Protocol of the Session on January 25, 2001

Gerade dies ist für die ländlichen Räume in unserem Bundesland von entscheidender Bedeutung. Eine Extensivierung der Landwirtschaft würde beispielsweise im Bereich der Milchviehhaltung bedeuten, dass wir Exportchancen, die Molkereien in unserem Land wahrnehmen, nicht mehr nutzen könnten. Dies führt zur Vernichtung von Wertschöpfung im ländlichen Raum und damit zu einer Destabilisierung in bereits jetzt nicht sehr gefestigten Strukturen. Ich erinnere beispielsweise an die Molkereien in Bad Bibra und in Jessen, die in ihren Regionen die größten Arbeitgeber sind und die wesentlich vom Export leben.

Wenn in der Landwirtschaft umgesteuert wird, meine Damen und Herren, dann müssen auch solche Folgewirkungen berücksichtigt werden. Ich plädiere deshalb dafür, die Umsteuerung der Agrarpolitik nicht kurzfristig im Rahmen der Agenda 2000 anzugehen und neuen weiteren Verwaltungsaufwand mit Modulation und CrossCompliance aufzubauen.

Vielmehr sollte im Zusammenhang mit der sogenannten Midterm-Review der Europäischen Union im Jahre 2003 eine Umorientierung in Angriff genommen werden, die sowohl zu einer Vereinfachung als auch zu einer wesentlich besseren Grundlage der Agrarförderung kommt.

Mein Modell ist in diesem Zusammenhang die Einführung einer Flächenprämie, die dann zusätzlich mit öffentlichen Geldern versehen werden kann, wenn besondere Leistungen der Landwirte für Agrar-, Umwelt- oder Landschaftspflege oder auch eine bestimmte besondere Art der Produktion erbracht werden. Aber die Verwaltung jetzt noch mit zusätzlichen Dingen zu belasten, bei denen wir sowieso nicht davon ausgehen können, dass sie langfristig richtig sind, wenn ich die Ausführungen von Herrn Kommissar Fischler richtig deute, halte ich für wenig sinnvoll.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, mich auf diesem Wege der Umsteuerung in der Agrarpolitik zu unterstützen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS)

Herr Minister, würden Sie noch eine Frage von Kollegin Wiechmann beantworten?

Gern.

Bitte schön.

Herr Minister, Sie hatten in etwa ausgeführt, wenn es nicht gelinge, europaweit einheitliche Regelungen zu finden - Sie hatten dabei auf den Beschlussvorschlag reflektiert, an dem wohl auch Sachsen-Anhalt maßgeblich beteiligt war -, werde man auch in Deutschland nicht damit rechnen können, dass es ein Umdenken, also eine Umstrukturierung in der Landwirtschaft geben werde.

Viel Zeit bleibt eigentlich nicht, um die Punkte, die Sie vorgelesen haben und die in dieser Beschlussvorlage enthalten sind, umzusetzen, um das Problem BSE einigermaßen in den Griff zu bekommen. Jetzt muss ich ein

fach fragen: Würde das bedeuten, dass, wenn europaweit keine Einigkeit gefunden wird, um diese Probleme zu lösen, in Deutschland und in Sachsen-Anhalt alles beim Alten bleibt und dass man nicht nach Lösungen sucht, die regional oder national gelten?

Frau Abgeordnete, die Landwirtschaftspolitik wird seit der Gründung der Europäischen Union europaweit gemacht. Wir haben in Europa einen freien Markt. Das bedeutet, wir müssen uns auf einheitliche Regelungen einstellen. Gerade am Beispiel des Tiermehlverfütterungsverbotes wird das sehr deutlich.

Wenn wir in Deutschland andere Regelungen im Bereich der Fütterung von Tieren als die übrigen europäischen Länder haben, dann führt das - ich will über andere Dinge gar nicht reden - auf jeden Fall zu Wettbewerbsverzerrungen. Das bedeutet, dass Produkte in Deutschland nicht mehr hergestellt werden dürfen, die in anderen europäischen Ländern hergestellt werden, dass sie aber in Deutschland auf den Markt kommen, weil es einen freien Markt gibt.

Das hat in letzter Konsequenz zur Folge, dass der nationale Gesetzgeber etwas nicht für richtig hält, aber gleichzeitig aus europarechtlichen Gründen zulassen muss, dass die Produkte, deren Erzeugung er nicht für richtig hält, trotzdem auf den Markt gelangen. Das halte ich für ein völlig untragbares Ergebnis.

Das heißt, wenn wir keine einheitlichen Regelungen in Europa haben - das Tiermehlverfütterungsverbot ist nur ein Beispiel von vielen -, macht es wenig Sinn, in Deutschland umzusteuern; denn dann wird Wal-Mart, der heute Morgen eine große Rolle gespielt hat, sein Fleisch aus Holland, Spanien oder anderswoher besorgen, wo eben diese Produktionsmethoden möglich sind, und wird es hier verkaufen. Die Landwirte, die nach nationaler Gesetzgebung produzieren, werden dann keine oder sehr viel geringere Marktchancen haben. Das dazu.

(Herr Wolf, FDVP: Deswegen müssen wir raus, ist doch klar!)

Meine Damen und Herren! Bevor wir in der Debatte fortfahren, freue ich mich, Mitglieder des Jugendklubs Leuna in unserem Hause begrüßen zu dürfen.

(Heiterkeit - Frau Fischer, Leuna, SPD: Die sind schon weg!)

- Sie sind schon weg. Sehen Sie, die Zeit ist vorbeigeeilt. Sie waren angekündigt. Ich habe erst noch den Minister reden lassen. Das war wahrscheinlich zu lang. Ich habe jetzt erst festgestellt, dass die Tribüne leer ist. Der Gruß kommt zu spät.

Für die Fraktion der DVU-FL spricht jetzt die Angeordnete Frau Brandt.

Frau Präsidentin! Werte Herren und Damen! Verantwortliche Politiker der Bundesregierung beteuern über Jahre, Deutschland ist und bleibt BSE-frei. Nun muss in allen Bundesländern schnellstens reagiert werden; denn die Seuche hat uns eingeholt.

Die Hoffnung, dass Sachsen-Anhalt verschont bleiben würde, mussten wir am 24. Januar 2001 begraben. Hart hat es uns getroffen. Ein krankes Rind aus einem Bestand von fast 1 000 Rindern wird wahrscheinlich zum Keulen der gesamten Herde führen. Der Vorstoß des Landwirtschaftsministers, in Sachsen-Anhalt eine Gendatenbank aufzubauen, kommt leider zu spät, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Schon im Jahr 1994 beantragte die damalige DVUAbgeordnete Frau Köhler im Landtag von SchleswigHolstein, die Seuche BSE drastisch zu bekämpfen. Ihr Antrag wurde damals natürlich abgelehnt.

Deutsche Bauern waren in den vergangenen Jahren leider gezwungen, durch die offene europäische Konkurrenz Kraftfutter dazuzukaufen, um auf dem Markt zu bleiben. Wie sich nun herausstellt, eine verhängnisvolle Fehlentscheidung. Dem Kraftfutter wurde von den Tiermehlproduzenten Knochenmehl beigemengt, das wahrscheinlich Träger des BSE-Erregers ist. Obwohl es noch keine eindeutigen Beweise gibt, kann man davon ausgehen, dass das widernatürliche Verfüttern von Knochen und Fleischmehl an Pflanzenfresser diese erst zu Kannibalen machte und dann auch noch dem BSE-Erreger, den Prionen, die Gelegenheit verschaffte, die Artengrenze zu überschreiten.

Bei aller begründeten Angst durch die hysterische Berichterstattung in den Medien kommt es jetzt darauf an, einen kühlen Kopf zu bewahren und nach Wegen zu suchen, wie den Erzeugern zu helfen ist und die Verbraucher aufzuklären sind.

Dass die Bevölkerung auf den Kauf von Rindfleisch verzichtet, ist zu verstehen. Verstehen müssen wir aber auch die Rinderzüchter. Sie bleiben auf ihren zumeist ausgefütterten Rindern sitzen. Tägliche finanzielle Verluste von 5 bis 10 DM pro Tier stehen bei ihnen zu Buche.

Die Landesregierung muss sofort alles daransetzen, die Ursachenforschung und die Früherkennung von BSE zu intensivieren. Das Töten des gesamten Herdenbestandes, in dem man ein infiziertes Rind fand, sollte man so lange hinauszögern, bis bewiesen ist, dass mehrere Rinder erkrankt sind.

Geschlachtetes Vieh muss grundsätzlich untersucht werden, ein Gütesiegel bekommen und dann als unbedenklich zum Verkauf freigegeben werden können.

Die entstehenden finanziellen Verluste der Erzeuger müssen die Landesregierung und die Versicherungen abfangen.

Wir plädieren eindeutig für ein Verbot der Tiermehlproduktion zur Verfütterung an Nutzvieh. Die nicht artgerechte Haltung von Nutzvieh sollte stufenweise der ökologischen Haltung weichen.

Erzeuger und Verbraucher werden umdenken müssen. Gefragt sind nun die verantwortlichen Politiker. Sie müssen Wege und Mittel finden, glaubhaft als Interessenvertreter von Verbrauchern und Erzeugern an der Bewältigung dieser Krise zu arbeiten.

Dabei darf man nicht vergessen, dass die BSE-Krise eine europäische Krise ist. Die Landesregierung muss im Bundesrat von der Bundesregierung verlangen, dass die Bundesrepublik sich Schutzmechanismen gegen den Import von Seuchen und anderen Unbilden vorbehält. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU-FL)

Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Krause.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Keine andere Krankheit oder gar Seuche, die in den zurückliegenden Jahrzehnten in den Nutztierbeständen der Landwirtschaft ausbrach, hat so viel Angst und Verunsicherung bei den Verbrauchern einerseits sowie Sorge und Hilflosigkeit unter den Landwirten, Wissenschaftlern, Wirtschaftsexperten und auch bei Politikern andererseits hervorgebracht wie das Phänomen BSE.

Warum eigentlich? - Vielleicht weil wir zu wenig über die Krankheit, ihre Ursachen, ihre Verbreitungswege und über Möglichkeiten zur Vorbeugung, zur Eindämmung oder Bekämpfung wissen. Das führte in den letzten Wochen dazu, dass das Vertrauen der Verbraucher gegenüber Politik und Wirtschaft regelrecht erschüttert wurde.

Nicht zuletzt waren viele Maßnahmen und Entscheidungen auch durch das Treiben der Medien von ereignisbezogenem Aktionismus gekennzeichnet. Der erste notwendige Schritt im Umgang mit BSE und zum Wiedererlangen des Vertrauens der Verbraucher ist der besonnene Umgang mit der Sache selbst, ohne sich eine von den Medien getriebene Politik aufsetzen zu lassen. Es hilft in keiner Weise, diese Krankheit schlimmer zu machen, als sie ist.

Inzwischen kommen immer mehr Wissenschaftler zu der Erkenntnis, dass dieser Rinderwahnsinn eher eine mediale Bedeutung erlangt hat, als dass er tatsächlich eine reale Bedrohung für die Gesundheit von Menschen und Tieren geworden ist. Andere durch Lebensmittel übertragene Erreger wie Salmonellen, Parasiten, Toxoplasmen und anderes mehr verursachen seit Jahrzehnten regelmäßig Erkrankungen bei Menschen und auch Todesfälle.

Horrormeldungen wie: „Wird BSE die Pest des neuen Jahrtausends?“ sind alles andere als ein sachlicher Umgang mit diesem Thema, das nach allen Regeln dieser Gesellschaft gewinnträchtig durch die Medien vermarktet wird.

Ich sage es ohne jegliche Schuldzuweisung: Wir erhalten heute die Quittung für jahrzehntelange Versäumnisse in der BSE-Forschung und für eine Fehlentwicklung in der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft, und das vornehmlich durch den Druck des international agierenden Agrarhandels. Regionale Wirtschafts- und Stoffkreisläufe in der Landwirtschaft und insbesondere in der Futterwirtschaft werden zwar propagiert, tatsächlich wurde aber nichts dagegen getan, dass Eiweißträger und Getreidesubstitute aus allen Teilen der Welt heimische Futtermittel wie Klee, Luzerne und andere Pflanzen sowie auch Leguminosen verdrängten.

Nun wird auch bekannt, dass selbst Tiermehl in Größenordnungen nach Deutschland eingeführt worden ist. Frau Künast scheint nicht zu erkennen, dass genau hier der Dreh- und Angelpunkt für eine dringend notwendige Kursänderung in der Bundes- und EU-Agrarpolitik liegt. Stattdessen sorgt sie mit ihren unbedachten Attacken gegen die von ihr nicht näher definierten Agrarfabriken für zusätzliche Verunsicherung und Frust unter den Landwirten.

Frau Künast sollte darüber nachdenken, inwiefern ein etwaiger Rückgang der heimischen landwirtschaftlichen Produktion eine Handreichung zum Vorteil für die Importeure und Exporteure auf dem Agrar- und Futtermittelmarkt und insbesondere für die ohnehin sechs stärksten Handelskonzerne ist. Das tiefe Schweigen in dieser Branche lässt vermuten, dass die agrarpolitischen Vorstellungen von Frau Künast in das Konzept dieser Konzerne passen. Ich hoffe, sie wird am 8. Februar mit ihren Vorstellungen nicht so weit gehen wie bisher.

Wir meinen, die Landesregierung hat mit den bisher veranlassten Maßnahmen den richtigen Weg eingeschlagen. Jetzt kommt es darauf an, diese Maßnahmen zielstrebig durchzusetzen und mit dem Bund und der EU die offenen Fragen der Finanzierung aller Maßnahmen zu klären. Die Bauern in Mücheln und anderswo dürfen mit dieser Last und Verantwortung nicht allein gelassen werden.

An dieser Stelle möchte ich, auch wenn der Minister schon klare Worte gesprochen hat, die Landesregierung dringend bitten, nochmals alle vorhandenen Fragen zu stellen und Möglichkeiten zur Verhinderung der Keulung des Gesamtbestandes in Mücheln zu prüfen. Statt der Tötung sollte vielleicht gemeinsam mit dem Bund und möglichst auch mit der EU eine großflächige wissenschaftliche Forschungsarbeit eingeleitet und die Chance dazu nicht vertan werden. Vielleicht lässt sich doch noch etwas machen, da mit der Keulung erst am Sonnabend begonnen werden soll.

Wir meinen auch, dass es zur Umsetzung der einen oder anderen Maßnahme für die Landesregierung durchaus eine Hilfe sein könnte, wenn bei der Bewältigung der Probleme noch mehr externer Sachverstand hinzugezogen werden würde, so zum Beispiel auch zur Klärung der Frage, welche Erfolge die Einrichtung der Genbank verspricht, wenn sich andere Bundes- und EULänder daran nicht beteiligen.

Ohne Zweifel zwingt uns die BSE-Geschichte intensiver als bisher über die weitere Ausgestaltung einer zukunftsträchtigen und umweltgerechten Landwirtschaft nachzudenken. In diesem Sinne, Herr Minister Keller, möchten wir Sie, sofern Sie dies noch nicht veranlasst haben, ersuchen, einen überministeriellen Arbeitsstab zu berufen. Diesem Stab sollten Vertreter der zuständigen Ministerien, Agrarwissenschaftler, Human- und Veterinärmediziner, Lebensmittelhygieniker, Ernährungswissenschaftler, Verbraucherschützer, Ökologen, praktizierende Landwirte und andere angehören.

Wir könnten uns vorstellen, dass das BSE-Problem mittels eines solchen Stabes intensiver als bisher angegangen werden kann und wird und dass man davon wegkommt, stets aus dem Druck der Ereignisse und der Medien heraus agieren zu müssen. Da alle wesentlichen Partner an einem Tisch vereint wären, könnte eine solche Arbeitsgruppe zur Versachlichung des Themas beitragen.

(Beifall bei der PDS)

Die SPD-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die FDVP spricht noch einmal der Abgeordnete Herr Wolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens. Die Gesundheitsministerin war nicht da.