An dieser Stelle möchte ich den Landkreis Halberstadt mit seiner Sozialberichterstattung lobend erwähnen. Dieser aufschlussreiche Bericht ist nicht nur Zahlenmaterial,
Aus einer dezidierten Aufstellung nach Städten und Gemeinden kann für den Landkreis Halberstadt die Schlussfolgerung gezogen werden, dass keine Beziehung zwischen der Höhe der Arbeitslosigkeit und der Quote von Sozialhilfeempfängern nachzuweisen ist. Dies ist zunächst eine sehr interessante Erkenntnis. Aufschlussreich ist aber auch die Erkenntnis, dass in kleineren Gemeinden nicht nur wenige Menschen Sozialhilfe in Anspruch nehmen, sondern dass diese wenigen Sozialhilfeempfänger im Durchschnitt auch über eine kürzere Zeit in der Sozialhilfe verbleiben.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass die berufliche Qualifikation ein Schlüsselindikator für das Risiko ist, von öffentlicher Sozialhilfeunterstützung abhängig zu sein.
In Halberstadt ist versucht worden, zusätzlich eine Person einzustellen, die sich um den Bereich der Sozialhilfeempfänger kümmert. Ich habe vorhin gesagt, man muss versuchen, andere Wege zu gehen. Wenn 13 Sozialhilfeempfänger vermittelt worden sind, dann hat sich diese Stelle bereits rentiert, sodass man darauf vielleicht mehr Wert legen sollte.
Dennoch muss ein grundsätzliches Problem von der Politik gelöst werden: Für viele Sozialhilfeempfänger rechnet es sich im gegenwärtigen System nicht, arbeiten zu gehen. Ein Ehepaar mit zwei Kindern kommt durch die Sozialhilfe auf ein verfügbares Haushaltseinkommen von 2 893 DM. Zum Vergleich: Ein verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern verfügt über ein Erwerbseinkommen von 3 000 DM, einschließlich des Sozialtransfers über ein Nettoeinkommen von 3 074 DM. Zwischen Nichtarbeit und Vollzeiterwerbstätigkeit liegt demnach nur eine Differenz von 181 DM. Dies ist nicht genug, um einen wirtschaftlichen Anreiz für die Aufnahme einer Arbeit darzustellen.
Unser Sozialhilfesystem hat einen gravierenden Webfehler: Dem Fürsorgeprinzip wird weitaus größere Bedeutung eingeräumt als dem Anreiz zur Arbeitsaufnahme.
Der Konstruktionsfehler beruht darauf, dass die organisatorischen und finanziellen Zuständigkeiten häufig auseinander fallen.
Das System wird auf diese Weise zu einem Verschiebebahnhof, bei dem Kostenträger und Verwaltung hauptsächlich daran interessiert sind, die Hilfeempfänger bei einem anderen Träger unterzubringen, anstatt sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Drehtüreffekt löst das Problem für den einzelnen Kostenträger aber nur vorübergehend.
Unsere CDU-Bundestagsfraktion hat daher der Bundesregierung angeboten, diese Fehlsteuerung durch die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in kommunaler Trägerschaft zu beseitigen. Die Erprobung dieses Vorhabens durch Modellprojekte hat auf der Grundlage des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Sozialhilfeträgern vom letzten Jahr begonnen.
Leider scheint dieses Anliegen bei der Landesregierung auf wenig Gegenliebe zu stoßen, denn es gibt nur ein Projekt in Sachsen-Anhalt. Vielleicht bekommen wir nachher noch andere Informationen. Uns erscheint dieses eine Projekt zu wenig zu sein als Modellvorhaben für diese Zusammenführung.
Die CDU fordert die Landesregierung auf, feststehende, landesweit einheitliche Zielvorgaben für das Instrument „Hilfe zur Arbeit“ zu schaffen. Wir wissen aber auch, dass eine deutlich spürbare Hebung des Beschäftigungsniveaus durch die Hilfe zur Arbeit kurzfristig in SachsenAnhalt nicht zu erwarten ist. Dazu ist die Arbeitslosigkeit zu hoch. Ich führte es am Anfang an.
Hilfe zur Arbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, sorgt dafür, dass alte Qualifikationen erhalten bleiben und neue erworben werden. Im Hinblick auf die psychische und soziale Stabilisierung der Sozialhilfeempfänger durch Beschäftigungsangebote ist dies von großer Bedeutung.
Der Mitteleinsatz muss zielgruppenorientiert verstärkt auf junge Sozialhilfeempfänger ausgerichtet werden. Die Sozialamtsmitarbeiter müssen motiviert werden, sich den neuen Aufgaben zu stellen. Die Landesregierung hat die Aufgabe zu übernehmen, das Erwerbspersonenpotenzial in der Sozialhilfe genau zu bestimmen und daraus abzuleiten, wie viele Arbeitsangebote neu geschaffen werden bzw. welche Hilfen für arbeitslose Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in welchem Umfang ausgebaut werden können.
Zum Abschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich sagen, dass heute die Forderung des Zentralverbandes des Handwerks über die Medien zu vernehmen war, dass die neuen Bundesländer nicht der Alterssitz für Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger werden sollen. Die heutige Debatte und die daraus resultierenden Maßnahmen zu Sozialhilfe und Arbeit könnten ein kleiner Mosaikstein sein, dieser Forderung gerecht zu werden. - Herzlichen Dank.
Danke sehr. Einen Augenblick bitte, Frau Abgeordnete Stange. Frau Bull möchte eine Frage stellen. Sind Sie bereit zu antworten? - Das setze ich voraus. Ja. - Bitte sehr, Frau Bull, stellen Sie Ihre Frage.
Frau Kollegin Stange, ich habe Ihren Ausführungen entnommen, dass Sie den Abstand zwischen Transferleistung und Arbeitseinkommen für zu gering halten, um Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger zur Arbeit zu bewegen, und dass die politischen Vorstellungen der CDU - das habe ich doch richtig verstanden - dahin laufen, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzuführen und dies auf einem niedrigeren Niveau.
Ich frage Sie: Wenn Sie auf diese Weise sämtliche Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger motiviert haben zu arbeiten, wo sollen die dann beschäftigt werden?
(Zustimmung von Frau Dirlich, PDS, von Frau Krause, PDS, und von Herrn Czaja, DVU - Zuruf von der FDVP)
Frau Bull, es gibt doch Modellprojekte. Das Abstandsgebot ist schon lange in der Diskussion, und ich denke, wir müssen es auch in der Diskussion behalten. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir beides zusammenfassen können; denn wir haben Verluste, wenn der eine Teil im Sozialhilfebereich und der andere Teil im Arbeitsamt ist. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Dass es möglich ist, Arbeitsmöglichkeiten zu finden, haben viele Modellprojekte bewiesen, und es wird auch ständig bewiesen, dass das machbar ist.
Tun Sie doch nicht so, als ob das überhaupt nicht machbar ist. Dass wir das Abstandsgebot mit Sicherheit mit den Wirtschaftsbereichen noch diskutieren werden, das ist auch so. Sie können nicht einfach so tun, als ob das alles Unfug ist, wie es in Ihren Forderungen immer anklingt.
Danke sehr. - Bevor ich nun der Ministerin Frau Dr. Kuppe für die Landesregierung das Wort erteile, begrüßen wir ganz herzlich Gäste der Landeszentrale für politische Bildung sowie Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Staßfurt-Nord.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Herren und Damen Abgeordneten! Die Fraktion der CDU hat mit der heute zur Debatte stehenden Großen Anfrage zum Thema „Sozialhilfe und Arbeit - Hilfe zur Arbeit in SachsenAnhalt“ ein wichtiges Thema aufgegriffen und dabei teilweise sehr detaillierte Fragen gestellt.
Sie wollte neben einer Bestandsaufnahme zur Problematik „Hilfe zur Arbeit in Sachsen-Anhalt“ Aufklärung darüber, ob und in welchem Maße die bestehenden Möglichkeiten der Hilfe zur Arbeit genutzt werden und inwieweit sich die Förderung der Beschäftigung von Hilfeempfängerinnen und Hilfeempfängern auf die Finanzhaushalte der Sozialhilfeträger in Sachsen-Anhalt auswirkt.
Ich will zu Beginn meiner Ausführungen nochmals darauf hinweisen - darauf habe ich auch bei der Beantwortung vergleichbarer Anfragen in der Vergangenheit stets aufmerksam gemacht -, dass die Durchführung der Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit den Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung obliegt, sodass sie sowohl in ihrem eigenen sozialpolitischen als auch im eigenen finanziellen Verantwortungsbereich tätig werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Stange, für die Beantwortung der gestellten Fragen steht der Landesregierung die amtliche Sozialhilfestatistik als derzeit einzige sichere Erhebung zur Verfügung. Diese gibt aber nur begrenzt Antworten auf Ihre detaillierten Fragen.
Zu den Fragen, die nicht mithilfe der amtlichen Sozialhilfestatistik beantwortet werden konnten, hat die Landesregierung keine eigenen Erkenntnisquellen, da es sich - wie bereits ausgeführt - um Maßnahmen im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung handelt.
Deshalb haben wir uns als Landesregierung mit der Bitte an die kommunalen Spitzenverbände gewandt, die gewünschten Informationen von dort zu erhalten. Dieser Wunsch ist von den Spitzenverbänden mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass ihre Mitglieder mit der Beantwortung dieses umfangreichen und speziellen Fragenkatalogs personell überfordert wären. Somit ist es auf diesem Wege nicht gelungen, konkrete Informationen zu erhalten.
Wir sind dann über die unmittelbare Nachfrage bei Landkreisen und kreisfreien Städten dennoch zu Auskünften gelangt, mit deren Hilfe die Fragen zumindest in der Tendenz beantwortet werden konnten.
Sie wiesen bereits darauf hin, Frau Stange, dass von den kommunalen Spitzenverbänden in diesem Zusammenhang ein auch für mich durchaus interessanter Vorschlag unterbreitet worden ist, nämlich angesichts der auch bei den Kommunen vorhandenen lückenhaften Datenlage zu Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit eine Studie in Auftrag zu geben, die neben einer Bestandsaufnahme der Maßnahmen in Sachsen-Anhalt insbesondere die durchgeführten Modelle und Förderprogramme dahin gehend untersuchen sollte, inwieweit und mit welchem Erfolg sich diese in der Praxis bewährt hätten.
Allerdings ist eine solche Studie nach meiner Einschätzung nur dann wirklich aussagekräftig, wenn sich alle Landkreise und kreisfreien Städte zur freiwilligen Mitarbeit bereit erklären würden. Dafür müssten wir werben.
Dann könnten über eine solche Studie auch solche guten Beispiele, wie Sie sie von Halberstadt berichteten, Frau Stange, und wie ich sie aus Halle auch persönlich gut kenne, verbreitet werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung verfolgt in der Arbeitsmarktförderung in Sachsen-Anhalt unter anderem das Ziel, diese stärker als bisher zu regionalisieren, um damit gleichzeitig die Entscheidungskompetenz in den Landkreisen und kreisfreien Städten über die Verwendung der Fördermittel auszuweiten.
Im Rahmen einer bis zum 31. Dezember 2002 befristeten Pilotphase wurden daher drei bisher mittels separater Förderprogramme realisierte Förderungen, und zwar zur Qualifizierung und Eingliederung Sozialhilfeempfangender, zur Beschäftigung von Sozialhilfeempfangenden und zur Beratung von Arbeitslosen, in einem einheitlichen Programm, dem Rahmenprogramm zur Qualifizierung, Eingliederung und Beschäftigung von Sozialhilfeempfangenden sowie zur Beratung von Erwerbslosen, mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds zusammengeführt.
Gleichzeitig wurde mit den Landkreisen und den kreisfreien Städten eine Schwerpunktsetzung innerhalb dieses Programmrahmens in deren Verantwortung verabredet. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe werden auf diese Art und Weise in die Lage versetzt, unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten nach eigenem Ermessen geeignete Maßnahmenträger auszuwählen und geeignete Einzelmaßnahmen zu initiieren.
Insgesamt werden für diesen Förderbereich Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds in Höhe von 66 Millio
nen DM für die Jahre 2001 und 2002 bereitgestellt. Um eine sachentsprechende Verteilung dieser Mittel sicherzustellen, wurden die Mittel anhand der regionalen Arbeitslosenquote und aufgrund der regionalen Quote der Sozialhilfeempfangenden auf die Landkreise und die kreisfreien Städte aufgeteilt und als Quasi-Budget zur Verfügung gestellt.
Da den örtlichen Trägern der Sozialhilfe damit schon heute bekannt ist, mit wie viel Geld sie bis Ende des Jahres 2002 für die Förderung von Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern rechnen können, bietet die neue Förderpraxis den Gebietskörperschaften über die Ausweitung ihrer Entscheidungskompetenz hinaus auch noch Planungssicherheit in diesem Bereich.
Als erster Landkreis hat der Landkreis Schönebeck diese neuen Möglichkeiten genutzt, sodass ihm schon im März dieses Jahres eine Zuwendung für die Umsetzung des Rahmenprogramms bewilligt werden konnte. Damit erhält dieser Landkreis Mittel für die Qualifizierung, Eingliederung und Beschäftigung von Sozialhilfeempfangenden in Höhe von insgesamt 1,57 Millionen DM für die beiden genannten Jahre zur eigenverantwortlichen Bewirtschaftung.
Nach Ablauf der Pilotphase Ende des Jahres 2002 wird dann darüber zu entscheiden sein, ob sich dieses neue Verfahren der Arbeitsmarktförderung bewährt hat, und es müssen dann Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage gezogen werden, ob gegebenenfalls weitere Schritte zur Regionalisierung der Arbeitsmarktförderung unternommen werden sollen.