Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den Patientinnen und Patienten im Maßregelvollzug haben wir es mit einer Tätergruppe zu tun, der im normalen Strafvollzug nicht adäquat geholfen werden kann. Nach der Entlassung aus dem normalen Strafvollzug bestünde das Problem, dass der oder die Betroffene zwar die Strafe verbüßt hat, aber die psychische Erkrankung nicht behandelt worden wäre. Es fehlt die adäquate therapeutische Hilfe. Die Wiederholungsgefahr wäre damit ungleich größer.
So gesehen ist der Maßregelvollzug - auch das habe ich schon mehrfach betont - ein aktiver Opferschutz. Bei der Gruppe der Sexualstraftäter wird das besonders deutlich. Ist die entsprechende Tat nicht mit einem Mord verbunden, lässt das Gesetz nur zeitlich begrenzte Freiheitsstrafen zu, soweit keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wird. Nach der Verbüßung der Strafe im Justizvollzug bestünde unabhängig von irgendeiner Prognose automatisch der Anspruch auf Freilassung.
Daran hat offensichtlich auch die im Jahr 1998 erfolgte Verschärfung der Voraussetzungen für eine Unterbringung von Sexualstraftätern in der Sicherungsverwahrung nichts geändert. Wie aus der Antwort auf Frage 1 hervorgeht, befand sich am Stichtag niemand in der Sicherungsverwahrung.
Kommt der psychisch kranke Sexualstraftäter hingegen in den Maßregelvollzug, hat er nur bei einer positiven Prognose eine Chance auf eine Wiedereingliederung. Die Unterbringung im Maßregelvollzug wird von vornherein zeitlich nicht befristet. Ihre Dauer hängt von dem Erfolg der therapeutischen Behandlung ab, der sich
die betreffende Person letztlich nicht entziehen kann, wenn sie wieder in Freiheit gelangen will. Gerade in diesem Bereich leistet die Einrichtung in Uchtspringe einen großen Beitrag für die Sicherheit der Allgemeinheit, steht doch bei nahezu der Hälfte der dort Untergebrachten die Verurteilung im Zusammenhang mit einem Sexualdelikt.
Angesichts der immer noch aktuellen Schmökel-Debatte heißt es oftmals: Warum wird überhaupt therapiert? Sexualstraftäter gehören in den Knast. - Für mich steht fest, dass solche Diskussionen von wenig Sachkenntnis über die tatsächlichen Verhältnisse und Bedingungen zeugen.
Deshalb finde ich es gut, Frau Stange, dass über die Antwort auf Ihre Große Anfrage hinsichtlich der Schlüssigkeit der bisherigen Strategie der Landesregierung in Bezug auf den Maßregelvollzug eine ganze Menge deutlich werden kann.
Für den Maßregelvollzug wurden in der ersten Legislaturperiode die rechtlichen Grundlagen im Land geschaffen. In der ersten Legislaturperiode sind allerdings weder die investiven noch die sächlichen noch die personellen Voraussetzungen geschaffen worden bzw. sie konnten damals noch nicht geschaffen werden. Das haben wir in der zweiten und dritten Legislaturperiode massiv in Angriff genommen.
Die Große Anfrage stellt überwiegend die üblichen Fragen zu diesem Thema, wie zu den Kapazitäten, zur Belegung, zu den Entlassungszahlen, zu den Lockerungsstufen, zu den Verfahren bei der Gewährung von Lockerungen, zu besonderen Sicherungsmaßnahmen, zur Verweildauer, zum Personalbestand bzw. -bedarf und zu den Rückfallquoten.
Die in Frage 7 abgefragten Rückfallquoten - darauf möchte ich noch kurz eingehen - konnten in der Antwort nicht mit Zahlen unterlegt werden. Das liegt daran, dass für Sachsen-Anhalt dazu keine verlässlichen Angaben existieren, auch wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, wiederholt das Gegenteil behaupten und mit Zahlenmaterial ziemlich populistisch umgehen. Damit erzeugen Sie ein falsches Bild.
Die Daten, die Sie nennen, werde ich nicht wiederholen. Sie sind falsch, wenn Sie die Rückfallquoten bezogen auf das Einweisungsdelikt meinen; denn Ihre Daten basieren auf dem Vergleich der Namen der aus dem Maßregelvollzug entlassenen Patientinnen und Patienten mit der beim Landeskriminalamt geführten Datei der Tatverdächtigen.
Bei dieser Datei beim Landeskriminalamt handelt es sich nicht um überführte und verurteilte Täterinnen und Täter, sondern um Tatverdächtige. Eine Verifizierung durch Beiziehung der jeweiligen Akten aus den Strafverfahren ist nicht möglich. Im Übrigen sagt der Vergleich der Namen nichts über die einzelnen Delikte aus, die die therapierten Patienten nach ihrer Entlassung wiederum zu Tatverdächtigen gemacht haben.
Niemand kann aufgrund der auf diese Weise gewonnenen Zahlen sagen, ob eine neue Straftat mit der behandelten psychischen Erkrankung überhaupt in irgendeinem Zusammenhang steht. Ich möchte dafür ein Beispiel nennen: Ein ehemaliger Sexualstraftäter, der erfolgreich therapiert und entlassen wurde, begeht in einer Kaufhalle einen Lebensmitteldiebstahl. Ist er damit rück
Deswegen sage ich, es muss Sachlichkeit und Ehrlichkeit im Umgang mit Daten, mit Zahlen, mit Menschen an der Tagesordnung sein. Man darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Ich denke, wir brauchen zu diesem Thema eine wirklich eindeutige und sachliche Gesprächsgrundlage.
Frau Stange, wir haben sorgfältig, gewissenhaft und detailliert auf die Fragen geantwortet. Ich glaube, es wird deutlich, dass wir in Sachsen-Anhalt nach menschlichem Ermessen einen sicheren Maßregelvollzug haben, auch wenn ich auf keinen Fall eine 100-prozentige Sicherheit versprechen kann. Das kann keiner. Das müssen wir immer wieder ernst nehmen.
Das bisher Erreichte ist kein Anlass zum Ausruhen. Es ist auch kein Anlass dafür, in Bezug auf den Maßregelvollzug eine rosarote Brille aufzusetzen. Es gibt auch keinen Anlass, etwas besser zu beurteilen, als es ist. Ich greife als Beispiel die Frage 15 heraus, die sich mit der personellen Besetzung beschäftigt. Dieser Punkt muss derzeit für den ärztlichen Bereich noch als problematisch bezeichnet werden. Sie haben darauf hingewiesen, Frau Stange.
Im Krankenpflegebereich werden noch vor der Sommerpause alle als notwendig ermittelten Stellen besetzt sein. Im Fachärztebereich wird es auch in Zukunft schwierig sein, freie Stellen zu besetzen. Im vergangenen Jahr ist es uns gelungen, im ärztlichen Bereich eine Steigerung um 40 % zu erzielen. Aber wir haben das Ziel längst noch nicht erreicht.
Diese Situation besteht in allen Bundesländern annähernd gleich, da das Gebiet der Forensik bei Medizinerinnen und Medizinern wenig Anklang findet. Angebote der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg für eine Zusammenarbeit in diesem Bereich, um Studentinnen und Studenten der Medizin schon frühzeitig für das Gebiet der Forensik zu begeistern, finden meine volle Unterstützung. Konkrete Projekte befinden sich in der Abstimmungsphase.
Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass das Land Sachsen-Anhalt mit den jetzt bezogenen Neubauten und den damit verbundenen Neueinstellungen von Personal den gesetzlichen Auftrag der Besserung und Sicherung von gefährlichen, psychisch kranken Straftätern in einem hohen Maße gerecht wird. Wir brauchen Vergleiche mit anderen Bundesländern nicht zu scheuen.
Ich wäre dankbar, wenn wir auch weiterhin eine sachliche Debatte zur Qualifizierung des Maßregelvollzugs führen könnten; denn die wird dauerhaft auf der Tagesordnung stehen. Die Tatsache, dass wir heute darüber diskutieren können, zeigt, dass ich das Thema ernst nehme. Dafür habe ich andere wichtige Termine wie die Jugendministerkonferenz zurückgestellt. Sie wissen das.
Ich wünsche mir für die Zukunft eine am Inhalt orientierte Debatte; denn wir haben gemeinsam die Erfahrung gemacht, dass aufgebrachte Stammtischparolen zu diesem Thema überhaupt nicht weiterhelfen. Also lassen Sie uns ernsthaft und zukunftsorientiert über die schwierigen
Danke sehr. - Für die PDS-Fraktion spricht nunmehr die Abgeordnete Frau Knöfler. Bitte sehr, Frau Knöfler, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Große Anfrage der CDU-Fraktion des Landtages von Sachsen-Anhalt räumt erneut die Möglichkeit ein, den Maßregelvollzug über die Privatisierungsdebatte hinaus auf die Tagesordnung des Landtages zu setzen. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, dass der Maßregelvollzug eine der brisantesten gesellschaftlichen Aufgaben ist.
Psychisch kranken Straftätern und Straftäterinnen werden zur eigenen Besserung und zum Schutz der Bevölkerung freiheitsentziehende Maßregeln auferlegt. Der oder die schuldunfähige bis bedingt schuldfähige Täter oder Täterin hat meistens nicht nur eine oder mehrere Straftaten begangen; vielmehr sind infolge des seelischen Zustandes - darin besteht die Brisanz der Problematik - weitere erhebliche Straftaten zu erwarten.
Bei der Auseinandersetzung mit der Großen Anfrage der CDU-Fraktion bleibt festzustellen, dass es den Fragestellern offensichtlich vorrangig um die Sicherung und weniger um die Behandlung, die Betreuung und die Besserung der Inhaftierten des Maßregelvollzuges geht.
Unbestritten sind die Sicherheitsfragen sehr ernst zu nehmen, wobei das Ziel der Therapie kranker Straftäterinnen und Straftäter Vorrang haben muss, um somit im Rahmen der freiheitsentziehenden Maßregeln Besserung beim Straftäter bzw. bei der Straftäterin und eine möglichst geringe Rückfallgefahr zu gewährleisten. Nach Auffassung der PDS-Fraktion ist eine fachgerechte Therapie der Meilenstein zum Erfolg, natürlich im Einklang mit Sicherheitsvorkehrungen; denn die Sorgen und Ängste der Bevölkerung vor einem Ausbruch und anderen Gefahren nehmen wir sehr ernst.
Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Ihre Große Anfrage ist merklich unkorrekt gestaltet und dadurch möglicherweise zum Teil unkorrekt beantwortet worden. Lassen Sie mich ein Beispiel erwähnen. Ich zitiere Ihre Frage 11:
„Welche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen werden für diese Fachkräfte jährlich zur Verfügung gestellt?“
Es ist unseres Erachtens von wesentlicher Bedeutung, inwieweit das Personal des Maßregelvollzuges das jeweilige Bildungsangebot angenommen hat; denn therapeutische Maßnahmen sollten auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis angewandt werden, damit der Rückfälligkeit optimal vorgebeugt werden kann.
Ebenso unkonkret erscheinen mir einige Fragen zum Personalbestand. Fragen zum Tarifrecht fehlen gänzlich. Hierin wird der unterschiedliche Anspruch der CDUFraktion und der PDS-Fraktion besonders deutlich. Die PDS-Fraktion ist der Auffassung, dass nur gut qualifiziertes, hoch motiviertes Personal in der Lage ist, den
Uns allen sollte bewusst sein, dass der Erfolg des Maßregelvollzuges nicht in Repressionsverschärfung und hochgerüsteten Sicherheitsanlagen zu finden ist; er liegt vielmehr in der einzelfallbezogenen, abgestimmten, freiwilligen Therapie, realisiert durch ausreichend medizinisch, sozialpädagogisch und therapeutisch qualifiziertes sowie hoch motiviertes und engagiertes Personal.
In diesem Bewusstsein bittet die PDS-Fraktion die Landesregierung, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die laut Psychiatriepersonalverordnung fehlenden 39 Stellen im therapeutischen und ärztlichen Bereich, im pflegerischen und sozialpädagogischen Bereich umgehend qualifikationsgerecht zu besetzen.
Der Landesregierung ist weiterhin zu empfehlen, mit den Bediensteten des Maßregelvollzuges in Bezug auf tarifrechtliche Fragen, Qualifikations- und Besetzungsfragen weiterhin im Gespräch zu bleiben, das Gespräch zu suchen und zu finden; denn der gesellschaftliche Konsens lautet: Straffälligen Patientinnen und Patienten soll durch eine freiwillige Therapie, durch eine Heilbehandlung die Rückkehr in das gesellschaftliche und familiäre Leben ermöglicht werden. Die Voraussetzung dafür ist, die Rückfallgefahr weitestgehend gering zu halten. Wenn es gelingt, diesen Anspruch mehr und mehr umzusetzen, dann ist das der beste Opferschutz.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sicher, dass wir im Landtag weiterhin in einer inhaltlichen, sachbezogenen Debatte zum Thema Maßregelvollzug bleiben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Bevor ich dem Abgeordneten Herrn Kannegießer für die DVU-Fraktion das Wort erteile, begrüßen wir Gäste der Landeszentrale für politische Bildung auf der Tribüne.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass psychisch kranken Straftäterinnen und Straftätern in den üblichen Strafvollzugsanstalten nicht zu helfen ist, ist wohl uns allen klar. Deshalb gehören solche Menschen in einen Maßregelvollzug und unter psychiatrische Beobachtung, was jedoch unser Land sehr viel Geld kostet, Geld, das wir für die Betreuung der Opfer - denn diese hätten es oft bitter nötig - nicht übrig haben.
Wir sprechen uns nur bedingt dafür aus, dass jene, welche in den freiheitsentziehenden Maßregelvollzug eingewiesen wurden, diverse Lockerungsstufen erfahren sollen, um sie so gesellschaftsfähig zu machen und auf ein späteres Leben in der Gemeinschaft vorzubereiten. Allzu oft sind in der Vergangenheit die so genannten therapiefähigen verurteilten Täter aus dem Freigang - oder wie immer man es bezeichnen möchte - nicht zurückgekehrt und haben dabei weitere, zum Teil gravierende Straftaten begangen.
Es ist zu beachten, dass für die Insassen der Maßregelvollzugsanstalten, die bekanntermaßen stark zur Gewalt
tätigkeit neigen, der Maßstab für vorgesehene Lockerungsstufen dauerhaft sehr hoch angelegt werden muss, und zwar so lange, bis sich eine tatsächliche und nach außen sichtbare Besserung bei den infrage kommenden Personengruppen nachweisen lässt.
- Sie wollen ja alles rausschmeißen. Ich möchte einmal sehen, was Sie sagen würden, wenn Ihnen ein Herr Zurwehme über den Weg gelaufen wäre. Dann würden Sie ganz anders reden.