Protocol of the Session on December 15, 2000

kommen. Dazu bietet das neue Gesetz über die Ausbildung in der Altenpflege eine sehr gute Grundlage. Es liefert einen rechtlichen Rahmen für eine bundeseinheitliche und sachgerechte Ausbildung in der Altenpflege. Die Bundesländer werden darauf achten, dass, wenn der Bund Ausführungsbestimmungen zum Altenpflegegesetz erlässt, auch Richtlinien darin erscheinen, die für die Inhalte der Ausbildung auch hinsichtlich des Umgangs mit demenziell Erkrankten die nötigen Grundlagen bieten.

Das notwendige Schulungs- und Informationsangebot für Angehörige zu verbessern ist ebenfalls eine richtige Forderung. In diesem Zusammenhang setze ich auch auf den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Demenzkranken, das derzeit von der Bundesregierung erarbeitet wird und das das Pflegeversicherungsgesetz ergänzen soll. Sie haben darauf Bezug genommen. Meines Erachtens muss ein entsprechender Passus unbedingt mit eingearbeitet werden.

Schwerpunkt dieses Gesetzes ist aber bislang die Verbesserung der Tagespflegestrukturen in Deutschland. Ich halte diese Schwerpunktsetzung allerdings noch nicht für ausreichend. Wir brauchen in unserem Land noch stärker flexibel einsetzbare Instrumente, um die Situation von demenziell Erkrankten zu verbessern.

Im Übrigen sind die Pflegekassen bereits nach dem geltenden Pflegeversicherungsrecht verpflichtet, unentgeltlich Pflegekurse für Angehörige anzubieten. Mir ist nicht bekannt, dass dieser gesetzliche Auftrag von den Pflegekassen im Land Sachsen-Anhalt nicht wahrgenommen wird.

Noch ein Wort zu dem Lehrstuhl für Gerontopsychiatrie, den Sie einrichten wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass damit eine Kompetenz geschaffen wird. Ich setze allerdings noch stärker auf einen Lehrstuhl für Geriatrie. Diesen halte ich für umfassender und diesen würde ich deshalb an erster Stelle einrichten wollen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Ansonsten muss ich anmerken, dass die Einrichtung von Professuren auch an den medizinischen Fakultäten natürlich der Hochschulautonomie unterliegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die CDU-Fraktion die Hochschulautonomie über diesen Antrag aushebeln will.

Ich denke, wir sollten aber über all diese Probleme und auch über das, was mit dem Änderungsantrag der PDS noch in die Diskussion eingebracht wurde, im Ausschuss beraten. Es ist ein weites Feld, und ich glaube, dass die Beratung jetzt gerade recht kommt, weil auf Bundesebene der Gesetzgebungsprozess im Gange ist. - Vielen Dank.

Frau Ministerin, würden Sie eine Frage beantworten?

Ich beantworte gerne eine Frage, ja.

Herr Dr. Bergner, bitte.

Frau Ministerin, ich bin es schon dem Kultusminister schuldig, Ihnen die Frage zu stellen, ob Sie gelesen ha

ben, dass wir in unserem Antrag von der Finanzierung eines Lehrstuhls und nicht von der Einrichtung eines Lehrstuhls gesprochen haben.

Aber natürlich. Ich meine, wenn man einen Lehrstuhl finanzieren will, muss er auch eingerichtet werden, Herr Bergner. Ansonsten macht die Finanzierung wenig Sinn.

Aber - das fand ich spannend; schön, dass Sie mir die Frage stellen - ich habe mich darüber gewundert, dass Sie jetzt einen so interessanten Vorschlag in der Begründung eines Antrages bringen, und ich habe mich gefragt, warum in den Haushaltsberatungen des Landtages nicht ein Wort davon gesagt wurde. Wir hätten im Fachausschuss massenhaft Gelegenheit gehabt, über diesen Vorschlag von Ihnen zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Frau Ministerin, sind Sie bereit, eine zweite Frage zu beantworten?

Aber ja, Frau Präsidentin.

Frau Ministerin, haben Sie gestern zur Kenntnis genommen, dass sehr viel bescheidenere Finanzierungsanträge für die Universitäten mit der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt wurden?

Das habe ich registriert, aber das hätte Sie doch nicht davon abhalten können, einen wirklich neuen Vorschlag im Fachausschuss zur Diskussion zu stellen. Ich habe das, als ich die Begründung zu diesem Antrag gelesen habe, wirklich vermisst.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren! Bevor wir in der Debatte fortfahren, freue ich mich, Schülerinnen und Schüler der Borlach-Sekundarschule Bad Dürrenberg in unserem Hause begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die PDS-Fraktion hat jetzt die Kollegin Frau Dirlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Inhaltlich wird die PDS den Antrag der CDU selbstverständlich unterstützen, schon deshalb, weil er auf einer Empfehlung des Landesseniorinnenforums beruht, und ich kann der CDU nur dankbar sein, dass sie diese Empfehlung des Landesseniorinnenforums so schnell aufgenommen hat, weil wir uns dann nicht den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass wir auf diese Empfehlungen zu lange nicht reagieren. Insofern ist Ihnen also zu danken.

So wie es formuliert wurde, ist der Antrag aber sicherlich nicht machbar. Der Landesseniorenrat kann sicherlich außer Acht lassen, ob das Land und in welcher Weise das Land für Dinge zuständig ist. Die CDU-Fraktion kann das, glaube ich, nicht.

Mit Freude ist festzustellen, dass die sachsen-anhaltinische CDU inzwischen die Kritik an der Pflegeversicherung aufgenommen hat. Die PDS kritisiert schon seit 1994, dass die Pflege und die Betreuung dementer Menschen in der Pflegeversicherung mangelhaft und ungenügend geregelt ist. Damals hat die CDU-Bundesregierung so reagiert - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, Wilhelm Hecker, den damaligen Staatssekretär -:

„Ein Bereich, der besondere Sensibilität erfordert, ist die Pflege und Betreuung geistig behinderter, psychisch kranker und dementer, also altersverwirrter Menschen. Immer wieder wird behauptet, dass dieser Personenkreis nicht ausreichend in die Pflegeversicherung einbezogen oder gar ausgegrenzt ist. Dies entspricht nicht der Realität.“

Die CDU hat lange auf diesem Standpunkt beharrt. Sie hat ihn jetzt geändert. Allerdings bleiben Fragen offen.

Die Landesregierung soll sich für eine Begriffserweiterung einsetzen. Das finden wir gut. Die rot-grüne Bundesregierung hat versucht - aus der Sicht der PDS ungenügend und letztendlich auch inkonsequent -, Verbesserungen in der Pflege und Betreuung geistig Behinderter und Dementer zu realisieren. Der geschätzte finanzielle Umfang dieser Maßnahmen beträgt 500 Mil- lionen DM pro Jahr.

In dieser Hinsicht, meine Damen und Herren von der CDU, fordern wir von Ihnen Klartext. Wenn Sie den Pflegebegriff erweitern wollen, müssen Sie auch sagen, welche Gruppen Sie nicht mehr pflegen wollen, oder Sie müssen uns sagen, dass Sie den Beitragssatz er- höhen wollen.

Die PDS hat immer gesagt, dass diese Pflegeversicherung - besser: diese Teilkaskoversicherung - für eine bedarfsdeckende Pflege nicht steht. Insofern haben wir andere finanzielle Grundlagen vorgeschlagen. Wir fordern die Erweiterung des Pflegebegriffs schon länger und haben im Jahr 1997 einen Gesetzentwurf zur Pflegeassistenz in den Bundestag eingebracht, der natürlich abgelehnt wurde.

Wir fragen Sie, ob Sie Ihre Forderung schon mit Ihrer Bundestagsfraktion abgesprochen haben, weil bisher allein das Aufwerfen einer solchen Frage für die CDU schon ein Angriff auf die Wettbewerbsfähigkeit der BRD war. Ich kann es mir nicht verkneifen zu sagen: Wenn ich an die gestrige Abstimmung zur Barrierefreiheit denke, glaube ich, dass die CDU wohl ihren eigenen Antrag ablehnen muss, nämlich spätestens dann, wenn sie merkt, dass es Geld kostet.

(Zustimmung bei der PDS)

Zur Erinnerung: Die CDU-Bundesregierung hielt es nicht für möglich, der Forderung nach einer Berücksichtigung des Zeitaufwandes für die allgemeine Betreuung und Beaufsichtigung zu entsprechen. Damit wäre eine erhebliche Erweiterung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit und eine kaum abschätzbare Erhöhung der Kosten der Pflegeversicherung verbunden, die aus einem Beitragssatz von 1,7 % nicht mehr finanziert werden könnte.

Wenn Sie jetzt bessere und andere Ideen haben, sind wir darauf gespannt, auch auf die Diskussion dazu im Ausschuss.

Interessant ist die Forderung nach der Finanzierung eines Lehrstuhls für Gerontopsychiatrie. Die Ministerin hat schon gesagt, dass der Begriff zu kurz greift. Gerade weil wir wissen, dass die Bundesrepublik pflegewissenschaftlich gesehen ein Entwicklungsland ist, würden wir diesen Vorschlag natürlich unterstützen. Wir stimmen zu, weil die Gerontopsychiatrie, die Geriatrie, die Pflegewissenschaft angesichts der demografischen Entwicklung ganz sicher eine Zukunftsbranche ist.

Die Landesregierung kann sich sicherlich für die Einrichtung eines solchen Lehrstuhles einsetzen. Die Entscheidung liegt bei der Uni, die Ministerin hat es gesagt. Die Freiheit von Lehre und Forschung wollen auch Sie sicherlich nicht angreifen.

Wir sind für eine sachliche, auf Daten, Fakten und Informationen beruhende Diskussion. Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag entsprechende Berichterstattungen vorgesehen, um auf dieser Grundlage Möglichkeiten für eine Verbesserung der Situation Dementer zu erörtern und einzuleiten. Ich denke, wir haben kein Problem damit, beide Anträge - den Antrag der CDU und den Änderungsantrag - in den Ausschuss zu überweisen. Dann schauen wir, was wir zustande bringen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Fischer, Leuna, SPD, und von Herrn Dr. Nehler, SPD)

Kollegin Brandt hat für die DVU-FL-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Herren und Damen! Demenz, eine Krankheit, die zur Geißel unserer Gesellschaft werden kann, weil sie niemanden verschont, aber die Ärmsten am häufigsten trifft. Leider gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, die Demenzkranken zu isolieren, sie außerhalb des gesellschaftlichen Lebens wie Tote zu verstecken.

Die Ursachen dieser Krankheit sind noch nicht ausreichend erforscht. Man kann aber schon Erkrankten durch optimale Aufklärung der Familienangehörigen, ja der gesamten Bevölkerung, durch fachgerechte Behandlung und durch die Beseitigung einiger bekannter Ur- sachen helfen, ihr Leben zu ertragen.

Wir leben in einer Zeit, die eigentlich nur Gesunden - aber wer ist schon gesund? - eine Chance gibt, in einer Ellenbogengesellschaft, die oft ohne Rücksicht auf Verluste die Schwachen vergisst, nämlich Kinder, Kranke und unsere Alten. Menschen, die sich nicht wehren können, werden benachteiligt, weil vorhandene Gelder - ich führe die Pflegeversicherung an - unsozial verteilt werden. Damit sollte nun endlich Schluss sein.

Es steht außer Frage, den Demenzkranken muss geholfen werden. Dieser Staat und unser Land haben die Pflicht, eine optimale Betreuung, Pflege und Aufklärung zu gewährleisten, bekannte Ursachen und Verursacher zu bekämpfen. Uns bekannte Ursachen sind auch Alkoholmissbrauch, Dementia alcoholica und die Dementia pugilistica, die so genannte Boxerdemenz als Folge von Schlägen auf den Kopf.

Wenn man bedenkt, dass 20 % der Demenzfälle auf behebbare Ursachen zurückgehen, zum Beispiel auch auf toxisch wirkende Medikamente, muss man unbedingt dafür Sorge tragen, dass ein Lehrstuhl für Gerontopsychiatrie eingerichtet wird, um Medizinstudenten und Pflegepersonal fachgerecht ausbilden zu können.

Wichtig ist es, dass die zu schaffenden Pflegeeinrichtungen über genügend Räumlichkeiten verfügen, weil es notwendig sein wird, auch die Familienangehörigen in das Betreuungsprogramm mit einzubeziehen. Die Kapazitäten der vorhandenen psychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser sind leider sehr eingeschränkt und müssen für die tägliche ambulante Behandlung Demenzkranker umgerüstet werden.

Die Kosten für die Aus- und Weiterbildung des Personals müssen in erster Linie aus dem Haushalt des Bundessozialministeriums und den Haushalten der Sozialministerien der Länder getragen werden.

Um die dramatisch angestiegenen Kosten in den Krankenhäusern einzudämmen, sollte man über neue Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken, privatrechtliche Gesellschaften für die Übernahme der Verwaltung gründen oder Krankenhäuser privatisieren.

Leider haben Demenzkranke oft eine geringe Lebenserwartung. In der letzten Lebensphase müssen wir ihnen 24 Stunden täglich zur Seite stehen. Wir sollten ihnen in Sterbekliniken und Hospizen die Möglichkeit geben, in Würde zu sterben.

Wir unterstützen den Antrag der CDU. - Ich bedanke mich.