Also eines steht fest, meine Damen und Herren: Beim Urankrieg sind die Machthaber in Sachsen-Anhalt gleich aus den Startlöchern gekommen, sogar für fremde Interessen.
Damit das klar ist: Wir werden keine Ruhe geben und nichts wird einschlafen. Das nächste dicke Ding mit dem Schweinemastskandal hat aufgeschlagen. Auch das ist kein regionales Vorkommnis und wird hohe Wellen schlagen. Die erste Anfrage ist raus. Dann geht es weiter.
An die Vorredner gerichtet sage ich: Man muss sich auf die Gefahr für den Menschen konzentrieren. Die Gefahr für eine Tierherde ist, so bedauerlich sich das auch anhört, rein sekundär. Gelingt der Sprung der Krankheit zu Nagetieren, potenziert sich das Problem in unglaublicher Weise. Ich glaube, ich muss das nicht weiter ausführen. Verharmlosung ist also hier nicht zulässig.
Die Überweisung in den Ausschuss wird hiermit beantragt, und zwar ausschließlich in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, damit schnell etwas geschieht, was zu geschehen hat.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren. Es ist beantragt worden, den Antrag in der Drs. 3/4076 in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. Wer stimmt der Überweisung zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Wenige Enthaltungen. Der Antrag auf Überweisung ist mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.
Ich habe jetzt über den Antrag als solchen abstimmen zu lassen. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei gleichem Abstimmungsverhalten ist der Antrag abgelehnt worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 14 bewältigt
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Thema wenden wir uns einer weiteren wichtigen Zukunftsfrage unserer Gesellschaft zu. Ich halte das für berechtigt.
Die Rentendiskussion ist inzwischen zu einem Riesenwust von Positionen, von Argumenten und Papieren angewachsen. Deshalb wird es heute nur möglich sein, einige der wichtigsten Grundsatzfragen aus der Sicht der PDS darzustellen.
Als Erstes möchte ich die Frage stellen: Ist eine Rentenreform zu diesem Zeitpunkt überhaupt notwendig? Begründet wird sie mit der demografischen Entwicklung. Worte wie „Altenlast“ und „Rentnerinnenschwemme“ haben gute Chancen, zu Unworten des Jahrzehnts gewählt zu werden. Ob die Hysterie, die inzwischen ausgebrochen ist, berechtigt ist, sollen einige Zahlen klären.
Das Verhältnis zwischen Beitragszahlerinnen und so genannten Eckrentnerinnen hat sich seit dem Jahr 1965 wie folgt entwickelt: Im Jahr 1965 finanzierten 4,6 Beitragszahlerinnen eine Rentnerin, im Jahr 2000 waren es 2,4 Beitragszahlerinnen, und für das Jahr 2030 ist prognostiziert worden, dass es 1,7 Beitragszahlerinnen sein werden, die eine Rentnerin finanzieren müssen.
Wie lange wird im Durchschnitt Rente bezogen? - Im Jahr 1960 waren es 10,2 Jahre, im Jahr 2000 16 Jahre und im Jahr 2030 werden es ca. 18 Jahre sein.
Das heißt, die bundesdeutsche Gesellschaft hat in den vergangenen 40 Jahren die Halbierung des Verhältnisses von Rentnerinnen zu Beitragszahlerinnen und zugleich eine Verlängerung der Rentenlaufzeit um fast sechs Jahre verkraftet. Demgegenüber erscheinen die zukünftigen Veränderungen weit weniger dramatisch, zumal wenn man bedenkt, dass gleichzeitig das Rentenniveau von 60 % zu Anfang der 60er-Jahre auf 70 % zu Anfang der 70er-Jahre angestiegen ist.
- Entschuldigung, aber wenn wir über die jetzige Rentenreform reden, dann muss ich natürlich den Bezug wählen, der sachgerecht ist. Es ist wahrlich nicht berechtigt, die DDR-Zeit in diesem Zusammenhang als Vergleich heranzuziehen.
Die Kritik können Sie anbringen. Aber in dem Zusammenhang ist sie nicht ganz sachgerecht. Tut mir Leid.
Es findet nämlich tatsächlich ein enormer Wandel statt, und zwar in der Arbeitswelt. Das lebenslange Normalarbeitsverhältnis von Männern erodiert, mehrfache berufliche Neuorientierungen werden notwendig sein, unterbrochene Erwerbsbiografien von Männern und Frauen werden zum Regelfall werden. Auf all diese Probleme gibt die Rentenreform der Bundesregierung keine Antwort.
Eine weitere Frage ist: Gibt die Bundesregierung die richtigen Antworten? Wenn sie - das habe ich gerade gesagt - nicht die richtigen Fragen stellt, dann kann man auch nicht erwarten, dass sie die richtigen Antworten gibt.
Ich möchte einige der wichtigsten Kritikpunkte der PDS hervorheben. Die einzige Zielgröße der Bundesregierung ist die Beitragsstabilität. Es wird kein Gedanke daran verschwendet, wie mehr Geld in die Sozialkassen kommen könnte. Die 22 % sind eine gegriffene Größe. Warum nicht 24 %? Warum nicht 21 %?
Hinzu kommt, dass die Stabilität nur für die Unternehmen gilt. Sie sollen in Zukunft einen stabilen Beitrag von 11 % bezahlen. Der Beitrag der Arbeitnehmerinnen wird peu à peu auf 15 % steigen. Damit - das ist der Hauptkritikpunkt der PDS - wird die paritätische Finanzierung der Rentenversicherung ausgehebelt, und das ausgerechnet von der Sozialdemokratie, die mit ihrem Einsatz damals diese Rente überhaupt erst möglich gemacht hat.
Die einzige Schlussfolgerung, die gezogen wird, heißt Leistungssenkung. Egal, ob es durch einen Abschlagsfaktor geschehen soll, der das Problem der Rentensenkung auf die zukünftigen Rentenjahrgänge verschiebt, oder ob der Blüm‘sche Demografiefaktor Bestandsrentnerinnen und zukünftige Rentnerinnen gleichmäßig belastet - es bleibt eine Leistungssenkung.
Gleichzeitig soll die Rente durch eine private Altersvorsorge ergänzt werden. Um das noch einmal deutlich zu sagen: Es ist tatsächlich keine zusätzliche Vorsorge, wie nach wie vor behauptet wird, sondern diese Privatvorsorge ist ein Ausgleich für die Senkung des gesetzlichen Rentenniveaus. Es ist ein faktischer Zwang zur Privatvorsorge für alle diejenigen, die im Alter ihren Lebensstandard einigermaßen halten wollen.
Die Kritik daran ist vielfältig. Aus der Sicht der PDS werden die Vorteile einer Privatvorsorge bei weitem überschätzt, während die Nachteile weitgehend verschwiegen werden.
Es wird Einnahmeverluste bei den Sozialversicherungskassen in Höhe von 11 Milliarden DM geben. Das habe ich hier schon einmal angesprochen. Das ist eine Umverteilung aus öffentlichen Kassen in private Fonds von Banken und Versicherungen in einem nie gekannten Ausmaß. Die Altersvorsorge einer ganzen Gesellschaft wird den Gesetzen des Marktes unterworfen.
Die Frage, wie man diese Rentenfonds tatsächlich sichern will, ist noch nicht beantwortet worden. Kein Staat kann zusammenbrechende Finanzmärkte oder auch nur zusammenbrechende Teile von Finanzmärkten auf lange Sicht, über 30 oder 40 Jahre hinweg, ausschließen. Ich habe keine Vorstellung davon, wie das gehen soll.
Höhere Einkommen werden steuerlich stärker begünstigt, was die soziale Spaltung der Gesellschaft vertiefen wird. Frauen werden zusätzlich diskriminiert, weil sie in privaten Versicherungen benachteiligt sind. Sie müssen entweder höhere Beiträge zahlen oder bekommen geringere Leistungen.
Die Aussichten sind auch nicht gerade rosig; denn wenn man eine solche Stellschraube erst einmal einführt, dann können natürlich zukünftige Regierungen daran beliebig drehen. Sie können also den Teil der Privatvorsorge erhöhen und den Teil der gesetzlichen Vorsorge immer weiter zurückschrauben. Das ist möglich, wenn es erst einmal eingeführt ist.
Ein Lichtblick in diesem ganzen Gewirr ist die Einbeziehung der betrieblichen Altersvorsorge in die Überlegungen. Diese müsste aus unserer Sicht die zweite Säule der Alterssicherung werden.
Die neue Rentenanpassungsformel koppelt die Rentnerinnen und Rentner endgültig von der Entwicklung der Leistungskraft der Gesellschaft ab und ist ein Eingriff in die Bestandsrenten. Wenn die höhere Leistungskraft der Gesellschaft, wenn gesunkene Beiträge in die Sozialkassen und gesunkene Steuern nicht mehr an die Rentnerinnen weitergegeben werden, dann sind sie abgekoppelt.
Ich möchte etwas zu den Alternativvorschlägen der PDS sagen. Wir schlagen eine allgemeine Versicherungspflicht vor. Wenn nämlich nicht das Zahlenverhältnis von Jungen und Alten, sondern das Zahlenverhältnis von Rentnerinnen und Erwerbstätigen, genauer gesagt Beitragszahlerinnen entscheidend ist, dann stellt sich natürlich auch die Frage, wie man dahin kommen will, oder die Frage, wie viele der 20- bis 60-Jährigen zu den Beitragszahlerinnen zählen. Wir fordern eine allgemeine Versicherungspflicht, um alle einzubeziehen.
Natürlich kann man auch etwas dafür tun, die Zahl der Beitragszahlerinnen zu erhöhen, indem man über Frauenerwerbsquoten, über Arbeitslosigkeit und Beitragspflichtigkeit von Beschäftigungen nachdenkt. Wir fordern die Verdoppelung der Beitragsbemessungsgrenze, damit auch Besserverdienende in die Solidarpflicht genommen werden können.
Wir verlangen gleichzeitig, dass die zusätzlich entstehenden Ansprüche gedeckelt werden. Wir haben versucht, zumindest ein Stück weit von der Schweiz zu lernen, wo es folgenden Spruch gibt: Die Millionäre brauchen die gesetzliche Rentenversicherung nicht, aber die gesetzliche Rentenversicherung braucht die Millionäre. Nun wollen wir sie nicht in Höhe ihres Gesamteinkommens zur Zahlung heranziehen, sondern zunächst einmal die Beitragsbemessungsgrenze verdoppeln.
Die Rente muss armutsfest gemacht werden. Riester und die rot-grüne Bundesregierung wollen Rentnerinnen und Rentnern den Zugang zur Sozialhilfe erleichtern, indem sie die Kinder von der Pflicht ausnehmen, für ihre Eltern Vorsorge zu leisten bzw. dazu herangezogen zu werden. Das ist möglicherweise ein Schritt in die richtige Richtung, aber Sozialhilfeempfängerinnen sind die Rentnerinnen dann immer noch. Sozialhilfeempfängerinnen sind aus unserer Sicht noch immer arm.
Die PDS schlägt eine soziale Grundsicherung vor, und zwar zunächst nur im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit sowie in allen Fällen von Einkommensarmut. Für langjährig Versicherte wollen wir eine Rente mit Grundbetrag einführen, die bedeuten würde, dass kleinere Renten wesentlich verstärkt werden und dass höhere Rentenansprüche bestehen bleiben.
Wir wollen, dass die Unternehmen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Zahlung in die Sozialkassen herangezogen werden und nicht entsprechend der Höhe der Lohnsumme. Wir haben bereits über die Wertschöpfungsabgabe gesprochen. Der Faktor Arbeit würde durch die Maßnahme entlastet werden. Auch Unternehmen mit geringer Wertschöpfung könnten durch diese Maßnahme entlastet werden.
Wir wollen Antworten auf unterbrochene Erwerbsbiografien geben, beispielsweise - um nur das eine zu nennen - flexible Anwartschaften. Die Menschen sollen zusätz
liche Entgeltpunkte erwerben können, die sie dann flexibel für Zeiten der Kindererziehung, der Ausbildung, der Qualifizierung oder auch für ein Sabbatjahr einsetzen.
Die Rentenreform ist aus unserer Sicht die Geschichte eines beispiellosen Hin und Her. Zunächst einmal begann es mit der Rentenkonsenssuche hinter verschlossenen Türen. Es sollte ein Rentenkonsens in Richtung CDU und FDP, ein Mitte-Rechts-Konsens, gefunden werden. Nachdem dieser Versuch gescheitert ist, gab es die Chance für einen Mitte-Links-Konsens mit den Gewerkschaften, den Sozialverbänden und im Übrigen auch mit der PDS. Sie war dazu bereit. Diese Chance wurde vertan.
Der Konsens mit den Gewerkschaften, der inzwischen gefunden worden ist, ist aus unserer Sicht enttäuschend. Aber wir wissen natürlich auch, dass dieser Konsens durchaus nicht mit allen Gewerkschaften gefunden wurde und dass es einige Gewerkschaften gibt, die nach wie vor Widerstand leisten.
Das Gesetzeswerk ist unüberschaubar. Die „Bild“-Zeitung meint heute, dass allein 2 000 bis 3 000 Beamte nötig sein werden, um die Vorschriften zu händeln, die aus dieser Rentenreform hervorgehen werden. Wenn wir schon über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nachdenken, dann wäre das möglicherweise eine für Beamte.
Nicht zuletzt haben wohl selbst die Koalitionsfraktionen das Vertrauen in die Zusagen der Bundesregierung verloren - wenn sie dieses Vertrauen je hatten -, beispielsweise das Vertrauen in die Zusage, dass ein Rentenniveau von 67 % gesichert werden soll. Warum setzen sie sich heute sonst noch einmal zusammen und erarbeiten gemeinsam einen Entschließungsantrag, der das irgendwie absichern soll?
Alles in allem fordern wir die Landesregierung dazu auf, auf Bundesebene und im Bundesrat ihren Einfluss dahin gehend geltend zu machen und darauf hinzuwirken, dass eine Rentenreform verabschiedet wird, die den Zukunftsfragen unserer Gesellschaft besser Rechnung trägt als das, was bisher vorliegt. - Ich danke Ihnen.