Protocol of the Session on December 15, 2000

Bitte nur die Fragestellung, keine Diskussionsbeiträge.

Ich möchte nur noch einen Satz dazu sagen. Wir hatten in unserer Schule in Pretzier in zehn Jahren acht Kinder, die keinen Abschluss bekommen haben. Ich habe mir erzählen lassen, dass das in den Schulen der Großstädte bis zu 30 % sind.

Herr Sommerfeld, zum ersten Punkt: Die Massenkinderhaltung in den Städten - das würde ich deutlich zurück

weisen. Es geht überhaupt nicht um Massenkinderhaltung.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Hier spricht die Altmark!)

- Ja, das ist die Altmark. - Wir haben Klassenfrequenzen, auch in den Sekundarschulen des städtischen Bereichs, die durchaus vertretbar sind. Ich habe Ihnen gerade gesagt, dort, wo Ihre Partei die Regierung stellt, nämlich in Sachsen, geht man davon aus, dass sogar 32er-Klassen in Ordnung sind. Dazu haben wir andere Vorstellungen. Wir wollen in Sachsen-Anhalt etwas kleinere Klassen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Zweitens. Ich glaube nicht, dass es eine Frage ist, dass die Kinder in den Städten verdorben werden. Das ist eher eine Frage des Schulkonzeptes. Ich gebe Ihnen Recht, dabei müssen wir genau hinschauen, wie in dieser Hinsicht in den einzelnen Schulen gearbeitet wird.

Dritter Punkt. Es gibt im Gegensatz zu dem, was Herr Sobetzko forderte, nämlich Ausnahmeregelungen generell, eine Ausnahmeregelung in der Verordnung, nämlich dann, wenn die Wegezeiten der Schülerinnen und Schüler unzumutbar werden.

Das wird möglicherweise an ein, zwei Stellen in der Altmark und vielleicht auch an ein, zwei Stellen am Harzrand so passieren. Dann sind wir bereit, über Ausnahmen zu reden. Das müssen aber wirklich die absoluten Ausnahmen sein. Ich habe das, auch in Gesprächen mit Herrn Ostermann, so verstanden, dass man im Altmarkkreis Salzwedel auf einem ganz guten Weg ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Bevor wir die Debatte fortsetzen, darf ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule in Altenweddingen bei uns begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Damit wir von den Schülerinnen und Schülern nicht falsch verstanden werden, möchte ich darauf hinweisen, dass Parlamentsdebatten ohne Zwischenrufe langweilig wären. Ich bitte die Abgeordneten darum, Ihre Äußerungen so vorzubringen, dass die Schülerinnen und Schüler, wenn sie nach Hause gehen, von den Abgeordneten noch die gleiche hohe Meinung haben wie vorher.

(Heiterkeit)

Wir setzen die Debatte fort. Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wolf. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es gerade gehört. In schlechten Zeiten ist der Minister nur ein Befehlsempfänger seiner Fraktion, mehr nicht. Dahinter kann er sich gut verstecken. So ist das Leben in diesem Lande Sachsen-Anhalt.

Dem Kultusminister Dr. Harms steht ob seiner Bildungspolitik das Wasser bis zum Hals. Die unterschiedlichsten Initiativen von Eltern, Lehrern und Schülern bringen ihn gewaltig unter Druck, aber die SPD beantragt eine Aktuelle Debatte zum Thema Schulentwicklungsplanung, als sei nichts geschehen.

Wahr ist: Die Eltern stehen Herrn Harms unversöhnlich gegenüber. Allein der Versuch zu vermitteln, dass diese Planung kurz vor dem fristgemäßen und sachgerechten Abschluss stehe, wirft die Frage auf: Soll das wieder unbeirrt und rechthaberisch, vorbei an den vielfältig vorgetragenen Bedenken und Einwänden im Lande geschehen?

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft befürchtet es und spricht vom sinnlosen Schulsterben in Sachsen-Anhalt. Da mag es noch tröstlich anmuten, wenn eine Hallenser Zeitung recht milde kommentiert, dass die Bildungspolitik in Sachsen-Anhalt unter keinem guten Stern stehe. - Nein, nicht nur die Bildungspolitik, die ganze Politik des Landes steht unter keinem guten Stern. Der Landesregierung sind keine Sternchen zu verleihen für eine Politik, die immer mehr zum Ausverkauf auch der Bildungsressourcen übergeht.

Genauso erschreckend ist der Blick in die Zukunft dieses Landes. Die Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt sinkt rapide, und besonders drastisch ist, dass immer mehr junge Frauen das Land verlassen, in dem die selbst ernannte linksextreme Frauenpartei mitmischt, und in den alten Bundesländern Arbeit und Perspektiven suchen.

Die sinkenden Geburtenzahlen, Spiegel des sozialen Wohlbefindens, erreichen schmerzhafte Dimensionen, die auch in den nächsten Jahren kaum korrigierbar sein werden. Herr Dr. Höppner, auch das ist die neuerliche Abstimmung mit den Füßen - schon wieder gegen Rot.

Nicht nur die Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven treiben die Menschen aus Sachsen-Anhalt hinaus. Es spielen auch das Interesse ihrer Kinder und die Schulpolitik als großes Experimentierfeld für bereits gescheiterte Irrlehren eine Rolle. Es ist das Bestreben der Eltern, ihren Kindern das zu ersparen, was sie selbst durch rot-rote Politik in Sachsen-Anhalt erlebt haben.

Das Hü und Hott der Landesregierung und des Kultusministers ist schon zum Markenzeichen geworden. Jedes selbstgefällig zum Reförmchen erhobene Experiment überlebt hier nicht einmal die erste Versuchsphase der Erprobung, da sinnt man schon wieder umtriebig auf Steigerungen im Land.

Aber es gibt nicht nur Eltern und junge Leute, die aus dem Land flüchten. Auch die Anzahl derer wächst, welche die Flucht nach vorn antreten und Widerstand leisten. Für jedes Vorhaben des Kultusministers entsteht kurzfristig eine sachkundige Initiative, die dem Kultusminister nicht nur die Flötentöne beibringt, sondern ihn zum Rückzug - und das nicht etwa wohl geordnet - veranlasst.

Setzen Sie, Herr Kultusminister, die mittelfristige Schulentwicklungsplanung aus. Korrigieren Sie Ihre starrsinnige Haltung zur Schülerzahl in den jeweiligen Schulen. Die Erfahrungen belegen, dass auch eine kleine Schule durchaus nicht teurer sein muss als eine größere, wenn alle Beteiligten selbst an den Konzepten mitwirken.

Wenn die Landesregierung ihre eigenen Hausaufgaben nicht ordentlich erledigt, verwirkt sie jeglichen Anspruch darauf, vor Ort formal etwas durchzusetzen, das von den Beteiligten als wenig sinnvoll bewertet wird. Vielleicht verhindert die Flucht des Kultusministers aus Amt und Land einen weiteren Abgang von jungen Leuten aus Sachsen-Anhalt. Das wäre wohl die intelligenteste und gleichzeitig die nachhaltigste Variante. - Danke.

(Zustimmung bei der FDVP)

Vielen Dank. - Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Hein. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung folgte die Landesregierung nach immerhin drei Jahren einer gesetzlichen Vorgabe aus dem Jahr 1996. Dort nämlich ist bereits festgelegt, dass die Schulentwicklungsplanung künftig für mittelfristige Planungszeiträume erfolgen soll.

Mit der Festlegung von Zügigkeitskriterien, die von den bisherigen Regelungen deutlich abweichen, sehen sich die Gemeinden, Städte und Kreise allerdings mit für sie bisher nicht absehbaren Folgen im Umgang mit dem dramatischen Rückgang der Schülerinnenzahlen konfrontiert. Dem muss im Umgang mit der Schulentwicklungsplanung der Kreise angemessen Rechnung getragen werden.

Insbesondere - darauf will ich mich konzentrieren - entstehen gravierende Probleme für die künftigen Schulstandorte der Sekundarschulen. Die Schulentwicklungsplanung, zumindest diese, ist in einem Zeitraum umzusetzen, in dem sich der Rückgang der Schülerzahlen verstärkt bemerkbar macht. Bis zum Jahr 2006 ist das neue Schulnetz umzusetzen. Im Jahr 2008 wird der Tiefststand erstmals erreicht.

Dennoch sehen wir nach längeren Debatten in unseren Arbeitskreisen und in unserer Fraktion keine Alternative zu einer Umsetzung der Schulentwicklungsplanverordnung zu diesem Zeitpunkt. Wir teilen auch den grundsätzlichen Ansatz.

Bereits heute erreichen von den insgesamt 426 Sekundarschulen fast 140 Schulen die Schülerinnenzahl von 160 in den Klassenstufen 7 bis 10 nicht. Im Jahr 2008 lägen bei gleich bleibender Verordnungslage, einem 30er-Maßstab für die Zweizügigkeit, nur noch 17 Schulen im Land über dem heute geforderten Limit von 160 Schülern in den Klassenstufen 7 bis 10. In allen anderen Schulen hätten wir Klassenstärken von maximal 15 Schülerinnen im Sekundarschulbereich der Klassenstufen 7 bis 10.

Ich denke, das macht das Ausmaß des Problemstaus deutlich, vor dem wir stehen. Wenn wir gleichzeitig noch garantieren wollen, dass es insbesondere in den Mangelfächern endlich einen Fachunterricht mit ausgebildeten Pädagoginnen gibt, dann ist eine Lösung dringend geboten.

Für die Qualität der Sekundarschulen ist es zudem wichtig, dass der Problemstau bei Sanierungen und Ausstattungen endlich zielgerichtet in Angriff genommen werden kann. Daran müssten auch die Schulträger ein massives Interesse haben.

Allerdings sind mit diesem schmerzlichen Prozess erhebliche Probleme verbunden, die wir nicht gering schätzen dürfen.

Erstens. Insbesondere bei den Sekundarschulen scheinen uns die in der Verordnung ausgewiesenen Ausnahmeregelungen nicht hinreichend zu sein. Die Frage der Zumutbarkeit im Hinblick auf die Erreichbarkeit anderer Sekundarschulen als einzigen Ausnahmegrund

anzugeben, ist insofern schwierig, als die Empfehlung einer Wegezeit von maximal einer Stunde, wie sie das Kultusministerium festgelegt hat, zu einem einzuhaltenden Parameter wird, wenn die Genehmigungsbehörde dies zur Grundlage der Einschätzung der Zumutbarkeit macht. Aus der Empfehlung wird damit eine Vorgabe.

Das wird den verschiedenen konkreten Situationen im Lande nicht hinreichend gerecht. Wir ermutigen die Kreise darum, verantwortbare, begründete Ausnahmen, die sich zum Beispiel aus der geografischen Lage ergeben können, zu beantragen. Wir fordern die Landesregierung auf, hierbei nicht nur formal, sondern den konkreten Einzelfall zu prüfen.

(Frau Stange, CDU: Das ist aber zu spät!)

Das gilt auch, wenn die Schülerzahlen in wenigen Einzelfällen heute schon absehbar nur für wenige Jahre unter das Limit fallen.

Zweitens muss es möglich sein, Entscheidungen, die wegen der noch nicht beschlossenen Kreisgebietsreform mehrere Möglichkeiten denkbar erscheinen lassen und auf die sich die Kreise bisher nicht einigen können, obwohl das vorgesehen ist, als Alternativplanungen aufzunehmen und die endgültigen Entscheidungen später zu treffen.

(Frau Stange, CDU: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Drittens muss ebenso jederzeit die Fortschreibung der Planung möglich sein, wenn veränderte Tatbestände eintreten, zum Beispiel in Zuzugsgebieten oder durch einen deutlichen, bisher nicht erwarteten Geburten- anstieg, der die heutige Planung infrage stellt.

Die PDS erwartet von der Landesregierung, dass sie heute schon deutlich macht, dass es sich bei diesen Fragen der aktuellen Schulentwicklungsplanung nicht nur um eine reine Sparmaßnahme handelt.

Wir fordern die Landesregierung auf, erstens den weiteren politischen Rahmen für die Schulentwicklungsplanung so abzustecken, dass das mit der mittelfristigen Planung bis 2006 erreichte Schulnetz im Großen und Ganzen Bestand hat, auch wenn in den Folgejahren die Schülerinnenzahl unter das Limit von 160 fällt, weil diese Schulen mit den anschließend wieder aufwachsenden Schülerzahlen einen langfristigen Bestand aufweisen können.

Zweitens werden wir uns dafür einsetzen, dass beginnend mit dem Jahr 2002 für die Kreise ein Sanierungsprogramm für Sekundarschulen aufgelegt wird, damit die Landkreise und Gemeinden, die auch die leer stehenden Gebäude unterhalten müssen, wenigstens an dieser Stelle entlastet werden.

Drittens fordern wir die Landesregierung auf, die über diesen Weg eingesparten Lehrerinnenstunden zu einem spürbaren Teil für Bildungsverbesserungen einzusetzen.

(Zustimmung bei der PDS)

Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass über das Maß - -