Protocol of the Session on September 15, 2000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ursprünglich wollte der Wirtschaftsminister zu dem Thema sprechen, aber er ist zurzeit in einer Beratung mit amerikanischen Investoren und bat mich, ihn zu vertreten, was ich gern übernommen habe, da ich bereits - wie einige andere in diesem Hause auch - einige Erfahrungen in Bezug auf das Sonn- und Feiertagsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt gesammelt habe. Ich erinnere an den 6. Januar. Außerdem wird das Sonn- und Feiertagsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt von meinem Hause betreut.

Meine Damen und Herren! Ich denke, die meisten von Ihnen haben in den letzten Jahren schon einmal an einem Sonn- oder Feiertag einen der allgemein als „Trödelmarkt“ bezeichneten Märkte besucht. Einige Märkte haben geradezu eine neue regionale Tradition begründet, die bei Veranstaltern wie bei Besuchern auf viel Resonanz stößt.

Man sollte besser sagen: gestoßen ist; denn nach den Urteilen des Verwaltungsgerichts Dessau und des OVG des Landes Sachsen-Anhalt verstoßen einige Veranstaltungen gegen das Sonn- und Feiertagsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Sie können also nicht länger durchgeführt werden.

Diese Situation ist für die Veranstalter und Besucher solcher Märkte aber unbefriedigend, was sich auch in den Protesten der Beteiligten geäußert hat. Die SPDLandtagsfraktion nimmt dies in ihrem Antrag konstruktiv auf.

Die Landesregierung ist ihrerseits nicht untätig gewesen. Der Wirtschaftsminister selbst hat sich am 15. Mai dieses Jahres in der „Mitteldeutschen Zeitung“ geäußert und hat sich darin für eine Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen ausgesprochen.

Dabei dürfen die besonderen Aspekte des Sonn- und Feiertagsschutzes selbstverständlich nicht unberücksichtigt bleiben. Es geht also um einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen den beteiligten Gruppen. Ich bin der Überzeugung, dass der Landesregierung diese Quadratur des Kreises gelingen wird.

Das Sonn- und Feiertagsgesetz bildet die maßgebliche Grundlage für das, was wir diskutieren. Den Bestimmungen dieses Gesetzes zufolge herrscht an Sonntagen und an staatlich anerkannten Feiertagen allgemeine Arbeitsruhe. Ausnahmen sind im Bundes- oder Landesrecht besonders geregelt. Für gewerbliche Marktveranstaltungen fehlen derartige Sonderregelungen. Diese unterliegen somit grundsätzlich dem feiertagsrechtlichen Arbeitsverbot. Um die Durchführung von Sonntagsmärkten zu ermöglichen, bedarf es der Änderung des Sonn- und Feiertagsgesetzes.

Um den im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage zu gewährleisten, vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass Marktveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen folgende Bedingungen erfüllen müssen, um genehmigungsfähig zu sein: erstens eine fremdenverkehrspoli-tische Bedeutung, zweitens eine ordnungspolitische Berechtigung.

Zum ersten Punkt: Die fremdenverkehrspolitische Bedeutung wird dadurch erreicht, dass nicht jeder Markt zugelassen wird, sondern nur die, die neben dem gewerbsmäßigen Charakter auch einen touristischen, die regionale Identität fördernden oder, wie es in dem für die Änderung vorgeschlagenen Gesetzestext etwas technisch ausgedrückt heißt, einen mit dem Feiertagsgedanken in Einklang stehenden unterhaltenden Wert besitzen.

Ich kenne auch den Markt auf dem Petersberg. Der erfüllt alle diese Bedingungen und trägt auch noch zur Ernährung der Tiere im Tierpark bei. Er hat also nicht nur gewerbsmäßige Bedeutung.

Zum zweiten Punkt: Mit ordnungspolitischer Bedeutung meine ich, dass wir die Realität des Handels in der Gegenwart nicht außer Acht lassen dürfen. Die Debatte um den Ladenschluss zeigt dies.

Einerseits kann der Kunde im Internetshop rund um die Uhr einkaufen gehen, andererseits muss der Gesetzgeber die berechtigten Interessen des Einzelhandels berücksichtigen. Es geht nicht an, dass ein Bekleidungshändler sein Geschäft am Sonntag nicht öffnen darf, während der Standbesitzer vor dessen Ladentür das gleiche Sortiment verkaufen darf.

Mit anderen Worten: Märkte, auf denen Waren aller Art feilgeboten werden, bei denen also der kommerzielle Charakter überwiegt und der Erlebniswert nur nachrangige Bedeutung besitzt, sollten gesetzgeberisch so behandelt werden, dass eine wettbewerbsverzerrende Konkurrenzsituation zum Einzelhandel nicht entsteht.

Ich bin sicher, dass das Land die dazu erforderlichen ordnungspolitischen Steuerungsinstrumente implementieren kann. Ich denke vor allem an eine sinnvolle Periodisierung mit alternierenden Standorten.

Werden diese Gesichtspunkte beachtet, so wird die nun vorgesehene Gesetzesänderung nach meiner festen Überzeugung den Wünschen und Bedürfnissen aller Beteiligten Rechnung tragen.

Die Bürger können die von ihnen so geschätzten Marktveranstaltungen weiter bzw. wieder besuchen, die wirtschaftliche Grundlage der Marktveranstalter und der Standbetreiber bleibt gewahrt. Gleichzeitig werden auch die Interessen derjenigen berücksichtigt, die auf die Sonn- und Feiertagsruhe nicht verzichten wollen.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung wird sich nicht von der Aufgeregtheit der Debatte anstecken lassen, sondern in nüchterner Weise einen Interessenausgleich zustande bringen.

Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die im Entschließungsantrag vorgesehene Erörterung dieses Themas in den Ausschüssen für Inneres, für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten sowie für Arbeit, Gesundheit und Soziales und sind gern bereit, das Ergebnis unserer Prüfung in diesen Ausschüssen vorzustellen und dann mit Ihnen gemeinsam die beste Lösung zu finden. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die Debatte der Fraktionen beginnt mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Es spricht die Abgeordnete Frau Rogée. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wenig, wie hier sind, so klein ist auch die Branche, um die es geht.

Es ist eigentlich keine Aufgeregtheit in der Debatte, Herr Püchel. Das, was bisher gesagt worden ist, verbindet sich ganz gut mit dem, was ich sagen möchte.

Die Fraktion der PDS hat für diesen Tagesordnungspunkt einen Änderungsantrag eingebracht, der auf eine schnelle und praktische Lösung hinsichtlich der Durchführung von Waren-, Kram- und Trödelmärkten gerichtet ist. Wir wollen keine Diskussion über das Problem, sondern über Lösungen.

Es liegen bereits Vorschläge von der IHK vor. Herr Zeidler hat Vorschläge unterbreitet. Ihre Bedenken, unter anderem hinsichtlich des Ladenschlusses, muss man auch berücksichtigen; das ist richtig. Wir wollen, dass über diese Sachverhalte schnell diskutiert wird.

Es geht uns hierbei nicht darum, Sonn- und Feiertagsarbeit auf Teufel komm raus zuzulassen. Dazu kennen Sie unsere Position als PDS und auch meine persönliche Position recht gut. Nein, es geht darum, für kleine Unternehmen, die kaum eine Chance haben und auch - die Betonung liegt auf „auch“ - die Sonn- und Feiertage

für ihre Geschäftstätigkeit brauchen, Lösungen zu finden.

Seit einem Jahr signalisieren die Organisatoren von Messen und Märkten, dass sie durch Entscheidungen der Regierungspräsidien existenzielle Probleme bekommen werden. Der Grund dafür waren Urteile des Verwaltungsgerichts Dessau - sie sind hier schon benannt worden - und Beschlüsse des Oberverwaltungs- gerichts Sachsen-Anhalt.

Die bereits seit zehn Jahren durchgeführten und zur Tradition gewordenen Messen und Märkte sind jetzt nur noch unter schwierigen Umständen möglich. Obwohl den Verantwortlichen seit langem klar war, dass die Rechtslage nicht abschließend geklärt ist, wurde das Sonn- und Feiertagsgesetz großzügig gehandhabt. Betroffene haben sich bereits im Februar an alle Verantwortungsträger und Landtagsabgeordneten mit der Bitte um schnelle Hilfe gewandt. Bis heute wurde keine Lösung gefunden. Gerade deswegen finde ich den Ausdruck „aufgeregte Debatte“ nicht gut.

Am 24. Februar 2000 habe ich Ihnen, Herr Innenminister, geschrieben und um Unterstützung bei der Klärung des Sachverhaltes gebeten. Mit Schreiben vom 17. April 2000 haben Sie mir geantwortet und mitgeteilt, dass mein Schreiben zuständigkeitshalber an das Wirtschaftsministerium weitergeleitet worden sei. Seitdem habe ich aber keine Informationen mehr erhalten, getreu dem Motto: Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts.

In Anhörungen konnten die Betroffenen Hoffnung und Zuversicht schöpfen, denn die Teilnehmer waren sich durchgängig einig: Hier muss schnelle Hilfe her! Dennoch ist bereits ein Jahr vergangen.

Es handelt sich um kleine Unternehmen, die jede Messe und jeden Markt brauchen, um ihre Existenz zu sichern. Gerade den Kleinen wird als Überlebensalternative zum allgemeinen Einzelhandel immer die Empfehlung gegeben, sich Nischen zu suchen, um ihren Unternehmungsgeist und ihre Flexibilität zu beweisen. Dafür müssen jedoch klare Voraussetzungen geschaffen werden.

Ich frage mich zunehmend, ob das Fehlen dieser Voraussetzungen nicht vielleicht gewollt ist; denn meine Wahrnehmung aus großen Einzelhandelsunternehmen und Centern ist, dass diese Messen und Flohmärkte als Konkurrenten gesehen werden, und die Lobby der großen Einzelhändler und der Center ist natürlich größer als die der kleinen Markttreibenden.

Deshalb möchte ich einen kurzen Exkurs zu den Gewerbean- und -abmeldungen machen. Im ersten Quartal gab es in Sachsen-Anhalt 5 300 Gewerbeanmeldungen. Das waren schon 9,35 % weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dem standen noch 5 600 Gewerbeabmeldungen gegenüber. Darin eingeschlossen sind auch Unternehmen, über die wir hier reden.

Die Durchführung von Trödelmärkten sichert außerdem Einnahmen für Kommunen - das ist vorhin schon genannt worden - und die Existenz der Organisatoren. Ich habe erste Signale, dass in nächster Zeit Entlassungen vorgenommen werden müssen, wenn wir das Problem nicht lösen können.

Die Fraktion der PDS erwartet von der Landesregierung schnelles Handeln, nicht im historischen Sinne, sondern in kürzester Zeit. Mir macht Angst, wie wir durch Nichthandeln zusehen, wie wieder ein Mosaikstein unserer föderalen Wirtschaftsstruktur kaputtgeht. Wir finden, ein Jahr Ungewissheit für Unternehmen und Kommunen ist

lange genug. Deshalb haben wir unseren Änderungsantrag noch einmal konkretisiert. Haben Sie den Mut und stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. - Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Wiechmann. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein wenig wundert mich schon die Begründung zur Einbringung des Antrages der SPD-Fraktion, wenn ich an unsere gestrige Debatte zum Ladenschlussgesetz denke. Deswegen begrüße ich auch ganz besonders die Ausführungen des Herrn Innenministers Dr. Püchel, der noch einmal darauf hinwies und zusagte, zu prüfen, zu berichten und nach Möglichkeiten einer Lösung dieses Problems zu suchen.

Dennoch, meine Damen und Herren, begrüße ich vom Grundsatz her den Antrag der SPD zur Neuregelung der Durchführung von Kram- und Trödelmärkten, auch Flohmärkte genannt. Wenn ich bewusst den Begriff Warenmarkt herausgelassen habe, dann deshalb, um nicht Gefahr zu laufen, unserer Meinung aus der Aktuellen Debatte vom gestrigen Tag zum Ladenschlussgesetz zu widersprechen.

Flohmärkte, die ja keine Dauereinrichtung in den einzelnen Städten sind, sondern eher Ausnahmecharak- ter tragen, sind in jedem Falle eine Bereicherung des städtischen Lebens und des Lebens unserer Menschen in den Städten und Gemeinden. Sie werden in der Bevölkerung stark angenommen - das wissen Sie so gut wie ich - und keineswegs als Belästigung oder Störung der Feiertagsruhe empfunden.

Ich wende mich jedoch entschieden gegen eine Öffnung der stationären Verkaufseinrichtungen mit dem gesamten Warenangebot ihrer Läden. Ausnahmen bilden Angebote von An- und Verkaufsläden sowie Antiquitätengeschäfte, sofern sie ihr Geschäft in einem Stand auf dem Markt betreiben.

Ich wende mich auch gegen die Teilnahme der so genannten ambulanten Händler, die ihre Waren ansonsten auf regelmäßigen Wochenmärkten feilbieten. Trödelmärkte sollten wirklich keine so genannte Klamottenfront beinhalten. Sie sollten in gar keinem Falle das Erscheinungsbild eines Werktages bieten. Das aber ist nur gegeben, meine Damen und Herren, wenn Warenangebot, Händler und Publikum sich deutlich vom Wochentag unterscheiden.

Trödelmärkte sollen ein Freizeitvergnügen sein. Jahrmärkte - auch das wurde gesagt - und Traditionsmärkte haben einen völlig anderen Charakter, den ich auch kenne und erkenne.

Wir werden dem Antrag der Fraktion der SPD in den von mir genannten Punkten mit Ausnahme des Wortes „Warenmarkt“ zustimmen. - Danke sehr.

(Zustimmung bei der FDVP)

Vielen Dank, Herr Wiechmann. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Becker. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden den Antrag der SPD-Fraktion mittragen. Auch wir sehen ein großes Bedürfnis, in diesem Bereich Regelungen zu treffen. Wir hatten am 10. August zu diesem Thema in Halle eine große Anhörung, an der auch Herr Zeidler und Frau Fischer von der SPD-Fraktion teilgenommen haben. Dort hat sich tatsächlich ergeben, dass existenzbedrohende Gefahr im Verzug ist und dass tatsächlich gehandelt werden muss.

Wir sollten die Ausschussvorsitzenden bitten, diese Thematik trotz der Haushaltsberatungen möglichst bald auf die Tagesordnung der Ausschusssitzungen zu setzen.

Was die Antragstellung der PDS-Fraktion anlangt, so muss diese konkretisiert werden. In der vorliegenden Fassung können wir den Änderungsantrag nicht mittragen, weil er im Grunde genommen dazu auffordert, gegen eine Rechtsprechung zu verstoßen, wenn es heißt, an der bisherigen Genehmigungspraxis solle festgehalten werden. Das kann man Beamten wirklich nicht zumuten. Sie müssen noch konkretisieren, inwieweit Sie den Antrag umstellen. Möglicherweise können wir ihn dann in den Erstantrag integrieren. Übrig blieb, dass bis zum 31. Dezember ein entsprechender gesetzlicher Lösungsvorschlag auf den Tisch des Hohen Hauses kommt.

Also, wir tragen die Sache mit. - Herzlichen Dank.