Meine Damen und Herren! Ist jemand im Saal, der nicht abgestimmt hat und das noch tun möchte? - Herr Dr. Daehre!
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Mit Ja votierten acht Abgeordnete, mit Nein 74. Es enthielt sich kein Abgeordneter der Stimme. Nicht anwesend waren 34 Abgeordnete. Damit ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 20 abgeschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! SachsenAnhalt hat hoch motivierte und gut ausgebildete Menschen, eine sehr gute geografische Lage, Tradition in den wichtigsten Industriezweigen und müsste Spitzenreiter im Hinblick auf die Beschäftigungsquote sein. Leider ist das nicht so. Die Höppner-Regierung macht es möglich, dass Sachsen-Anhalt seit sieben Jahren das Schlusslicht auf dem Arbeitsmarkt ist.
Höppner ist bundesweit der erste und einzige Ministerpräsident, der es geschafft hat, sieben Mal in Folge die „rote Laterne“ für die höchste Arbeitslosigkeit zu halten. Herr Höppner sollte aufgrund seiner Sammelleidenschaft von Schlusslichtern rechtzeitig einen Platz bei Madame Tussaud in der Abteilung „Versager“ bestellen.
Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Lage der neuen Bundesländer ist nicht berauschend. In SachsenAnhalt ist sie katastrophal. Die Ursache für die alle Rekorde sprengende Arbeitslosigkeit liegt nicht bei den Bürgern von Sachsen-Anhalt, sondern - darüber sollte Konsens bestehen - bei der unfähigen Landesregierung.
Um meine Worte zu untermauern, möchte ich Ihnen die allgemeine Lage in Bezug auf die Lebensqualität in Sachsen-Anhalt aufzeigen. Zurzeit haben wir in Sachsen-Anhalt 283 000 arbeitslose Bürgerinnen und Bürger. Das entspricht einem Anteil von 20,9%. Das heißt, ein knappes Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung bezieht Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe.
Unter den von Arbeitslosigkeit Betroffenen befinden sich 30 000 junge Menschen unter 25 Jahren, also ohne Zukunft, und ein Drittel der über 50-Jährigen. Um die Zahl komplett zu gestalten: Es kommen noch 106 000 Auswärtspendler und 34 000 Beschäftigte in SAM- und ABM-Stellen hinzu.
Weiterhin wandern jährlich Tausende junger Menschen aus Sachsen-Anhalt ab. Mit dem Auswandern von jungen und gut ausgebildeten Menschen geht auch ein immenser Verlust von Humankapital und eine allgemeine Verödung einher. Fluchtgründe sind zu 80 % die Aufnahme einer Lehrstelle oder eines Arbeitsplatzes in einem anderen Bundesland, zu 40 % ein Mangel an beruflicher und persönlicher Perspektive und zu 35 % die Arbeitslosigkeit.
Die Abstimmung mit den Füßen sollte Herrn Höppner geläufig sein. Wer eine Chance auf dem nationalen oder internationalen Arbeitsmarkt hat, der kehrt SachsenAnhalt den Rücken.
Diese drastische Beschreibung wird einer Umfrage zufolge von einheimischen Wirtschaftsfachleuten gestützt.
Mehr als 80 % der Studenten und gut qualifizierten Facharbeiter sagen bei einem entsprechenden Angebot Sachsen-Anhalt auf Nimmerwiedersehen.
Durch die Einführung des 13. Schuljahres in SachsenAnhalt kommt es zu drastischen Rückgängen der Studentenzahlen an den Hochschulen. Diese ist eine weitere Fehlleistung des Kabinetts.
Bezeichnend für die Perspektivlosigkeit der Jugend ist die geringe Studierbereitschaft der Abiturienten in Sachsen-Anhalt, die bei 57 % liegt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 68 %. An der Uni Magdeburg werden in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr weniger als die Hälfte der Studenten immatrikuliert. Im vorigen Jahr waren es noch 2 250 Studenten.
Sachsen-Anhalt ist nicht nur im Vergleich mit den alten Bundesländern weit von allen wichtigen Wirtschaftsentwicklungskriterien entfernt; auch innerhalb der mitteldeutschen Länder fristet es ein Schattendasein. Auch mit einer rosaroten Brille ist nichts zu sehen.
Nüchterne Zahlen belegen Folgendes: 80 % der Innovationskraft der neuen Länder entfallen auf Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Berlin. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern teilen sich den Rest. Allein im letzten Jahr gingen 42 100 Arbeitsplätze verloren.
Meine Damen und Herren! Ich möchte es noch einmal betonen: An den Menschen in Sachsen-Anhalt kann es wohl nicht liegen. Hinzu kommt, dass mehr SachsenAnhaltiner in anderen Bundesländern studieren als umgekehrt. Dass diese Menschen jemals nach SachsenAnhalt zurückkommen, ist unter diesen Verhältnissen nicht denkbar.
Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, brauchen wir mehr Industrie, Handwerk und Gewerbe. Stattdessen gab es im Jahr 2000 die meisten Gewerbeabmeldungen. Unter dem Strich waren es 260 Gewerbeabmeldungen mehr. Die Zahl der Insolvenzen ist mit 1 938 Fällen doppelt so hoch wie in Mecklenburg-Vorpommern.
Bei reinen Handwerksbetrieben hat Sachsen-Anhalt im Zeitraum von 1995 bis 2000 als einziges Land einen Rückgang des Bestands zu verzeichnen. Ich nenne als kleine Gedankenstütze den offenen Brief der Kreishandwerkerschaft Bitterfeld an die Landesregierung und die blamable Antwort darauf.
Im Vergleich zu den alten Bundesländern hat SachsenAnhalt eine Unternehmenslücke von 40 000 Unternehmen. Gäbe es diese Unternehmen, bedeutete dies nach der durchschnittlichen Arbeitsplatzzahl in den alten Bundesländern ein Plus von 200 000 Arbeitsplätzen.
Die größten Schwächen leistet sich Sachsen-Anhalt entgegen den Aussagen von Dr. Höppner auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. In diesem Bereich ist der Abstand zu allen anderen Ländern am größten. Von Netzwerken zwischen Forschung und Entwicklung auf der einen Seite und Industrie und Dienstleistungen auf der anderen Seite ist kaum etwas zu sehen. Ganze zwei Besitzer einer Greencard arbeiten in Sachsen-Anhalt.
Sie werden sich bestimmt an die Regierungserklärung von Dr. Höppner vom 9. November 2000 über SachsenAnhalts Weg in die Informationsgesellschaft erinnern, in der unter anderem der hohe Stand der Informatik im Land mehrmals unterstrichen wurde. Für Fachleute war diese Rede absolut ohne Inhalt. In den Schlüsselpositionen des Informations- und Telekommunikationsbereichs, die für die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend sind,
bildet Sachsen-Anhalt bundesweit das Schlusslicht. Indirekt bestätigte Dr. Höppner das jetzt: in dieser Woche machte er die Informationstechnologie zur Chefsache.
Im Hinblick auf die Infrastruktur liegt Sachsen-Anhalt mit gerade einmal 50 % weit hinter den alten Bundesländern und hinter dem Durchschnitt der neuen Länder zurück. Infrastruktur bedeutet im Kurztext das Vorhandensein gut ausgebildeter und motivierter Menschen und eines optimales Standortes in einem lebenswerten Umfeld. In dieser Situation werden die Investitionen um knapp 500 Millionen DM gekürzt.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung muss sich mit absoluter Priorität um die Not leidende Wirtschaft kümmern und nicht um die Aktion „Noteingang“, die auch den letzten Investor aus Sachsen-Anhalt vergrault und eher als „Notausgang“ bezeichnet werden kann.
Besonders dramatisch ist die Lage im Bauwesen. Die Auftragseingänge blieben im Jahr 2000 um fast ein Viertel unter dem Stand des Vorjahres. Hieran wird die Kürzung von Investitionen besonders sichtbar. Es ist paradox, dass bei einem gigantischen Baubedarf in der Infrastruktur des Landes, der sich im Milliardenbereich bewegt, der Abbau von Arbeitsplätzen rasant weitergeht.
In Sachsen-Anhalt stehen nach Schätzungen ca. 200 000 Wohnungen leer - Tendenz steigend. Allein in Magdeburg gibt es 20 000 leer stehende Wohnungen. Wie viele Arbeitsplätze könnten hier geschaffen werden, gerade in der Strukturkrise der Bauwirtschaft.
Wen wundert es, dass bei dieser hohen Arbeitslosigkeit die Schattenwirtschaft boomt. Gerade in der Bauwirtschaft hat der Umfang der Schwarzarbeit drastisch zugenommen. In Sachsen-Anhalt wird der Umfang auf 10 Milliarden DM geschätzt.