Protocol of the Session on January 26, 2001

Dem CDU-Antrag können wir im Wesentlichen zustimmen. Wir sind genau wie Sie daran interessiert zu erfahren, wie die Realisierung der von den Kreistagen beschlossenen Schulentwicklungspläne erfolgt. Die Umsetzung ist - und in dieser Hinsicht besteht sicher auch bei Ihnen, liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, kein Zweifel - eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Die von Ihnen in den Details geforderte Berichterstattung wird allerdings nicht von der Landesregierung allein geleistet werden können. Den zu erwartenden Arbeitsaufwand werden die Kreisverwaltungen zu einem großen Teil zu erbringen haben. Ich weiß nicht, wie Ihre Kommunalpolitiker zu solchen zusätzlichen Aufgabenübertragungen stehen werden.

Gestatten Sie mir noch ein paar Bemerkungen zu einigen Begleiterscheinungen im Zusammenhang mit den noch nicht erfolgten Beschlussfassungen. Die Verwaltungen haben, ich sagte es eingangs schon, gut gearbeitet. Sie haben die optimalen Varianten geprüft und den Kreistagen vorgelegt. Es lag an der Politik, genauer an den von der Bevölkerung der jeweiligen Kreise Gewählten, wenn die Entscheidungen ausgeblieben sind. Auch wenn es in diesem Jahr Bürgermeister- und Landratswahlen gibt, so sollte es gerade in diesem Zusammenhang nicht an Ehrlichkeit und Mut zu manchmal auch unpopulären Entscheidungen fehlen.

Meinen eingangs zitierten Spruch möchte ich etwas abwandeln: Damit das Nötige entsteht, muss das unmöglich Erscheinende möglich gemacht werden.

Aufgrund des Applauses kann ich dem auch nicht widersprechen, Frau Kauerauf. Dann nehmen wir diese Rede zu Protokoll.

Für die CDU-Fraktion hätte jetzt Frau Ludewig noch einmal die Möglichkeit, das Wort zu nehmen; sie hatte es zumindest angemeldet.

(Frau Ludewig, CDU: Ich verzichte!)

- Sie verzichten. Damit ist die Debatte abgeschlossen und wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Ich darf auf Folgendes hinweisen: In der Debatte war zunächst eine Ausschussüberweisung beantragt worden. Vom Inhalt her ergibt das keinen Sinn. Wir haben uns schon darauf geeinigt, dass es um eine Direktabstimmung gehen muss, weil die Landesregierung beauftragt wird, in den Ausschüssen zu berichten. In dem Antrag ist dafür der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft als Adressat genannt. Es wurde dann noch ergänzt, dass auch im Innenausschuss berichtet werden solle. Diese mündliche Ergänzung des Antrages nehmen wir auf.

Wer dem Antrag in der so ergänzten Fassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.

(Frau Kauerauf, SPD: Wir haben einen Ände- rungsantrag der SPD!)

- Dann bitte ich um Entschuldigung. Davon war bisher noch keine Rede.

(Frau Kauerauf, SPD: Entschuldigung, ich habe das verwechselt!)

- Sie haben das verwechselt. Das beruhigt mich sehr.

(Herr Wolf, FDVP: Jetzt sehen die Bildungsleute selbst nicht mehr durch!)

Ich verwechsle nämlich auch manchmal etwas; aber wenn ich es nicht war, dann ist mir wohler dabei.

Dann stimmen wir jetzt über den Ihnen vorliegenden Antrag mit der Ergänzung, dass auch im Innenausschuss berichtet werden soll, ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Es gibt auch keine Enthaltungen. Dann wurde dem Antrag einstimmig gefolgt. Damit ist der Tagesordnungspunkt 19 abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung

Mittel- und längerfristige Sicherung eines qualitativ und quantitativ ausreichenden Lehrkräftebestands an den allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen im Land Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/4100

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/4129

Der Antrag wird durch die Abgeordnete Frau Dr. Hein eingebracht. Bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann meine Rede leider nicht zu Protokoll geben; ich muss Sie damit schon behelligen. Ich denke, es ist auch wichtig.

In den letzten Wochen sind erneut die Wogen der Debatte um die Personalsituation in den Schulen Sachsen-Anhalts hochgeschlagen. Es war nicht zuletzt der Kultusminister, der mit seiner Kritik am Vorgehen der hessischen Landesregierung einen Teil dazu beigetragen hat. Die Reaktionen auf seine Äußerungen waren - das konnte man wahrscheinlich auch nicht anders erwarten - nicht unbedingt regierungsfreundlich.

Mir geht es allerdings in diesem Zusammenhang nicht so sehr um die Kritik an der Landesregierung. Vielmehr geht es mir um die Verantwortung dieses Hauses für die Lern- und Unterrichtsqualität in den Schulen unseres Landes und um die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte an den Schulen. Darum zielt unser Antrag auf Lösungskonzeptionen, die, wenn wir einmal ehrlich sind, auch niemand in diesem Hohen Haus einfach aus der Tasche ziehen kann.

Wer sich diesem Thema zuwendet, tut allerdings gut daran, einen Blick auf die letzten zehn Jahre zu werfen, in denen die heutige Situation ja wohl entstanden ist. Die Abwerbungsversuche der hessischen Landesregierung gegenüber Lehrerinnen und Lehrern aus dem Osten zeugen nämlich nicht nur von mangelnder Solidarität zwischen den Bundesländern, sondern sie machen auf

eine Fehlkonstruktion des gesamten deutschen Vereinigungsprozesses aufmerksam, die Lehrerinnen und Lehrer in besonderer Weise zu spüren bekamen.

Seit über zehn Jahren wurde es versäumt, die Lebensverhältnisse zwischen Ost und West, insbesondere beim Lohnniveau, anzugleichen. Noch heute fordern Wirtschaftsverbände lautstark besonders für den Osten ein Niedriglohngebiet, um den angeblichen wirtschaftlichen Aufschwung zu produzieren, der seit Jahren trotz der niedrigeren Löhne immerhin ausbleibt.

Nun wirbt man allerorten mit den günstigeren Verdienstmöglichkeiten im Westen insbesondere junge Menschen ab. Die Entsolidarisierung des Westens mit dem Osten setzt sich fort.

Für die Lehrerinnen und Lehrer kommt noch hinzu, dass die Innenministerkonferenz der Bundesrepublik sich nicht dazu durchringen konnte, die Lehrerabschlüsse, die in der DDR erworben wurden, ohne Wenn und Aber anzuerkennen und den westdeutschen Abschlüssen gleichzustellen. Die Folge waren nicht nur für die einzelnen Länder geltende Sonderregelungen; vielmehr gilt zehn Jahre nach der Einheit außerdem noch eine besondere Regelung des BAT-Ost, die die Unkündbarkeit nach 15 Jahren Tätigkeit im öffentlichen Dienst nicht enthält.

Nun lockt Hessen vor allem Lehrerinnen und Lehrer aus dem Osten mit sofortiger Verbeamtung, also auch mit Unkündbarkeit, und das in einer Zeit, in der bundesweit über den Ausstieg aus dem Beamtensystem im öffentlichen Dienst nachgedacht wird.

Dass sich Sachsen-Anhalt mit dem Verzicht auf die Verbeamtung der Lehrerinnenschaft nicht an diesem Ausstieg aus dem solidarischen Finanzierungssystem der Kranken- und Rentenversicherung beteiligt, ist ihm hoch anzurechnen,

(Beifall bei der PDS)

würde doch eine Verbeamtung den Lehrerinnen und Lehrern hierzulande kaum Vorteile bringen,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Dem Landeshaushalt!)

die gesetzlichen Kranken- und Rentenkassen aber mit dem Verlust von mehreren Zehntausend Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern und mit dem Verlust der Beiträge der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst vor zusätzliche Probleme stellen, die die anderen Versicherten zu tragen hätten.

Natürlich könnten wir den Landeshaushalt damit entlasten; da haben Sie schon Recht. Aber was wäre das für ein solidarisches Umgehen? Außerdem wissen auch Sie ganz genau, dass die alten Länder an den Folgebelastungen für ihre Haushalte in nicht geringem Umfang zu knabbern haben.

Den Kolleginnen und Kollegen ist es angesichts ausbleibender Sicherheit für die eigene Entwicklung allerdings nicht zu verübeln, wenn sie die Angebote aus dem Westen annehmen bzw. ernsthaft darüber nachdenken. Wir sehen uns in der Verantwortung, darüber nachzudenken, wie wir trotz des größer werdenden Überhangs an Lehrkräften diese Sicherheit gewährleisten können.

Es ist auf eine weitere Merkwürdigkeit hinzuweisen. Mit dem Lehrerbesoldungsgesetz sind alle Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen-Anhalt, die in der Sekundarstufe I unterrichten, gleich an welcher Schulform, besoldungs

rechtlich gleichgestellt, nämlich in die Besoldungsgruppe A 13 eingestuft. Das ist auch gerecht; denn die Ausbildung war zu DDR-Zeiten die gleiche.

Die Sekundarschullehrer neuen Rechts müssen aber nach der Bundesbesoldungsordnung eingestellt werden. Das bedeutet angesichts des hohen Anteils an Lehrerinnen und Lehrern im Sekundarschulbereich, die schon in A 13 sind, auf jeden Fall und für sehr lange Zeit die Einstufung nach A 12, also keine Aufstiegschancen.

Nun hat die PDS-Fraktion beantragt, diese Ungerechtigkeit für die jungen und neu ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer zu beenden. Geht nicht, sagt die Landesregierung; wir haben keine Regelungsmöglichkeit und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder trägt eine Sonderregelung für Sachsen-Anhalt nicht mit.

Hessen scheint das nicht zu berühren. Sie locken mit der sofortigen Einstellung nach Besoldungsgruppe A 13. Wieder einmal wird hier mit ungleicher Elle gemessen oder es gilt: Was dem Westen erlaubt ist, ist dem Osten noch lange nicht erlaubt.

Der eklatante Mangel an Lehrkräften, der in den westlichen Bundesländern beklagt werden muss - übrigens in allen -, ist, wie die dramatische Überalterung der Kollegien, von der uns schon vor zehn Jahren berichtet wurde, dort hausgemacht. Der vor Zeiten zu Buche geschlagene Rückgang der Geburtenzahlen hat im Westen vor Jahren gleiche Prozesse in Gang gesetzt wie heute bei uns.

Allerdings wurde es versäumt, dem erneuten Anstieg der Geburtenzahlen in umgekehrter Weise zu begegnen. Vielmehr wurden Klassenteiler erhöht, Lehrersollstundenzahlen heraufgesetzt, sodass die Klassen im Westen im Durchschnitt größer sind und die Lehrerinnen und Lehrer heute vielfach höhere Wochenstundenverpflichtungen haben als im Osten.

(Zuruf von der CDU: Haben wir doch auch!)

In Sachsen ist das übrigens auch so. Die pädagogischen Rahmenbedingungen sind im Westen also keineswegs besser als hier.

Inzwischen sind diese Wege der Sicherung der Unterrichtsversorgung, die ich im Übrigen für grundfalsch halte, ausgeschöpft. An der Ausbildung junger Lehrerinnen und Lehrer wurde dagegen gespart, sodass für den erhöhten Lehrkräftebedarf seit Jahren keine ausreichende Zahl von Absolventinnen und Absolventen zur Verfügung steht. Darum besinnt man sich nun auf die gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer aus dem Osten.

Wer aber meint, Hessen bliebe ein Einzelfall, der irrt gewaltig. Wenn Hessen Erfolg hat, werden andere Länder folgen. Der Lehrerbedarf, der in den Westländern zu erwarten ist, wird größer sein als der Lehrerüberhang, den wir auf unserer Seite haben. Damit werden nicht nur gute Kolleginnen und Kollegen ihr Glück im Westen versuchen, sondern auch die Personalplanung und die Untersetzung durch Tarifverträge werden unberechenbarer und stürzen alle Verhandlungsbeteiligten in ziemlich unübersehbare Schwierigkeiten.

Nicht genug, dass in den alten Bundesländern die bildungspolitischen Parameter mit dem Anwachsen der Schülerzahlen verschlechtert worden sind, anstatt, wie es sinnvoll gewesen wäre, bedarfsgerecht einzustellen - nun wird zu allem Hohn dieser schlechte Standard auch noch zum Maßstab für angeblich notwendige Abbauzahlen bei uns im Osten erhoben.

Ist es denn wirklich so, dass wir alle Fehler, die im Westen in der Bildungspolitik begangen worden sind, nachmachen müssen, weil man uns sonst im Westen die Freundschaft kündigt? Oder ist es nicht auch möglich, wenigstens einen Teil des sich aus dem Schülerrückgang ergebenden Überhangs zu nutzen, um Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern für die Verbesserung der Unterrichtsversorgung und für die Erweiterung pädagogischer Arbeit zur Verfügung zu stellen?