich zu - überhaupt nicht glücklich bin. Herr Kollege Fikentscher, wenn wir gewusst hätten, dass man - jetzt zitiere ich Sie

„einen langfristigen Prozess von großer Trägheit“ auch zum Thema einer Aktuellen Debatte machen kann,

(Herr Dr. Fikentscher, SPD: „Die man immer aktuell halten muss“, hatte ich hinzugefügt!)

dann wäre uns mit Sicherheit eine andere Formulierung eingefallen. Worum es uns geht, lässt sich ganz einfach sagen: Wir beobachten immer wieder und nicht erst seit gestern, dass mit Scheinzusammenhängen ohne Kausalitätsnachweis und einer bestimmten gewollten oder ungewollten Problemvernebelung durch Faktenverdrängung Kulissen aufgebaut werden, hinter denen dann politische Entscheidungen getroffen werden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU, und von Herrn Preiß, DVU - Zuruf von Herrn Tögel, SPD)

Wir beobachten das immer wieder und wollen es nicht hinnehmen, dass wir unter solchen Umständen als Legitimationsvorwand für Entscheidungen benutzt werden, die man jetzt noch nicht zugeben möchte. Das ist unser eigentliches Problem und darüber wollten wir in diesem Haus diskutieren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU, und von Herrn Preiß, DVU)

Weil es dazu in der genannten Talkshow einige Äußerungen gegeben hat, haben wir sie zum Anlass genommen, um das Thema vor diesem Haus vorzutragen. Dort war, um konkrete Beispiele zu nennen, vom Personalabbau in Sachsen-Anhalt die Rede und davon, dass die Landesregierung jetzt den Überhang abbauen müsse, den wir aufgebaut haben.

(Zuruf von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner)

Meine Damen und Herren! Das ist im Einzelfall vielleicht richtig, aber es umschreibt überhaupt nicht das eigentliche Problem. Wir haben im Jahr 1991 über 115 000 Landesbedienstete gehabt. Im Jahre 1994 waren es noch ca. 95 000. Das heißt, immerhin 20 000 Landesbedienstete mussten in dieser Zeit abgebaut werden. Dass das nicht einfach war, können Sie in den Protokollen der Landtagssitzungen der damaligen Zeit nachlesen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU, und von Herrn Preiß, DVU - Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist richtig!)

Dass aufgrund des Umbaus der Verwaltung möglicherweise auch Stellen abgebaut werden müssen, die erst in der Zwischenzeit aufgebaut worden sind, mag im Einzelfall richtig sein, umschreibt aber überhaupt nicht das Problem, vor dem wir in Sachsen-Anhalt stehen.

(Zustimmung von Herrn Preiß, DVU)

Nach der Diskussion am gestrigen Abend muss ich daran erinnern, wie schwierig es war: Es hat drei Anträge im Landtag gegeben, die nicht antragsgemäß mit einer Mehrheit beschieden worden sind. Dies ist nicht einfach, aber dies ist nicht das Problem der CDU von SachsenAnhalt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU)