Protocol of the Session on October 12, 2000

gigen Stelle, um die strittigen Fragen zu klären und die Situation zu bereinigen.

Aber diese Stelle muss nicht immer das Gericht sein. Gerade bei Streitigkeiten des täglichen Lebens ist Schlichten oft besser als Richten. Einvernehmliche Lösungen können häufig einen dauerhafteren Rechtsfrieden stiften als ein gerichtliches Urteil, das immer einen Sieger und einen Verlierer hervorbringt.

Ein Schlichter kann sich stärker als ein Richter an den offensichtlichen Bedürfnissen der Parteien orientieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Streitobjekt nicht der eigentliche Anlass der Auseinandersetzung der Parteien ist.

Institutionen, die sich außergerichtlichen Streitbeilegungen widmen, bestehen in Deutschland schon seit langem. In vielen Bundesländern, so auch in Sachsen-Anhalt, sind bereits heute auf kommunaler Ebene Schiedsstellen eingerichtet, die in bestimmten bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten auf Antrag außergerichtliche Schlichtungsverfahren durchführen und vor denen vollstreckbare Vergleiche geschlossen werden können.

Um das vorhandene Angebot der einvernehmlichen Konfliktlösungsmodelle zu erweitern, ist am 1. Januar 2000 das Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung in Kraft getreten. Nach diesem Gesetz können die Länder im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit die Erhebung der Klage in bestimmten Streitigkeiten von einem vorherigen außergerichtlichen Einigungsversuch abhängig machen.

Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Schiedsstellengesetzes, der heute hier eingebracht werden soll, soll für unser Land von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Dabei wollen wir den durch Bundesgesetz vorgegebenen Spielraum möglichst weitgehend ausnutzen.

Notwendig soll der obligatorische außergerichtliche Einigungsversuch zum einen bei Streitigkeiten mit einem Streitwert bis 1 500 DM sein. Hier steht die Bedeutung der Sache regelmäßig in keinem angemessenen Verhältnis zum Kosten- und Zeitaufwand eines gerichtlichen Verfahrens.

Zum anderen sind in das außergerichtliche obligatorische Schlichtungsverfahren nachbarrechtliche Streitigkeiten und Ehrenschutzklagen, soweit sie keinen presserechtlichen Bezug haben, eingebunden, also solche Streitigkeiten, bei denen eine Streitschlichtung unter aktiver Mitwirkung der Parteien besonders wünschenswert ist, weil diese als Nachbarn oder aus anderen Gründen in dauerhaften Beziehungen stehen und nach Beilegung der Streitigkeit dann wieder miteinander auskommen müssen. In diesen Fällen können Konflikte durch eine zeitnahe, zwanglosere und kostengünstigere Erörterung mit den Parteien besser bereinigt werden als in dem förmlichen Gerichtsverfahren.

Das Schlichtungsverfahren soll hierbei von den bereits auf kommunaler Ebene eingerichteten Schiedsstellen einerseits sowie von den Notarinnen und Notaren des Landes Sachsen-Anhalt und von denjenigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die dazu bereit sind, andererseits durchgeführt werden. Damit kann ein weiterer, fachlich geeigneter und auch von der Anzahl ausreichender Kreis an Schlichtungsstellen zur Verfügung gestellt werden, um die Durchführung der Schlichtung kompetent und auch flächendeckend zu gewährleisten.

Dieser weit gefasste Kreis der Schlichtungspersonen ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, die das Schlichtungsverfahren durchführen müssen, die Stelle aufzusuchen, die im konkreten Fall für sie am besten zur Streitschlichtung geeignet ist. Die verschiedenen Schlichtungspersonen stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander, also kommunale Schiedsstellen genauso wie die Notare oder Rechtsanwälte. Dies wird auch dadurch deutlich gemacht, dass die Schiedsleute dieselben Gebühren erhalten wie die als Schlichtungspersonen tätigen Notarinnen und Notare oder Anwältinnen und Anwälte.

Die Vorlage lässt den Schlichtungspersonen und den Parteien weitgehend Freiheit bei der Gestaltung des Verfahrensablaufes und ermöglicht damit ein flexibles, einfaches, zeitnahes und kostengünstiges Verfahren.

Als wesentliches Element einer Einigung ist grundsätzlich die persönliche Anwesenheit der Parteien im Schlichtungsgespräch vorgesehen, damit sie unter Vermittlung einer neutral agierenden Schlichtungsperson an der Lösung ihres Konfliktes selbst aktiv mitarbeiten können.

Damit sich die Parteien aber auch ihrem Konflikt stellen, kann gegen eine unentschuldigt fernbleibende Partei ein Ordnungsgeld verhängt werden. Das war im Übrigen auch eine Forderung der kommunalen Schiedsstellen.

Scheitert die Einigung, wird dem Antragsteller oder der Antragstellerin eine so genannte Erfolglosigkeitsbescheinigung ausgestellt, die dieser oder diese dann beim Amtsgericht vorlegen kann, sodass dann der normale Gerichtsverfahrensprozess beginnt.

Die Regelungen für das obligatorische Streitschlichtungsverfahren wurden dabei in das bestehende Schiedsstellengesetz des Landes Sachsen-Anhalt, das nunmehr den Namen Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetz erhalten soll, integriert. Hierdurch soll ein einheitliches Regelungswerk für die außergerichtliche Streitschlichtung insgesamt geschaffen werden.

Um das System der bereits tätigen Gütestellen nicht zu beeinträchtigen, sondern vielmehr zu stärken, sieht bereits die bundesgesetzliche Öffnungsklausel vor, dass ein einvernehmlicher Einigungsversuch vor einer sonstigen Gütestelle - das sind Gütestellen der Innungen, des Handwerks, der Kammern usw. -, die jetzt schon Streitbeilegung betreiben, dem obligatorischen Schlichtungsverfahren gleichstehen sollen.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Schiedsstellengesetzes regelt nun erstmals auch die Anerkennung solcher Gütestellen durch die Landesjustizverwaltungen. Durch die Regelung der Anerkennungsvoraussetzungen, zu denen unter anderem auch die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung gehört, soll sichergestellt werden, dass nur geeignete Stellen Streitschlichtungen betreiben.

Die Landesregierung verkennt nicht, dass mit der Einführung der obligatorischen außergerichtlichen Streitbeilegung juristisches Neuland betreten wird. Dem trägt die Vorlage insoweit Rechnung, als die entsprechenden Regelungen zunächst auf fünf Jahre befristet werden. Eine Dauerregelung soll erst dann erfolgen, wenn ausreichend Erfahrungen mit dem Instrument der obligato- rischen außergerichtlichen Streitschlichtung vorliegen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass mit diesem Verfahren auch eine Entlastung der Justiz einhergeht. Ich halte das Verfahren für den rechtspolitisch richtigen Weg, und ich hoffe, dass außer- und vorgerichtliche

Konflikt- und Streitbehandlung in weiteren Verfahrensarten Platz greifen, dass die so genannte Mediation ein Mittel zur Streitschlichtung sein wird und dass nicht immer nur der Mann oder die Frau in der schwarzen Robe diejenigen sind, die Nachbarn wieder an einem Tisch oder an einem Zaun versammeln können. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Dr. Hein, PDS)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Zu diesem Gesetzentwurf ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden, von der Sie alle wissen, dass diese Zeit nicht unbedingt aus- geschöpft werden muss,

(Heiterkeit bei der SPD)

und zwar in der Reihenfolge FDVP, SPD, DVU-FL, CDU und PDS. Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Weich. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Schiedsstellengesetzes eröffnet den Bürgern dieses Landes die Möglichkeit, eine außergerichtliche, kostengünstige und auf ein Mindestmaß an Bürokratie beschränkte Streitschlichtung durchzuführen. Eine weitere positive Folgeerscheinung dieses Gesetzentwurfes ist der geringe Zeitfaktor im Vergleich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Voraussetzung dafür ist natürlich immer eine erfolgreiche Schlichtung im Sinne der Parteien.

Die Entlastung der Justiz und auch die Freiheit bei der Gestaltung des Verfahrensablaufes, die für Parteien und Schlichtungspersonen durch diesen Gesetzentwurf gleichermaßen gegeben ist, sind weitere positive Aspekte.

Die zeitliche Befristung der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung auf fünf Jahre, wie es in Nr. 19 der Gesetzesänderung vorgesehen ist, um so nach Vorliegen ausreichender Erfahrungen in eine Dauerregelung überzugehen, ist ebenfalls begrüßenswert.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Schiedsstellengesetzes bringt für die Bürger dieses Landes eine kostengünstige Lösung auf fachlich-sozialer Basis und findet deshalb unsere Zustimmung. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht Abgeord- neter Herr Dr. Brachmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihre Mahnung verstanden, Herr Präsident, und will mich relativ kurz fassen, aber vielleicht doch ein paar Worte sagen.

Auch wir begrüßen nachdrücklich, dass die Landesregierung diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Wir haben uns schon immer dafür ausgesprochen, die Möglichkeiten vor- und außergerichtlicher Streitschlichtung zu erweitern, vor allen Dingen deshalb, weil Alltagsstreitigkeiten - wir haben das schon gehört - kostengünstiger und zeitnäher gelöst werden können.

Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern mit Jahresbeginn die Möglichkeit eingeräumt, bei Vermögensrechtsstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von 1 500 DM, Nachbarstreitigkeiten und Ehrverletzungen auf die Anrufung eines Gerichtes zu verzichten und dies von einer vorherigen obligatorischen Streitschlichtung abhängig zu machen.

Wir wollen diese Möglichkeit nutzen. Dies ist nach unserer Überzeugung ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur längst überfälligen Reform der Justiz.

Ich will mir an dieser Stelle nähere Ausführungen dazu ersparen, weil wir nachher unter Tagesordnungspunkt 14 über die Justizreform reden werden. Aber ich will schon an dieser Stelle deutlich sagen, dass die Justiz sehr grundlegenden Veränderungen noch Rechnung tragen muss und so manches vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden muss.

Dazu gehört es auch, Streitigkeiten möglichst außergerichtlich beizulegen. Der beste Prozess ist immer noch der, den man gar nicht erst führen muss. Viele Streitigkeiten können schneller und besser außerhalb des Gerichts geklärt werden. Muss wirklich ein Richter entscheiden, wenn die Äpfel in Nachbars Garten fallen? Brauchen wir ein richterliches Urteil, wenn der bellende Hund die Mittagsruhe stört? Auch der Streit um den berühmt-berüchtigten Knallerbsenstrauch am Maschendrahtzaun ist in der Schlagerbranche besser aufgehoben als vor Gericht.

Also: Was nicht vor Gericht muss, soll außergerichtlich erledigt werden. Die Vorteile eines solchen Schlichtungsverfahrens liegen auf der Hand. Die Parteien sparen Zeit, Ärger und Geld. Einvernehmliche Lösungen können zudem - auch das ist schon gesagt worden - einen dauerhafteren Rechtsfrieden schaffen. Den Gerichten bleibt mehr Zeit für ihre eigentlichen, schwerwiegenderen Fälle.

Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht vor, die außergerichtliche Streitschlichtung den bestehenden Schieds- und Gütestellen, den Notarinnen und Notaren sowie den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zu übertragen. Damit dürfte flächendeckend ein aus- reichendes Netz an Schiedspersonen vorhanden sein.

Es gibt freilich noch Fragezeichen. Es war - daran will ich erinnern - ein langwieriger und auch schwieriger Prozess, die Schiedsstellen überhaupt einzurichten. Das ist jetzt halbwegs gelungen. Diese Schiedsstellen in den Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften sind bislang aber kaum angenommen worden, was dazu geführt hat, dass sie im Hinblick auf die Streitschlichtung kaum Erfahrungen haben sammeln können.

Ob sie den Aufgaben gerecht werden, die jetzt mit diesem Gesetz auf sie zukommen, bleibt sicherlich abzuwarten. Aber wir haben daneben für diejenigen, die das wollen, weil sie den Schiedsstellen Misstrauen entgegenbringen, die Möglichkeit, dass Anwälte und Notare in Anspruch genommen werden können.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt gehört zu den ersten Bundesländern, die die Streitschlichtung obligatorisch einführen. Wir betreten Neuland. Auf Erfahrungen können wir nicht zurückgreifen. Wir müssen diese erst einmal selbst sammeln. Der Entwurf trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, dass er die Geltung des Gesetzes auf fünf Jahre befristet. Ich habe die Hoffnung, dass das kein Verfallsdatum ist, sondern

dass wir nach Ablauf dieser Frist die Regelungen in ein Dauerrecht überführen können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Brachmann. - Die DVU-FL-Fraktion hat keinen Redebeitrag angemeldet. Dann spricht für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Remmers. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Hinweis auf die einzuschränkende Redezeit ist angekommen. Ich will deswegen nur einige ganz kurze Bemerkungen machen.

Ich denke, wir werden das Gesetz in den Ausschuss überweisen und dort darüber ausführlich beraten. Ich glaube allerdings auch, dass die Beratung dort notwendig ist. Herr Brachmann hat gerade darauf hingewiesen: Wir sind das erste Land, das den Versuch der obligatorischen Schlichtung macht und damit den unmittelbaren Weg zum Gericht bei den hier angegebenen Streitigkeiten zunächst einmal verstellt.

Dies ist lange in der Diskussion, insbesondere seit sich herausgestellt hat, dass auch durch die Strukturveränderungen in unserer Gesellschaft die früher starke Stellung der Schiedsleute immer mehr an den Rand gedrängt worden ist und insbesondere in den Ballungsräumen und größeren Städten Schlichtung eigentlich nicht mehr stattfindet.

Diesen Versuch, über einen obligatorischen Schlichtungsversuch das Schiedswesen und damit vielleicht auch die Befriedung im Streit zwischen den Bürgern zu befördern, müssen wir zumindest sorgfältig wägen. Wir sind dazu bereit. Es gibt viele Einzelheiten, über die wir noch reden müssen. Das sollten wir aber im Ausschuss tun. Ich sage jetzt für die CDU-Fraktion, dass wir grundsätzlich für die Argumentation und für die Absichten offen sind. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Remmers. - Für die PDS-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Knöfler.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Auch ich habe schon gestrichen; das heißt, ich habe die Rede um ein Stückchen verkürzt. Einige Aspekte will ich trotzdem nennen.