Protocol of the Session on May 18, 2001

Wir sind deswegen in einigen Punkten vorsichtig weitergegangen, bei denen wir die Möglichkeit sehen, dass sie direkt über den Bund und auch in die Zukunft reichend finanziert werden könnten.

Das bezieht sich zunächst auf den Punkt des Stadtumbaus. Dies ist ein Wort, das es in unserem Sprachgebrauch noch gar nicht so lange gibt. Diese Begrifflichkeit ist den tatsächlichen Verhältnissen in unserem Lande geschuldet. Bis jetzt hat man immer von Stadtentwicklung gesprochen. Dieses Wort bezieht sich auf eine Stadt, die wächst, die nach außen geht und sich vergrößert. Das findet bekanntermaßen bei uns nicht statt. Es geht auch nicht mehr um Stadtreparatur. Dieses Wort gab es eine Zeit lang und es bedeutete: Wir wollen das wiederherstellen, was es einmal gegeben hat, und nicht darüber hinausgehen. - Nein, das Wort Stadtumbau ist wohl richtig.

Wir haben in der letzten Landtagssitzung bereits über die Frage diskutiert, warum unsere Städte kleiner werden. Die drei Gründe dafür sind genannt worden: Geburtendefizit, Abwanderung aus dem Osten in den Westen, aber eben auch die Abwanderung aus den Städten heraus.

Die Wirtschaftswissenschaftler sagen uns, dass es für diesen Vorgang bis jetzt keine Modelle gibt. Niemand hat sich damit beschäftigt, was mit einer Stadt zu tun ist, die kleiner wird und auf die die bisherigen Planungen nicht anwendbar sind. Vielmehr muss hierbei die Frage beantwortet werden, was eine Stadt in dieser Situation aus sich heraus noch machen kann. Dafür gibt es Hilfen. Dies will ich nur kurz andeuten. Wir wollen die zukunftsorientierten Arbeitsplätze unterstützen. Dafür kann man Bundesmittel einbringen. Das alles ist in unserem Änderungsantrag gesagt.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass unser Änderungsantrag im Landtag eine Mehrheit bekommen könnte, weil diesbezüglich keine grundsätzlich unterschiedlichen

Meinungen bestehen. Wir haben uns auch bemüht, Ihnen keine großen Schwierigkeiten zu machen, dem Antrag zuzustimmen, indem wir die Landesregierung nicht loben, weil wir wissen, dass dies für Sie nicht zustimmungsfähig wäre. Vielmehr formulieren wir: „Der Landtag unterstützt die Landesregierung in ihrem Bemühen“. Es wäre sehr gut, wenn dies alle Fraktionen mittragen könnten. Es ist ähnlich wie in der Außenpolitik: Wenn man die Interessen nach außen vertreten möchte, muss man die inneren Kräfte zusammenführen. Wir sind in einer vergleichbaren Lage.

Es wäre also sehr schön, wenn Sie den Änderungsantrag, der im Grunde genommen die Weiterentwicklung der Diskussion in sich aufgenommen hat, unterstützen könnten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Für die Fraktion der FDVP erteile ich dem Abgeordneten Herrn Weich das Wort. Bitte, Herr Weich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aufholprozess der neuen Bundesländer und ganz besonders des Landes Sachsen-Anhalts ist ins Stocken geraten. Die Schere zwischen Ost und West klafft immer weiter auseinander. Derzeit gehen noch 82 % aller Transferleistungen in die mitteldeutschen Länder. Sachsen-Anhalt hat seit 1991 225 Milliarden DM für den Aufbau Ost erhalten. Von der EU erhält das Land 6,5 Milliarden DM für den Zeitraum 2001 bis 2004.

Die sicherlich berechtigten Forderungen der CDU können schon deshalb nicht ernst genommen werden, weil man weiß, dass sich viele Menschen fragen, ob man die CDU überhaupt noch ernst nehmen kann. Schwarzgeldaffäre, König-Kurt-Affäre, Briefe schreiben an die SPD, Führungs- und Kopflosigkeit - tiefer kann eine Partei nicht mehr fallen.

Wir wissen, dass der Bettelkünstler Höppner nicht auf die eigenen Fähigkeiten der Menschen setzt, sondern auf Schmarotzertum. Geldverschwendung ist an der Tagesordnung - Möwe, Dienstwagenaffäre usw. -, aber das ist ja allen bekannt. Solange in diesem Land sozialdemokratisch-kommunistisch regiert wird - denken wir an den wirtschaftlichen Niedergang der DDR! -, bleibt Sachsen-Anhalt in finanzieller Hinsicht ein Fass ohne Boden.

(Herr Oleikiewitz, SPD: Mal besser in die Ge- schichtsbücher gucken, Herr Weich!)

Eine immer profillosere CDU, die sich als Sanierungspartner der SPD anbietet, ist das Letzte, was SachsenAnhalt gebrauchen kann.

(Herr Gürth, CDU: Wer hat Ihnen das aufge- schrieben?)

Da reichen auch die schauspielerischen Qualitäten eines Herrn Böhmer nicht aus.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS - Unruhe bei der CDU)

Trotzdem stimmt die freiheitliche Fraktion diesem Antrag zu.

(Beifall bei der FDVP)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Hein. Bitte, Frau Dr. Hein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Weich, mit dem Reden haben Sie ja so Ihre Schwierigkeiten, ebenso mit dem Vorlesen. Aber seit dem 4. Mai weiß ich: Pfeifen können Sie besser.

(Zustimmung von Frau Stolfa, PDS - Zustimmung und Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Nachdem sich CDU und SPD wochenlang bemüht haben, die ThierseThese vom Osten auf der Kippe zu widerlegen oder wenigstens abzuwiegeln, haben nun beide Parteien das Thema der Ostförderung wieder entdeckt. Nicht die PDS, sondern die CDU hatte sehr schnell blühende Landschaften und in nur wenigen Jahren gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West versprochen, so wie das auch dem Artikel 72 des Grundgesetzes entspricht.

Nach der deutschen Einheit haben jedoch sowohl die Kohl-Regierung wie auch die Schröder-Regierung elf Jahre lang de facto an diesem Gebot vorbeiregiert. Die Folgen sind sichtbar. Die wirtschaftliche Kluft zwischen Ost und West verfestigt sich und wächst beständig. Das ist heute auch schon bestätigt worden. Dabei sollen tatsächliche Fortschritte gar nicht geleugnet werden, aber sie stehen eben in keinem Verhältnis zur Größe der zu lösenden Aufgabe.

Nötig ist ein Aufholprozess in einem Ausmaß, wie es bisher nach keinem der regierungsseitig vorgelegten Konzepte zu erwarten ist. Insbesondere angesichts der geplanten und auch von uns befürworteten EU-Osterweiterung besteht für Ostdeutschland akuter Entscheidungsbedarf. Offensichtlich reicht es eben nicht, nur scheinbar großzügig ein paar Finanzspritzen herüberzureichen. Es muss nämlich einen Grund haben, dass es trotz des jährlichen Finanztransfers von etwa 140 Milliarden DM nicht gelungen ist, die Weichen für eine ostdeutsche Reproduktion auf eigener wirtschaftlicher Grundlage zu stellen.

Wenn sich rot-grüne Haushaltspolitik weiter ausschließlich am Schuldenabbau und Steuerpolitik nach wie vor an der Begünstigung Begüterter und von Großunternehmen orientiert, wenn die Wirtschaft weiter hauptsächlich dem Markt überlassen bleibt, entsteht im Osten eine dauerhafte europäische Rückstandsregion.

Die PDS hat sich in ihren wirtschaftspolitischen Leitlinien für Sachsen-Anhalt klar dazu bekannt, die Angleichung der Lebensverhältnisse zunehmend aus eigener Kraft zu gestalten. Es geht um ein ganzes Bündel gesamtdeutscher wirtschaftlicher Maßnahmen von erheblichem finanziellen Gewicht und für einen längeren Zeitraum, das sehr rasch auf den Weg gebracht werden muss.

Die PDS hat mit ihrem Zukunftsprogramm Ost Vorschläge unterbreitet, die ich hier kurz skizzieren will. Wir fordern bis zum In-Kraft-Treten des Solidarpakts II ein Sofortprogramm mit folgenden Bestandteilen:

Erstens. Wir fordern ein Konzept für eine Innovations-, Investitions- und Gründungsoffensive von Bund und Ländern für den Osten. Es besteht in einer Bündelung und Aufstockung von Fördermaßnahmen anstelle der jetzigen Vielzahl von Miniprogrammen einzelner Ministerien und in einer Entbürokratisierung des Zugangs.

Kompetenzzentren und kleine und mittlere Unternehmen sind zukunftsfähige neue Strukturen und müssen vernetzt werden.

Für eine Existenzgründerwelle bedarf es verabredeter Bankenunterstützungen und einer existenzsichernden Begleitung bestehender, aber leistungsfähiger Unternehmen.

Zweitens. Wir fordern ein Aktionsbündnis Ost für Arbeit, Aufträge und Unternehmensansiedlungen. In dieses Bündnis gehören Bund, Länder, Banken und Unternehmen. Schwerpunkte sollten aus unserer Sicht die Gewährung von Ansiedlungspräferenzen, die Rück- und Neugewinnung von Märkten in Osteuropa, der Ausbau von Schienenverbindungen und Ortsumgehungen sowie die qualitative Aufwertung von Stadtvierteln, auch durch den Rückbau leer stehender Wohnungen und Wohnumfeldverbesserungen, sein. Das alles mit Präferenzen für regionszugehörige Unternehmen.

Drittens. Die besten Erfahrungen - diesbezüglich sind wir anderer Auffassung als die SPD - wurden mit Förderprogrammen gewonnen, die bei den Kommunen angesiedelt sind. Darum sind wir für eine Wiederauflage einer kommunalen Investitionspauschale des Bundes, und zwar in einer Höhe von mindestens 3 Milliarden DM. Angesichts der finanziellen Lage der Kommunen sollte man dabei auf eine Komplementärfinanzierung verzichten.

Viertens. Wir wollen das Nebeneinander von Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung schrittweise überwinden. Dazu müssen die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit wenigstens teilweise dezentralisiert werden, um sie zielgenauer einsetzen zu können und mit Mitteln für Wirtschaftsförderung und Mitteln für kleine und mittlere Unternehmen zu verzahnen.

Schwerpunkte sind dabei die Verknüpfung der Wirtschaftsförderung mit Beschäftigungseffekten und der Übergang von der Personen- zur Projektförderung in öffentlich geförderter Beschäftigung.

Fünftens bedarf es Korrekturen in der Haushalts- und Finanzpolitik des Bundes, beginnend mit dem Haushalt 2002. So löblich das Engagement für den Schuldenabbau ist - wenn er zulasten des Ostens betrieben wird, entstehen in Zukunft neue Konsolidierungserfordernisse. Wer soziale Spannungen auf die künftigen Generationen überträgt, ist nicht zukunftsfähig.

Zusätzliche finanzielle Mittel für den Osten können durch die Streckung des Abbaus der Neuverschuldung und durch den Einsatz der Zinsersparnisse aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen gewonnen werden.

Sechstens. Während die Industrie im Osten konsequent abgewickelt oder angepasst ist, hat sich die Landwirtschaft behauptet. Ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung regionaler Wirtschaftskreisläufe mit positiven Arbeitsmarktseffekten kann durch die Förderung der ostdeutschen Landwirtschaft geleistet werden. Dazu gehören für uns unter anderem die Förderung vielfältiger Kooperationsformen in der Landwirtschaft, von Verarbeitung und Vermarktung, die Unterstützung zukunftsfähiger und wettbewerbsfähiger Agrarstrukturen, insbesondere der Genossenschaften.

Meine Damen und Herren! Wir haben übrigens nichts dagegen, wenn unsere Vorschläge künftig auch in Programmen und Anträgen anderer Parteien auftauchen, wie das in der Vergangenheit mitunter der Fall war, wir bestehen aber auf unserer Autorinnenschaft.

Die CDU hat mit dem Antrag einen fulminanten Wurf gelandet. Es ist eine Worthülse an der anderen und eigentlich ist daran nichts neu. Die Rede von Professor Böhmer hat eine andere Diktion gehabt. Aus diesem Grunde denken wir, dass es das Thema wert wäre, darüber im Ausschuss genauer zu diskutieren; denn es ist schon wichtig, dass wir im Osten mit einigermaßen abgestimmten und konkreten Vorstellungen in die Bundesdiskussion gehen und auch wissen, wie man mit dem Geld umgeht. Das Geld ist die eine Seite. Die andere Frage ist, was man damit macht.

Es gibt Nähen in den Reden, die heute hier gehalten worden sind. Es gibt Verständigungsbedarf. Es gibt auch Differenzen. Lassen Sie uns deshalb im Ausschuss darüber reden und Experten anhören. Ich denke, das nützt für das, was wir hier zu leisten haben. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD, und von Herrn Koehn, SPD)

Danke sehr. - Ich muss eine Nachfrage stellen. Frau Dr. Hein, Sie haben indirekt den Ausschuss genannt, aber nicht gesagt, welchen.

(Frau Dr. Hein, PDS, und Herr Dr. Süß, PDS: Wirtschaft und Finanzen!)

Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt worden, die Anträge in die Ausschüsse für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten und für Finanzen zu überweisen. Ich lasse darüber abstimmen. Wer diesem Antrag -

(Herr Scharf, CDU: Nein! Noch ein Redebeitrag!)

- Ich bitte um Entschuldigung. Herr Professor Böhmer, verzeihen Sie mir. Ich war schon weiter. Selbstverständlich wird jetzt die Debatte durch Professor Dr. Böhmer mit dem Beitrag der CDU-Fraktion beendet.

Ich muss zugeben: Der Antrag auf Ausschussüberweisung hat mich etwas irritiert.

(Herr Wolf, FDVP: Was?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir eine Ausschussüberweisung an dieser Stelle nicht empfehlen, halte ich es für wichtig, dazu noch etwas zu sagen.

Mir ist deutlich geworden: Wir sollten uns einmal in völlig anderen Zusammenhängen mehr Zeit für unsere Diskussionen lassen und nicht bloß immer Tagesordnungen durchhecheln. Aber das ist ein anderes Problem.