Wen wundert es, dass bei dieser hohen Arbeitslosigkeit die Schattenwirtschaft boomt. Gerade in der Bauwirtschaft hat der Umfang der Schwarzarbeit drastisch zugenommen. In Sachsen-Anhalt wird der Umfang auf 10 Milliarden DM geschätzt.
Ein kleiner Zahlenvergleich für die Zuhörer: Der Landeshaushalt beträgt 20,3 Milliarden DM. Die Verschuldung des Landes beläuft sich auf 28 Milliarden DM. Das heißt, jeder Bürger ist mit 10 500 DM verschuldet. In der Rangliste der Kaufkraft der Länder liegt Sachsen-Anhalt mit einem Index von 78 bei 16 Bundesländern zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern auf dem letzten Platz.
Entscheidende Defizite gibt es in Forschung und Entwicklung an den Universitäten und in der Wirtschaft. Die Anzahl der Mitarbeiter in diesen Bereichen liegt in Sachsen-Anhalt bei 114, bezogen auf 100 000 Einwohner, und damit weit unter dem westdeutschen Durchschnitt von 387 und dem Mittelwert der neuen Länder von 163.
Was macht die Landesregierung in dieser Situation? Oder macht sie lieber nichts? Sachsen-Anhalt kommt unter dieser Regierung einfach nicht vom Fleck.
Der Rückgang der Arbeitslosenzahl um 200 000 beschränkt sich auf die alten Bundesländer. Das Wirtschaftswachstum in Sachsen-Anhalt ist enttäuschend, es beläuft sich auf ganze 0,8 %. Zum Vergleich: Deutschland hatte im Jahr 2000 ein Wirtschaftswachstum von 3,1 %.
Mit großen vorfristigen Zeitungslorbeeren wurde die Mittelstandsoffensive zusammen mit der Existenzgründeroffensive gestartet. Im Auftrag des Landes wurde eine Wirtschaftsstrukturanalyse durch das Institut für Wirtschaftsforschung Halle erstellt. Die Kosten dafür belaufen sich auf satte 300 000 DM. Ein Förderprogramm löst das nächste ab.
Es ist noch keine Trennung vom Gießkannenprinzip erfolgt. Überall wird ein bisschen gefördert. Herausgekommen ist nichts Messbares. Rufen die Großen, gibt des Millionen, ruft der Mittelstand, kommt der Konkursverwalter - ganz wie beim Autokanzler Schröder.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie, was damit konkret erreicht werden soll. Ich sage: Nicht lediglich die Wortwahl ist anders.
Investieren und nochmals investieren ist hier angesagt. Die Kürzung der Mittel für Hochschulen und Universitäten, für Forschung und Entwicklung ist das falsche Signal. Mit dieser Regierung und diesen alten Zöpfen kommt Sachsen-Anhalt nicht aus dem wirtschaftlichen Dilemma heraus. Bei der enormen Abwanderung der Bürger ist abzusehen, wann der Letzte das Licht ausmacht.
Die 283 000 Arbeitslosen haben viele Fragen an die Regierung, doch diese ist sprachlos. Das Verfallsdatum ist schon vorgegeben. Es ist schade, dass dieser rote Zirkus noch ein ganzes Jahr weitergeht. - Danke.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hat zu diesem Tagesordnungspunkt eine Fünfminutendebatte vereinbart in der Reihenfolge CDU, SPD, DVU, PDS und FDVP. Vorher hat Frau Ministerin Dr. Kuppe um das Wort gebeten. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Herren und Damen Abgeordneten! Dass wir im Landtag vergleichsweise häufig über Arbeitslosigkeit und Maßnahmen zu deren Reduzierung debattieren, ist angesichts des damit verbundenen Problemdrucks im Land selbstverständlich. Auch wenn wir dabei über die richtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durchaus kontroverse Debatten geführt haben, so glaubte ich bisher aber immer, dass zumindest in den drei folgenden Punkten eine Art von Grundkonsens besteht.
Erstens. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen schaffen per se nur in einem sehr begrenzten Umfang zusätzliche, sich selbst tragende Arbeitsplätze auf dem regulären Arbeitsmarkt. Sie haben vielmehr die Aufgabe, die andauernde Ausgrenzung bestimmter Personengruppen vom Arbeitsmarkt zu verhindern, strukturelle Diskrepanzen zwischen Arbeitsplätzen und Arbeitskräften abzubauen, die sozialen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit zu mindern und über Arbeitsbeschaffung aktiv gesellschaftlichen Nutzen zu stiften, anstatt nur passiv Lohnersatzleistungen bereitzustellen.
Zweitens. Neue zusätzliche und produktive Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt schaffen wir dagegen nur durch weitere Ansiedlungen von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, auch indem wir die Standortbedingungen in Sachsen-Anhalt weiter verbessern. Die bestehenden Unternehmen brauchen gute Rahmenbedingungen für ein beschäftigungswirksames Wachstum.
Aus diesen beiden Punkten folgt ein Drittes: Die hohe Arbeitslosigkeit kann nicht von heute auf morgen, sozusagen auf Knopfdruck oder mit einem Fünfjahresplan beseitigt werden und damit von Staats wegen Vollbeschäftigung verordnet werden.
Zum Grundkonsens über die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Arbeitsmarkt gehört weiterhin, dass die Aufgabenverteilung zwischen der EU, dem Bund, dem Land und den Kommunen jeder Ebene bestimmte Aufgaben zuweist und dem Land nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten einräumt. Die Arbeitsmarktpolitik wird zum ganz überwiegenden Teil von der Bundesanstalt für Arbeit gesteuert, die in diesem Jahr 3,7 Milliarden DM nach Sachsen-Anhalt bringt. Der Landesetat für diese Aufgabe - das wissen Sie - liegt bei 480 Millionen DM.
Landespolitische Maßnahmen setzen zusätzliche Akzente zu den Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit vor allem in den Bereichen, in denen diese Maßnahmen einer Kofinanzierung bedürfen oder in denen Maßnahmen der Bundesanstalt nach der im Sozialgesetzbuch III geregelten Arbeitsförderung gar nicht möglich sind. Der landespolitische Einfluss in diesem Politikfeld ist also begrenzt.
Ich würde mir wünschen, Herr Daehre, Sie würden so diskutieren, wenn wir über den Landeshaushalt beraten. Da wollen Sie immer, dass die aktive Arbeitsmarktpolitik nach unten gefahren wird. Sie ist aber wichtig in unserem Land.
Ähnliche Zusammenhänge, meine sehr geehrten Damen und Herren, gelten in ähnlicher Weise für die Wirtschaftspolitik. Die Steuer- und die Finanzpolitik werden weitestgehend vom Bund bestimmt. Dabei wird der Einfluss der Europäischen Union auch immer stärker, ganz abgesehen von den Zusammenhängen, die aus dem Globalisierungsprozess der Weltwirtschaft resultieren.
Vor diesem Hintergrund - ich war bisher der Meinung, dieser Hintergrund wären allen im Hause bewusst - ist der vorliegende Antrag der FDVP-Fraktion einfach nur einfältig und naiv.
Er erweckt die Vorstellung, das Land brauchte nur ein paar Hebel anders einzustellen und man hätte in absehbarer Zeit für alle Landeskinder, wie es so schön in Ihrer Vorlage heißt, Vollbeschäftigung. Das ist eigentlich mehr als einfältig und naiv.
arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen, mit den Programmen, die wir im Hinblick auf die Arbeitsmarktpolitik für Sachsen-Anhalt aufgelegt haben, nicht zu verstecken.
Wir sind sehr gern bereit, in den zuständigen Ausschüssen des Landtages zu berichten. Wir haben das bisher
kontinuierlich getan. Wir werden das auch fortsetzen. Aber dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedarf es keines weiteren Antrags im Landtag.
Frau Ministerin, können Sie sich an den Wahlkampf im Jahr 1994 erinnern, in dem die SPD und auch Sie persönlich uns bei einer Arbeitslosigkeit von 15 % vorgeworfen haben: Nun macht etwas, das ist eine Katastrophe? Und Sie haben gesagt: Wir drücken das unter 10 %. Haben Sie das alles schon vergessen?
Sie wissen, dass sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren ganz entscheidend verändert haben. Sie kennen die Entwicklung in ganz Ostdeutschland. Wir plagen uns mit den gleichen Problemen herum wie Brandenburg, Sachsen, Thüringen oder MecklenburgVorpommern.
Und dazu gibt es, wie es dieser Antrag der genannten Fraktion ausweist, nicht eine einfache Lösung. Es gibt nicht den Königsweg.
Ich diskutiere mit Ihnen sehr gern über die vernünftigen Programmbestandteile. Wir haben dabei unsere Wichtungen verschoben. Sie werden sich hoffentlich daran erinnern, dass wir bei der öffentlich geförderten Arbeitsmarktpolitik von ABM stärker zu SAM umgesteuert haben, um dort zusätzliche Beschäftigung zu fördern und um das, was sonst an passiven Lohnersatzleistungen ausgegeben wird, in aktive Beschäftigung umzumünzen.
Wir widmen uns den jungen Leuten, damit sie nach der Ausbildung, die wir in einem guten Konsens im Land praktisch vollständig gesichert haben, auch an der zweiten Schwelle die Integration in den Arbeitsmarkt schaffen können. Das geht nur gemeinsam mit der Wirtschaft.
Und wir widmen uns den Älteren, insbesondere den Langzeitarbeitslosen, die wenig Chancen in der Wirtschaft haben. Wenn Sie diese Ansichten und Maßnahmenbestandteile teilen, dann wäre ich dankbar, wenn Sie uns bei diesen Bemühungen unterstützen würden.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Debatte der Fraktionen. Ich stelle fest, dass von den Fraktionen der CDU, der SPD und der DVU kein Redebeitrag angemeldet wurde. Ich stelle die Frage: Bleibt es dabei? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann bitte ich Frau Dirlich für die PDS-Fraktion, das Wort zu nehmen.